Das Schicksal der 103. Trainingseinheit
Pünktlich warte ich am nächsten Tag auf dem Aussenplatz des Hauptquartieres, zusammen mit all jenen aus meiner Trainingseinheit, welche sich damals ebenfalls für den Aufklärungstrupp entschieden haben.
Ratlos schaue ich mich um… weshalb wurden wir hierher berufen?
Mit erhobenem Haupt, steht Kommandant Erwin vor uns, zusammen mit der Haupteinheit des Aufklärungstrupps.
Zudem haben sich noch einige Schaulustige um uns herum versammelt.
Mit einem lauten Räuspern beginnt der Kommandant zu sprechen: „Euch ist bestimmt aufgefallen, dass alle Soldaten der 103. Trainingseinheit hier anwesend sind. Dies natürlich nicht ohne Grund… die Verteidigung von Trost liegt erst seit ein paar Stunden zurück und dennoch werdet ihr erneut mit den Titanen konfrontieren.“
Ein Raunen geht durch die Menge.
Emotionslose sowie entsetzte Gesichter sind zu erkennen.
Was hat Erwin Smith vor?
Hilfesuchend schaue ich zum Hauptgefreiten.
Als sich unsere Blicke treffen, wendet er sich unerwartet ab und verlässt das Gelände.
„Es wird fünf Gruppen geben. Jede Gruppe wird ein anderes Ziel bekommen. An diesem Ort müsst ihr etwas Bestimmtes mitbringen… was das ist, werdet ihr dort erfahren. Da sich die Zielorte alle ausserhalb der sicheren Mauern befinden, müsst ihr wachsam sein. Alles weiter erfahrt ihr, wenn ihr zurück seid und bestanden habt.“ Nachdem er diese Worte ausgesprochen hat, werden wir über unseren Zielort informiert.
Die folgende Stille drückt auf unsere Gemüter.
Irritiert blicke ich zu meiner Freundin Olara, welche ebenfalls keinen Schimmer hat, was hier abläuft.
Seit dem Auftauchen des Kolossalentitans, scheinen nicht nur die Bewohner angespannt zu sein, sondern auch viele Oberhäupter.
Aber wir dürfen den Befehl nicht verweigern, weshalb wir uns bereit machen.
Unruhig sitze ich auf meiner schwarzen Stute und tätschle ihren Hals.
Blaze stapft aufgeregt mit ihren Vorderhufen und wiehert vor sich hin.
Ich bin weder mit Olara noch mit Liam in einer Gruppe, was mich etwas nervös macht.
Liam und ich sind ein eingespieltes Team… warum also sollte man uns bei dieser Aufgabe trennen?
Es ist alles still, bis plötzlich Kommandant Erwins Stimme ertönt:,,Öffnet die Tore!“
Da wir nicht wie gewohnt durch das Tor von Trost können, müssen wir zum ersten Mal durch das Tor von Karanese.
Auf den Befehl hin beginnt das schwere Tor sich zu bewegen.
Langsam kriecht das Licht unter dem Stein hervor und mir wird bewusst dass es jeden Augenblick losgeht.
Ich mache mich bereit und wünsche mir selbst erst mal eine grosse Portion Glück, danach sind Liam und Olara dran.
Ein mulmiges Gefühl macht sich in mir breit, wie jedes Mal wenn sie die Tore öffnen und wir in das Unbekannte reiten.
Ich erinnere mich noch gut an meine erste Expedition… mein ganzer Körper hat vor Aufregung gebebt und mir war zum Weinen zumute.
Heute ist dies anders… ich habe mich zwar noch nicht daran gewöhnt aber ich reite mit dem Gedanken heute nicht zu sterben.
„Keira!“ aus dem Augenwinkel erspähe ich Armin und Mikasa mitten in der Menschenmenge.
Die beiden schauen mich mit einem bestürzten Gesichtsausdruck an.
Jedoch habe ich keine Zeit mich von ihnen zu verabschieden, denn es geht bereits los.
Mit einem Druck, welchen ich durch meine Schenkel ausübe, beginnt Blaze in den Trab überzugehen und anschliessend in den Galopp.
Kaum sind wir unter dem grossen Tor hindurch, erstreckt sich ein wolkenbedeckter Himmel vor uns.
Ich hebe meinen Kopf, als ich bereits den ersten Regentropfen auf meiner Stirn spüre.
Genervt ziehe ich die Kapuze meines dunkelgrünen Umhangs über.
Nach einer kurzen Strecke, trennen sich die verschiedenen Gruppen in unterschiedliche Richtungen.
Der Regen wird stärker.
Regentropfen pirschen mir ins Gesicht, laufen meinen Wangen runter und hinterlassen nichts als Kälte und Nässe.
Meine Haare fallen im wirren Durcheinander über meine Schultern, sind feucht und völlig zerzaust.
Wir sind noch nicht lange unterwegs als plötzlich jemand:,, Titan!“, ruft.
Abrupt reisse ich meinen Kopf zur Seite und entdecke etwa dreissig Meter von meinem Flügel entfernt einer von ihnen auf uns zu stürmen.
Wir befinden uns immer noch in der Mauer Maria, weshalb unsere Verteidigungsmöglichkeiten noch besser sind.
Ausserdem müssen wir auf keine Erlaubnis für einen Angriff warten, was uns mehr Spielraum gibt.
Ich überlege nicht lange und handle schnell: „Ich übernehme ihn.“
Die Zügel von Blaze übergebe ich jenem Soldat, der neben mir reitet.
Dann fixiere ich einen günstigen Punkt an und feure den Anker los.
Elegant gleite ich durch die Luft, mache eine kleine Umdrehung um den Titanen, ehe ich ihn mit einem gezielten Schnitt beseitige.
Der riesige, leblose Körper des Titans knallt zu Boden.
Langsam und immer schön im Gleichgewicht lande ich direkt neben meiner Gruppe, welche auf mich gewartet hat.
„Klasse gemacht Keira!“ loben sie mich sogleich, während ich auf meine Stute steige.
Wir setzen unseren Weg fort.
Bis Sonnenuntergang müssen wir mit der Mission zu Ende sein, ansonsten gilt die Prüfung als nicht bestanden und wir haben uns umsonst einem hohen Risiko ausgesetzt.
Jedoch frage ich mich immer noch was das eigentlich soll?
Es kam so plötzlich und unangekündigt, was noch nie der Fall war
Immerhin haben wir schon vor einem Jahr bestanden… sind lebend von gefährlichen Expeditionen zurückgekommen und jetzt schicken sie uns ohne erklärlichen Grund auf eine waghalsige Mission und prüfen unser Können?
Wir beschleunigen noch ein letztes Mal das Tempo, ehe wir vor einem Höhleneingang zum Stehen kommen.
„Wir sollen hier rein?“ quickt ein schwarzhaariges Mädchen aus meiner Gruppe, welche am ganzen Leib zittert.
Auch den anderen ist dies alles andere als geheuer.
„Ich bleibe hier und bewache die Pferde.“ Kommt es von einem anderen, der sich ebenfalls von dem Betreten der Höhle drücken will.
Ich verdrehe genervt die Augen: „Wir sind hier um einen Auftrag auszuführen, also reisst euch gefälligst zusammen!“
Natürlich bin ich auch nicht begeistert in diese dunkle, kalte Höhle zu gehen.
Es wird nicht gerade ein Spaziergang, aber es ist ein Befehl, den wir befolgen müssen.
„Kein Grund zum Trödeln. Lasst uns gehen!“ motiviert Teb seine Kameraden.
Er ist der einzige aus dem Team den ich beim Namen kenne.
Widerwillig betreten schlussendlich alle die Höhle.
Viele Gedanken gehen durch meinen Kopf.
So eine Expedition braucht normalerweise einen richtigen Anführer wie Kommandant Erwin, weshalb lassen sie uns also alleine losziehen?
Wir sind noch alle eher jung und unerfahren was eine Führungsposition betrifft.
Die meisten von uns gehen mit dem Kopf durch die Wand… so wie ich was dazu geführt hat, dass ich mein gesamtes Team ins Verderben geführt habe.
Mit leisen Schritten begeben wir uns immer weiter und weiter in die dunkle Höhle, bis wir vor einem schlafenden Titan zum Stehen kommen.
Gehört der etwa zur Prüfung?
Ich durchsuche mit meinen Augen die Höhle, kann jedoch nichts ausfindig machen, was wir von hier als Beweis mitbringen sollen.
„Verschwinden wir von hier.“ Das schwarzhaarige Mädchen zieht mich ängstlich an meinem Ärmel zurück.
Ich seufze, sie hat Recht, wir werden hier nichts finden.
„Ja, aber erst wenn er tot ist.“ Mit diesen Worten stürmt einer aus meiner Gruppe, ehe ich es verhindern kann, furchtlos und ohne Vorwarnung auf den Titanen zu.
Mit seinen lauten Schritten, weckt er den Titanen vor ihm auf.
Als dieser sich erhebt, müssen wir mit schrecken feststellen, dass es ein Abnormer ist.
Er reisst sein riesiges Maul auf, drückt sich mit seinen Beinen an der Felswand ab und springt direkt auf unseren Kameraden zu.
Der braunhaarige hat keine Chance mehr um auszuweichen und landet direkt in seinem Maul.
Meine Augen weiten sich, während unser Gefährte in zwei geteilt wird.
Das warme Blut fliesst aus dem Mund des Titanen und tropft auf den Boden.
Ich bin erstarrt und unfähig mich zu bewegen… wir haben überhaupt keine Option um den 3D-Manöver-Apperat anzuwenden.
Wie wollen wir diesen Titan der sieben Meterklasse ohne unsere Ausrüstung besiegen?
Plötzlich visiert uns das gefrässige Monster an und springt auf uns zu.
Er fuchtelt mit seinen grossen Händen wild umher und ehe ich mich versehe, werde ich voller Wucht gegen die Höhlenwand geschleudert.
Hart pralle ich auf und falle auf den kalten Boden.
Einen kurzen Moment dreht sich alles um mich herum und wirkt verschwommen.
Ich vernehme nur noch die Umrisse meiner Kameraden… drei versuchen gegen den Titanen anzukommen, während sich ein anderer aus dem Staub macht.
Ich muss ihnen helfen!
Benebelt stehe ich langsam wieder auf und suche einen Ausweg.
Wir haben keine andere Wahl als ihn vom Boden aus anzugreifen.
Wenn wir an seine Achillessehne kommen, können wir ihn so zum Fallen bringen und dann ausschalten.
Mit festem Griff umklammere ich meine Klingen.
Mein Herz pocht in einem schnellen Rhythmus und Adrenalin strömt durch meinen bebenden Körper.
Mit lauter Stimme rufe ich: „Wir müssen seine Achillessehnen treffen!“
Somit habe ich die Aufmerksamkeit von allen auf mich gelenkt.
Der groteskhässliche Titan stürmt nun auf mich zu.
Die beiden übrigen aus der Gruppe starten zum Angriff, während die schwarzhaarige ebenfalls aus der Höhle flieht.
Mit einem kräftigen Hieb gelingt es Teb den wunden Punkt zutreffen, aber der Feind fällt nicht.
Stattdessen dreht er sich um und bekommt den Jungen neben Teb zu fassen.
Keinen Augenaufschlag später verschlingt er ihn vor unseren Augen.
Ich presse meine Augen zusammen um die schrecklichen Bilder zu verdrängen.
Das darf nicht sein!
Erneut muss ich mit ansehen, wie meine Kameraden sterben, ehe ich erneut gegen die Felswand geschleudert werde.
Doch diesmal bin ich zu langsam um wieder aufzustehen.
Mit seiner Hand, drückt mich der Titan gewaltsam auf den Boden.
Mit weit aufgerissenen Augen, sehe ich meinem Ende entgegen, als plötzlich Teb unerschrocken auf seinen Rücken klettert und ihm einen kräftigen Schlag in den Nacken verpasst.
Im selben Zug befreit er mich aus den Fängen und setzt mich behutsam auf dem Boden ab.
Dabei fällt mir auf, dass er sich mit einer blutverschmierten Hand den Arm hält.
Er atmet schwer und scheint verletzt zu sein.
Instinktiv ziehe ich meine Lederjacke aus und binde sie fest um seinen offensichtlich gebrochenen Arm.
„Scheisse!“ stöhnt er mit schmerzverzerrtem Gesicht, worauf ich ihm sage er soll seinen Mund halten um nicht noch mehr Energie zu verschwenden.
Jedoch scheint nicht nur sein Arm gebrochen zu sein.
Seine Rippen schmerzen höllisch und er kann kaum einen Fuss vor den anderen setzen.
Nachdem ich ihn notfallmässig versorgt habe, schaue ich mich in der Höhle um.
„Sieh mal dort unter diesem Stein nach.“ Mit seiner gesunden Hand deutet der schwarzhaarige in eine Richtung.
Ich komme seinem Hinweis nach, hebe den Stein auf und entdecke ein feuchtes Pergament auf dem etwas geschrieben steht: „Glückwunsch. Ihr habt die Prüfung erfolgreich bestanden. Wenn ihr zurückseid, erklären wir euch alles weitere.“
Wutentbrannt zerknülle ich das Papier und verstaue es in meiner Tasche.
Ist das ihr ernst?
Wegen diesem verfluchten Pergament mussten unsere Kameraden sterben?
Was haben sie mit uns vor?
„Was ist das?“ will der verwundete Soldat wissen.
Ich winke ab, denn ich will nicht dass er sich unnötig aufregt und seine Gesundheit noch mehr gefährdet.
„Stütz dich an meiner Schulter ab. Ich bringe uns hier raus.“ Mit schmerzendem Gesichtsausdruck legt er seinen intakten Arm auf meine Schulter und wir setzten unseren Pfad fort.
https://www.YouTube.com/watch? v=pGDb__Js6pg
Es gelingt uns die Höhle ohne weiteren Schaden zu verlassen.
Draussen angekommen, ist von den anderen keine Spur in Sicht.
Elende Feiglinge.
Wahrscheinlich sind sie bereits ohne uns zurückgeritten.
Verwundet und angeschlagen haben sie uns rücksichtslos zurückgelassen.
Ich helfe dem schwarzhaarigen auf sein Pferd, ehe ich selbst auf Blaze steige und wir uns auf den Rückweg machen.
Wachsam durchsuche ich die Gegend ab und fixiere mich auf das kleineste Geräusch.
Ich will nicht dass wir noch überraschenden Besuch bekommen.
Nach einem langen Ritt, können wir endlich die Mauern sehen.
Der Regen hat nachgelassen und die sturmgrauen Wolken beginnen sich aufzulösen.
Auf unserem gesamten Rückweg ist uns lediglich ein Titan in die Quere gekommen, welchen ich allerdings einfach und schnell besiegen konnte.
Wir werden bereits erwartet.
Zuvorkommend helfe ich meinem verwundeten Kameraden von seinem Pferd.
Mit langsamen Schritten begeben wir uns zum Kommandanten.
Tonlos und mit zornigem Blick übergebe ich ihm das zerknitterte Pergament.
„Ihr habt beide bestanden.“ Spricht er mit ruhiger Stimme.
Der schwarzhaarige neben mir lächelt gequält ehe, er von zwei anderen Soldaten ins Lazarett gebracht wird.
„Keira!“ die Stimme von Liam dringt in meine Ohren.
Ich drehe mich in seine Richtung, ehe er mich erleichtert in seine Arme schliesst.
„Ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist!“ haucht er mit müder Stimme und drückt mich fest an sich.
Sein Hemd ist durchnässt und völlig blutverschmiert und sein Körper ist glühend heiss.
„Nur wir beide aus unserer Gruppe haben es geschafft.“ Offenbare ich ihm und löse mich aus seiner Umarmung.
Wut kocht in mir auf.
Zornig balle ich meine Fäuste, während ich Kommandant Erwin im Blickfeld habe, welcher mir den Rücken zugedreht hat.
Ich bin stocksauer auf ihn und kann meine Gefühle nicht zurückhalten.
Mit grossen Schritten stapfe ich auf den Blonden zu, der mich schon kommen hört.
Er dreht sich ruckartig um und fängt geschickt meine Faust mit seiner Hand ab.
Purer Hass blitzt in meinen Augen auf.
Reflexartig hole ich mit meiner anderen Hand zum Schlag aus, als mich plötzlich jemand von hinten festhält.
Zwei starke Arme, ziehen mich von Smith weg, welcher mich monoton betrachtet.
„Was zum Teufel sollte die Prüfung!“ schreie ich mein Gegenüber an und halte mich mit meinen Worten nicht mehr zurück.
Zu welchem Zweck mussten wir eine solche Tortur durchstehen?
Obwohl ich fuchsteufelswild bin und dem Kommandanten am liebsten eine reinhauen würde, sammeln sich Tränen in meinen Augen.
„Bring sie an einen sicheren Ort Levi.“ Befiehlt der Blonde, ehe er sich zurückzieht.
Wutentbrannt schaue ich ihm nach und versuche mich aus dem Griff zu befreien.
„Komm jetzt!“ vernehme ich Levis Stimme hinter mir.
Er ist es also der mich zurück hält.
„Lass mich los!“ knurre ich und winde mich hin und her… doch Ackermann ist stärker als er aussieht.
Ich sammle all meine Kräfte und schliesslich gelingt es mir mich mit einem Arm zu befreien.
Jetzt muss ich nur noch meine andere Hand befreien, aber dies lässt der Hauptgefreite nicht zu.
Mit viel Schwung presst er mich gegen eine nahegelegene Hausfassade und mustert mich durchdringend.
„Hast du sie nicht mehr alle?“ kreische ich ihn an und kann mich vor Wut kaum noch halten.
Dass sich Kommandant Erwin ohne jegliche Rechenschafft zurückzieht und aus meinem Blickfeld verschwindet macht mich nur noch rasender.
„Keira, das ist eine der Situationen, in der du wahnsinnig angefressen bist, dich aber lieber zügeln und auf mich hören solltest! Lass uns gehen.“ Beruhigend und dennoch berechnend redet er auf mich ein.
Erwin hätte meine Faust verdient.
Wie kann er uns unnötig opfern?
Es war nicht mal eine Expedition und es hat nicht mal etwas für die Menschheit gebracht.
Wieso?
Wieso mussten wir eine solche hirnrissige Prüfung machen?
Kommentare (17)
Deine Story ist echt gut
Freu mich schon aufs nächste Kapitel Wann schreibst du weiter?
Dann dauert es vielleicht 3 Tage bis sie aufgeschalten sind
GLG Guren
Bist du dir sicher, dass du diesen Kommentar löschen möchtest?