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Lizas Leben auf Hogwarts

Hier kannst du alles über Liza und ihr Leben auf Hogwarts erfahren!

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    ~Seine Sicht~
    Mein Bruder war eine absolute Niete. Das Schlimme daran war, dass er es selbst nicht wusste. Es war unglaublich wie er hier durch das Haus stolzierte und sich wie ein König aufspielte. Es war überhaupt verwunderlich, dass er überhaupt da war. Normalerweise verbrachte er seine Ferien bei seinem besten Freund aus der Schule. Mein Bruder hatte sicher nur wieder irgendetwas vergessen. Er hatte sich wirklich den besten Tag ausgesucht, denn Mutter und Vater waren heute ausgegangen. Sie waren nicht gut auf ihn zu sprechen, seit er sein Zimmer verändert hatte. Mir stahl sich ein Lächeln aufs Gesicht, als ich mich wieder an Mutters Wutschrei erinnerte. Sie hatte ihn in die Hölle gewünscht und das tat ich auch des Öfteren. Es war erstaunlich wie unterschiedlich wir waren. Alles was er mochte, verabscheute ich und umgekehrt. So waren wir eben und so würde es auch immer sein. Eines würden wir aber immer bleiben, nämlich Brüder, egal wie sehr wir es hassten, dieses Band würde uns bis in alle Ewigkeit verbinden.

    ~Deine Sicht~
    Walburga Black war eine äußerst liebenswürdige Frau. Und Ironie war etwas Wunderbares.
    Es gibt Menschen, die sollte man einfach treffen und diese Frau gehörte dazu. Nach einem Treffen mit ihr, würde jede andere Person harmlos wirken. Vielleicht nicht Du – weißt – schon – wer, aber sonst würde jeder erschreckend ungefährlich erscheinen.
    „Sirius, ich weiß wirklich nicht, ob das eine gute Idee ist“, gab ich zu bedenken.
    „Stell dich nicht so an, Leo. Meine verkorkste Familie ist gar nicht da“, beruhigte mich Sirius.
    Ich war trotz allem noch skeptisch, denn ich verspürte nicht den Wunsch erwischt zu werden.
    „Wo sind eigentlich Wurmschwanz und Moony, wenn man sie mal braucht?“, meldete sich James zu Wort.
    „Das weißt du doch. Moony hatte gestern wieder seine schlimme Nacht und ruht sich jetzt aus und Peter, nun ja…“, begann ich.
    „..Peter ist einfach nicht in der Lage zu apparieren“, fügte Sirius an.
    Endlich hatte Sirius es geschafft das Schloss zum Grimmauldplatz Nummer zwölf zu knacken. Als ich das Haus betrat, überkam mich eine Gänsehaut. Direkt im Flur hing ein großes Portrait von Sirius‘ Mutter. Einige Meter weiter stand eine Tür offen. Man konnte erkennen, dass die Wände mit einem Wandteppich bedeckt waren, der einen Stammbaum zeigte. Sirius zog James mit sich in dieses Zimmer und deutete stolz auf einen verbrannten Fleck ziemlich weit unten. Bei genauerem Hinsehen konnte ich erkennen, dass der Name von Sirius unter dem Brandfleck stand. Es gab noch einige andere weitere Flecken. Den einen erkannte ich bei Sirius‘ Onkel Alphard, der ihm ein beträchtliches Erbe hat zukommen lassen.
    „Sollten wir uns nicht beeilen? Was wenn dieser Hauself auftaucht?“, fragte ich verunsichert.
    Sirius, der immer noch stolz vor seinem Brandloch stand, nickte mir zu und wurde ernster. Keiner von uns war erpicht darauf, dass Kreacher uns erwischte und womöglich Sirius‘ Mutter alles petzte. Sirius führte uns eine enge, dunkle Treppe hinauf. Es war so dunkel hier, dass man die Stufen kaum erkennen konnte. Irgendwann stoppen wir und ich erkannte, dass wir uns ganz oben, direkt unter dem Dach befanden. Hier gab es nur zwei Türen. Zielstrebig öffnete Sirius die eine Tür und präsentierte mir und James zufrieden sein Zimmer. Es war unordentlich und dominiert von Rot und Gold – den Farben von Gryffindor. An den Wänden hingen Poster aus Zeitschriften der Muggel, die Mädchen in Bikinis zeigten. Ich mochte und bewunderte Sirius für das, was er getan hatte. Es war allgemein bekannt, dass die Blacks eine äußerst schwarzmagische Familie waren und Sirius war der erste, der nicht in Slytherin war. Schon früh hatte er sich gegen seine Eltern gestellt und war dann mit sechszehn von zu Hause abgehauen, natürlich zu seinem besten Freund. Auch wenn er es sich nicht gerne anmerken ließ, in Sirius stecke noch viel mehr als der Schulschwarm der gesamten weiblichen Bevölkerung von Hogwarts.
    „Also ich sage euch, was mitkommt und das alles kommt erst einmal in den Keller der Potters. Bekommst du das hin, Leo?“, fragte Sirius.
    Ich zog die Augenbrauen hoch. Auch wenn ich erst vor einer Woche siebzehn geworden bin und im Gegensatz zu James und Sirius noch ein Jahr auf Hogwarts hinter mich bringen musste, war ich sehr wohl in der Lage zu apparieren.
    Ich brauchte nichts zu sagen, denn Sirius begann zu grinsen und machte sich stumm ans Werk seine Schränke zu durchsuchen. Als ich von meiner ersten Tour zurück kam, bemerkte ich, dass die zweite Tür nur angelehnt war. Meine Neugier siegte und ich ging auf sie zu. In großen Buchstaben stand dort: Regulus Arcturus Black.
    Sirius‘ Bruder war das genaue Gegenteil von ihm. Ich kannte ihn vom Sehen, denn wir gingen in den gleichen Jahrgang und ich musste ihn in Zaubertränke, Pflege magischer Geschöpfe und Astronomie ertragen. Letztes Jahr hatte Sirius uns dann erzählt, dass sein Bruder ein Todesser geworden war und ihm es nun reichte mit solchen Menschen unter einem Dach zu leben. Die Brüder hatten sich noch nie verstanden und in der Schule war es immer so, als würden sie sich nicht kennen.
    Ich stupste die Tür an und wurde von der Flut an Empfindungen erschlagen. Das, was wohl am meisten ins Auge viel, war das Familienwappen der Blacks, das riesig an der Wand über seinem Bett prangte. Die Wände waren in einem dunklen grün gestrichen und überall fand man etwas in silbern – grün für Slytherin. Das Zimmer war etwas kleiner als das von Sirius, aber genauso luxuriös ausgestattet. Es gab ein Himmelbett ohne Baldachin und alle Möbel waren aus schwerem, dunklem Holz. Ich fühlte mich beklommen und dieses Gefühl verstärkte sich noch mehr, als ich die Wand mit den Zeitungsausschnitten von Du – weißt – schon – wem fand. Es war so, als hätte er hier so etwas wie einen Altar für seinen Meister erbaut. In den Ausschnitten war die Rede von seinem Aufstieg und den zahlreichen Opfern, die er im ganzen Land zurück ließ. Das einzig persönliche war ein Foto von der Quidditchmannschaft von Slytherin, in der er als Sucher spielte und ein Portrait seiner Familie, auf dem Sirius weggerissen wurde.
    „Was machst du hier?“, fragte eine dunkle Stimme, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.
    Ich drehte mich um und starrte in kalte, graue Augen. Regulus war etwas kleiner als Sirius, zwar dünn aber nicht schmächtig. Er hatte aber erstaunlich viel Ähnlichkeit zu Sirius, auch wenn er nicht ganz an Sirius‘ Schönheit heranreichte. Auch er hatte schwarze Haare, die ihm bis auf die Schultern reichten und die grauen Augen. Wenn er mich ansah lag allerdings keine Freude in ihnen wie bei Sirius, sondern eine Wut und eine Wildheit, die mir einen Schauer über den Rücken jagte. Erst jetzt entdeckte ich den gezückten Zauberstab in seiner Hand und wollte gerade nach meinem eigenen greifen, als Sirius mich rettete.
    „Lass sie in Ruhe“, lässig lehnte Sirius am Türrahmen und sah genervt zu seinem Bruder. Regulus drehte sich blitzschnell zu Sirius um und sah ihn hasserfüllt an und wollte auf ihn losgehen, als ich ihn aber entwaffnete und sein Zauberstab sicher in meiner Hand landete.
    „Gegen uns drei kommst du nicht an, Black“, mischte sich nun auch James ein.
    Ich fühlte nur den erstaunlich schweren Zauberstab in meinen Händen und fragte mich unwillkürlich, was Regulus Black damit schon angestellt hatte. Hatte er schon jemanden getötet? Der Griff lag kühl in meiner Hand und ich musste mich davor ekeln. Ich sah auf die langen Ärmel seines Pullovers und meinte das Dunkle Mal darunter zu sehen. Augenblicklich ließ ich den Stab fallen, der dumpf auf dem Holzboden aufschlug. Dann stellte ich mich neben Sirius, der sofort einen Arm um meine Schulter legte und mir einmal durch meine blonden Locken strich.
    Sirius starrte weiter seinen Bruder an, als er sagte: „Danke Leo, aber du solltest dich wirklich nicht in der Höhle des Bösen herumtreiben. Du kotzt mich an, Bruder. Ich bin froh, dass ich dich jetzt zum letzten Mal in meinem Leben sehen muss.“

    Wir brachten auch den Rest von Sirius‘ Sachen zu den Potters und saßen später bei James im Garten. Mrs. Potter, eine besonders liebenswürdige Frau, hatte uns Limonade gemacht.
    „Ich weiß wirklich nicht, wie ich das letzte Jahr ohne euch aushalten soll!“, klagte ich und ließ meinen Kopf auf den Tisch fallen.
    James tätschelte meinen Rücken. Ich kannte ihn am längsten, denn wir waren Nachbarn. Meine Eltern wohnten nur einige Häuser weiter. Durch ihn hatte ich dann schließlich Sirius, Remus und Peter in Hogwarts getroffen und wir waren gute Freunde geworden.
    „Das Jahr geht schneller rum, als du denkst“, versuchte Sirius mich aufzumuntern, „Du wirst schon sehen.“
    „Ja, dann kannst du zu uns kommen und wir kämpfen gemeinsam gegen die Todesser“, erklärte James und lächelte mich an.

    ~Zeitsprung~
    Ich hatte recht behalten. Das letzte Jahr ohne sie war schrecklich langweilig. Keine Streiche mehr und niemandem mit dem ich so reden konnte. Ich hatte zwar noch meine Freundinnen aus meinem Jahrgang, aber es war nicht das gleiche. Oft schrieben mir meine Freunde und ich musste zugeben, dass ich zum einen ziemlich neidisch war und zum anderen machte ich mir große Sorgen und freute mich immer, wenn ich hörte, dass es ihnen gut ging. Sie erlebten jetzt so viel und ich saß hier und musste für meine UTZ büffeln. Manchmal war das Leben schon sehr unfair.

    Ich litt unter der Last des Schulstoffs und fragte mich immer wieder wie meine Freunde das alles nur schaffen konnten und nebenbei noch Zeit für ihre anderen Dinge hatten.
    Es war kurz vor Weihnachten und erstaunlich kalt im Schloss. Bald würde die Sperrstunde beginnen und ich wollte vorher unbedingt den Gemeinschaftsraum erreichen, da ich erst letzte Woche von Filch erwischt worden war. Nachsitzen wollte ich mir nicht schon wieder einhandeln. Ich stand von meinem Platz auf und räumte die Bücher in die richtigen Regale, als ich aus dem Augenwinkel noch eine andere Bewegung ausmachte. Es war niemand geringeres als Regulus Black, der mit solcher Eile aus der Bibliothek eilte, dass ihm einige Blätter aus seiner noch offenen Tasche flogen. Ich sah ihm skeptisch nach und hob die Blätter auf. Es war nichts besonderes dabei: die Hausaufgaben für Verwandlung, ein Mitschrieb aus Kräuterkunde und ein besonders fleckiges Papier, dass bestimmt von dem Kesselbrand so mitgenommen war, den Regulus letzte Woche in Zaubertränke verursacht hatte. Da hatte ich ihn noch ausgelacht und hatte schadenfroh zu ihm geblickt. Ich sah dann noch ein Blatt Pergament auf dem Boden liegen, hob es auf und darauf ließen sich schon weitaus interessantere Dinge finden. Zum einen stand oben in der linken Ecke fein säuberlich: ‚Horkrux‘. Das war ein komisches Wort, ich hatte es noch nie gehört und wusste rein gar nichts damit anzufangen. Weiter unten fand ich eine Adresse aus einem heruntergekommenen Teil von London, über der Adresse stand: ‚Waisenhaus‘.
    Ich hatte das Gefühl, dass das irgendwie wichtig war und sprintete los, in der Hoffnung Regulus noch abzufangen. Ich lief in die Kerker und sah noch seinen Umhangsaum um die Ecke flattern. Laut rief ich nach ihm und tatsächlich blickte er im nächsten Augenblick um die Ecke. Ein Schleier der Verachtung breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er mich sah. Ich hielt die Bögen Pergament hoch und er kam auf mich zu.
    „Was ist, Owens?“
    Ich blickte ihn verärgert an und zeigte einfach nur auf das Wort: „Was ist das?“
    Ich konnte deutlich sehen, dass in seinen Augen Panik lag, die er versuchte zu überspielen. Er riss mir sofort die Bögen aus der Hand und meinte nur: „Das willst du nicht wissen.“
    „Ich glaube doch, sonst hätte ich kaum danach gefragt, ist das für deinen Lord?“, fragte ich und spuckte das letzte Wort aus, dann fügte ich noch hinzu: „Und was sollte das überhaupt im Sommer?“
    „Du hattest nichts in meinem Zimmer zu suchen. Er hatte nichts dort zu suchen“, mit ‚Er‘ konnte Regulus ja nur Sirius meinen, „Was spielst du dich überhaupt so auf? Kreuzt hier in den Kerkern auf, fragst mich nach etwas auf meinem Pergament. Wir sind keine Freunde, du gehörst nur zu ihm. Was fällt dir also ein?“, seine Stimme war kalt und bissig.
    „Du bist ein Todesser, da sollte man immer auf der Hut sein“, meinte ich und erinnerte mich an die Worte von Sirius vor fast einem Jahr, als er uns mitgeteilt hat, was sein Bruder getan hatte.
    „Und? Hast du jetzt Angst?“, die Frage war nur geflüstert, aber ich spürte wie ich Gänsehaut bekam. Seine Stimme war so ruhig und gefasst, so bedrohlich, aber dann wieder so betörend. Er machte einen Schritt auf mich zu und drängte mich so gegen die kalte Kerkerwand.
    Ich flüsterte: „Nein, ich habe keine Angst.“
    Plötzlich lächelte er leicht und in diesem Moment sah er Sirius unendlich ähnlich. Ich atmete auf, weil dieses Bedrohliche aus seinen Augen verschwunden war, dann deutete er wieder auf das Wort ‚Horkrux‘ und meinte: „Ja, es hat mit dem dunklen Lord zu tun. Gut, dass du es mir wieder gebracht hast.“
    Jetzt wurde mir doch wieder mulmig. Ohne ein weiteres Wort und ohne sich umzudrehen, ging Regulus wieder um die Ecke. Ich löste mich erst wieder aus meiner Starre, als seine Schritte verklangen waren.

    In den nächsten Tagen hatte ich sehr mit mir zu kämpfen. Zum einen fragte ich mich, ob ich Regulus bei Professor Dumbledore melden sollte, aber irgendwie brachte ich es nicht über mich. Ich war nie jemand gewesen, der andere bloßstellte oder verriet. Dann schlichen sich immer wieder Sirius‘ Worte in meinen Kopf: „Er gibt einen so viel besseren Sohn als ich ab. Mum und Dad sind ja so stolz auf ihn, ein richtiger Todesser in der Familie.“
    Ich fragte mich außerdem, was das Wort zu bedeuten hatte und was es mit dieser Adresse auf sich hatte. Regulus hatte gemeint, es hätte mit dem dunklen Lord zu tun, aber mal ehrlich, war er so wichtig? Niemand in seiner Familie war sonst ein Todesser, sie verehrten nur Du – weißt – schon – wen und hatten einen Wahn nach reinem Blut. Zuerst wollte ich Sirius davon schreiben, aber ich war mir sicher, dass er nichts davon hören wollte. In solchen Momenten vermisste ich Lily, sie hatte immer gewusst, was zu tun war.
    Tatsächlich ließ mich die Sache gar nicht mehr in Ruhe, sodass ich mich auf die Suche nach der Bedeutung des Wortes Horkrux machte. Einen Lehrer würde ich aber nicht fragen, denn wenn das etwas mit Du – weißt – schon – wem zu tun hatte, sollte man mich da nicht in Verbindung bringen.

    Meine Bemühungen blieben aber ohne Erfolg. Dennoch ertappte ich mich immer wieder dabei, wie ich mal hier und mal da zu Regulus blickte. Ich vermisste Sirius und die anderen und da war es nur verständlich, dass ich in Regulus den einzigen Halt zu meinen Freunden sah. Er war schließlich Sirius‘ Bruder. Dazu kam, dass ich mir aus irgendeinem Grund Gedanken um ihn machte. So wie er da in den Kerkern gestanden hatte Ich hatte mich auch wirklich immer nur für Sirius interessiert, weil er sich gegen seine Familie auflehnte und damit die gleichen Ideale hatte wie ich. Ich hatte Sirius‘ Mut immer geschätzt genauso wie seine Loyalität zu dem, was ihm wichtig war und zu seinen Freunden. Regulus hingegen fraß seinen Eltern aus der Hand und das konnte ich einfach nicht leiden. Er hatte alles genau so übernommen, wie sie es ihm gesagt hatten. Schon allein die Tatsache, dass er ein Todesser war, reichte aus, um ihn zu meiden, was ich auch tunlichst machen sollte. Er war ein Slytherin.
    Allerdings hatte sich die Sache mit dem Horkrux in mir schon so sehr zu einem Sport entwickelt, dass ich einfach nicht die Finger von der Sache lasse konnte. Außerdem war es eine gute Ablenkung von dem ganzen Lernen, die mich noch wahnsinnig machen würde.

    So als würde eine unsichtbare Kraft mir zustimmen, war am nächsten Tag die Bibliothek voll mit gestressten Siebtklässlern, die nach Büchern suchten, verzweifelt etwas verstehen wollten, oder einfach nur Ruhe suchten. Ich erspähte Regulus an einem der hinteren Tische und setzte mich zu ihm. Er sah desinteressiert auf und blickte dann wieder auf sein Buch. Aha, Zaubertränke, ja, da war er nicht ganz so gut.
    „Ich finde einfach nicht, was dieser Horkrux ist“, flüsterte ich ihm zu.
    Erschrocken sah er auf und meinte ebenfalls flüsternd: „Spinnst du, Owens? Hier einfach so davon zu reden. Das hätte jemand hören können!“
    Den letzten Satz betonte er besonders energisch.
    Ich verdrehte die Augen: „Ich will einfach nur wissen, was es damit auf sich hat.“
    „Du bist viel zu neugierig, das tut dir nicht gut, Owens. Außerdem geht es dich überhaupt nichts an.“
    „Du kannst es mir einfach sagen und ich frage nicht mehr.“
    „Und ich werde dir jedes Mal sagen, dass du es einfach nicht wissen willst.“
    Warum stellte er sich so stur? Ich knuffte ihn in die Seite und meinte leise: „Blödmann.“
    Erst dann wurde mir bewusst, was ich da getan hatte. Mein Gesicht verfärbte sich rot, er sah mich verwundert an, musste aber lachen. Alle im näheren Umfeld sahen uns an. Madame Pince kam auf uns zu und schmiss uns aus der Bibliothek.
    Draußen auf dem Flur sagte er: „Du hättest dein Gesicht sehen müssen.“
    Ich war immer noch geschockt über mich selbst. Wieso machte ich denn sowas? Es stand ja außer Frage, dass er mich an Sirius erinnerte, aber ich musste das auseinander halten. Ich war in Gryffindor, er in Slytherin und er war auch noch ein Todesser. Ich hatte mir fest vorgenommen nach der Schule dem Orden beizutreten. Was machte ich also hier?
    Regulus stand immer noch da und sah mich mit unverblümtem Hass an. Ich spürte wie sich meine Kehle zuschnürte und ich Panik bekam, denn ich hatte noch nie jemanden gesehen, der voll so verbitterter Wut mich ansah.
    „Was ist jetzt mit diesem… Ding?“, wollte ich wissen, denn ich würde mich nicht einschüchtern lassen.
    „Du lässt wohl nie locker?“, knurrte er.
    „Nein“, meinte ich.
    Er murmelte bösartig: „Ich auch nicht.“
    Und da ging er. Ich fragte mich was das war. Seine Stimme war mindestens so bedrohlich wie beim letzten Mal und ich hätte fast angefangen zu zittern. Dennoch spürte ich in mir ganz deutlich, dass da mehr in ihm war. Ich merkte auch, dass es mich reizte dieses ‚mehr‘ kennen zu lernen. Es gefiel mir, dass er so einen bedrohlichen Eindruck machte. Ich fand es schlichtweg spannend.

    Ich zerbrach mir weiter den Kopf über den Horkrux und vor allem über mein Verhalten. Ich konnte doch nicht wirklich mit ihm umspringen wie mit Sirius.
    Je öfter ich ihn jetzt auch sah, er war einfach ein Slytherin und spielte sich auch auf wie einer. Ich hatte mitbekommen, wie er andere schikanierte und beschimpfte. Seine Freunde waren kein Deut besser und ich hätte gewettet, dass die auch schon Todesser waren.
    Beim morgigen Frühstück erhielt ich einen Brief von James.
    Er teilte mir mit, dass er und Lily heiraten würden, was mich ungemein freute. Sie wussten noch nicht wann und ob ich dann auch dabei sein könnte, aber ich freute mich trotzdem. Das würde die Welt vielleicht ein bisschen besser machen. Außerdem schrieb er mir, dass es wieder neue Todesfälle gab und Der – dessen – Name – nicht – genannt – werden – darf weiter an Kraft gewann.
    Mich beunruhigte das und als ich dann noch die Schlagzeile las, die von dem Tod eines Ordensmitglieds handelte wurde mir ganz anders. Es hieß, dass Todesser daran schuld seien und mein Blick heftete sich hasserfüllt auf Regulus. Was ich dann sah, verblüffte mich etwas. Er saß da und las ebenfalls die Titelseite, das konnte ich genau erkennen. Seine Miene drückte Besorgnis und Trauer aus. Müsste er sich nicht über den Erfolg seines Meisters freuen. Das ging doch nicht mit rechten Dingen zu.
    Später in Zaubertränke hörte ich wie seine Freunde sich über den Mord belustigten und er nur halbherzig lachte. Waren die so dumm oder fiel denen das wirklich nicht auf? Wem machte er da eigentlich was vor?
    In meinen Augen gab er einfach nicht den besten Todesser ab. Ich fragte mich, ob er jemanden umbringen könnte. Nun gut, er hatte wirklich fragwürdige Einstellungen zum Leben, aber jemanden töten? Ja, rein theoretisch dürfte es ein leichtes für ihn sein. Ich hatte ihn im letzten Schuljahr erlebt, als er noch durch die Gänge stolziert ist, als gehöre die Schule ihm und wie er die anderen gequält hatte. Einmal hatte er eine kleine Schülerin angreifen wollen, was ein Lehrer noch verhindern konnte. Er lief durch die Gänge wie ein König. Er war eben etwas besseres, weil er ein Black war. In meinen Ohren schwang immer wieder die Stimme von Sirius mit: „Er war der wahre Sohn der Familie Black… ein kleiner Prinz… ein echt Todesser, meine Güte waren sie stolz… so viel besser als ihr Erstgeborener, der sie alle in Schande gestürzt hatte… Regulus würde alles wieder richten… die Gemeinschaft der Zauberer reinigen und säubern von Schlammblütern.“ Bei diesem Gedanken wurde mir richtig schlecht. Ich hätte mich am liebsten übergeben.
    Dann sah ich ihn aber an und die Übelkeit wurde abgedämpft. Diese grauen Augen, die aussahen, als würde ein Sturm in ihnen wüten. Diese ruhige, bedrohliche Stimme, die mich erzittern lief und mir Schauer über den Rücken jagte. Seine schwarzen Haare, die – genauso wie bei Sirius – in wilden Locken auf seine Schultern fielen.
    Lag das wirklich nur daran, dass ich ihm Sirius wiedererkannte? Fiel er mir erst jetzt auf, weil Sirius weg war?

    Die Weihnachtsferien hatte ich zu Hause bei meinen Eltern verbracht. Ich hatte auch meine Freunde wieder gesehen und war unendlich glücklich gewesen. Zwischen uns hatte sich nichts verändert, ich hatte Sirius aber absichtlich nichts von Regulus erzählt.
    Da ich zu dem Horkrux nichts finden konnte, beschloss ich einige Tage nach Neujahr zu der Adresse zu gehen. Das war schließlich der einzige Anhaltspunkt, den ich noch hatte. Das einzige, was ich dort fand war eine Ruine und eine alte Nachbarin, die mir bestätigen konnte, dass dort vor Jahren mal ein Waisenhaus gewesen war. Das brachte mich aber überhaupt nicht weiter.

    Es wurde nun zunehmend wärmer und ob es nun am guten Wetter lag oder nicht, die Slytherins hatten viel mehr Auftrieb als vorher.
    An diesem Samstagmorgen ging ich mit Maria, einer guten Freundin, zum Frühstück. Wir redeten gerade über den Stoff von Zauberkunst, als ich sah, wie eine Horde Slytherins auf uns zukam.
    Avery stürzte vor und rief mir zu: „Du Blutsverräterin.“
    Das war nichts Neues, das hatte er schon öfter getan und ich war schlau genug, um über solchen Dingen zu stehen. Was allerdings neu war, war, dass er mir einen solch starken Schockzauber verpasste, dass ich auf den Boden krachte und mir schwarz vor Augen wurde.

    Ich merkte nur, dass mein Kopf höllisch weh tat und dass das Licht viel zu hell war. Nur widerwillig öffneten sich meine Augen und zu meiner Verwunderung saß Regulus an meinem Bett.
    Ich stöhnte: „Was machst du denn hier?“
    „Hätte ich dich dort liegen lassen, hätte er mich umgebracht“, sagte er mit einer solchen Endgültigkeit, dass ich schwer schlucken musste. Es tat gut seine tiefe Stimme zu hören. Ich fühlte wie er meine Hand hielt und spürte ein Kribbeln durch meinen Körper gehen.
    „Ich werde deinen bescheuerten Freund Avery umbringen“, meinte ich gequält und mir wurde schwindelig.
    Regulus sprang auf und hielt meinen Kopf in seiner Hand gebettet.
    „Es hat sogar geblutet, als du aufgeschlagen bist. Madame Pomfrey bekommt dich aber wieder hin. Deine Freundin war auch hier und musste etwas zur Beruhigung bekommen und Avery sitzt gerade im Büro von Professor Dumbledore“, erklärte er mir.
    Das war noch zu viel Informationsfluss für den Moment. Ich war einfach nur froh, dass ich nicht allein war.
    „Was machst du überhaupt hier?“
    „Das hab ich doch schon gesagt, ich hätte dich unmöglich da liegen lassen können, Owens. Auf dem Schulgelände wird niemand umgebracht“, das hörte sich so an, als würde er aus einem Regelwerk ablesen.
    „Wenn Dumbledore Avery nicht rausschmeißt, dann wird er hier draufgehen“, meinte ich hustete röchelnd auf.
    Regulus lachte leise auf: „Als ob du das könntest.“
    „Du wärst erstaunt, was ich alles kann, Black.“
    „Dann hätte ich dich wohl besser dort liegen lassen sollen“, mit diesen Worten, ließ er meinen Kopf los, der gegen die Eisenstangen des Bettes schlug und wir wurde noch schwindeliger.
    Regulus stand einfach nur da und musterte mich unentwegt.
    „Sind die anderen denn jetzt nicht misstrauig?“, wollte ich wissen, weil es mich doch sehr verwunderte, dass er mich einfach in den Krankenflügel gebracht hatte.
    „Bestimmt sind sie das, aber es war mir egal. Niemand wird auf dem Schulgelände umgebracht, auch keine Blutsverräter wie du“, meinte er gelassen.
    „Was machst du überhaupt noch hier?“, schnaubte ich wütend, weil ich ihm so wenig entgegen zu setzen hatte.
    Dann passierte etwas Erstaunliches. Ganz langsam beugte er sich zu mir und ich sah in diese beruhigenden, wilden Augen. Ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht und atmete seinen Duft ein. Er roch unverkennbar wie die Luft in Frühling nach einem Regenschauer. Mein Herz klopfte schneller und meine Gedanken hatten ausgesetzt.
    Regulus flüsterte und seine Stimme klang rau: „Was hast du nur an dir, Liza Owens, dass ich dich einfach nicht hassen kann.“
    So schnell wie das passiert war, war es auch wieder vorbei. Regulus stand da, als wäre nie etwas gewesen, wandte sich zum Gehen und meinte entspannt: „Wenn Avery auf der Schule bleibt, dann sieh dich vor, mit ihm ist nicht zu spaßen.“
    Die Tür zum Krankenflügel flog zu und sein Duft war aus der Luft gewischt. Zu mir selbst flüsterte ich: „Danke, Regulus.“

    Bereits am nächsten Tag durfte ich den Krankenflügel wieder verlassen. Aufgrund eines Heiltrankes hatten sich meine Knochen wieder zusammengesetzt. Skele – Wachs schmeckte einfach unglaublich schlecht. Ich hätte es fast wieder hochgewürgt.
    Maria war sichtlich erleichtert mich zu sehen, aber immer noch blass um die Nase.
    „Leo, du hättest das sehen müssen. Es war unglaublich. Dieser Avery hat dich geschockt und du bist auf dem Boden aufgeschlagen. Alle haben gelacht und dann hat sie der Bruder von Sirius, dieser…, ich weiß nicht mehr wie er heißt, naja, der hat sie beiseite geschubst. Avery ist daraufhin fürchterlich wütend geworden. Er hat Sirius‘ Bruder ganz schön was an den Kopf geworden, dann wollte Avery wieder auf dich losgehen und hat schon zu einem unverzeihlichen Fluch angesetzt, als Sirius‘ Bruder ihm einen Lähmfluch verpasst hat. Dann hat er dich hochgehoben und in den Krankenflügel gebracht. Ich bin an der Wand zusammen gesackt, du kannst dir nicht vorstellen, was das für ein Bild abgab. Schrecklich“, schilderte meine Freundin die Ereignisse.
    „Was ist jetzt mir Avery?“, fragte ich sie interessiert.
    „Dumbledore hat ihn von der Schule geworfen. Ich hab gehört, dass er richtig sauer gewesen sein soll. So sauer wie man Dumbledore nicht kennt. Avery musste seine Sachen packen und augenblicklich das Schulgelände verlassen. Er soll sogar etwas geschrien haben. Ich selbst habe es nicht gehört.“
    „Was denn?“, wollte ich gespannt wissen.
    Maria räusperte sich: „Nun ja, er hat wohl irgendwas mit Du – weißt – schon – wem gerufen. Das muss einen fürchterlichen Aufstand in der Großen Halle gegeben haben.“
    Nach kurzem Zögern fügte sie hinzu: „Sirius‘ Bruder muss jetzt in den Kerkern Kessel schrubben, bei Slughorn. Frühstück gibt es für den werten Herrn Black heute nicht.“
    „Was!“, rief ich.
    Maria nickte: „Er hat auf den Korridoren gezaubert und nicht nur irgendwie, er hat Avery gelähmt.“
    Sie sprach das so aus, als wäre das etwas Verwerfliches in dieser Situation.
    Ich sprang auf, ließ mein Omelette liegen und unter interessierten Blick verließ ich die Große Halle und sprintete in die Kerker.
    Außer Atem riss ich die Tür auf und erblickte Slughorn, der neben Regulus stand und sich vergnügt mit ihm unterhielt. Die verwunderten Blicke der beiden trafen mich.
    Immer noch schnaubend setzte ich an: „Professor Slughorn, Sie dürfen Black hier nicht festhalten. Er hat mir nur geholfen.“
    „Miss…“
    „Owens, Sir“
    „Miss Owens, ich verstehe nicht recht.“
    „Black hat mich gestern nur vor Avery beschützt. Es ist unfair ihn hier nachsitzen zu lassen“, erklärte ich und sah flehentlich zu Slughorn.
    Der Lehrer für Zaubertränke wandte sich nun an Regulus: „Ist das wahr, mein Junge?“
    Ich rief: „Ja, er hat mir geholfen.“
    „Warum sagen Sie das denn nicht gleich, Regulus? Unter solchen Umständen kann ich Sie kaum bestrafen, nicht wahr? Komm, gehen Sie, mein Lieber. Gehen Sie und genießen Sie den Tag“, meinte Slughorn und tat eine Handbewegung, als wollte er eine Fliege verscheuchen. Von mir nahm er gar keine Notiz mehr.
    Regulus stand auf und ich sah, dass er nicht wusste, was er denken sollte. Als wir gemeinsam den langen Korridor entlang gingen, fragte er, als hätte er mich eben erst gesehen: „Was machst du denn hier, Owens?“
    „Dich aus dem Misthaufen ziehen, Black“, antwortete ich abschätzig, weil seine Stimme so übellaunig klang.
    „Das wäre nicht nötig gewesen.“
    „Ich weiß“
    Jetzt sah er verwundert auf.
    Ich erklärte: „Ich fand es ungerecht, dass sie dich nachsitzen lassen, nur weil du gezaubert hast und das auch noch wegen mir.“
    „Darauf musst du dir nichts einbilden.“
    „Ach, nein?“
    „Nein.“
    Ich zog die Augenbrauen hoch, irgendwie hatte ich etwas anderes erwartet.
    Plötzlich packte er mich und drückte mich gegen die Wand. Er blickte wütend auf mich herab und ich sah ihn ein wenig ängstlich an. Zu beiden Seiten von meinen Schultern hatte er einen Arm gegen die Wand gestemmt.
    „Spiel hier nicht den Samariter, Owens“, seine Stimme klang so, als wäre er von mir angewidert. Ich duckte mich unter seinen Armen hervor um mich aus der Gefahrenzone zu bringen. Mich hatte er damit auch wütend gemacht: „Ich hab es nur gut gemeint. Es ist doch nicht meine Schuld, dass du nicht deinen Mund aufbekommst und erzählst wie es wirklich war!“
    „Als ob ich darauf stolz wäre“, knurrte er verbissen und Abscheu zeichnete seinen Blick.
    Ich spürte wie etwas in mir brach, allerdings ließ ich mich davon nicht abschrecken: „Du bist doch ein verlogener Hund! Glaubst du eigentlich selbst was du sagst, du arroganter Mistkerl?“
    Bedrohlich kam er auf mich zu und ich wich einen Schritt zurück. Ich sah deutlich, dass er wütend war. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Fieberhaft überlegte ich, was ich machen sollte und in dem Moment, als ich an meinen Zauberstab greifen wollte, packte er mich. Ich versuchte mich aus seinem Griff zu winden, aber er war viel stärker als ich.
    „Lass mich los!“, rief ich.
    Da war er wieder. Sein Duft umnebelte mich und unweigerlich entspannte ich mich. Ich sah in seine Augen, die mich auf eine völlig andere Art ansahen, als noch gerade eben. Etwas Weiches lag in ihnen, etwas so Vertrautes. In mir tobte ein Sturm: Er war aus Slytherin und ein Todesser, aber ich konnte nicht verhindern, dass mein Herz bebte, mein Atem stockte.
    Ich mochte seine Berührungen, seinen festen Halt um meinen Körper, ich mochte seine Nähe. Wir sahen uns in die Augen und dann passierte es einfach so, dass wir uns küssten. Raue Lippen trafen auf meine und ich ließ mich fallen, dachte an nichts, genoss lediglich den Moment, der meinen Verstand umnebelte. Ich spürte die elektrisierte Luft um uns.
    Als wir uns voneinander lösten, lächelten wir und ich musste sagen, dass Lächeln ihm wirklich gut stand. Ich hatte meine Arme immer noch um seinen Nacken geschlungen und er legte seine Stirn an meine. Ich fühlte mich so wohl und gerade war es mir völlig egal, was er war. Ich wollte einfach nur bei ihm sein.
    Nach einer gefühlten Ewigkeit meinte er leise: „Du weißt, dass wir nicht zusammen sein können?“
    Ich nickte nur und legte ihm einen Finger auf den Mund. Ich wollte nicht, dass er jetzt alles wieder zerstörte. Wieder meine Zweifel heraufbeschwor und ich nicht wusste, was ich tun sollte. Er lächelte schwach und ich legte meine Hände an seine Wange und küsste ihn vorsichtig, zaghaft. Er zog mich daraufhin nur noch näher an sich.
    Irgendwann hörten wir Schritte. Das Frühstück musste wohl zu Ende sein und die Slytherins waren auf dem Weg zu ihrem Gemeinschaftsraum. Wie von einer Biene gestochen sprangen wir auseinander, ich wollte mich umdrehen, als ich merkte, dass er meine Hand hielt. Schnell und leise sagte Regulus: „Nenn mich nie wieder ‚Hund‘. Ich bin kein Hund, das war nie mein Ding.“
    Dann ließ er mich los und ging wieder zurück in die Kerker. Ich hingegen rannte die Treppen hinauf und grübelte über diese letzten Worte nach.
    Erst im Gemeinschaftsraum wurde mir klar, was er gemeint hatte. Er hatte natürlich von Sirius geredet ohne ihn überhaupt zu erwähnen. Sirius war der hellste Stern im Bild des Hundes und ich wusste – dank Astronomie – auch, dass Regulus der hellste Stern im Bild des Löwen war. Irgendwann hatte Sirius mal erwähnt, dass seine Eltern ihren zweiten Sohn mit Absicht so genannt hatten, weil der Name ‚kleiner Prinz‘ bedeutete. Aber ich wusste auch, dass eine andere Bedeutung ‚Löwenherz‘ sein konnte. Ich dachte wieder an die Küsse und mir wurde ganz warm.

    Am nächsten Morgen erreichte mich beim Frühstück eine Eule. Ich nahm ihr den Brief ab und bot ihr die Reste meines Toast an.

    Leo,

    komm heute Nacht an den See. Ich muss dir etwas sagen.

    R.A.B.

    Ich sah zum Tisch der Slytherins und erkannte, dass Regulus leicht nickte, als er meinen Blick sah. Seine Augen sahen ernst aus. Anscheinend waren wir jetzt so etwas wie geheime Freunde, weil er mich Leo genannt hatte.
    Den ganzen Tag über war ich nervös, weil ich nicht wusste, was es denn so Wichtiges zu bereden gab. Außerdem plagte mich immer noch mein schlechtes Gewissen. Ich hatte Regulus geküsst, der sowohl ein Slytherin und ein Todesser war, außerdem noch der Bruder meines besten Freundes und dann auch noch zufällig dessen Feind. Ich würde James und Sirius nie davon erzählen können, sie würden mich niemals verstehen. Ich konnte mich ja nicht mal selbst verstehen. Ich wollte nichts mit Todessern zu tun haben und dann machte ich solche Sachen.

    In der Nacht schlich ich mich nach draußen und fand Regulus am See stehend. Die Luft war lau und es wehte ein leichter Wind. Zuerst war die Situation peinlich und ein wenig erdrückend, aber dann nahm er mich einfach in den Arm und ich ließ es geschehen.
    „Ich wollte mich bei dir bedanken. Mein Verhalten gestern war einfach nicht in Ordnung…“
    „Entschuldigst du dich gerade dafür, dass du mich geküsst hast?“
    „Nein“, rief er panisch aus, „ich meinte das Verhalten vorher und ich wollte mich auch bedanken, dass du mir das Blatt damals wieder gebracht hast. Es hätte wirklich in die falschen Hände kommen können.“
    „Warum machst du das?“
    „Was?“
    „Du bist so nett, so verständnisvoll, entschuldigst dich. Was ist das für eine Masche?“, wollte ich wissen.
    Er hob entschuldigend die Hände: „Das ist gar keine Masche.“
    Ich ließ mich ins Gras fallen: „Du bestellst mich doch nicht hier her nur um dich zu bedanken?“
    „Ich wollte dich wieder sehen.“
    Ich blickte zu ihm auf und er sah mich so voller Wärme an, dass ich leicht errötete. Das Blatt, das ich in der Bibliothek gefunden hatte, hatte ich allerdings völlig vergessen gehabt.
    „Ich könnte deine Dankbarkeit akzeptieren, wenn du mir verrätst, was das Wort, das auf dem Blatt stand, zu bedeuten hat. Ich war nämlich bei der Adresse und da ist nichts mehr.“
    „Du warst wo!“, rief er und sah mich bedrohlich an. Ich zuckte zusammen, denn in seine Stimme war wieder die Härte zurückgekehrt.
    Er setzte sich neben mich und seufzte: „Und? Was war dort?“
    „Naja, nichts. Ein verfallendes Gebäude: Verfallene Wände, kein Dach, jede Menge Unkraut. Eine Nachbarin hat mir bestätigt, dass dort früher mal ein Waisenhaus war. Regulus, was hat das zu bedeuten?“
    Lange schwieg er, dann raufte er sich die Haare und sagte schon fast gequält: „Na gut, ich werde dir etwas sagen, aber nur das, was du wissen musst. Nichts, was dir irgendwie schaden könnte.“
    Ich runzelte die Stirn, was könnte er damit meinen?
    „Ich stehe nicht so hinter dem dunklen Lord, wie man meinen könnte.“
    Jetzt klappte mir der Mund auf.
    „Nun gut, am Anfang hat sich das nach Spaß angehört und er vertritt genau die Prinzipien, die ich als kleines Kind eingeimpft bekam. Als ich aber dann zu seinem Kreis gehörte, habe ich erst mitbekommen, wie der dunkle Lord seine Ideale durchsetzen will. Ich war viel zu naiv. Was hatte ich schon groß zu tun? In der Schule andere verhöhnen, meinen Bruder hassen und immer schön vor meinen Eltern kuschen“, in seiner Stimme lag ein bitterer Ton.
    „Ich war kein bisschen erwachsen und dann traf mich das mit völliger Wucht. Das war kein Spiel mehr, man sollte Menschen töten. Das konnte ich einfach nicht und dann wurde mir klar, dass ich da nie wieder raus kommen werde. Ich bin gefangen, auf ewig gebunden.“
    Er brach ab. Ich rückte zu ihm und legte meinen Kopf an seine Schulter. Ich war total überrascht das zu hören. Alles hatte immer so anders ausgesehen, niemals hätte ich das gedacht und ich war mir sicher, dass Sirius das auch nicht wusste. Ich wollte ihn aber nicht unterbrechen, um es ihm leichter zu machen.
    „ Vor Monaten wurde mir dann klar, dass man ihn stoppen muss. Ich habe gesehen, wie er ganze Dörfer nieder gewalzt hat, wie er und die anderen Muggel gequält haben, sie in den Wahnsinn getrieben haben. Er wird von denen verehrt für solche Grausamkeiten. Aus meiner anfänglichen Bewunderung ist abgrundtiefer Ekel geworden. Ich kann ihn nicht mal ansehen, obwohl ich ihn erst einmal gesehen habe. An dem Tag, als ich das Mal bekam. Ich will, dass du mir versprichst das niemandem zu sagen, Leo. Bitte versprich mit das.“
    Ich nickte: „Ja, natürlich.“
    „Auch nicht Sirius“, warf er warnend ein.
    „Warum sagst du es ihm nicht selbst. Das ist doch gut.“
    „Mein Bruder will mich nie wieder sehen“, Trauer lag in seiner Stimme.
    Leise meinte ich: „Ich werde auch ihm nichts sagen. Niemandem.“
    „Du verstehst doch hoffentlich, dass wenn das rauskommt, wir alle tot sind. Meine Familie, du und ich?“
    Ich schluckte schwer.
    „An dem Tag, an dem ich das Mal bekommen habe, hat der dunkle Lord noch etwas anderes gesagt. Es war nur nebenbei in einer seiner Lobreden über sich selbst. Zuerst ist es mir nicht aufgefallen erst später wurde mir dann einiges klar, als ich endlich klar denken konnte. Er hat gesagt, dass man ihn nicht töten kann. Ich will jetzt wissen, was er damit gemeint hat.“
    „Wie willst du das anstellen?“, fragte ich leise mit Kloß im Hals.
    Er lachte auf: „Es muss etwas Magisches sein und du hast unser Haus gesehen. Meine Eltern sind schwarzmagisch, unser Haus ist es, ich wette, dort irgendwo in den ganzen Büchern meines Vaters liegt das Geheimnis. Ich habe ewig lange gesucht, aber dann wurde mir einiges klar.“
    „Dann hängen diese Zeitungsausschnitte in deinem Zimmer dort…“
    „Genau, weil ich mehr über den dunklen Lord in Erfahrung bringen wollte. Ich wollte wissen, ob es irgendwo Anzeichen darüber gab, was er getan hatte. Er arbeitete nach der Schule für ‚Borgin und Burks‘ in der Nokturngasse. Dort erledigte er Botengänge für die beiden Ladeninhaber. Der Tagesprophet hat irgendwann von dem Mord an einer alten Hexe berichtet. Ihr wurden zwei sehr wertvolle Dinge gestohlen. Das ist genau an dem Tag passiert, als der dunkle Lord, damals noch Tom Riddle, einen Kunden Auftrag bei eben jener Hexe erledigt hat. Komisch nicht wahr?“
    Ich drehte mich zu ihm um: „Woher weißt du das?“
    „Borgin und Burks sind genauso dumm wie sie reich sind. Ich bin in den Laden, hab sie geschockt, die Bücher durchgesehen und ihre Gedächtnisse gelöscht“, er klang verbittert und wütend.
    „Fällt denn Diebstahl da noch ins Gewicht?“, wollte ich wissen.
    „Nein“, sagte er und lächelte traurig, schlang aber einen Arm um mich, „Das alles hat meiner Meinung mit dieser Unsterblichkeit zu tun. Mir fehlen nur noch einige Teile, um alles richtig zusammen zu setzen.“
    „Dann gehört das Wort auch dazu?“
    Regulus überlegte einige Zeit: „Wahrscheinlich.“
    „Du wirst mir nicht sagen, worum es sich dabei genau handelt?“
    Er lächelte mich warm an, musterte mein Gesicht und meinte nur: „Glaub mir, es ist besser du weißt so wenig wie möglich darüber. Sei froh, dass du mit diesem Wissen nicht leben musst. Es ist zu schrecklich.“
    Wir schwiegen lange. Mir war klar, dass ich noch so viel fragen konnte, wie ich wollte, er würde mir nichts Weiteres sagen.
    „Weißt du, was das komischste an allem ist?“, fragte er nach einiger Zeit.
    Ich schüttelte den Kopf.
    „Er will Kreacher.“
    „Euren Hauself?“
    „Ja, komisch, oder? Er hätte jeden fragen können, die Malfoys haben auch einen, ach was sag ich, jeder hat einen, aber der dunkle Lord will Kreacher.“
    Es schien, als hätte sich das Thema damit erledigt.
    Allerdings wusste ich, dass er die Wahrheit gesagt hatte. Er hatte mich die ganze Zeit angesehen und ich musste ihm einfach glauben. Sonst hätte er mir nie so viel Vertrauen entgegen gebracht und mir gesagt, dass seine Loyalität längst nicht mehr den Todessern gehörte.

    Regulus küsste mich sanft und ich lehnte mich wieder an seine Schulter. Es war erstaunlich friedlich hier im hohen Gras, nahe am See und nur ein paar Mondstrahlen schienen durch dicke Wolken. Es war warm und sicherlich würde es bald ein Gewitter geben. Meine Finger schlangen sich um seine und ich drehte die Innenseite seines linken Armes zu mir. Vorsichtig zog ich den Ärmel seines Umhangs hoch und obwohl ich wusste, was mich erwartete, war es doch etwas anderes das Dunkle Mal zu sehen. Der Totenkopf und die Zunge in Form einer Schlange jagten mir gehörig Angst ein, auch wenn sie gerade nicht so deutlich zu erkennen waren. Ich starrte fasziniert darauf, bis Regulus seinen Arm vorsichtig aus meinem Griff löste und den Ärmel wieder darüber schob.
    „Ich verstehe das alles nicht“, flüsterte ich.
    Regulus schlang seine Arme um mich und meinte: „Es ist auch viel zu kompliziert, um es wirklich zu verstehen. Du wolltest es ja unbedingt wissen.“
    „Aber warum? Warum das alles?“
    „Ich habe leider erst viel zu spät gemerkt wie abscheulich der dunkle Lord ist. Es war schon zu spät, jetzt kann ich nur noch helfen, dass es irgendwann besser wird.“
    „Du könntest es Sirius sagen, ich bin sicher, dass er dir verzeihen würde.“
    Regulus ließ ein bitteres Lachen hören: „Nein, ich glaube nicht, dafür hasst er mich zu sehr.“
    „Du ihn doch auch, hast du selbst gesagt.“
    Er streichelte einmal über meine blonden Haare, küsste meine Stirn und meinte: „ Ich hasse ihn nicht. Du hast keine Geschwister und wirst das wohl nie verstehen. Mein großer Bruder und ich, wir hatten noch nie eine gute Beziehung zueinander. Er ist der Erstgeborene, er hat den Namen von unserem Vater bekommen und er war der Hoffnungsträger. Allerdings hat das ja nicht so funktioniert, wie du weißt. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich ihn bewundere. Er hat von Anfang an klargestellt, dass er nicht mitmacht. Meine Eltern haben ihn gehasst und wie das nun mal so ist, wollte ich möglichst anders sein. Ich wollte nicht, dass die Leute mich als den Bruder von Sirius kannten. Da hab ich mich ins genaue Gegenteil verwandelt. Sirius bringt schlecht Noten nach Hause. Also bringe ich gute mit. Sirius will nichts mehr mit der Familie zu tun haben, ich dafür umso mehr. Nach außen hin sah es immer so als würden wir uns hassen – und du kannst dir nicht vorstellen, wie gerne ich das tun würde und wie sehr er mir auf die Nerven gefallen ist – aber ich bewundere ihn. Er hat es da raus geschafft, bevor es zu spät war. Natürlich würde ich ihm das nie sagen, dafür bin ich zu stolz. Wir passen nicht gut zusammen, aber er ist mein Bruder und das wird er auch immer bleiben. Wir haben wahrscheinlich mehr gemein, als wir selbst wissen.“
    Mir wurde klar, wie viel Bedeutung in diesen Worten steckte.
    Regulus zog mich zu sich, küsste mich sanft und meinte dann: „Glaubst du mir?“
    Seine grauen Augen bohrten sich in meine braunen.
    „Natürlich glaube ich dir.“
    Wir küssten uns wieder und der Kuss wurde immer leidenschaftlicher. Mit einem Gespräch waren meine Sorgen kleiner geworden.
    Natürlich konnten wir immer noch nicht offen zeigen, dass wir zusammen waren und Regulus war immer noch ein Todesser, aber er wollte das alles auch nicht mehr.
    Was es mit dieser Unsterblichkeitsgeschichte auf sich hatte, war mir immer noch nicht ganz klar, dafür bekam ich einfach zu wenig gesagt. Es gab aber etwas, dass für mich in dieser Nacht am klarsten geworden war: Die Blacks hatten in der Erziehung ihrer Kinder gehörig versagt.

    ~Zeitsprung~
    Regulus und ich sahen uns meistens zweimal die Woche nachts am See. Niemand wusste von uns und wir würden auch niemandem davon erzählen. Es war schwer genug sich in diesen Nächten aus dem Schloss zu schleichen ohne gesehen zu werden. Tagsüber waren wir wie eh und je verbitterte Feinde oder ignorierten uns. Ich musste zugeben, dass er ein fabelhafter Schauspieler war, aber das musste er in seiner Position auch sein.
    Wir konnten nicht zusammen sein und ich akzeptierte das. Wir lernten uns in jenen Nächten besser kennen. Ich bewunderte ihn für seine Stärke, seinen eisernen Willen, seine Rationalität und seine Intelligenz. Regulus war unglaublich belesen und wusste über so viele Dinge Bescheid, davon konnte ich nur träumen. Immer deutlicher wurde mir bewusst, dass er sich geopfert hatte, für Sirius und vielleicht auch für uns alle irgendwie. Ich war mir nicht mal sicher, ob der dunkle Lord ihn durchschaut hatte und wusste, dass es da jemanden in seinen Reihen gab, der nicht der war, für den man ihn hielt.

    Regulus lehnte sitzend an einem Baum und ich hatte mich auf seinen Schoß sinken lassen. Er hatte seine Arme um mich geschlungen. Es war noch früh, die Sonne ging gerade runter und es sah aus, als würde die Welt brennen. Obwohl es warm war, trug er ein T-Shirt mit langen Ärmeln, nur damit ich nicht sein Mal sehen konnte. Von dieser Tätowierung ging eine ungewollte Faszination aus, die ich mir selbst nicht richtig eingestehen konnte.
    „Ich werde mich dem Orden anschließen“, sagte ich und schluckte schwer.
    Regulus nickte nur und fuhr mit seiner Hand durch meine blonden Haare.
    Leise murmelte er: „Du bist so wunderschön.“
    Ich versuchte mir ein Lächeln zu verkneifen, was mir nur halbherzig gelang. Ich umfasste sein Gesicht mit meinen Händen und strich an seinen Wangen entlang. Dann beugte ich mich vor und küsste ihn. Er umschlang meinen Körper mit seinen Armen und zog mich nur noch näher an sich.
    Ich dachte nicht mehr über uns nach, es verwirrte mich zu sehr. Ich liebte ihn, obwohl ich wusste, dass es niemals gut gehen würde. Ich fühlte mich so sicher bei ihm, obwohl er das dunkle Mal trug und mittlerweile fast jeder wusste, dass er zum Bösen gehörte.
    Er war der Todesser, aber ich liebte ihn trotzdem. Der – dessen – Name – nicht – genannt – werden – darf war auf dem Vormarsch, es wurde nur noch schlimmer, das hatte ich auch aus den Briefen von Sirius und James herausgelesen.
    Solche Geschichten nahmen nie ein gutes Ende.
    Sanft löste ich unseren Kuss und meinte leise: „Ich weiß nicht, wie wir uns nach der Schule noch sehen können. Ich verstehe, dass wir nicht zusammen sein können, aber ohne dich…“
    Er unterbrach meine Worte einfach, indem er mich küsste, dann sagte er: „Ich werde einen Weg zu dir finden, das verspreche ich.“
    „Wie willst du es schaffen, dass das niemand herausfindet? Wenn ich erst einmal im Orden bin…“, diesmal brach ich selbst ab.
    Er streichelte mir beruhigend über den Kopf und in jeder seiner Berührungen lag eine unglaubliche Liebe. Er gab mir mehr Halt, als er vermutlich wusste.
    „Es ist gut, wenn du in den Orden gehst. Ich mache mir keine Sorgen um dich, du bist eine starke, selbstständige Frau. Ich weiß, dass du auf dich selbst aufpassen kannst, außerdem würde mein Bruder niemals zulassen, dass dir etwas passiert“, erklärte er und lachte trocken bei seinen letzten Worten.
    Ich war froh, dass er mir nicht sagte, ich sollte mich aus allem heraushalten. Er vertraute mir.
    „Wie soll das nur gut gehen mit uns? Der Krieger und die Friedenskämpferin?“, in meinen Worten schwang Zweifel mit.
    „Irgendwann wird das hier alles vorbei sein, du wirst schon sehen. Irgendwann sind wir frei“, erklärte er und küsste mich wieder. Seine Lippen fanden meine und es schien die Zeit stehen zu bleiben. Ich legte meine Hand an die Stelle, wo sein Herz wild schlug.
    „Alles wird gut“, murmelte er.

    ~Zeitsprung~
    Es waren eineinhalb Jahre seit dem Schulabschluss vergangen. Der Unnennbare war immer stärker geworden und ich bekam Regulus immer seltener zu Gesicht.
    Ich stand am Fenster meiner kleinen Londoner Wohnung und fragte mich, warum ich gerade mal mit meinen neunzehn Jahren so etwas mitmachen musste. Ich arbeitete immer noch für Dumbledore und den Orden, so konnte ich James, Lily, Sirius und Remus jeden Tag sehen. Mein Herz sehnte sich aber nach jemand anderem. Regulus tauchte meist abends auf, blieb nie allzu lange und verschwand dann wieder. Er jagte mir längst keinen großen Schrecken mehr ein, wenn er in der Kluft der Todesser in meinem Flur stand. Beim ersten Mal, hätte ich allerdings fast einen Herzinfarkt gehabt, obwohl er sich sofort die Maske vom Gesicht gerissen hatte. Er hatte mir damals Angst gemacht, die aber längst verflogen war. Ich hatte schon viel schlimmere Dinge bei meinen Aufträgen gesehen.
    Es fühlte sich an, als würde ich ein Doppelleben führen, meine Freunde verraten, indem ich den Mann küsste, den ich liebte. Regulus hatte mir mehrfach angeboten einfach nie mehr zu kommen, da es sicherer für mich war, aber ich konnte ihn einfach nicht gehen lassen, auch nicht nach zwei Jahren Versteckspiel.
    Ich hörte einen Knall und rauschte in den Flur, wo Regulus stand. Ich sprang in seine Arme, vergrub mein Gesicht an seiner Schulter und spürte erleichtert wie er seine Arme um mich schlang. Ich atmete tief seinen Geruch ein, der sich in all den Jahren nicht verändert hatte und mein Körper entspannte sich augenblicklich. Sanft nahm er mein Gesicht in seine Hände, die in Handschuhen steckten, an denen die Finger fehlten, und küsste mich. In dem Kuss lag eine solche Sehnsucht, als wäre ich der letzte Tropfen Wasser in der Wüste. Ich genoss es und ließ mich gegen ihn fallen.
    Erst nach mehreren Minuten lösten wir uns voneinander und ich sah in seinen Augen, dass etwas nicht stimmte.
    Er führte mich sanft in mein Wohnzimmer und drückte mich auf das Sofa. Ich sah ihn gespannt und erwartungsvoll an. Er setzte sich neben mich, betrachtete mich auf eine unergründliche Weise und fuhr einen tiefen Schnitt an meinem Arm entlang. Den hatte ich vor drei Tagen abbekommen. Wortlos küsste er meine Stirn und strich mit dem Finger meine Lippen nach. Ich kannte ihn so nicht. Sorge keimte in mir auf.
    Er begann den Ärmel seines Umhangs hochzukrempeln.
    „Regulus…“, weiter kam ich nicht, denn er bedeutete mir zu schweigen.
    Stumm blieb ich sitzen und wartete bis er fertig war. Dann hielt er mir sein Mal hin. Mir stockte der Atem. Es war viel deutlicher zu sehen und schien rot zu glühen. Erschrocken sah ich zu ihm hoch.
    Er meinte leise: „Ich habe nicht viel Zeit…“
    Ich sah ängstlich in seine sturmgrauen Augen. Sein Blick war ruhig, gelassen, nicht so, als würde er sich Sorgen machen. Regulus zog mich zu sich, küsste mich heftiger und verlangender. Wir hatten uns so lange nicht mehr gesehen. Ich hatte mich so oft gefragt, ob ihm etwas passiert war.
    Ich ließ mich auf das Sofa fallen und er beugte sich über mich. Eins führte zum anderen. Mit dem linken Arm stützte er sich ab und aus dem Augenwinkel sah ich immer wieder das furchterregende Glühen des Totenschädels. Jetzt war es aber unwichtig. Ich verlor mich immer mehr in der Zeit, als Regulus meinen Körper mit Küssen überhäufte, ich schaltete mein Denken ab, schlang meine Arme und Beine um ihn. Mit jedem Kuss spürte ich nur mehr Verlangen und Lust in mir aufkeimen. Es war verboten, wurde verachtet und es hatte einen unglaublichen Anreiz.

    Schwer atmend lagen wir auf dem Sofa und ich küsste ihn leidenschaftlich. Er verschränkte unsere Finger ineinander und ich strich über seine muskulöse Brust. Erst als ich seinen Arm entlang strich und das Mal berührte zuckte er kurz zusammen. Damit war der Bann gebrochen.
    „Ist etwas passiert?“, fragte ich panisch.
    Er schüttelte den Kopf, stand allerdings auf, zog sich an und blickte zurück auf mich. Ich lag immer noch auf dem Sofa, er musterte meinen Körper und Leidenschaft zeichnete seinen Blick.
    Widerwillig fragte er: „Leo, wo hast du Pergament und Feder?“
    Ich deutete auf eine Schublade, er bediente sich und setzte sich im Nebenzimmer auf den Stuhl. Ich hörte die Dielen knarzen und beschloss auch aufzustehen. Er blickte auf, als ich den Raum betrat und wirkte leicht enttäuscht, dass ich wieder meine Kleidung trug. Ich stellte mich hinter ihn, legte meine Arme um seinen Hals und er streichelte mit seiner freien Hand darüber.
    Auf dem Tisch lag ein komisches Medaillon. Es war in etwa so groß wie ein Ei, reichlich verziert mit Smaragden und in der Mitte war ein großes ‚S‘ geprägt. Meine Augen wanderten auf das Blatt Pergament, das sich mit Regulus‘ schöner, schräger Handschrift füllte.
    Bei den Worten stockte mir der Atem und ich verkrampfte mich.
    Ich las:
    „An den dunklen Lord. Ich werde lange tot sein, bevor du das liest, aber ich will, dass du weißt, dass ich es war, der dein Geheimnis erkannt hat. Ich habe den richtigen Horkrux gestohlen und beabsichtige ihn zu zerstören, sobald ich kann. Ich sehe dem Tod entgegen und hoffe, dass du, wenn du deinen Meister gefunden hast, wieder sterblich bist.
    R.A.B.“

    Regulus hörte mein Keuchen und zog mich zu sich auf den Schoß. Er sah die Tränen in meinen Augen glitzern und mit einem Lächeln auf dem Gesicht strich er sie sanft aus meinen Augenwinkeln.
    Ich senkte meinen Blick, aber er wollte, dass ich ihn ansah.
    Beruhigend, mit seiner tiefen Stimme, die ich so sehr liebte, sagte er: „Es ist alles in Ordnung.“
    Meine Stimme klang unbeabsichtigt schrill: „Es ist gar nichts in Ordnung, ich will nicht, dass du stirbst.“
    Er lächelte immer noch: „Leo, meine Leo. Du bist so ein wundervoller Mensch.“
    Langsam, leise bahnten sich einzelne Tränen meine Wangen hinunter. Er hielt noch immer mein Gesicht in Händen und lächelte mich traurig an: „Du kannst nicht stark genug für uns beide sein.“
    Nach einer kurzen Pause meinte er: „Es gibt einige in unseren Reihen, die bereits Verdacht schöpfen, ich habe mich verdächtig gemacht, als ich diese Muggel-Frau nicht töten wollte. Ich will das zu Ende bringen, was ich angefangen habe. Das ist das Beste.“
    „Es ist nicht das Beste, wenn du dabei stirbst.“
    „Leo, es würde so oder so passieren. Es gibt kein Entrinnen. Das war der größte Fehler meines Leben und ich muss dafür zahlen.“
    „Ich verstehe das alles nicht.“
    Er zog mich in seine Arme und streichelte über meinen Rücken. Ich wollte mich wehren, ihn für seine Dummheit und Aufopferung schlagen, aber ich konnte nicht. Ich war zu verzweifelt und wusste nicht, wie ich mit der Situation umgehen sollte.
    „Unser Hauself hat mir erzählt, was der dunkle Lord mit ihm gemacht hat. Ich werde nun das umsetzen, was ich angefangen habe und ich will, dass du mir hilfst. Allein würde ich das niemals durchstehen.“
    Ich wusste nicht, auf was ich mich einließ, ich wusste nicht, ob das ein reines Selbstmordkommando war, aber ich wollte ihn auf keinen Fall alleine gehen lassen. Ich nickte zur Bestätigung. Wenn ich dabei war, konnte ich auch verhindern, dass er sich in den Tod stürzte.
    Regulus blickte mich dankbar an und küsste mich zärtlich. Dann griff er sich in den Nacken und nach einiger Zeit zog er seine Kette hervor, die er immer unter dem Umhang versteckte. Es war ein einfaches, langes Lederband an dem eine selbstgeschnitzte, hölzerne Feder hing, die nicht gerade detailverliebt war (man erkannte deutlich den Schaft in der Mitte und einige Einkerbungen). Er strich meine blonden Haare zur Seite und knotete mir das Lederband um den Hals. Die Kette sah grob und kantig an mir aus, viel zu hart, aber ich liebte sie.
    „Du kannst sie besser gebrauchen, als ich.
    Ich wollte ihn nicht gehen lassen, aber ich spürte deutlich, dass er gehen musste. Ich krallte mich in seinen schwarzen Haaren fest und küsste ihn noch unzählige Male, bis er mich sachte hochhob und mich auf meine eigenen Füße stellte. Den Brief verstaute er im Amulett und gab es mir.
    „Verwahre es an einem sicheren Ort, bis ich dich holen komme.“
    Ein letzter Kuss, ich schloss die Augen und er war weg.

    ~Zeitsprung~
    Regulus tauchte vier Tage später wieder auf. Es war eine warme Nacht und ich hatte bereits geschlafen. Er weckte mich und ich erschrak, weil ich nicht damit gerechnet hatte, dass er kam. Wir begrüßten uns und ich sah seinen ernsten Blick, es war also soweit. Er küsste mich und es fühlte sich so endgültig an.
    Leise beorderte Regulus den Hauself seiner Familie herbei. Ich war erstaunt, aber er erklärte mir, dass wir Kreacher brauen würden.
    Der in die Jahre gekommene Hauself sah mich argwöhnisch an.
    Mit fester Stimme befahl ihm Regulus: „Das ist Leo, Kreacher. Sei nett zu ihr.“
    „Jawohl, Herr Regulus.“
    Kreacher trug nichts weiter als einen kleinen Kartoffelsack. Ich mochte Hauselfen und ich mochte auch Kreacher. Er war vielleicht verbohrt und mürrisch, aber das war schon in Ordnung. Er blickte mich misstrauisch aus seinen tennisballgroßen Augen an.
    Fragend sah ich zu Regulus. Er meinte: „Kreacher, erzähl, was passiert ist.“
    Der Hauself nickte, wobei seine großen Fledermausohren wackelten: „Kreacher fuhr mit dem dunklen Lord zu einer Höhle. Der dunkle Lord wollte dort Zauber testen und hat dazu einen Hauselfen gebraucht. Die Herrin war sehr stolz auf Kreacher. Diese Höhle war sehr unheimlich, dort waren Dinge im Wasser. Der dunkle Lord, hat Blut von Kreacher an eine Wand geschmiert und ist mit Kreacher in einem Boot zu einer Insel gefahren. Dort sollte Kreacher einen Trank austrinken. Kreacher hat getan, was man ihm befohlen hat. Kreacher hat schlimme Dinge gesehen, sehr schlimme Dinge. Als Kreacher kurz davor war den Verstand zu verlieren hat Herr Regulus Kreacher zu sich gerufen und gerettet. Kreacher konnte aber noch sehen wie der dunkle Lord etwa in das Becken mit dem Zaubertrank getan hat. Es war ein Medaillon. Heute Nacht kam der Meister Regulus an Kreachers Nest und hat Kreacher geweckt. Herr Regulus hat gesagt, dass Kreacher und er los müssten.“
    Die quietschige Stimme verstummte und ich sah nachdenklich zu Regulus.
    Regulus nahm meine Hände in seine: „Versprichst du mir, dass du das tust, was ich dir sage?“
    „Ich weiß nicht…“
    „Leo, ich bitte dich. Versprichst du mir, dass du gehst, wenn ich es von dir verlange?“
    Sein Gesichtsausdruck machte mir Angst, aber schließlich nickte ich.
    „Ich will dir nicht noch mehr sagen, um dich nicht in Gefahr zu bringen. Ich danke dir, dass du mir immer vertraut hast.“
    Warum klang das nur so nach Abschied?
    Wir fassten uns an den Händen und gemeinsam mit dem Elf apparierten wir. Es war schrecklich kalt hier draußen und ich war froh, dass ich noch eine Jacke geholt hatte. Hier gab es Klippen und ich hörte, wie das Meer an die Felsen schlug. Salzige Meeresluft strömte uns entgegen. Es war dunkel, sodass Regulus und ich unsere Zauberstäbe leuchten ließen. Kreacher schien auch so gut zu sehen.
    Tatsächlich gab es hier eine Höhle, sie lag versteckt und der Weg durch sie erforderte einiges an Klettergeschick. Regulus zog mich das ein oder andere Mal einen Felsen hinauf. Kreacher apparierte einfach. Niemand sprach ein Wort, aber es tat gut, dass ich die warme Hand von Regulus in meiner spürte. Immer wieder hörten wir so etwas wie ein Stöhnen. Es war gruselig, feucht und kalt. Kein schöner Ort. Ich wollte ihn aber auch einfach nicht allein gehen lassen, auch wenn ich immer noch keine Ahnung hatte, was ein Horkrux war. Ich wusste genug, um zu wissen, dass es richtig war, was ich hier tat.
    Irgendwann erreichten wir einen Torbogen im Fels.
    Kreacher meinte: „Hier ist die Stelle, Herr Regulus.“ Seine Stimme wiederholte sich noch einige Male durch das Echo.
    Ich war gerade dabei meinen Ärmel hochzuziehen, als Regulus mich inne halten ließ. Er schüttelte leicht den Kopf und strich mit einem Messer an seinem Arm entlang. Augenblicklich quoll Blut heraus, was Regulus auf den Felsen strich.
    Kreacher wirkte etwas verwirrt, weil er Regulus schon seinen kleinen, kurzen Arm entgegengestreckt hatte, in der Erwartung, dass er das Blut geben müsste.
    Der Torbogen ließ uns passieren und dahinter wartete ein Boot auf uns.
    Regulus sah mich an und meinte: „Es trägt nur einen Zauberer. Kreacher zählt nicht, da der dunkle Lord ihn niemals als Zaubergeschöpf ansehen würde.“
    Fieberhaft begann ich zu überlegen. Schwimmen war keine gute Idee, denn im Wasser trieben Gestalten. Es sah aus, als wären es menschliche Leichen. Inferi.
    Regulus packte meine Schultern: „Hör zu: Du fährst mit Kreacher zur Insel. Ich werde mich an den Felswänden zu euch rüber hangeln.“
    Ich konnte nur nicken. Seine Stimme wurde durch das Echo immer wieder wiederholt. Ich sah am Ende des Sees eine kleine Insel, auf der so etwas wie ein Tisch stand. Von dort ging ein seltsames Leuchten aus. Mir war kalt und ich hatte Angst. Regulus küsste mich schnell und machte sich dann auf den Weg die Felswände entlang. Kreacher griff nach meiner Hand und führte mich zum Boot. Tatsächlich es kenterte nicht. An uns trieben diese leblosen Gestalten entlang und es schien so, als hätte ich kaum Luft zum Atmen. Es war eine reine Selbstmordmission und ich fragte mich, wie wir hier je wieder herauskommen würden. Mein Blick war starr auf Regulus geheftet. Er war gut im Klettern und so passierte ihm auch nichts.
    Auf der Felseninsel gab es nicht viel Platz. Regulus war schon ganz in der Nähe, als er zu mir sprang, sein Fuß allerdings das Wasserberührte und eine Hand nach seinem Knöchel griff. Ich handelte instinktiv und mit einem Zauber, ließ sie ihn wieder los. Anschließend zog ich Regulus auf die Insel. Zu dritt hatten wir hier kaum Platz.
    „Danke“, keuchte Regulus.
    In einer Schale leuchtete ein Zaubertrank, daneben stand ein Kelch. Es war ganz logisch.
    Regulus schlang seine Arme um mich. Mir traten Tränen in die Augen, das hier fühlte sich an wie Abschied.
    „Ich werde den Trank trinken. Versprich mir, dass du mich nicht daran hinderst und ihn mir später einflößt, Kreacher wird es auf jeden Fall machen, du kannst mich davon nicht abbringen.“
    „Aber warum du?“
    „Weil ich in dieser Sache gefangen bin. Du bist schön, hast eine Zukunft vor dir und verdienst ein Leben. Ich habe meins ruiniert.“
    „Ich könnte doch auch trinken...“
    „Ach, Leo“, er seufzte und stich gedankenverloren durch meine Haare, „Ich will dir das nicht zumuten. Ich weiß, du bist stark und verträgst mehr, als man denken mag, aber ich bin hier die geeignetere Person.“
    Ich protestierte: „Ich will kein Leben ohne dich.“
    „Es wäre nie ein Leben gewesen. Wir wären nur auf der Flucht und ich wäre gestorben und du wahrscheinlich auch. Du hast ein richtiges Leben verdient, ein Haus, Kinder, einen Mann, den du lieben darfst. Wir dürften nie zusammen sein, solche Sachen gehen nie gut aus.“
    Ich weinte leise, kein Schluchzen. Seine Hand lag an meiner Wange und ich genoss die Berührung.
    „Ich bin so froh, dass du jetzt bei mir bist.“
    „Hast du Angst?“, fragte ich leise.
    „Ich habe keine Angst, du bist ja bei mir.“
    Er küsste mich zärtlich und ich hätte am liebsten nie damit aufgehört, aber es war wieder viel zu schnell vorbei.
    „Hör mir zu, Leo: Alles, was dort draußen passiert, ist mein Krieg. Ich bitte dich, dass du ihn für mich beendest. Irgendwann wirst du in einer Welt leben, in der es sich lohnt zu leben. Ich bin glücklich darüber, dass ich dabei helfen konnte.“
    „Ich kann dich nicht gehen lassen.“
    „Es wird alles gut werden. Wir schaffen das.“
    „Vielleicht überstehst du das und dann gehen wir. Dann hauen wir ab und lassen alles hinter uns. Mir macht das nichts aus, wir ziehen von einem Ort zum nächsten“, ich redete panisch immer weiter, weil ich nicht wollte, dass wir aufhören zu reden.
    „Das wäre wirklich wundervoll“, Regulus lächelte mich an und ich lächelte zurück. Er versiegelte unsere Lippen zu dem schönsten Kuss. Er legte seine ganze Liebe, Wertschätzung und Güte in ihn hinein und ich wusste, was er mir sagen wollte: Wir würden nie durch die Lande ziehen, nie auf der Flucht sein, er würde nie frei sein.
    Es war ganz leise, da sagte er es: „Ich liebe dich, Liza und ich werde dich immer lieben.“
    Tränen verschleierten meine Sicht. Er ließ mich los und schöpfte den ersten Kelch aus dem Zaubertrank. Ich konnte ihn nicht ansehen. Ich wollte es nicht sehen, was würde nur passieren? Als der Kelch leer war, stürzte Regulus auf die Knie und schrie wie am Spieß, ich eilte zu ihm. Er lehnte sich gegen mich und flüsterte Dinge, wie im Fieberzustand. Ich verstand nichts davon. Es fiel mein Name, der von Sirius und andere, die ich nicht kannte. Es war, als hätte er Fieber. Ich wollte ihm helfen, aber es gab keine Möglichkeit. Kreacher brachte ihm immer wieder neue Becher und mit jedem wurde es schlimmer. Immer wieder schrie er auf und verkrampfte sich. Es war, als würde er sich seine Knochen brechen. Ich weinte und wippte ihn immer wieder vor und zurück. Wie hatte er nur verlangen können, dass ich mit ihm kam?
    Nach dem letzten Becher wurde er wieder ruhig, sah mich klar an und meinte: „Ich liebe dich so sehr, Leo.“
    Dann wandte er sich an Kreacher und sagte: „Du bringst sie hier weg, wenn alles erledigt ist und dann wirst du das Ding in der Schale zerstören, Kreacher.“
    Auch Kreacher sah traurig aus, als er nickte. Ich weinte immer noch.
    „Du bist zu schön um zu weinen“, sagte er schwach. Ich drückte ihm einen Kuss auf die Lippen, den er nicht erwidern konnte. Schweiß sammelte sich auf seiner Stirn und er schloss die Augen. Ich richtete mich auf und versuchte Regulus hochzuziehen.
    Verzweifelt schrie ich: „Komm, Kreacher, wir müssen die Medaillons austauchen und ihn dann nach Hause bringen.“
    Der Elf nickte eifrig, nahm das echte Medaillon an sich und ich legte die Fälschung in die Schale. Jetzt allerdings kamen unzählige Inferi auf die Insel zu, ich zauberte, was das Zeug hielt, aber es waren zu viele. Regulus war wieder zu sich gekommen, sah mich stolz an und mit einem Lächeln auf den Lippen. Dann bemerkte ich die Wasserleichen, die sich auf ihn stürzten. Ich wollte zu ihm eilen, allerdings versperrten mir andere den Weg. Ich schrie laut seinen Namen.
    Kurz bevor Regulus ganz unter Wasser war, griff ich nach seiner Hand.
    Wir sahen uns nur an, mehr nicht. In seinen grauen Augen lag einfach alles, was er mir je sagen wollte. Seine schwarzen Haare klebten nass an seinem Kopf.
    Ich konnte ihn nicht länger halten und unsere Finger lösten sich.
    „Nein!“, schrie ich laut, aber es war zu spät.
    Ich kniete bewegungslos am Ufer der Insel. Es war so, als würde die Zeit langsamer vergehen und jemand hatte den Ton ausgestellt. Die Inferi griffen nach mir, dann stürzte sich Kreacher zu mir und apparierte mit mir.

    ~Zeitsprung~
    Schmerz und Trauer überwogen in den ersten Tagen, aber dann war da noch etwas. Es zeigte sich erst Monate später. Hass.
    Ich blieb im Orden, zog mich allerdings erst einmal zurück und erst Monate später tauchte ich wieder dort auf. Alle merkten, dass etwas nicht stimmte, allen voran James und Sirius. Ich erzählte niemandem davon. Ich interessierte mich nicht für das Medaillon oder erwähnte nie wieder Regulus, es war alles egal. Er war tot. Ich bekam mit wie sich Sirius über den Tod seines Vaters freute, einige Wochen nach dem Tod von seinem Bruder. Er wusste nicht, was passiert war. Ich bekam Hochzeitsbilder gezeigt, freute mich aber nicht. Ich lernte den kleinen Harry kennen. Allerdings wandten sich immer mehr von mir ab. Wie konnte ich es ihnen verdenken?
    Regulus verschwamm in meiner Erinnerung. Es gab keine Bilder von uns beiden, das wäre viel zu gefährlich gewesen und irgendwann fragte ich mich, ob es nicht alles nur ein Traum war.
    Im Orden engagierte ich mich dafür immer mehr. Ich wollte diese ganzen Todesser umbringen, einen nach dem nächsten, sie waren schließlich an allem schuld und wäre Voldemort dagewesen, ich hätte ihm liebend gerne die Kehle durchgeschnitten. Mir war nicht bewusst, dass ich schneller tot gewesen wäre, als auch nur einen Schritt zu tun.
    Es gab nichts mehr wofür es sich lohnte zu leben. Alle Trauer und den ganzen Schmerz richtete ich gegen den dunklen Zauberer.
    Ich habe nie jemandem von Regulus erzählt, was er getan hat. Niemand wusste davon.

    Dann kam der Tag an dem James und Lily starben, nur wieder weitere Narben auf meiner geschundenen Seele. Ich habe lange geweint. Regulus war länger als ein Jahr tot und schon gingen die nächsten meiner Freunde. Sirius wurde für alles verantwortlich gemacht und so sehr ich mich zurückgezogen hatte und so sehr ich mich aus allem herausgehalten habe, ich wusste, dass er es niemals getan hatte.
    In meinen Träumen verfolgten mich die Szenen aus der Höhle. Ich sah immer wieder die Leiche von Regulus, wie sie aufgedunsen im Wasser schwamm. Manchmal meinte ich Askaban zu sehen, dabei wusste ich nicht einmal wie es dort aussah.

    Ich war nun allein, verlassen und niemand war mehr da. Ich konnte meinen Hass nur noch gegen mich richten, denn Voldemort war fort. Ich zog aus London weg. Irgendwohin aufs Land. Ich errichtete mir eine kleine Hütte und das sollte der letzte Zauber sein, den ich für Jahre gesprochen hatte.

    Die Zeit heilt alle Wunden. Mir gefiel das Leben auf dem Land. So friedlich, so weit weg von allen Geschehnissen und ich ließ die Welt, die ich so gut kannte einfach hinter mir. Mein Zauberstab verschwand in einem Schrank. Den Leuten in einem Dorf nicht weit weg von meinem Haus, erzählte ich, dass ich Nora hieß. Von da an, war mein Leben wieder völlig normal. Ich verhielt mich wie ein Muggel, dennoch dachte ich an Regulus, jeden Tag. Ich vermisste mein altes Leben öfter, als mir lieb war.

    ~Zeitsprung~
    Einige Tage nach meinem vierunddreißigsten Geburtstag klopfte es an meine Tür. Ich war gerade dabei den Abwasch zu erledigen und konnte nicht sofort an die Tür.
    Die Stimme, die rief, war mir nur allzu vertraut. Ich war mir sicher, dass sie unter tausenden heraushören würde: „Liza! Sind Sie da?“
    Ich hielt inne, denn niemand sprach mich mit meinem vollen Namen an, bis auf einer.
    Ich öffnete die Tür und kluge, blaue Augen hinter einer Halbmondbrille sahen mich freundlich an.
    Matt sagte ich: „Dumbledore.“
    Er nickte und betrat ungefragt das Haus.
    Drinnen schaute er sich alles interessiert an, inklusive dem vollem Spülbecken.
    Er setzte sich und bedeutete mir auch Platz zu nehmen.
    „Ich denke, Sie wissen, was alles in der letzten Zeit passiert ist?“, fragte er und wollte gerade weitersprechen, als ich ihn unterbrach.
    „Nein“, sagte ich trocken.
    Dumbledore schloss den Mund und sah mich verwirrt an.
    „Ich lebe nun anders“, erklärte ich kleinlaut und deutete auf das Spülbecken.
    Er nickte, vielleicht ein bisschen mitleidig, dann begann er mir von Sirius‘ Ausbruch, seiner Unschuld und von Harry zu erzählen. Er endete mit den Ereignissen auf einem Friedhof und mit der Bitte, wieder in den Orden einzutreten.
    Ich war schockiert. Damit hatte ich niemals gerechnet. Nach dem Sturz von Du – weißt – schon – wem dachte ich, dass endlich die Zeit angebrochen war von der Regulus mir immer erzählt hatte. Ich war so verbittert gewesen, dass er es nicht miterleben durfte, dass ich nie damit gerechnet hatte, dass Voldemort wieder kommen würde. Zuerst war es nur ein Flüstern, ein kleiner Windhauch, dann brach allerdings ein Sturm in mir hoch. Es war an der Zeit wieder zurückzukehren, zu den Leuten zu gehen, die mich brauchten.
    Ich stimmte Dumbledore zu, der deutlich beschwingter wieder apparierte.

    ~Zeitsprung~
    „Sirius?“, fragte ich und der Mann, der am Tisch saß und Kreuzworträtsel löste blickte auf. Erkennen zeichnete seinen Blick, als er aufstand und mich in seine Arme schloss. Er sah müde aus und älter als er eigentlich war, aber es war immer noch er. Lediglich mein Herz verkrampfte sich bei seinem Anblick ein wenig. Die gleichen Augen und Haare, so viel Ähnlichkeit. Es tat weh hier in dem Haus zu sein.
    „Leo, du bist die erste schöne Frau, die ich nach Askaban wieder sehen darf.“
    „Natürlich Sirius“, sagte ich ironisch.
    Es fühlte sich komisch an. Das letzte Mal hatten wir uns mit Anfang zwanzig gesehen.

    Ich lernte Harry und die Weasleys kennen, Remus begrüßte mich und ich fühlte mich wie früher. Ich hatte wieder eine Familie.
    Es war an irgendeinem Abend, als ich Sirius und Harry zum Essen rufen sollte. Sie standen in einem Zimmer mit einem riesigen Wandteppich.
    „Und das ist dein Bruder?“, fragte Harry.
    Ich blieb wie angewurzelt stehen.
    „Ja, der Held der Familie, er war ein Todesser.“
    Ich schluckte schwer. Sirius klang verbittert.
    Es folgte längere Zeit nichts, dann sagte Sirius mehr belustigt: „Hast du nach den ganzen Putzaktionen etwa noch nicht bemerkt, dass das hier ein schwarzmagisches Haus ist?“
    Wieder eine Pause in der ich nur schwer atmete.
    „Was ist mit ihm passiert?“, fragte nun wieder Harry.
    „Er ist tot. Ist ziemlich früh gestorben. Hat irgendwann Angst bekommen und ist davon gerannt. Voldemort hat ihn umgebracht, obwohl ich kaum glaube, dass er wichtig genug war. Es war sicher irgendein anderer Todesser.
    Das reichte! Mit belegter Stimme ging ich ins Zimmer und rief die beiden zum Abendessen.

    Die Schule hatte wieder begonnen und es war ein mieser Abend. Sirius saß missmutig im Salon und ich hatte heute beschlossen ihm alles zu erzählen. Er erinnerte mich in so vielem an Regulus, dass es fast gruselig war. Es fiel mir schwer ernst zu bleiben, weil ich ständig lachen wollte, wenn ich ihn ansah.
    Sirius hörte mir ungläubig zu, oft wollte er mich unterbrechen, gelegentlich nahm er mich in den Arm und ich konnte deutlich erkennen, dass er nachdachte. Ich war mir sicher, dass er lange brauchen würde, um alles zu verstehen, aber er musste es erfahren.
    Gemeinsam schliefen wir auf dem Sofa ein.

    Ich erwachte im frühen Morgengrauen. Was mich geweckt hatte, konnte ich mir nicht erklären. Wie durch unsichtbaren Zwang schleppten sich meine Füße die Treppe hinauf, bis ganz nach oben. Sie blieben erst vor der Tür mit der Aufschrift ‚Regulus Arcturus Black‘ stehen. Die Unsichtbare Kraft hob meinen Arm, drückte die Klinke nach unten und beförderte mich in das Zimmer. Alles sah so aus wie damals nur viel verstaubter. Das Familienwappen, die Zeitungsausschnitte, alles war noch da. Nur eine Sache hatte sich verändert. Auf dem Schreibtisch lag ein verstaubter Bogen Pergament. Ich begann ihn zu lesen.
    „Liebste Leo,
    ich werde morgen Abend dich holen kommen und wir werden uns gemeinsam in dieses Abenteuer stürzen. Ich kann dir nicht sagen wie dankbar ich bin, dass du mitkommst. Wie es ausgehen wird, kann ich dir genauso wenig sagen, aber wenn du diesen Brief lesen wirst, dann ging es für mich wohl nicht so gut aus.
    Ich bin stolz auf dich, dass du hier her gefunden hast, aber mir war klar, dass du in mein Zimmer kommen wirst. Hier ist wohl noch am meisten von mir drin.
    Ich möchte dir einige Dinge sagen und ich will, dass du sie dir zu Herzen nimmst.
    Lass dich niemals von anderen zurechtbiegen. Du bist wundervoll genauso wie du bist.
    Auch wenn ich weg sein werde, dann habe keine Angst dich wieder in neue Abenteuer zu stürzen. Da draußen wartet eine riesige Welt auf dich, die von dir entdeckt werden will. Da draußen gibt es so viele unglaubliche Dinge und ich hoffe, dass du Menschen kennen lernst, die dir etwas über ihre Welt erzählen können, die dich dazu bringen, die Dinge mit anderen Augen zu sehen. Geh raus und erlebe etwas, versteck dich nicht.
    Ich will nicht, dass du ewig um mich trauerst. Geh raus und finde einen neuen Mann, es wäre eine Schande, wenn du allein leben würdest, ich habe dich nie für mich reserviert. Es ist mir sogar beinahe egal wen, Hauptsache er macht dich glücklich (Bitte nicht Logan Goldstein aus Hufflepuff in unserem Jahrgang, ich kann ihn nicht ausstehen und würde es nicht aushalten dich an ihn zu verlieren). Halt dich einfach an Sirius, ich weiß, dass er immer auf dich aufpassen wird und vielleicht wäre er sogar die beste Partie für dich. Er war immer der bessere von uns beiden (Verrat ihm das besser nie, er würde nicht aufhören sich darin zu sonnen).
    Durch dich habe ich das alles durchgestanden und du warst es, die mein Leben lebenswert gemacht hat. Durch dich habe ich alles im Leben erfahren, was es zu wissen gibt.
    Ich hoffe sehr, dass du auf dein Leben stolz sein kannst, wenn nicht, dann wünsche ich dir, dass du es schaffst wieder von vorne zu beginnen. Du kannst das Beste oder das Schlechteste daraus machen, ich hoffe für dich, dass es das Beste sein wird.
    Ich könnte dir jetzt viele Dinge sagen, aber es fühlt sich so unwirklich an mich jetzt von dir zu verabschieden.
    Ich liebe dich.

    Regulus“

    „Wie hast du die Tür aufbekommen? Dumbledore und der ganze Orden haben es versucht und niemand hat es hinbekommen“, fragte Sirius, der verschlafen an der Tür lehnte, genauso wie an einem fernen Tag vor etlichen Jahren.
    Ich drehte mich zu ihm um und stürzte mich in seine Arme.

    Dir hat die Geschichte gefallen? Du fandest die Geschichte ziemlich doof? Über einen Kommentar oder eine Bewertung würde ich freuen.

    Auswertung für Profil B: Dies ist das kunterbunte Leben von Cherubyn Kendall.

    ~Die Erzählerin~
    Eine Explosion von Farben und das schönste Lachen der Welt.
    „Liam!“
    „Was gibt's Charlie?“
    „Weißt du wer das dort unten ist?“
    „Das Mädchen?“
    Charlie nickte.
    „Das ist Cherubyn Kendall aus Ravenclaw“, sagte der Treiber und grinste seinen Freund wissend an.
    Liam flog weiter, aber Charlies Augen waren weiter auf das Mädchen gerichtet, das ganz in der Nähe vom Verbotenen Wald kauerte und von der Sonne angestrahlt wurde.
    „Charlie, verdammt, such‘ nach dem Schnatz! Wir wollen die Slytherins am Wochenende doch fertig machen“, rief Daniel, einer der Jäger des Teams.
    Charlie schüttelte kurz den Kopf und hielt dann wieder Ausschau nach dem kleinen goldenen Ball. Es dauerte nicht allzu lange bis er ihn in der Nähe der Tribünen sah. Er ließ ihn extra entkommen und lugte wieder hinüber zu dem Mädchen. Sie hatte braune Locken, die ihr bis auf die Schultern reichten. Er hatte allerdings keine Ahnung, was sie da alles trug. Es sah aus wie ein ganzer Haufen zufällig gewählter Kleidungsstücke in bunten Farben und Mustern.
    Charlie hatte noch nie so viele Farben an einem einzigen Mädchen gesehen.

    „Du bist der Kapitän, Charlie. Gerade dir sollte viel daran liegen, dass wir gewinnen“, meinte der junge, aber schon erstaunlich große Oliver Wood.
    „Liegt mir doch, Oliver. Wir werden das schon schaffen, es sind die Slytherins, die besiegen wir doch locker.“
    Mit diesen Worten verließ Charlie schnell die Umkleiden und machte sich auf den Weg zum Verbotenen Wald. Sein Herz hüpfte einmal kurz vor Freude auf, als er das Mädchen noch an der gleichen Stelle sitzen sah.

    ~Deine Sicht~
    Ich blickte hoch, als der Junge vor mir stehen blieb und musste gegen die Sonne blinzeln.
    „Bist du Cherubyn?“, fragte er und ich verzog das Gesicht. Da war schon wieder dieser Name.
    „Wer will das wissen?“, fragte ich ihn und kniff immer noch die Augen zusammen.
    Der Junge geriet ins Stocken: „Ich… äh… ich bin Charlie. Charlie Weasley.“
    Ich musste grinsen.
    „Ach so, das große Quidditchtalent, nicht wahr?“
    „Ich… ich glaube, ich würde das nicht so nennen.“
    Ich lachte kurz auf und schlug dann auf den Boden neben mir: „Setz dich Charlie Weasley.“
    Er nahm Platz und endlich konnte ich ihn richtig ansehen ohne, dass die Sonne mich blendete. Ich hielt ihm stürmisch die Hand hin und meinte: „Ich bin Ruby.“
    Er griff danach und lächelte schief.
    Ich sah ihn freundlich an und richtete mit meiner freien Hand meine Wollmütze wieder gerade.
    „Was liest du da?“, fragte er und deutete auf das Buch in meinem Schoß.
    „Es ist eine Geschichte. Ich hab sie mir am letzten Wochenende in Hogsmeade gekauft.“
    Ich sah Charlie interessiert an: „Was machst du hier?“
    „Äh… also…“, stammelte er, „Ich dachte wir sollten uns dem Wald nicht nähern und nun ja… da drinnen gibt es allerhand gefährliche Tiere.“
    Ich musste lachen: „Kein Tier ist wirklich gefährlich. Sie werden nur falsch verstanden, die armen Dinger.“
    Über Charlies Gesicht huschte ein Grinsen.
    „Ich bin so mutig wie eine Gryffindor, weißt du?“, sagte ich und hob meine Hand, als würde ich ein unsichtbares Schwert führen.
    Charlie lachte und ich fand, dass er damit wirklich gut aussah, das könnte er ruhig öfter tun.
    „Du bist aber keine Gryffindor“, stellte er trocken fest.
    Stolz tippte ich mir an den Kopf, als wollte ich jemandem sagen, dass er einen Vogel hatte: „Ich hab's hier oben, weißt du. Ich bin in Ravenclaw.“
    Charlie sah mich verträumt an. Sein Blick glitt über mein ganzes Gesicht. Wind schlug uns entgegen und ich drückte meine Mütze fest auf meinen Kopf. Meine Haare und die beiden Bommel der Mütze flogen im Wind. Hinter uns raschelte das Laub der Bäume und ich reckte mein Gesicht der Sonne entgegen.
    Ohne den Kopf zu drehen, öffnete ich ein Auge und sah zu Charlie hinüber, der mich immer noch musterte.
    „Das musst du auch mal versuchen. Würde dir nicht schaden, bei der blassen Haut.“
    „Nun ja, die ist nun mal so blass.“
    „Echt?“, rief ich erstaunt, aber durchaus interessiert.
    Nach einiger Zeit des Schweigens meinte er: „Warum bist du mir vorher nie aufgefallen?“
    „Nun ja, vielleicht bin ich ja selbst ein Wesen des Waldes, weißt du?“
    Ich musste kichern, als ich seinen erstaunten und leicht zweifelnden Blick sah.
    Ich meinte freundlich: „Quatsch, um Himmels Willen, nie im Leben! Ich bin erst in der 3. Klasse und du bist der große Charlie, über den ganz Hogwarts spricht. Ich weiß, dass du in der 5. Klasse bist. Wir sind uns einfach noch nie über den Weg gelaufen.“
    Ich zwinkerte ihm zu.
    Nach einer Weile stand ich auf, zupfte an meinem kurzen, lila Rock und sagte zu ihm: „Es ist schon spät, ich denke ich muss wieder hoch zum Schloss. Danke, dass du so edelmütig warst und mich vor den wilden Tieren retten wolltest. Es war toll deine Bekanntschaft zu machen, Charlie Weasley! Ich bin mir sicher, wir werden uns wieder sehen.“
    Erneut kam eine Windböe auf und mein Rock flatterte mir um meine Beine, die in bunt geringelten Leggins steckten. Mit der einen Hand zog ich meine braune Jacke enger um mein grünes Top und mit der anderen drückte ich mir die Wollmütze auf den Kopf. Ich drehte mich wieder um und obwohl mir meine Haare ins Gesicht wehten, sah ich, dass Charlie glücklich lächelte.

    ~Die Erzählerin~
    In diesem Moment hatte sich Charlie hoffnungslos verliebt.

    ~Zeitsprung und deine Sicht~
    Die Frau, die so aufgeregt am Bahnsteig stand und energisch in die Fenster des Hogwartsexpresses starrte konnte dann ja wohl nur Mrs. Weasley sein.
    „Was mache ich denn, wenn sie mich nicht mögen?“
    „Machst du Witze? Meine Eltern werden dich lieben.“

    „Arthur, da sind sie!“, rief die Frau aufgeregt.
    „Ich weiß, ich kann sie auch sehen, Molly.“
    Mrs. Weasley kam uns entgegen und drückte mich fest an sich: „Ruby, wie schön dich kennen zu lernen!“
    Ich lächelte sie freundlich an und sofort waren alle meine Sorgen wie weggefegt. Mrs. Weasley war die warmherzigste, gutmütigste und wunderbarste Frau, die ich kannte.
    Mr. Weasley drückte mir die Hand und zusammen mit den ganzen anderen Kindern der Weasleys apparierten wir. Ich spürte wie ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte und öffnete die Augen. Wir standen auf einem Hof, gegenüber von mir erhob sich ein windschiefes Haus, das willkürlich zusammengewürfelt schien. Es gab noch einen Schuppen einen riesigen Garten. Charlie stand neben mir und kratzte sich schüchtern am Kopf: „Nun ja, es sieht nicht sonderlich toll aus.“
    Grinsend drehte ich mich zu ihm um und meinte freudestrahlend: „Es ist perfekt!“
    Mrs. Weasley schien einen regelrechten Narren an mir gefressen zu haben. Noch nie hatte mich eine Familie so freundlich aufgenommen. Ich teilte mir mit Ginny ein Zimmer und Mrs. Weasley hatte mich insgeheim zur zweiten Tochter erklärt. Ich half ihr gerne im Haushalt und war fasziniert über ihre kleinen Zauber, die allerhand Arbeit abnahmen. In diesem Gebiet hatte es Charlies Mutter zur Perfektion gebracht.
    ~Seine Sicht~
    Heute Morgen hatte Ruby zusammen mit Mum irgendeinen Kuchen gebacken. Mum hatte sie sofort in ihr Herz geschlossen. Es war einfach wundervoll Ruby hier zu haben. Mit ihrer warmherzigen Art konnte man sie einfach nur mögen. Ich war auf der Suche nach ihr, als ich sie endlich fand. Sie kniete im Garten und mit Erstaunen sah ich wie zwei Gnome vor ihr standen. Ruby hielt ihnen eine Schale Milch hin und kraulte sie am Kopf. Jetzt war ich erleichtert, dass Mum sie nicht sah. Meine Mutter legte immer solchen Wert darauf, dass der Garten entgnomt wurde.
    „Hier bist du, ich hab dich schon gesucht“, rief ich.
    Ruby blickte auf und ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus: „Sieh dir das an Charlie! Sind sie nicht schrecklich süß?“
    Ich war mir sicher, dass nur Ruby etwas Süßes in den zerknautschten Gesichtern der Gnome entdecken konnte.
    Ich trat zu ihr und fragte: „Hast du Lust auf einen Spaziergang? Ich könnte dir die Gegend zeigen.“
    Begeistert stand sie auf und wir machten uns auf den Weg die Hügel hinauf.
    „Das sind die besten Ferien, die ich je hatte!“, meinte sie. „Viel schöner als mit meinen Eltern irgendwo am Strand zu liegen.“
    Die Sonne senkte sich langsam und färbte ihre Haare mahagonibraun. Ruby eilte immer einige Schritte voraus, kniete sich nieder um an Blumen zu riechen oder sich einen Schmetterling anzusehen. Ich hätte ihr so gerne gesagt, dass ich sie umwerfend fand, dass sie etwas Besonderes war und dass ich sie nie verlieren wollte. Ich wusste aber nicht, was sie über mich dachte. Immer meinte sie, was für ein toller Freund ich wäre. Mit solchen Worten konnte man einen Jungen töten. Ich hatte aber zu viel Angst vor ihrer Reaktion und davor unsere Freundschaft zu gefährden. Ich war so ein Feigling, ein elender Angsthase.
    „Es muss unglaublich gewesen sein hier aufzuwachsen“, rief sie mir zu und ließ sich unter einem Baum ins hohe Gras fallen.

    ~Deine Sicht und Zeitsprung~
    „Charlie!“, zischte ich, „Was machen wir denn hier?“
    „Du hast doch gesagt, dass du Hunger hast.“
    „Ja, schon, aber das war doch jetzt nur aus Spaß.“
    „Also hast du keinen Hunger?“
    „Ja, doch schon, aber ich glaube kaum, dass wir die Früchte auf dem Bild oder den Kuchen auf dem anderen Essen können. Was zur Hölle machen wir also hier in dem Korridor?“
    „Essen holen.“
    „Manchmal bist du wirklich nicht lustig, Charlie.“
    Ich sah wie er die Birne in dem Bild kitzelte und diese auch noch anfing zu lachen. Wirklich komischer Anblick. Allerdings schwang das Portrait zur Seite wir stiegen hindurch.
    „Du meine Güte!“, rief ich aufgeregt und hüpfte auf und ab.
    Einige Hauselfen kamen auf uns zu und boten uns etwas zu Essen an.
    „Kann ich von diesen Cremeschnitten haben? Die waren heute beim Abendessen so gut. Hast du die probiert Charlie?“
    Ich blickte mich zu ihm um und sah wie er zufrieden an der Tür lehnte. Ich lief zu ihm und umarmte ihn: „Das ist so toll hier! Danke, danke, danke.“
    „Ruby, es ist nur die Küche“, meinte er lächelnd.
    „Es ist eine tolle Küche“, sagte ich begeistert. Hier war ich noch nie gewesen.
    Die Hauselfen überhäuften uns mit Essen. Ich hatte die fabelhafte Idee gehabt, dass wir auf dem Astronomieturm picknicken könnten und gemeinsam hatten wir das ganze Essen dort hochgeschafft. Ich hatte besonders auf diese Cremeschnitten geachtet. Es war schon Kunst, was diese Hauselfen jeden Tag so zustande brachten. Wäre ich nur halb so gut im Lernen gewesen.
    Oben auf dem Turm war ich als erstes zur Brüstung gestürzt und hatte mir die Ländereien angeschaut. Ich kam oft hier her und heute wollte ich es Charlie zeigen.
    Er war ziemlich mürrisch gewesen, als ich solchen Tumult vor dem Portrait der fetten Dame veranstaltet hatte, aber so war ich nun mal. Mein bester Freund hatte sich aber breit schlagen lassen und kam dann doch noch mit mir auf Streifzug durchs Schloss. Man lernte Hogwarts erst zu schätzen, wenn alles still und ruhig war. Das hatte ich ihm auch erklärt, aber ich glaube, er hat es nicht so wirklich verstanden.
    „Was ist, wenn Filch hier hoch kommt?“
    „Der kommt nicht, jetzt mach dich mal locker, Charlie!“, rief ich und schüttelte den Kopf vor so viel Ignoranz der Schönheit der Welt bei Nacht.
    „Und was ist mit einem anderen Lehrer?“
    „Die kommen auch nicht. Sieh mal, da unten brennt noch Licht bei Hagrid.“
    Charlie kam zu mir, legte eine Hand um meine Schultern. Wahrscheinlich hatte er Angst, dass ich vor Begeisterung und Euphorie noch vom Turm fallen würde.
    „Was ist mir Mrs. Norris?“
    Ich seufzte: „Die ist so niedlich.“
    Ich verdrehte die Augen. Er war immer so ernst und langweilig.
    Ich deutete nach unten: „Siehst du, da haben wir im Winter eine Schneeballschlacht gemacht, weißt du noch? Percy wollte das der McGonagall melden gehen, nur weil du ihn mitten im Gesicht getroffen hast, als er von Kräuterkunde kam.“
    Ich musste lachen und lehnte meinen Kopf an seine Schulter. Er war wirklich etwas Besonderes.

    „Hier, die musst du probieren!“, rief ich begeistert und gab ihm eine Cremeschnitte. Mittlerweile saßen wir im Schneidersitz auf dem Boden und verschlangen unsere Beute.
    „Weißt du“, mampfte Charlie, „Ich habe eine Angebot von der englischen Nationalmannschaft bekommen. Ich könnte bei ihnen als Sucher spielen.“
    Ich sah ihn mit großen Augen an: „Und machst du‘s?“
    „Ich glaube nicht“, sagte er gelassen.
    „Was!“
    Er sah nicht zu mir, sondern betrachtete die schwarzen Baumspitzen des Verbotenen Waldes, die man kaum noch erkennen konnte: „Mir würde das dort zu sehr fehlen.“
    Ich lächelte ihm zu und nickte. Charlie war ganz vernarrt in diese Tierwesen. Er und Hagrid verstanden sich wirklich gut.
    „Ich könnte doch mit Drachen arbeiten.“
    „Drachen!“
    Er nickte und ich sah ihn begeistert an, das wäre ja wundervoll.

    Charlie brachte mich zu meinem Gemeinschaftsraum und ich umarmte ihn lange. Er drückte mich an sich und ich verabschiedete mich: „Das war wirklich ein ganz toller Abend, Charlie. Das müssen wir wieder machen, es hat so viel Spaß gemacht. Lass‘ dich nicht doch noch erwischen. Du bist ein toller bester Freund.“

    ~Zeitsprung, seine Sicht~
    Es war warm geworden und ich kam gerade aus der Umkleidekabine des Quidditchfeldes. Schon von weitem erkannte ich die bunte Gestalt, die vom Schloss zu mir gelaufen kam. Ich spürte wie mein Herz schnell schlug und mir ein wenig schlecht wurde. Sie brachte mich immer wieder aus der Fassung. Ruby musste einfach nur in meiner Nähe sein und es war um mich geschehen. Kein Denken war mehr möglich, alles drehte sich nur um sie. Ihre Haare flogen ihm Wind und sie war immer so fröhlich. Alles konnte sie begeistern. Das war so wundervoll und ich wünschte mir manchmal, dass ich die Welt mit ihren Augen sehen könnte. Als Ruby nicht mehr weit von mir entfernt war, erkannte ich, dass etwas nicht stimmte.
    Abrupt blieb sie vor mir stehen und ich sah, dass Tränen in ihren grünen Augen schwammen. Sie zitterte leicht und ihr Mund verzog sich nicht wie gewohnt zu einem frechen Lächeln.
    Sie fiel mir in die Arme und ich war mehr oder weniger geschockt. Ich hatte sie noch nie traurig gesehen. Ruby ließ sich nie von irgendetwas unterkriegen.
    Nach einiger Zeit nahm ich ihr Gesicht in meine Hände und strich ihr sanft die Tränen weg. Sie sollte nicht weinen.
    „Wie gehen von hier fort!“, schluchzte sie.
    Ich war wie versteinert.
    „Mum und Dad, sie ziehen von hier weg und nehmen mich mit. Wir ziehen nach Frankreich, Charlie.“
    Ich hörte mich sagen: „Das ist gar nicht so weit weg.“
    Es war klar gewesen, dass sich unsere Wege trennen würden. Immerhin war ich mit der Schule fertig und Ruby müsste noch zwei Jahre in Hogwarts bleiben, allerdings hatte ich nie damit gerechnet, dass sie weg gehen würde.
    „Findest du?“, fragte sie und ich sah einen kleinen Funken Hoffnung in ihr aufkommen.
    „Ja, es ist nicht so weit, wir können Briefe schreiben“, ich sagte das nur, weil ich jetzt sah, dass sie wieder lächelte.
    „Du kannst dort viele neue Leute kennen lernen.“
    Jetzt schien sie wieder fröhlich zu sein und viel mir wieder in die Arme.

    ~Deine Sicht~
    Heute würde ich abreisen. Ich hatte meine ZAGs schon gemacht und stand nun zusammen mit Charlie am Eingang zur Großen Halle. Er sah traurig aus und ich war es auch. Er würde in zwei Tagen das Schloss für immer verlassen.
    „Ich werd dich vermissen!“, rief ich und umarmte ihn das gefühlt hundertste Mal, „Ich werde wieder zurück kommen, versprochen!“ Ich spürte wie sich seine Arme um mich legten Beruhigung keimte in mir auf. Das schaffte nur er. Ich war vielleicht bodenlos und aufgeweckt, aber Charlie war der Anker, der mich wieder zur Vernunft brachte und zurück auf den Boden der Tatsachen holte.
    Ich wusste, dass ich jetzt endgültig gehen musste. Ich sah zu ihm auf in seine treuen braunen Augen und spürte das unbändige Verlangen mich bei ihm für die wunderschöne Zeit zu bedanken. Es war nur sehr kurz und Jahre später fragte ich mich, ob es wirklich passiert war, aber sanft strich ich mit meinen Lippen über seine, nur ein Hauch, dann küsste ich ihn auf die Wange, drehte mich um, sah ihn noch einmal an, erkannte, dass er verwirrt war, musste lächeln und ging.

    ~8 Jahre später, seine Sicht~
    „Jungs, also ehrlich! Wir bereiten hier eine Hochzeit vor!“
    „Entschuldige Mum“, sagte Bill.
    „Wir müssen euch beiden noch die Haare schneiden. Komm Bill, du zuerst, du musst auch noch deinen Anzug anprobieren.“
    Bill schaute mich genervt an und rollte mit den Augen. Ich lachte und klopfte ihm auf die Schulter. Er hatte wirklich kein leichtes Leben: Eine halbe Veela wollte ihn heiraten, unzählige andere Frauen fanden ihn unwiderstehlich und er hatte einen guten Job. Naja, den hatte ich ja auch.
    „Charlie, mein Lieber, würdest du die Gäste begrüßen? Wir bekommen doch noch Unterstützung von dem Kollegen von Bill und er bringt noch seine Freundin mit.“
    „Wäre es nicht besser, wenn Bill die beiden dann begrüßen würde? Ich hatte die Nase von glücklichen Pärchen nämlich gehörig voll. Seit Bill und Fleur für die Hochzeit hier waren, schauten sich Mum und Dad wieder an wie verliebte Teenager. Ginny hatte ein Auge auf Harry geworfen, der noch gar nicht da war und ich war mir sicher, dass zwischen Ron und Hermine auch irgendetwas war. Fred und George hatten schon Pläne entwickelt wie sie sich an die Cousinen von Fleur machen könnten und nur ich blieb mal wieder übrig. Mit einem Stich dachte ich an Ruby. Wir hatten nach einem Jahr den Kontakt verloren. Meine Eule kam mit meinem Brief an sie wieder und die anderen, die ich schickte auch. Ich hatte keine Ahnung, was da passiert war. Es hatte nie wieder ein Mädchen gegeben, das mich so fasziniert hatte wie Ruby. Ich hatte in Rumänien einige lockere Beziehungen gehabt, aber nichts war so, wie bei ihr.
    Entnervt stand ich auf und stellte mich auf den Hof. Sie würden wohl irgendwo in der Nähe apparieren. Kaum hatte ich das gedacht hörte ich auch schon den Knall und danach einen Schrei. Meine Hand huschte zu meinem Zauberstab.
    „Ich hab dir tausend Mal gesagt, dass ich das sehr wohl alleine kann!“, das hatte eine Frau gesagt und bei der Stimme rutschte mir das Herz in die Hose und schlug wie wild. Bildete ich mir das nur ein, weil ich über sie nachgedacht hatte, oder war das wirklich Ruby gewesen.
    Kurz darauf sah ich einen Mann im Anzug und eine Frau in einem kunterbunten Blumenkleid. Mir wurde leicht übel, das konnte nur meine Ruby sein.
    Es waren nur noch einige Meter bis sie mich erreicht hätten. Ich erkannte sie sofort. Das waren Rubys schönes Gesicht und ihre Haare, auch wenn sie etwas länger waren, aber noch genauso buschig und lockig, wie ein Korkenzieher.
    Ich konnte hören wie sie meinen Namen flüsterte. Der Mann drehte sich zu ihr und fragte: „Was hast du gesagt, Liebes?“
    „Charlie!“, rief sie und rannte auf mich zu.
    Ich wurde panisch und wusste nicht, was ich tun sollte. Am liebsten hätte ich mich einfach umgedreht und wäre weggelaufen, aber das konnte ich nun wirklich nicht tun. Im selben Augenblick spürte ich wie sich zwei Arme um meinen Nacken legten und Ruby sich gegen mich warf. Darauf war ich nun wirklich nicht vorbereitet gewesen und hätte beinahe das Gleichgewicht verloren. Reflexartig schlang ich meine Arme um sie. Mittlerweile war der Mann angekommen und musterte uns mit hoch gezogenen Augenbrauen. Nachdem Ruby wieder auf eigenen Beinen stand, reichte mir ihr Freund die Hand: „Hallo, ich bin Ben.“
    Ich schlug zwar ein, aber ich konnte jetzt schon sagen, dass ich ihn nicht mochte. Ben – was war das schon für ein Name? Ruby musterte mich begeistert.
    „Meine Güte Charlie! Du bist ja groß geworden und mein Gott, wie du aussiehst!“
    „Post – pubertärer Wachstumsschub“, sagte ich tonlos und sehr lahm. Bens Blick war immer noch auf mich gerichtet und ich war mir sicher, dass in seinen Augen so etwas wie Giftspritzen steckten und er angestrengt nach dem Auslöser suchte.
    Ruby sah derweil nach oben und betrachtete sich das Haus, dann seufzte sie: „Es ist so schön hier, wie ich das alles vermisst hatte. Siehst du Ben, hier habe ich die besten Ferien meines Lebens verbracht.“
    „Ist ja wundervoll, Schatz“, zischte Ben zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor, wobei er das ‚Schatz‘ besonders betonte. ‚Mieser Schleimbeutel‘, schoss es mir durch den Kopf.
    Bill trat gerade aus der Tür und seine Augen huschten von Ben zu Ruby und dann zu mir.
    „Überraschung!“, rief Ruby und fiel auch ihm in die Arme.
    Ben klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter und Bill starrte die beiden immer noch sprachlos an. Irgendwann fand er seine Sprach wieder und meinte: „Wow, Ben, ich wusste gar nicht, dass du mit ‚meine Freundin Ruby‘ Ruby Kendall meinst.“
    „Ich wusste gar nicht, dass ihr euch kennt, bis ich ihr von der Hochzeit erzählt hatte. Schön hier zu sein, wo ist denn Fleur?“
    „Sie ist oben und hilft Mum, kommt doch rein“, sagte Bill, hielt ihnen die Tür auf und während die beiden das Haus betraten sah Bill zu mir und fuchtelte mit seinen Händen herum.
    Drinnen hörte ich einen aufgeschreckten Schrei und dann die Stimme meiner Mutter: „Ruby! Du meine Güte! Was machst du denn hier, Schätzchen, lass dich ansehen, du bist immer noch so schön.“
    Genervt verdrehte ich die Augen. Das hier fühlte sich an wie eine Faust, die man mir fest in den Magen gestoßen hatte. Was sollte ich denn jetzt tun?

    Mum hatte auf die Schnelle Tee und Gebäck serviert. Fleur war in eine Liste vertieft, auf der sie immer wieder etwas abhakte. Wahrscheinlich ging es um Aufgaben, die noch erledigt werden mussten. Bill saß mir gegenüber und sah mich komisch an. Ich selbst wäre am liebsten im Erdboden versunken. Fred und George unterhielten sich mit Ruby. Sie schien ganz begeistert von dem Scherzartikelladen. Ron aß, Hermine und Ginny plauderten und Mum sah glücklich in die Runde. Sie hatte Dad gleich eine Eule geschickt, damit er Bescheid wusste, wenn er von der Arbeit kam. Rubys Freund Ben saß ganz in meiner Nähe und richtete nun das Wort an mich: „Und als was arbeiten Sie so, Charlie?“
    Er versuchte betont gleichgültig zu klingen, aber ich merkte ihm an, dass er dieser Frage viel Gewicht beimaß.
    Ich antwortete: „Ich arbeite mit Drachen in Rumänien.“
    Ben führte seine Tasse gerade an den Mund und hielt in der Bewegung inne: „Wie darf man das denn verstehen?“
    „Ich kümmere mich um sie, pflege sie und wir sorgen für eine Erhaltung ihrer Art.“ Mein Blick begegnete dem von Ruby und zu meiner Zufriedenheit stellte ich fest, dass sie mich begeistert ansah.
    Ben schien gar nicht begeistert zu sein: „Unglaublich! Da kämpfen Zauberer Jahrhunderte darum, dass die Drachen endlich aussterben und dann gibt es Leute wie Sie, die sich für diese Bestien einsetzen.“
    Ich spürte wie Wut in mir hochkochte.
    Bill wollte mir sicher nur helfen, als er meinte: „Charlie wollte eben nicht in der englischen Nationalmannschaft als Sucher spielen. Da hat er sich für die Drachen entschieden.“
    Ben zog die Augenbrauen hoch und sein Tonfall war ironisch: „Sie scheinen vielseitig begabt zu sein, Charlie.“
    Mum wollte die Situation retten: „Ruby, was machst du denn beruflich?“
    Anstatt Ruby, sprach ihr Freund: „Ruby ist Kunstkuratorin. Natürlich nur vorübergehend, nicht wahr, Schatz?“
    Ruby funkelte ihn an, dann wandte sie sich wieder Mum zu: „Ich bin Kuratorin. Ich arbeite allerdings auch mit Muggeln zusammen. Kunst ist etwas Wundervolles.“
    Ich konnte ihr ansehen, dass sie glücklich war.

    ~Deine Sicht~
    „Musste das wieder sein, Ben?“
    „Was denn?“, fragte er unschuldig.
    „Das sind meine Freunde. Musstest du wieder mit meinem Beruf anfangen? Oder die Sache mit Charlie?“
    „Bill und Fleur sind auch meine Freunde und welche Sache mit Charlie?“
    Ich äffte ihn nach: „Vor Jahrhunderten haben Zauberer alle Drachen ausgerottet nur damit so Leute wie du sie wieder frei lassen. Ganz ehrlich, musste das sein?“
    „Oh Ruby, ich bitte dich. Dieser Charlie scheint mir doch ein einfacher Junge zu sein. Drachen zähmen oder wie darf ich das verstehen? Du kannst mir nicht erzählen, dass man davon gut und vor allem lange leben kann.“
    „Charlie schien glücklich und er ist kein Junge. Er ist zwei Jahre älter als du.“, verteidigte ich ihn.
    „Stumpfe Menschen sind immer schnell glücklich. Sie haben keinen Ehrgeiz.“ Den Rest meines Satzes überging er einfach.
    Ich seufzte: „Und mit meinem Beruf…“
    Er unterbrach mich: „Es ist ein Hobby, Liebling. Ein stilvolles, aber dennoch ein Hobby.“
    Ich gab es auf.

    An diesem Abend wollte ich noch frische Luft schnappen. Ben saß noch drinnen und erledigte Arbeit für die Bank. Zu meiner Freude sah ich Charlie, der allein im Garten saß und ein Glas Feuerwhisky trank.
    „Darf ich mich zu dir setzen?“, fragte ich.
    Er schrak auf, als ich ihn aus seinen Träumereien weckte und lächelte mir zu. Er hatte immer noch dieses schöne, warme Lächeln. Der Rest seiner Erscheinung hatte sich allerdings geändert. Er war größer und wesentlich muskulöser geworden. Einige Narben zierten seine Haut und auf seinem Unterarm prangte eine große Feuernarbe. Er trug seine Haare nun länger, was Mrs. Weasley fürchterlich ärgern dürfte. Sein Gesicht war kantiger und markanter geworden, nicht mehr so rund und weich. Ich kannte Charlie als friedliebenden Menschen, sodass dieses harte, wilde Erscheinungsbild so gar nicht zu seinem Charakter passen wollte. Das Glas Whisky tat sein Übriges.
    „Du warst also in Rumänien. Wahrscheinlich im entlegensten Winkel des ganzen Landes. Kein Wunder, dass dich meine Eule nie erreicht hat.“
    Charlie sah mich verwundert an: „Du hast mir geschrieben? Meine Eulen haben dich auch nie erreicht. Sie kamen immer wieder zu mir zurück. Ich dachte irgendwann du wolltest nichts mehr mit mir zu tun haben.“
    „Du dummer Junge“, entfuhr es mir. Ich hatte so etwas nie gedacht. Mir war schon immer klar gewesen, dass es an den Eulen liegen musste, die nie die Adresse fanden. Charlie war niemand der Sorte, der jemandem etwas vorspielte.
    Wir mussten lachen.
    „Es tut mir leid, dass Ben dich so angefahren hat“, meinte ich zerknirscht.
    Charlie lachte auf: „Als ob mir das etwas ausmachen würde. Ist schon ok. Du organisierst also Kunstausstellungen?“
    „Ja, es macht mir großen Spaß. Ich treffe viele Künstler, lerne haufenweise Leute kennen. Ich habe Ben bei einer Ausstellung kennen gelernt.“
    Charlie sah mir direkt in die Augen, als er meinte: „Es ist verrückt, aber für mich warst du schon immer die Kunstkuratorin. Es passt unwahrscheinlich gut zu dir, wenn man annimmt, dass du dich nicht allzu sehr verändert hast.“
    Mein Herz schlug wie wild. Es tat gut genau diese Worte von meinem besten und langjährigen Freund zu hören. Auch wenn wir uns seit acht Jahren nicht mehr gesehen hatten, war es so als wären wir nie getrennt gewesen. Auch wenn Charlie anders aussah und anders roch (unter den vertrauten Geruch hatte sich etwas Rauchiges gemischt, so wie Feuer), gab er sich gleich und redete noch wie vorher.
    „Du und der Banker?“, fragte Charlie skeptisch und sah mich von der Seite an.
    „Du kennst ihn einfach nicht richtig. Er muss erst auftauen. Ich bin mir sicher, dass ihr euch gut verstehen könnt“, ich zweifelte selbst an meinen Worten.
    Als ich nach meinem Abschluss direkt nach England zurückgekehrt war, hatte ich nichts anderes erwartet als von Charlie mit offenen Armen empfangen zu werden. Aber da war kein Charlie und in der ersten Zeit war ich ziemlich traurig und enttäuscht. Dann hatte ich mit meiner Arbeit begonnen und vor etwa einem Jahr stand dieser gutaussehende, charmante Mann im stilvollen Anzug vor mir und bat mich mit ihm auszugehen. Hätte ich das tatsächlich ausschlagen sollen nur weil ich darauf hoffte, dass ein rothaariger Junge mit haselnussbraunen Augen eines Tages vor mir stehen würde?
    Als Charlie heute vor mir stand, hatte ich gespürt, dass sich ein Knoten in meiner Brust gelöst hatte.
    Ein bisschen Furcht keimte in mir auf, aber ich wollte ihn schon den ganzen Tag danach fragen: „Hast du eigentlich eine Freundin?“
    „Ja“, sagte er wie aus der Pistole geschossen.
    Ich spürte einen Stich im Herzen.
    „Sie heißt Olivia, ist grün und wiegt mehrere Tonnen.“
    Ich sah ihn irritiert an und Charlie lachte mich aus: „Sie ist ein Walisischer Grünling.“
    Ich atmete erleichtert auf: „Deine Witze werden auch nicht mehr besser, Charlie.“
    „Manches ändert sich eben nie“, gab er zurück.

    Am nächsten Mittag tauchte ein Mann bei den Weasleys auf. Das markanteste an ihm war wohl seine tiefe Stimme. Er stellte sich mir als Kingsley Shacklebolt vor und den Namen verband ich mit dem Aurorenbüro. Ich wusste vom Orden des Phönix, war aber selbst kein Mitglied. Ben war gerade oben und arbeitete mal wieder. Manchmal war es wirklich nervig, dass er immer etwas zu tun hatte. Molly hatte mir erzählt, dass man Harry Potter morgen abholen wollte und es sich dabei um eine gefährliche Mission handeln musste.
    Kingsley saß am Tisch und beratschlagte sich mit Bill, Charlie und Arthur.
    „Jedenfalls kann ich morgen einfach nicht. Der Minister würde Verdacht schöpfen, ich musste ihm zusagen“, hörte ich Kingsleys beruhigende Stimme.
    „Mach dir keine Sorgen. Ich werde einfach für dich einspringen, das ist kein Problem“, meldete sich Charlie zu Wort.
    Ich hätte gerne irgendetwas gesagt, aber ich wusste nicht was. Ich machte mir große Sorgen. Aus Mrs. Weasleys Gesicht war alle Farbe gewichen und das Lächeln verschwunden.
    Sie fragte: „Meinst du, dass das eine gute Idee ist, Charlie?“
    „Mum, mach‘ dir keine Sorgen, ich fliege mit Hermine, sie wird gut auf mich aufpassen.“
    Das konnte mich kein bisschen beruhigen und war wohl auch eher ein Scherz gewesen. Es war als hätte mir jemand die Kehle zugeschnürt. Ich wollte einfach nicht, dass Charlie morgen Abend mit den anderen flog. Mein Herz hämmerte gegen meine Brust. Ich tat allerdings so, als wäre nichts und faltete weiter meinen Stapel Servietten.

    Ben hatte einen Arm um mich gelegt. Gemeinsam saßen wir auf dem Sofa. Ginny wippte ungeduldig mit den Füßen und die Anspannung war ihr ins Gesicht geschrieben. Wenn heute etwas passierte, es wäre zu schrecklich gewesen. Sechs Weasleys hatten sich auf den Weg gemacht und es bestand einfach eine große Chance, dass etwas passieren würde. Mein Herz schlug wie wild, meine Gedanken hingen bei Charlie, besonders bei ihm. Ben schien völlig entspannt, so als wüsste er gar nicht um was es hier ging. Ich war wütend auf ihn, zeigte es ihm aber nicht. Momentan war es einfach tröstlich ihn bei mir zu haben. Waren sie schon bei Harry Potter angekommen? Schon auf dem Rückweg? Molly überspielte ihre Sorgen indem sie durchs Haus wuselte und so tat, als wäre nichts.
    Plötzlich sprang Ginny auf: „Der erste Portschlüssel. Sie haben ihn verpasst!“
    Sie begann auf und ab zu gehen. Ich keuchte auf und Ben sagte: „Sie kommen schon noch.“
    Damit konnte er mich allerdings kein bisschen beruhigen. Ich wäre ihnen am liebsten entgegen gelaufen, aber ich wusste ja nicht mal wo sie waren. Immer wieder redete ich mir ein, dass Charlie gut fliegen konnte und ein fähiger Zauberer war. Ich knetete meine Finger und merkte wie schwitzig sie waren. Nichts konnte mich mehr hier drinnen halten. Draußen kam mir kühler Wind entgegen.
    Nach einer gefühlten Ewigkeit tauchten Hagrid und Harry auf. Ich erkannte ihn gleich an der Narbe. Die beiden sahen arg mitgenommen aus und Harry erzählte Mrs. Weasley von Todessern.
    In mir flammte höllische Panik auf.
    „Wir müssen ihnen helfen. Mrs. Weasley wo finde ich einen Besen?“, fragte ich hektisch.
    Ben legte mir eine Hand auf die Schulter und meinte ruhig: „Es bringt doch nichts, wenn du dich auch noch opferst.“
    „Opfern!“, schrie ich. „Lass mich in Ruhe! Wir müssen ihnen helfen!“
    „Ruby, wir können ihnen nicht helfen. Wir wissen nicht einmal wo sie sind“, meinte Mrs. Weasley flüsternd, aber ängstlich.
    „Ganz richtig“, brummte Hagrid.
    Gerade als ich dachte, ich würde durchdrehen, tauchten Lupin und George auf. Mrs. Weasley kreischte, als sie das ganze Blut sah. Ich stürmte ihnen entgegen und trug zusammen mit Lupin den verwundeten George ins Wohnzimmer. Allerdings hatte ich noch genau mitbekommen wie Ben genervt aufgestöhnt hatte.
    „Snapes Spezialität“, murmelte Lupin.
    „Was ist mit den anderen?“, wollte ich hektisch wissen, als wir George auf das Sofa betteten.
    „Wir haben uns in dem Angriff völlig verloren. Riesiges Chaos.“ Er stürmte wieder nach draußen. Ich blieb bei George sitzen, hielt seine Hand und flüsterte immer wieder: „Alles wird gut.“
    Mrs. Weasley kümmerte sich in der Küche um ein Heilmittel.
    Ich hechtete immer wieder zum Fenster, wenn neue Leute auftauchten, aber immer wieder wurde mein Herz enttäuscht. Kein Charlie.
    Jetzt fehlten nur noch er und Hermine, als ich nach draußen stürzte und Bill an den Schultern packte und rüttelte: „Wo ist er?“
    „Ruby, beruhig dich, ich bin mir sicher, dass sie gleich da sein werden“, meinte er, aber ich sah die Besorgnis in seinen Augen.
    Bill sah in die Runde und meinte: „Wir haben gesehen, dass Mad – Eye… gestorben ist.“
    Wir sahen ihn geschockt an. Ich fand ihn immer etwas gruselig, aber niemals hätte ich damit gerechnet, dass man ihn umbringen konnte.
    Bill packte Ron und Harry und führte sie nach drinnen wo Fred und Mrs. Weasley auf George aufpassten. Fleur scheute auch Ginny dort hin und Lupin und Mr. Weasley folgten ihnen. Was sollte das denn? Glaubten sie alle, Charlie würde nicht mehr kommen? Ben wollte mich packen, aber mit einem giftigen Blick vertrieb ich ihn. Ich würde hier warten.
    Es war dunkel geworden und ich hörte wie drinnen jemand weinte. Ben hatte mehrere Male versucht mich zu überreden nach drinnen zu kommen, aber ich wollte nicht. Eisige Luft fegte mir ins Gesicht.
    Ein leises Ploppen ertönte und ich schreckte auf. Dort waren zwei Gestalten aufgetaucht und es gab keinen Zweifel daran, dass das Charlie und Hermine waren. Ich schrie seinen Namen und rannte so schnell ich konnte ihnen entgegen. Beide hatten einiges abbekommen. Tränen liefen mir meine Wangen hinunter und erst jetzt merkte ich wie angespannt und ängstlich ich gewesen war.
    Es sah so aus als würden sie sich gegenseitig stützen, aber als ich näher kam, bemerkte ich, dass Hermine eher Charlie stützte. Als ich sie erreichte, fiel ich Charlie um den Hals. Er keuchte auf und sackte auf die Knie. Ich nahm sein Gesicht in meine Hände und strich ihm die Haare aus dem Gesicht. Schmutz und Schweiß klebten auf seiner Haut. Ich strich ich mehrere Male über die Wange und sah wie er sein Gesicht schmerzerfüllt verzog. Er sah mich an, als wäre ich ein Wunder oder nur eine Erscheinung.
    „Charlie, Charlie“, immer wieder murmelte ich seinen Namen.
    „Hier drüben!“, rief Hermine und winkte. Kurz darauf standen Mr. Weasley, Bill und Lupin bei uns. Bill stützte seinen Bruder und Lupin zog mich auf meine Beine.
    „Wir haben ihn gesehen“, berichtete Hermine auf dem Weg zum Fuchsbau. „Es waren so viele Todesser. Wäre Charlie nicht gewesen, dann gäbe es mich nicht mehr.“ Ihre Stimme war belegt.
    Charlie hustete und wäre fast einmal gestolpert.
    „Charlie!“, rief Mrs. Weasley und stürzte zu uns.
    „Mir geht's gut, Mum“, Charlies Stimme klang rau und kehlig.

    Alle waren mittlerweile nach oben gegangen. George ging es schon viel besser. Mrs. Weasley hatte mir gesagt, dass Ben schon längst oben wäre und ich wollte auch gerade gehen, als sie mich wieder zu sich rief.
    „Ruby, könntest du mir bitte bei Charlie helfen. Ich muss auf die Paste aufpassen, sie muss noch etwa fünf Minuten köcheln bevor sie aufgetragen werden kann. Du könntest ihm das Shirt aufschneiden, ich glaube kaum, dass er es ausziehen kann.“
    Sie reichte mir eine Schere und ich hoffte, dass sie nicht merkte wie ich rot wurde. Peinlich berührt ging ich ins Wohnzimmer wo Charlie auf einem Stuhl saß.
    „Wie fühlst du dich?“, fragte ich sachte.
    Ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht: „Schon viel besser.“
    Vor ihm lag noch der schmutzige Lumpen mit dem er sich den Schmutz von der Haut gewischt hatte.
    „Hermine meinte, dass du unglaublich warst.“
    Ich kniete mich vor ihn, setzte die Schere am Saum an und begann die Fasern zu zerschneiden.
    Charlie schüttelte den Kopf und verbesserte mich: „Hermine war viel besser und vor allem nicht so dumm sich erwischen zu lassen. Ich bin vom Besen gefallen. Ist das zu glauben?“
    Ich sah ihn streng an: „Nachdem dich ein Schockzauber hart an der Seite getroffen hat, während du gerade gegen einen anderen Todesser gekämpft hast.“
    „Trotzdem. Hätte Hermine mich nicht verlangsamt wäre ich jetzt wahrscheinlich tot.“
    „Das ist zum Glück nicht passiert.“
    Jetzt sah ich wie Charlie breit grinste.
    „Was?“, fragte ich, aber er schüttelte nur den Kopf.
    Ich stand wieder auf, weil ich alles zerschnitten hatte. Meinen Blick konnte ich aber nicht von Charlie wenden. Gut, ich hatte an seinen Arme gesehen, dass er muskulös war, aber das, was ich jetzt sah, übertraf meine Vorstellungen. Ich spürte wie mir Blut in den Kopf schoss. Dann kam glücklicherweise Mrs. Weasley mit der Paste, die die Schmerzen lindern sollte. Charlie wandte sich um und was ich dann sah ließ mir den Atem stocken. Ein fast schwarzer Bluterguss überzog seine ganze Linke Seite. Mir wurde flau im Magen und auch Mrs. Weasley schien schockiert. Am liebsten hätte ich gesagt, dass er ins Krankenhaus musste, aber ich war mir auch bewusst, dass Mrs. Weasley das wieder richten konnte.
    Aus dem Treppenhaus ertönte die Stimme von George und Mrs. Weasley stellte die Paste ab und eilte zu ihrem anderen Sohn. Ich nahm mir den Spachtel, der neben der Schale lag und hätte die Paste fast wieder fallen lassen, so heiß war sie. Ich beherrschte mich aber und schmierte etwas davon sachte auf Charlies Bluterguss. Er zuckte nicht mal zusammen.
    „Halt still“, sagte ich, als ich bei seinem Gesicht angekommen war. Den Schnittwunden schadete es sicher nicht, wenn sie versorgt wurden. Charlie musterte mein Gesicht und sah mir in die Augen. Er hob seine rechte Hand und strich eine Strähne hinter mein Ohr. Die anderen wurden mit einem Tuch zurückgehalten.
    Ich musste grinsen, obwohl Charlie ganz ernst aussah. Er legte seine Hand an meine Wange und genau in dem Moment betrat Mrs. Weasley wieder den Raum und wir zuckten zusammen.

    ~Kleiner Zeitsprung~
    „Ben, ich habe deutlich gesagt, dass du irgendein Sommerkleid für mich einpacken sollst“, rief ich aufgebracht.
    „Aber das hier ist so viel eleganter“, erklärte er mir und strich über den cremefarbenen Stoff.
    „Es ist weiß und wir sind hier auf einer Hochzeit. Ich ziehe das nicht an“, sagte ich und verschränkte meine Arme.
    Ben warf das Kleid aufs Bett und verließ den Raum. Er war seit einigen Tagen unausstehlich und ich war mir sicher, dass es an Charlie lag. Mrs. Weasley hatte sich am nächsten Morgen beim Frühstück abermals überschwänglich bei mir bedankt, dass ich geholfen hatte Charlies gebrochene Rippen zu verbinden. Seit dem war Ben äußerst schlecht gelaunt. Charlie ging es zum Glück wieder gut. Die Pflege seiner Mutter war eben unübertroffen.

    Fred war so freundlich gewesen mich zum Dorf zu begleiten, wo ich schnell ein neues Kleid fand, das viel besser zu einer Hochzeit passte. Zumindest besser als ein weißes Kleid.
    Ich hatte mich spontan in den fließenden, leichten, roten Stoff verliebt. Es hatte einen Träger, der oben an meiner Schulter zu einer großen Schleife zusammen gebunden war und reichte knapp über meine Knie.

    Die Trauung war wunderschön gewesen und Fleur hatte wirklich ein traumhaftes Brautkleid getragen. Ich freute mich für Bill und Fleur, eine Hochzeit war in diesen Zeiten eine Wohltat für die Seele. Meine Augen hingen immer wieder für lange Zeit an Charlie. Der schwarze Anzug stand ihm gut und andauernd dachte ich an sein Lächeln. Mir war schon lange klar, dass ich nicht daran denken sollte, aber es war einfach zu schön. So als hätte sich sein Gesicht auf meine Netzhaut gebrannt. Ich bewunderte ihn, er war stark und mutig. Ich weiß nicht wie viele andere es überstanden hätten, wenn sie gegen sechs Todesser hätten kämpfen müssen. Charlie hatte sein Leben riskiert. Er war so ein liebenswerter Mensch, wie er da neben seinem Bruder stand und das Brautpaar selig anlächelte. Ich wusste nicht wie ich all die Jahre ohne ihn verbringen konnte. Der flüchtige, gehauchte Kuss kam mir wieder in Erinnerung. War das wirklich geschehen? Bei dem Gedanken daran musste ich grinsen.
    „Was hast du?“, fragte Ben forsch.
    „Nichts. Ich musste nur daran denken wie schön die Hochzeit ist“, log ich.
    Als die Bänke verschwanden und Musik gespielt wurde, hielt mir mein Freund seine Hand hin. Ich ertappte mich bei dem Gedanken, dass ich lieber mit Charlie getanzt hätte.
    Ben und ich wiegten uns im Takt, als er hart meinte: „Was sollte das mit dir und Charlie?“
    „Was meinst du?“, wollte ich wissen, obwohl ich es mir schon fast denken konnte.
    „Du hast ihn verarztet“, meinte Ben übellaunig.
    Natürlich das Thema, das ihn schon die ganze Zeit reizte.
    Ich seufzte: „Er war verletzt. Da ist nichts, wann glaubst du mir endlich?“
    „Ich weiß nicht. Wenn du so gerne Menschen heilst, dann solltest du dir vielleicht endlich Arbeit besorgen, vielleicht ja im St. Mungos“, er klang gehässig.
    Ich ließ ihn sofort los und zerrte ihn mit mir an den Rand des Zeltes wo uns weniger Leute belauschen konnten.
    „Was fällt dir eigentlich ein?“, zischte ich.
    Er machte sich keine Mühe die Stimme zu senken: „Du solltest dir Arbeit suchen. Ich kann dich nicht ewig durchfüttern und wie stehe ich denn da, wenn ich ständig erzählen muss, dass meine Freundin Bilder ausstellt. Hast du dich nie gefragt, warum wir nicht heiraten, genau deswegen! Du und dieser Weasley. Ich hätte nicht erwartet, dass du so verlogen bist.“
    In mir stieg eine ungekannte Wut auf. Ich hob meine Hand und mit Genugtuung schlug ich ihm ins Gesicht. Auf dem Absatz drehte ich mich um und mit Tränen in den Augen eilte ich vom Gelände.
    Wie durch Watte hörte ich wie jemand meinen Namen rief. Ich drehte mich nicht um, die Gegend war mir immer noch vertraut. Unter einer alten Buche blieb ich stehen und bedeckte mit meinen Händen meine Augen und begann hemmungslos zu schluchzen.
    Ich hörte Zweige unter Schritten knacken, drehte mich aber nicht um. Dann legte sich eine Hand auf meine Schulter und beruhigend flüsterte Charlie: „Ruby, was machst du denn hier ohne jemandem Bescheid zu sagen? Es kann gefährlich sein. Hast du deinen Zauberstab dabei?“
    Ich schüttelte den Kopf. Es war Charlie und nicht Ben, das war Zeichen genug für mich.
    Sanft drehte Charlie mich zu sich und genauso sachte zog er meine Hände aus meinem Gesicht. Eigentlich wollte ich nicht, dass er mich so sah, meine Schminke war verlaufen. Mit Tränen in den Augen sah ich zu ihm auf. Sein Blick war wie Balsam, so sanft und gütig, so beruhigend. Ohne weitere Worte zog er mich an seine Schulter, wo ich erst einmal sein Hemd ruinierte.
    „Er ist ein Idiot. Ich habe euch zugehört, entschuldige. Eigentlich wollte ich mit dir tanzen“, flüsterte er und strich dabei beruhigend über meinen Rücken.
    Wir ließen uns ins Gras sinken und ich bettete meinen Kopf an seine Schulter.
    „Was hast du nur je mit ihm gewollt?“
    Es klang nicht so, als wollte er eine Antwort, aber ich gab sie ihm trotzdem: „Er war einfach immer da. Ben würde niemals irgendwohin gehen. Er ist dieser langweilige Büromitarbeiter und er war immer gut zu mir.“
    Ich spürte wie Charlies Herz begann wild zu schlagen. Ich sah in seine Augen und zu meiner Überraschung lag so etwas wie Groll darin.
    „Er hätte niemals so mit dir sprechen dürfen. Du hast das nicht verdient.“
    Ich legte ihm einen Finger auf die Lippen und ich spürte deutlich das unbändige Verlangen ihn zu küssen. Ich blickte auf in seine warmen Augen und unsere Gesichter näherten sich einander. Charlie schlang seine starken Arme um meinen Körper und ich fühlte mich so geborgen und sicher. Unsere Lippen waren kurz davor sich zu berühren, als Lärm aufbrandete. Unverzüglich sprang er auf und zog mich mit sich auf die Beine. Gerade als er gehen wollte, drehte Charlie sich wieder um und blickte mich an.
    „Du musst verschwinden. Du hast keinen Zauberstab. Apparier‘, bitte. Ich flehe dich an. Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir etwas passieren würde“, er sprach mit Nachdruck.
    „Ich will dich nicht…“
    „Ruby, bitte!“
    Ich nickte kurz und damit drehte Charlie sich um und lief mit gezücktem Zauberstab zurück zum Fuchsbau. Ich apparierte in die gemeinsame Wohnung von Ben und mir, packte meine Sachen und war wild entschlossen nicht mehr wieder zurück zu kommen.

    ~Zeitsprung~
    Mrs. Weasley ließ mir eine Nachricht zukommen, dass es allen gut ging. Ich war so erleichtert gewesen. Meine Eltern waren erst enttäuscht gewesen, dass ich mich von Ben getrennt hatte, aber sie konnten mich auch verstehen. Es war eine Schande gewesen nach all den Jahren wieder bei meinen Eltern einzuziehen, aber so wusste ich, dass es ihnen gut ging. Charlie hatte ich seit der Hochzeit nicht mehr gesehen. Ich bekam gesagt, dass er im Ausland wäre und für den Orden arbeite.

    Bei der Schlacht half ich Madame Pomfrey in der großen Halle. Sie konnte jede helfende Hand gebrauchen. Ich hatte solche Angst. Was würde nur passieren, wenn wir verlieren würden? Ich hörte die ganze Zeit die Schreie und die Explosionen, sah stark blutende Schnittwunden, schiente gebrochene Knochen und versorgte Verletzungen. Die besonders schlimmen Fälle kamen zu Madame Pomfrey, worüber ich froh war. Erleichterung machte sich jedes Mal in mir breit, wenn ich die Verletzten nicht kannte. Ich wusste nicht, wie ich reagiert hätte.
    Dann bekamen wir eine Stunde Zeit und mir stockte der Atem als eine rothaarige Gestalt in die Halle getragen wurde. Fred war gestorben. George kniete neben ihm und weinte, die Familie stand um sie herum und trauerte. Etwas weiter abseits war ich zusammen gebrochen. Er hatte das nicht verdient. Ich hatte ihn gekannt.
    „Machen Sie was!“, herrschte George Madame Pomfrey an.
    „Ich kann nichts mehr für ihn tun.“

    Die Beerdigung war würdevoll gewesen. Ich hatte mich weiter abseits postiert und wollte nicht auffallen und mich nirgendwo dazwischen drängen. Fleur strich Bill immer wieder über den Arm. Ich wünschte, ich hätte Charlie auch irgendwie trösten können. Er sah so verloren aus, wie er da allein stand. Nach den Formalitäten ging ich zu ihm und nahm ihn wortlos in den Arm. Es war das erste Mal seit zehn Monaten, dass wir uns wieder sahen. Charlie zeigte keine Regung. Er umarmte mich nicht zurück, die Tränen in meinen Augen ließen ihn kalt und er löste schnell den Griff meiner Arme um sich. Ohne irgendein Wort ging er an mir vorbei. Ich musste weinen. Dann legte sich eine Hand auf meine Schulter und ich sah in die Augen von Arthur Weasley.
    Er lächelte mich traurig an und meinte: „Gib ihm Zeit.“

    Nach einer Woche besuchte ich die Weasleys. Sie waren immer freundlich zu mir gewesen und noch viel mehr. Ich wollte mich revanchieren ohne aufdringlich zu sein.
    Mrs. Weasley erzählte mir, dass Charlie in einer kleinen, schäbigen Wohnung im Nachbardorf Ottery St. Catchpole lebte und bislang nicht mehr in Rumänien war.
    Noch am selben Tag beschloss ich zu ihm zu gehen. Zwischen uns war etwas gewesen und die Chance, dass es immer noch da war, musste genutzt werden. Ich wusste, dass ich mich verliebt hatte. Wann es passiert war, konnte ich nicht sagen. War es bei der ersten Begegnung, als der schüchterne Junge zu mir kam oder beim Picknick auf dem Astronomieturm? Vielleicht auch erst später, als klar war, dass sich unsere Wege trennen würden, oder als dieser gutaussehende Mann mich am Fuchsbau in Empfang nahm. Gut möglich, dass es auch erst unter der Buche gewesen war.
    Für mich stand jedenfalls fest, dass ich ihn nicht schon wieder gehen lassen würde.

    Als Mrs. Weasley schäbig meinte, hatte sie maßlos untertrieben.

    ~Seine Sicht~
    Zwei Wochen kam die Welt schon ohne Fred aus und sie drehte sich mit solch einer Grausamkeit weiter, dass mir schwindelig wurde. Mum hatte mir erzählt, dass George wieder zu Hause war, das war auch gut so, ihm ging es wohl am schlimmsten von uns allen. Ihm und unseren Eltern. Wie ging man damit um, dass er weg war? Mum kam sonst immer jeden zweiten Tag vorbei, wahrscheinlich wollte sie sicher gehen, dass ich auch genug aß. Seit einiger Zeit tauchte allerdings Ruby auf. Mein Herz tat jedes Mal einen freudigen Hüpfer, wenn ich sie sah. Sie war so wunderschön und es tat gut, dass sie da war. Mein Körper konnte sich aber kein bisschen bewegen.
    „Charlie? Mach auf, ich bin's!“, sie war wieder gekommen.
    Ich regte mich keinen Zentimeter. Dann hörte ich das vertraute Knacken, wenn sie mit ihrem Zauberstab das Schloss öffnete.
    Mit ihr kam helles Licht ins Zimmer.
    „Schön, dich zu sehen. Wie geht's dir?“, ihre Stimme klang so fröhlich wie immer. Kaum zu ertragen. Sie ging zum Fenster und zog den Rollladen hoch und öffnete es. Draußen waren viele Menschen, es war ein warmer Sommertag. Ich lag auf dem Bett und sagte gar nichts. Vergnügt ging Ruby zum Tisch und wechselte wie jeden zweiten Tag die Blumen aus, die sie auf den Tisch stellte. Heute waren es Margeriten. Danach nahm sie das dreckige Geschirr von gestern und spülte es von Hand. Dabei stand sie an der Spüle und plapperte hemmungslos von ihrem Tag. Es ging mir auf die Nerven, aber ich wollte es genauso wenig missen.
    „Ich habe heute wirklich ein interessantes Angebot bekommen. Wenn ich die Ausstellung tatsächlich auf die Beine gestellt bekäm, ich glaube, das wäre wundervoll.“
    Ich starrte die Decke an.
    „Ich treffe mich nächste Woche mit einem Kunstkenner in der Winkelgasse. Das sind ganz tolle Werke, du müsstest sie sehen.“
    Ich zeigte keine Reaktion. Sie wollte mich ablenken, aber es gelang ihr nicht besonders gut.
    „Deine Familie macht sich große Sorgen“, mit diesen Worten verschwand sie ins Bad und kümmerte sich um die dreckige Wäsche. Ich hörte wie sie leise anfing zu singen und Ruby konnte wirklich gut singen. Ein kleines Lächeln stahl sich auf mein Gesicht.
    Sie setzte sich zu mir aufs Bett und reichte mir etwas: „Hier. Der Brief kam für dich mit einer Eule.“
    Ich nahm ihn entgegen und legte ihn auf meinen Nachtschrank.
    „Mach‘ ihn auf!“
    Ich verdrehte die Augen. Wen interessierte denn jetzt dieser Brief?
    Ruby nahm den Umschlag vom Schrank und öffnete ihn.
    „Charlie, alter Junge. Wo bist du abgeblieben? Wir brauchen dich hier, komm‘ wieder zur Arbeit“, las sie vor und hielt mir den Zettel vor die Augen, damit ich sah, dass jeder unterschrieben hatte.
    An Arbeit war nun wirklich nicht zu denken.
    Als ich immer noch nichts sagte, kniete sie sich zu mir, seufzte und ich roch den süßlichen Duft ihres Parfüms. Ich konnte erkennen, dass sie mich traurig anlächelte, dann flüsterte sie: „Nimm‘ dir so viel Zeit wie du brauchst. Ich muss jetzt los, aber ich komme Morgen wieder.“
    Mit diesen Worten beugte sie sich vor und küsste mich auf die Wange.
    Ich komme morgen wieder. Das sagte sie jeden Tag.

    Es war wieder eine Woche vergangen. Ich ertappte mich schon dabei, dass ich morgens aufwachte und nur darauf wartete, dass Ruby kam.
    Ich hörte schon, wie die Tür knackte und sie in den Raum kam. Ihr Blick fiel auf das leere Bett. Zum ersten Mal hatte ich mich dazu entschlossen aufzustehen, wenn sie kam. Ruby strahlte mich mit offenkundiger Freude an. Sie kam zu mir und drückte kurz meine Hand, die nutzlos auf dem Tisch lag.
    „Wie geht's dir?“, fragte sie wie immer.
    Ich sah ihr zu wie sie die Blumen goss. Eigentlich fand ich Blumen nicht sonderlich schön, aber vielleicht mochte sie es, wenn hier welche herumstanden.
    „Ich soll dich von deiner Familie grüßen. Sie wollen dich am Wochenende besuchen kommen.“
    Sie nahm die halbleere Müslischale und trug sie zur Spüle.
    „Du isst nicht genug. Ich habe mich heute mit einem Künstler getroffen. Es sieht endlich so aus, als würde es etwas besser für mich laufen. Glücklicherweise kann ich dir sagen. Ich hab einige Rechnungen zu Hause liegen.“
    Ich musste nicht einmal wo zu Hause war. Wo wohnte sie?
    Nach dem Spülen hielt sie mir auffordernd saubere Kleidung und Schuhe hin. Ich sah sie fragend an und sie erklärte mir: „Wir gehen ein wenig spazieren. Draußen ist es so schön, du wirst es lieben. Die Kornfelder fangen an zu blühen und du musst das einfach sehen!“
    Ihre Augen funkelten bei diesen Worten und nach langem Ringen mit mir selbst, zog Ruby ihren Zauberstab und zielte auf mich. Sie würde mir nichts tun, also bewegte ich mich auch nicht.
    Sie verdrehte die Augen und kniete sich nieder. Dort nahm sie einfach meine leblosen Beine und steckte sie in die Jeans. Gerade als sie meine Füße in die Schuhe stülpen wollte, nahm ich sanft ihren Arm und machte es selbst. Ich hatte es verstanden. Sie würde mich nicht in Ruhe lassen.

    Draußen schlug mir heiße Luft entgegen. Die Sonne stach grell in meinen Augen und am liebsten wäre ich einfach wieder umgekehrt.
    Ruby schlenderte gut gelaunt neben mir. Ich trottete eher wie ein altes Pferd. Ich fühlte mich hier fremd.
    „Ich hatte nie gewusst, dass Percy so lustig sein kann. Es ist schön, dass es ihm wieder so gut geht“, meinte Ruby.
    Ich hatte Percy gesehen. Er sah wirklich gut aus. Jeden zweiten Tag schaute jemand von der Familie vorbei. George war nie dabei. Sie alle waren traurig, aber irgendwo dachte ich mir, dass sie Trost fanden. Sie alle hatten jemanden. Nur ich fühlte mich so allein. Ruby kam doch nur zu mir, weil wir Freunde waren.
    Sie hatte nicht gelogen. Die Kornfelder sahen wunderschön aus. Zwischen Weizenähren wiegten blaue Kornblumen und roter Mohn im Wind. Niemand war hier und man sah nur Felder und Wiesen. Am Horizont erstreckte sich ein weiter Wald. Ruby ging mit mir einen Feldweg entlang. Sie hatte sich bei mir eingeharkt und nach langer Zeit des Schweigens sagte sie leise: „Jeder wusste worauf er sich einließ.“
    Meine Muskeln verkrampften sich. Ich wollte nicht über die Schlacht reden. Freds toter Körper, die ständige Angst jemanden zu verlieren, die permanente Furcht, dass Ruby etwas passierte und ich nicht da war, um sie zu beschützen, die ganzen Feinde, der eisige Griff des Todes, der seine langen, knochigen Finger um meinen Hals gelegt hatte. Ich wollte nicht über die Schlacht reden.
    „Jeder wusste, dass etwas passieren konnte.“
    Sie strich mir über den Arm und die Berührung war ungewohnt. Im Schatten eines Baumes setzten wir uns ich hatte beschlossen lieber zu schweigen.
    „Weißt du, das Leben ist nicht immer gerecht. Fred hatte ein schönes Leben und er musste nicht leiden. Wahrscheinlich hat er gar nichts davon mitbekommen. Er war fröhlich, weil er sich gerade mit Percy ausgesprochen hatte.“
    Erstaunlicherweise tat es nicht so weh, wenn sie das sagte. Vielleicht lag das an der hellen Sonne und dem freundlichen Ort.
    „Jeder findet es schlimm und muss trauern, aber Charlie du bist nicht allein mit dem Schmerz. Deine Familie, sie alle sind für dich da. Fleur meinte, dass es Bill ähnlich geht. George ist nur in seinem Zimmer und den anderen geht es auch nicht gut. Ich sehe das doch jedes Mal, wenn ich im Fuchsbau bin, aber ganz ehrlich, Charlie: Es bringt nichts, wenn du dich in einer Bruchbude verkriechst. Die anderen brauchen dich und du brauchst sie auch. Das ist deine Familie. Pack deinen Kram zusammen und geh nach Hause“, ihre Stimme war so sanft und leise. Ein Flehen lag darin und vielleicht auch ein wenig Angst.
    Ich ließ meinen Blick am Horizont entlangwandern. Dann sagte ich: „Er hatte das nicht verdient.“
    Meine Stimme klang belegt und verbraucht, dabei hatte ich nichts mehr gesagt seit der Schlacht. Es war ungewohnt. Ich drehte meinen Kopf zur Seite und sah, dass Ruby mich selig anlächelte. Freude lag in ihren grünen Augen und mir wurde so langsam einiges klar.
    Sie sagte: „Niemand hat das verdient, aber Charlie, das Leben geht weiter. Du kannst dich nicht verstecken. Deine Mum würde dich immer finden.“
    Jetzt zuckten meine Mundwinkel sogar nach oben. Ich fasste mir ein Herz und fragte: „Warum hast du das gemacht?“
    „Du hast ja wohl nicht ernsthaft erwartet, dass ich dich im Stich lasse, oder? Meine Güte Charlie Weasley, da kennst du mich aber schlecht.“
    Ich zog Ruby auf meinen Schoß in meine Arme und merkte wie sie sich an mich schmiegte. Eine fast vergessene Wärme breitete sich in mir aus. Ich sah in ihr schönes Gesicht. Ihre Augen huschten unruhig über meine Augen und Lippen.
    Leise flüsterte sie: „Willkommen zurück.“
    Meine Hand grub sich in ihre Locken, mit der anderen umschlang ich ihre Taille. Zwischen uns entstand dieses Knistern und eine Spannung lag in unseren Blicken. Ich wusste nicht so recht, was ich tun sollte, ab liebsten hätte ich sie geküsst.
    Sie flüsterte: „Ich habe das gemacht, weil ich dich nicht im Stich lassen konnte und ich habe es gemacht, weil ich dich liebe.“
    Wie lange hatte ich darauf gewartet? Ich lächelte sie an und ich fühlte mich betrunken vor Glück. Ich zog sie näher zu mir. Ihre linke Hand ruhte an meiner Wange und die andere hatte sie um meinen Hals gelegt. Wir küssten uns, zuerst ganz sachte, dann immer sicherer und leidenschaftlicher. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten fühlte ich mich lebendig, so als hätte sie mir wieder Leben eingehaucht. Wir blieben noch lange dort sitzen, bis wir aufstanden und gemeinsam zurück gingen. Ihre Hand stahl sich in meine und die Sonne begann unter zu gehen.

    ~Zukunft und wieder deine Sicht~
    Die Sonne sank immer weiter und im Tal war sie schon gar nicht mehr zu sehen. Nur über die hohen Bergkuppen lugten ein paar letzte Strahlen. Der Fluss schlängelte sich silbrig durch das Tal und von weitem hörte man das Kreischen der Drachen. Für mich klang es wie eine Mischung aus den Schreien von Greifvögeln und dem Fauchen von Raubkatzen. Aber in den zwei Jahren in Rumänien hatte ich mich daran gewöhnt. Es hatte immer noch etwas Aufregendes in einem Zelt im Drachenreservat zu schlafen und zu leben. Es lebten noch mehrere von Charlies Kollegen hier mit ihrer Frau oder Freundin.
    Charlie kam gerade von den Gehegen. Er schloss mich lange in seine Arme und küsste mich innig. Zwischen uns hätte es nicht besser laufen können. Endlich fühlte ich, dass ich angekommen war.
    „Charlie, wir müssen über etwas reden.“
    Er musterte mich kurz und nickte dann ernst. Wir ließen uns auf dem großen Bett in unserem Zelt nieder und er legte einen Arm um mich. Ich druckste einige Zeit herum bis ich ihm fest in die Augen sah. Es nützte sowieso nichts, es musste raus.
    „Ich bin schwanger.“
    Ich wusste, dass diese Nachricht unser Leben auf den Kopf stellen würde und das sogar auf brutalste Weise. Ich hatte mich schon dazu entschieden nicht in Rumänien zu bleiben. Drachen und kleine Kinder vertrugen sich nur bedingt. Dazu kam, dass wir noch nicht geplant hatten Kinder zu bekommen. Charlie schien überrascht und schockiert. Er strich sich durch die Haare, die nun in allen Richtungen abstanden. Ich beobachtete ihn aufmerksam. Charlie zog mich in meine Umarmung.
    „Wir werden Eltern“, meinte er, klang aber nicht allzu euphorisch. Es machte mir etwas Sorgen, ich hatte mir diese Szene immer anders ausgemalt.
    Als wir die Umarmung lösten, sah ich aber, dass er aufrichtig lächelte. Charlie ging vors Zelt und ich hörte einen Freudenschrei. Ich lachte kurz auf und ging zu ihm. Charlie hob mich von meinen Füßen und küsste mich so stürmisch, dass ich schon dachte, wir würden jeden Moment umfallen. Ich war erleichtert, dass Charlie sich so freute, aber ich hoffte, dass er wusste, was das bedeutete.
    Er sah mir lächelnd in die Augen und übersäte mich mit Küssen.
    „Wir müssen Mum schreiben, ich bin sicher, dass sie aus dem Häuschen sein wird. Wir könnten aufs Land ziehen. Ganz in die Nähe von meinen Eltern. Oder in die Nähe von Bill, an die Küste. Was wäre dir lieber?“
    Weiter kam er nicht, denn ich nahm sein Gesicht in meine Hände und küsste ihn fordernd.
    Er flüsterte leise: „Ich liebe dich so sehr.“

    Zusammen waren wir ans Ende des Tals mit dem Besen geflogen. Gemeinsam gingen wir der untergehenden Sonne entgegen. Ich hatte nicht bemerkt wie Charlie stehen geblieben war. Über die Schulter sah ich zurück und bei seinem Anblick lief mir eine Gänsehaut über den Rücken.
    Ganz unvermittelt und ruhig sagte er: „Heirate mich.“

    Dir hat die Geschichte gefallen? Du fandest die Geschichte ziemlich doof? Über einen Kommentar oder eine Bewertung würde ich freuen.

    Auswertung für Profil C: Das ist die Geschichte von Roxanne Jenkins.

    ~Deine Sicht~

    Es gab diese Momente im Leben, da wünschte man sich, man könnte zurückspulen. Heute war so ein Moment gewesen.

    Ich erwachte in einem komischen Raum. Es war dunkel, roch stickig und muffig. Das Bett war besonders hart und ich fühlte Schmerzen an Stellen von denen ich nicht einmal wusste. Wo war mein Zauberstab? Ich versuchte mich zu bewegen, was allerdings nur zu einem schmerzverzerrten Gesicht führte. Durch einen Schlitz am Fenster fiel Licht, es musste also Mittag sein, aber ich hatte keine Ahnung wo ich war. Das bisschen Licht reichte bei weitem nicht, um den Raum auszuleuchten. Langsam gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit. Ich sah einige Regale und vermutete, dass sie staubig waren. Dort am Boden lag ein alter, ranziger Teppich. Ansonsten gab es nichts in diesem Raum.
    Wieder unternahm ich einen Versuch aufzustehen, aber auch dieses Mal spürte ich die Schmerzen nur schlimmer. Mein linkes Bein fühlte sich steif an und erst jetzt bemerkte ich, dass meine Arme jeweils in Verbänden steckten. Meine Gelenke schmerzten bei jeder Bewegung. Ich hatte Kopfschmerzen und mein Magen fühlte sich wie gewohnt leer an.
    Ich spürte wie langsam Panik in mir hochkroch. Wo war ich nur? Sollte ich schreien?
    Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte ich Schritte. Mein Herz schlug schneller. Aufregung und Nervosität machten sich in mir breit. Dann schlug die Tür auf und ein Mann betrat den Raum. Mit ihm ergoss sich düsteres Licht ins Zimmer. Ich blickte mich nach dem Mann um und mein Hals war trocken. Ich fühlte einen dicken Kloß in der Kehle. Vielleicht waren das die letzten Dinge, die ich je sehen würde. Vielleicht würde er mich auf der Stelle töten. Ich hatte panische Angst. Wieder versuchte ich mich zu bewegen, denn ich konnte einfach nicht ruhig liegen bleiben. Mein natürlicher Fluchttrieb hatte eingesetzt. Der Mann stand mittlerweile an meinem Bett und tat gar nichts. Verwundert sah ich zu ihm auf, er hatte keinen Zauberstab dabei.
    „Du bist ja wach! Molly, sie ist wach.“
    Ich kannte niemanden, der Molly hieß, aber beim Klang der Stimme entspannte ich mich. Sie klang beruhigend und sehr freundlich.
    Von unten hörte ich eine Frauenstimme: „Ist gut, Remus. Ich komme gleich.“
    Remus?
    „Wer bist du?“, fragte er, als er sich zu mir auf das Bett setzte.
    „Wo bin ich hier?“, wollte ich wissen und ignorierte seine Frage.
    „Wer du bist habe ich gefragt.“
    Wieder vernahm ich Schritte auf der Treppe und im nächsten Augenblick stand eine freundlich aussehende Frau in der Tür. Vor sich hielt sie einen Teller mit dampfender Suppe.
    „Remus“, empörte sie sich, „belästige sie doch nicht gleich. Sie ist gerade aufgewacht.“
    Dann sah sie mich an und fügte viel liebevoller hinzu: „Hier meine Liebe, es wird dir gleich viel besser gehen. Ich bin Molly Weasley, aber nenn mich einfach nur Molly.“
    Ich sah sie dankbar an, sie half mir auf, sodass ich die Suppe essen konnte und mit einem Wink ihres Zauberstabs schwangen die Fensterläden auf und Sonnenlicht drang in den Raum.
    Endlich konnte ich alles erkennen. Der Mann namens Remus sah müde aus und trug zerschlissene Kleidung. Er wollte gerade erneut zu einer Frage ansetzten, als ich ihn schnell unterbrach.
    „Ist ja schon gut. Ich bin Roxanne, ok? Wo bin ich hier?“, ich konnte nicht verhindern, dass ich genervt klang.
    Er seufzte, setzte sich dann aber auf einen Stuhl neben meinem Bett.
    „Roxanne also“, begann er, „ Wie fühlst du dich?“
    Wie sollte ich mich schon groß fühlen? So als hätte mich eine Dampfwalze zerquetscht.
    Ich antwortete: „Gut.“
    Remus hob die Augenbrauen.
    „Na ja, wohl eher ziemlich mies.“
    „Du bist schwer verletzt“, warf Molly ein.
    Ich spürte die Verbände, die mir die Bewegung einschränkten und diese fürchterlichen Schmerzen. Ich wäre wohl auch selbst darauf gekommen, dass ich verletzt war.
    Remus räusperte sich: „Ich habe dich in den Trümmern eines Ladens in der Winkelgasse gefunden und hier her gebracht. Du trägst kein dunkles Mal…“
    Empört rief ich: „Dunkles Mal? Jetzt reicht's mir. Ich bin doch kein Todesser!“
    Ich sah ein kleines Schmunzeln in Remus‘ Mundwinkel.
    „Du musst ruhig bleiben, meine Liebe“, sagte Molly und tätschelte meine Schulter.
    „Es war ein Angriff der Todesser“, erklärte Remus. „Deinen Zauberstab konnte ich allerdings nicht finden. Woher kommst du, Roxanne?“
    Ich war mir nicht sicher, ob ich es sagen sollte, aber was hatte ich schon zu verlieren: „Ich komme von der Straße, ich habe kein zu Hause.“
    Molly schnappte hörbar nach Luft.
    „Hast du etwas vom Aufstieg Voldemorts gehört?“
    Ich nickte. Es wurde so einiges gemunkelt.
    Remus sprach weiter: „Die Todesser haben versucht einzelne Geschäfte in der Winkelgasse zu sprengen. Nun ja, du sahst… nicht sehr gut aus. Ich habe dich hier her gebracht. Es gab keine andere Möglichkeit.“
    „Ja, aber wo ist hier?“, wollte ich aufgebracht wissen.
    „Das ist das Hauptquartier des Ordens des Phönix.“
    Den Orden kannte ich. Sie hatten auch schon zum ersten Mal gegen Voldemort gekämpft. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Ich konnte es immer noch kaum glauben.
    Molly war immer noch nicht gegangen und blickte mitleidig auf mich und schimpfte nun mit Remus: „Das reicht jetzt aber auch, lass sie sich ausruhen.“
    Am liebsten hätte ich Molly gesagt, dass ich noch viel mehr wissen wollte, aber ihre Stimme erlaubte keinen Widerspruch. Die beiden verließen wieder den Raum und ich war wieder allein. Ich wollte so viel wissen. Was war das hier überhaupt für ein Haus und wo ich jetzt wirklich war, wusste ich nicht. Was war mit meinem Zauberstab? Ich roch an der Suppe und musste zugeben, dass sie wirklich fantastisch duftete. Da ich schon seit mehreren Tagen nichts mehr gegessen hatte, schlang ich die Suppe schnell hinunter. Mein Blick trieb aus dem Fenster hängen. Je länger ich nach draußen sah, desto vertrauter wurden mir die Gebäude. Ich war immer noch in London, wenn auch ein bisschen weiter draußen. London war meine Stadt und hier konnte mir wirklich niemand etwas vormachen, ich kannte mich dort draußen besser aus als in meiner Westentasche.
    Anscheinend war ich hier wirklich sicher. Wenn mich Remus nicht angelogen hatte, dann war das der Orden und im Orden hatte Dumbledore seine Finger drin. Das konnte nur heißen, dass ich hier in Sicherheit war. Es war ungewohnt, dass ich mich einfach so entspannten konnte. Das war so selten der Fall.
    Es war ungewöhnlich still im Haus. Ich schloss die Augen und wieder wurde mir deutlich, dass ich stark verletzt war. Meine Wunden pulsierten. Vielleicht hatte ich auch Fieber, ich konnte es nicht einschätzen. Nach und nach setzten sich die verworrenen Erinnerungen in meinem Kopf wieder zu dem zusammen, was passiert war. Ich erinnerte mich wieder daran wie ich um den Süßigkeitenladen in der Winkelgasse geschlichen war. Ich hatte gehofft, dass ich etwas für die Kinder vom Waisenhaus bekommen könnte. Dann war da dieser laute Knall gewesen, genau in dem Moment als ich mich an die Hauswand gedrückt hatte. Mein Zauberstab musste also dort irgendwo in den Trümmern liegen. Ich wäre am liebsten sofort aufgestanden, um ihn mir wieder zu holen. Er war doch alles, was ich hatte.
    Meine Eltern waren schon früh gestorben. Todesser hatten unser Haus zerstört und meine Eltern umgebracht. Ich hatte sie gefunden und das war der Zeitpunkt gewesen, an dem meine Kindheit viel zu früh aufgehört hat. Das kleine Mädchen, das sie fand, ist mit ihnen gestorben.
    Ämter hatten damals veranlasst, dass ich in ein Waisenhaus in London kam, denn ich hatte sonst keine Familie mehr. Es war kalt, dreckig und ungemütlich. Unter den Kindern herrschte ein verbitterter Kampf. Wer konnte in einem Bett schlafen? Wer bekam heute etwas zu essen? Es war traurig und karg. Ich hatte dort keine Freunde. Wenn ich noch heute an die kalten, feuchten Mauern dachte, begann ich zu zittern. Meine Eltern waren nie reich gewesen, deswegen kam ich auch nicht in ein Waisenhaus, das gut ausgestattet war, denn solche gab es natürlich auch. Mit elf hatte sich mein Leben dann schlagartig geändert. Ich war zwar reinblütig, aber die Zaubererwelt hatte nie Notiz von mir genommen. Ich war eben kein Harry Potter. Ich hatte nichts Besonderes vollbracht. Man hatte mir einfach nur die Eltern genommen. Der Schulleiter von Hogwarts, Professor Dumbledore, kam zum Waisenhaus und hatte alles erklärt. Ich dachte, es würde alles besser werden und das tat es auch. Ich fand in Hogwarts Freunde. Ich lernte, was wirkliche Freude ist und konnte zum ersten Mal in meinem jungen Leben wirklich loslassen. Es war die Harmonie auf Erden. Die schönste Zeit meines Lebens. Alles änderte sich dann vor meinem letzten Jahr. Ich hielt es im Waisenhaus nicht mehr aus. Ich konnte nicht mehr und traf eine folgenschwere Entscheidung. Irgendwann in einer Sommernacht lief ich von dort fort und wollte nicht mehr wieder kommen. Der Kontrast zwischen den Ferien und der Schulzeit war einfach zu gewaltig. Aufgrund meiner Flucht konnte ich mir nicht die Bücher für Hogwarts kaufen und ich – in einer schrecklichen Trotzphase – beendete die Schule. Wegen meiner Geldsorgen hätte Dumbledore sicher etwas machen können, aber ich saß am 1. September einfach nicht im Zug und sah mein geliebtes zu Hause nie wieder.
    Fortan gehörte ich auf die Straße. Ich schlief unter Brücken, die wirklich einen hervorragenden Schutz gegen Regen boten, stahl mich im wahrsten Sinne des Wortes durchs Leben und hoffte jeden Tag, dass es morgen nicht vorbei sein würde. Heute bereute ich meine Entscheidung zutiefst. Hätte ich diesen einen Sommer noch überstanden, dann bräuchte ich mir jetzt keine Gedanken ums Leben zu machen. Es war so unfair. Damals erschien mir die Vorstellung von einem eigenen Leben so aufregend und abenteuerlich. Das Lernen für die Abschlussprüfungen dagegen ätzend und sinnlos.
    Seit letztem Jahr suchte das Ministerium dann verstärkt nach mir. Ich musste eben auch von etwas leben und ich nahm es mir einfach. Irgendwann war es einfach zu viel geworden, auch wenn ich Entschuldigungen immer in den Läden ließ. Sie suchen zwar nicht direkt nach mir, denn ich bezweifelte, ob jemand meinen Namen kannte. Allerdings wurde verstärkt nach einem Dieb gesucht und mir war klar, dass sie nur mich meinen konnten. Ich wusste allerdings nicht, ob sie mich nach Askaban schicken würden. Wahrscheinlich nicht, denn dort saßen doch nur Mörder und Todesser, obwohl Todesser ja im Begriff Mörder mit inbegriffen waren.
    Das Leben in London war hart. Ich klaubte Essenreste aus Mülleimern, stahl Kleidung aus Containern oder brach Spinte in Turnhallen auf. In der Winkelgasse war ich wirklich nicht zu oft. Zum Schluss würde mich noch einer vom Ministerium entdecken. Außerdem hatten einige Läden sicher einen Schutzzauber gegen Diebe. Das London der Muggel war mir vertrauter, niemand kannte mich und durch nützliche Zauber wurde ich nicht entdeckt. Mit einem flauen Gefühl im Magen dachte ich an den Ort, an dem ich die letzten Tage geschlafen hatte und wo immer noch ein Apfel und eine schmutzige Decke auf mich warteten. Den Apfel konnte ich wohl vergessen. Ich bekam immer einen Apfel von einem Obst – und Gemüsehändler auf dem Wochenmarkt. Er war schon alt und war froh, wenn er jemanden zum Reden hatte. Das waren die schönen Dinge an der Straße. Man lernte Menschen mit anderen Augen zu sehen.
    Ich seufzte.
    Die Situation in der ich mich nun befand war einfach zu absurd. Ich lag hier und ich hätte am liebsten mit jemandem geredet. Am liebsten mit Dumbledore, der hatte mich schon einmal gerettet. Oder mit Remus, er hätte mir mehr Informationen geben können.

    Irgendwann war ich wieder eingeschlafen und hatte nur noch einmal spät nachts Schritte auf der Treppe gehört, die aber noch weiter nach oben gegangen waren, anstatt in mein Zimmer zu kommen. Irgendjemand musste also noch hier sein. Ich versuchte mich zu beruhigen, hier würde mir nichts passieren.

    Am nächsten Morgen kam Molly wieder in mein Zimmer.
    „Guten Morgen, Roxanne. Hier sind einige Kräuter und Heiltränke. Damit wird es dir schon heute Abend wieder gut gehen, Severus hat sie gebraut. Wir versorgen damit die Ordensmitglieder, aber es ist in Ordnung, wenn du etwas davon bekommst“, sie sah mich freundlich an.
    Ich schreckte sofort vor ihr zurück. Anscheinend holte mich hier mehr von meiner Vergangenheit ein, als ich vertragen konnte.
    „Was ist denn?“, fragte Molly irritiert.
    „Meinen Sie Snape?“, fragte ich panisch.
    „Ja, natürlich, er ist der Lehrer für Zaubertränke in Hogwarts“, erklärte sie mir und sah immer noch verwundert aus.
    Mir war nur zu gut bewusst, dass Snape Lehrer in Hogwarts war. Viel zu gut. Ich wusste allerdings nicht mehr wie oft er mich hatte nachsitzen lassen.
    „Die Tränke sind wirklich in Ordnung, das kann ich dir garantieren“, versicherte mir Molly.
    Die stämmige, kleine Frau beugte sich zu mir rüber und reichte mir den Heiltrank. Ich sah ihn skeptisch an, aber Molly nickte mir aufmunternd zu. Der Trank schmeckte schrecklich und ich hoffte inständig, dass ich nicht sterben würde.
    „Hat Snape gewusst für wen er das braut?“
    Molly schüttelte den Kopf: „Nein, das ist einer aus unseren Vorräten.“
    Ich atmete erleichtert auf, ich konnte mir nämlich gut vorstellen, dass Snape es begrüßen würde mich zu vergiften.
    Molly wechselte mir noch die Verbände und ich bedankte mich bei ihr.
    „Darf ich fragen wie alt du bist, Roxanne. Du könntest in etwa so alt sein wie einer meiner Söhne“, meinte Molly nachdenklich.
    „Sie haben gesagt, ihr Nachname ist Weasley? Dann kenne ich Ihren ältesten Sohn Bill. Ich bin fünfundzwanzig.“
    Bills Mutter nickte und strich mir einmal über den Kopf: „Es wird dir bald besser gehen.“
    Gerade als sie gehen wollte, hielt ich sie auf: „Molly, Remus hat nicht zufällig doch meinen Zauberstab dort gefunden?“
    Sie sah mich traurig an: „Ich fürchte nicht. Es tut mir leid.“
    Betreten sah ich zu Boden: „Schon gut, ich muss ihn mir dann selbst holen gehen.“
    „Roxanne, du musst mir versprechen, dass du das Haus erst einmal nicht verlässt. Remus konnte dich nur ganz knapp vor den Ministeriumsangestellten retten. Da das Ministerium immer noch die Existenz von Du – weißt – schon – wem verleugnet, glauben sie, dass du womöglich für die Explosionen in der Winkelgasse verantwortlich bist. Außerdem möchte Dumbledore mit dir reden. Ich kann dir allerdings nicht sagen, wann er das nächste Mal hier vorbeischaut.“
    Damit ging Molly und auf mich wartete ein langweiliger Mittag. Allerdings merkte ich, wie die Schmerzen immer weniger wurden. Da ich auch nicht starb, waren die Tränke wohl wirklich nicht vergiftet.

    Irgendwann war ich wohl eingeschlafen und als ich erwachte, war es mitten in den Nacht. Von Schmerzen war keine Spur mehr, als beschloss ich mir dieses Haus genauer anzusehen. Ich war schon ganz nervös, weil ich es überhaupt nicht mehr gewohnt war still in einem Bett zu liegen. Es war komisch wieder ein festes Dach über dem Kopf zu haben, ich fühlte mich gefangen, aber auch gleichzeitig sehr sicher.
    Draußen im Flur merkte ich, dass sich mein erster Eindruck des Hauses bestätigte. Es war, als würde ein Toter hier leben. Von den Wänden schälten sich die Tapeten, fast wäre ich über einen zerschlissenen Teppich gestolpert. Ich ging die alte Treppe hinunter und achtete darauf bloß nicht auf knarzende Bretter zu treten. An den Wänden hingen schiefe Portraits von gruselig aussehenden Menschen. Dann sah ich einige Schrumpfköpfe von Hauselfen, die wie Trophäen an den Wänden hingen. Beleuchtet wurde die abstruse Szenerie von verstaubten Kronleuchtern und Kerzenleuchtern in Form von Schlagen. Alles war sehr schmutzig und alt. Wohlfühlen konnte man sich hier eindeutig nicht, aber besser als gar nichts. Unten angekommen sah ich Vorhänge, die irgendetwas verdeckten und dann einen Spalt, durch den Licht drang. Ich war schon immer mutig gewesen, deshalb drückte ich die Klinke einfach hinunter. Die Tür öffnete sich und ich fand mich in der Küche wieder. Dieser Raum war im Gegensatz zu den anderen recht sauber und wirkte wohnlich. Was allerdings meinen Blick anzog war ein Mann. Nicht irgendein Mann. Meine Augen wurden groß und ich wich wieder in den dunklen Flur zurück. Ich hatte etwas Angst und tastete fieberhaft nach meinem nicht vorhandenen Zauberstab.
    Der Mann hatte sich mittlerweile erhoben und kam auf mich zu.
    Donnernd erhob sich seine Stimme: „Was willst du hier unten?“
    Du meine Güte!
    „Hallo“, meinte ich verschüchtert.
    Ich rückte immer weiter von ihm ab, während ich sagte: „Was machen Sie denn hier, so ganz ohne Dementoren und Sträflingskluft?“
    Ich konnte nicht verhindern, dass meine Stimme zitterte, vor mir stand schließlich dieser Massenmörder, der vor zwei Jahren gesucht worden war, und ich hatte keine Ahnung was ich tun sollte. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass Sirius Black bellend lachte.
    Er drehte sich einfach wieder um und setzte sich wieder an den Tisch. Vor ihm lag eine Zeitung, wahrscheinlich der neuste Tagesprophet, und direkt daneben stand eine dampfende Tasse Tee. Unsicher, was ich machen sollte, entschied ich mich dazu, ihm zu folgen und mich ebenfalls zu setzen. Mein Mut kannte heute wohl keine Grenzen.
    „Willst du auch eine?“, fragte er und deutete auf die Tasse. Ich nickte, er stand auf und kurz darauf stand ein Becher vor mir. Schien eigentlich ganz nett zu sein, dieser Black.
    Wäre ich nicht so verwirrt gewesen, dann hätte ich wohl lachen müssen, ich trank mit einem Massenmörder Tee in einem verstaubten Haus irgendwo in London mitten in der Nacht.
    Black ließ sich von mir nicht stören und löste weiter das Kreuzworträtsel.
    Ich räusperte mich: „Was machen Sie denn nun hier?“
    Verstimmt blickte er zu mir hoch: „Kreuzworträtsel lösen?“
    „Nein, ich meine, wissen die anderen, dass Sie hier sind? Werden Sie mich auch töten?“
    Er lachte wieder: „Das hier ist mein Haus, es gehört meiner Familie und ich bin im Orden.“
    Bei diesen Worten verbrannte ich mir meine Zunge am Pfefferminztee.
    „Hat dir noch niemand erzählt, dass ich unschuldig bin?“
    Ich sah ihn verständnislos an, aber er begann zu erzählen.

    ~Seine Sicht~
    Ich musste zugeben, dass es ein Schock gewesen war, als Moony mit diesem bewusstlosen Mädchen aufgetaucht war. Ich hatte nicht viel von ihr gesehen, Remus meinte nur, sie sei nicht gefährlich. Jetzt wo sie so vor mir saß, konnte ich das nur bestätigen.
    Es war lustig gewesen, dass sie solche Angst vor mir hatte, aber jetzt, wo ich meine Geschichte gefühlt zum hundertsten Mal erzählte, sah ich, dass sie sich leicht entspannte.
    „Das ist wirklich eine verrückte Geschichte.“
    „Ja“, ich konnte nicht verhindern, dass meine Stimme kalt und wütend klang, „Wie heißt du eigentlich?“
    Ich musterte ihr Gesicht. Sie sah unglaublich hübsch aus. Sie hatte erstaunlich zarte Züge, obwohl einige Schnittwunden ihr Gesicht zierten. Die roten Haare waren besonders widerspenstig und fielen ihr ständig ins Gesicht. Ihr Blick wirkte erstaunlich wach und klar. Dennoch sah ich, dass hinter ihren verblüffend grünen Augen ein Feuer brannte, das ihr eine unumstößliche Wildheit verlieh. Ja, sie war zweifelsfrei hübsch. Diese sanft geschwungenen dünnen Augenbrauen, die vollen Lippen. Eindeutig, sie musste auf der Schule eine begehrte Schönheit gewesen sein.
    Sie bemerkte meinen Blick und drehte ihr Gesicht von mir weg. Gedankenverloren strich sie über eine Schnittwunde an ihrem rechten Auge: „Roxanne.“
    Der Name passte erstaunlich gut zu ihr.
    „Jetzt bist du dran. Du hast meine Geschichte gehört, jetzt will ich deine hören“, forderte ich.
    Sie sah mich unsicher an. Es entstand ein Schweigen, das glücklicherweise nicht peinlich war. Es war eher so, als würde sie alle Ereignisse ihres Lebens in die richtige Reihenfolge bringen wollen.
    „Es ist schon spät, vielleicht morgen.“
    Mit diesen Worten erhob sie sich und ging die Treppe hoch, ich stöhnte auf und ließ mich zurück auf meinen Stuhl fallen.

    ~Deine Sicht~
    Geweckt wurde ich von sehr lauten Schreien: „Schmutzige Halbblüter! Abschaum! Besudeln das Haus meiner Väter!“
    Dann hörte ich eindeutig die Stimme von Mrs. Weasley: „Sirius! Stell das gefälligst ab!“
    Ich stand auf und lehnte mich über die Brüstung der Treppe. Ich sah wie Sirius – putzmunter und grinsend – aus der Küche geschlendert kam und die Vorhänge eines Portraits zuzog. Darauf zu sehen war eine alte, hässliche Hexe mit gelblicher Haut.

    Molly kam kurz darauf zu mir hoch und hatte mir einige Kleider vorbeigebracht. Sie erklärte mir, dass sie diese von Tonks, einem Mitglieds des Ordens, für mich geliehen hätte, bis ich mir eigene besorgen könnte. Ich dachte mir zwar, dass das nie der Fall sein würde, aber ich bedanke mich einfach nur bei Molly. Zusätzlich hatte sie mir alles mitgebracht, was die moderne Frau brauchte. Wie lange hatte ich schon keine Schminke mehr im Gesicht gehabt?

    Als ich die Küche betrat, sah ich Molly mit einem strengen Blick und Sirius, der genervt den Kopf aufstützte. Molly redete auf Sirius ein, als sei er ein kleines Kind.
    „Sirius, du musst dich zusammenreißen, die Eule könnte abgefangen werden und außerdem ist erst seit einer Woche Schule, ich bin sicher, dass Harry sich melden wird.“
    Sirius grummelte nur.
    „Hier, ich habe euch Essen gemacht, das dürfte für eine Woche reichen“, sagte Molly und bei dem Haufen an Essen war ich mir sicher, wir würden für einen Monat satt sein.
    Molly lächelte mich strahlend an: „Dumbledore kommt heute Abend kurz vorbei um nach dir zu sehen, Roxanne. Mach dir keine Sorgen, es wird nicht lange dauern, er ist sehr in Eile und deshalb“, sie schaute Sirius streng an, „wirst du ihn auch nicht schon wieder nerven mit deinen lästigen Fragen, hast du verstanden, Sirius?“
    Wieder grummelte er nur und versteckte sich hinter der aktuellen Zeitung. Mrs. Weasley schüttelte nur den Kopf.
    „Molly?“, fragte ich zaghaft.
    „Was gibt es denn, Liebes?“, sie sah mich warmherzig an.
    „Ich wollte wissen, wie ich Ihnen für das alles hier danken kann? Ihr ward alle sehr nett zu mir und habt mich so freundlich hier aufgenommen.“
    Sie umarmte mich, was ich überhaupt nicht erwartet hatte und tätschelte meine Schulter: „Das ist so lieb von dir. Das haben wir doch gerne gemacht. Remus hat dich gefunden und wir wussten doch, dass du zu uns gehörst. Sirius war dann noch so freundlich und hat erlaubt, dass du hier bleiben kannst. Es gibt nicht viel zu tun, aber du kannst Sirius helfen das Haus zu säubern und vielleicht auch ein Auge auf ihn werfen.“
    Den letzten Teil hatte sie mir nur zugeflüstert. Sirius saß immer noch grummelnd hinter seiner Zeitung.
    Als Molly wieder los musste, setzte ich mich zu ihm. Von ihm kam keine Reaktion.
    „Harry? Der Harry?“, fragte ich ihn und weil er mich immer noch ignorierte, zog ich ihm den Tagespropheten aus den Händen.
    „Ich wüsste nicht, was dich das angeht.“
    Ich erschrak, als ich seine Augen sah. In diesem Moment wirkte er wieder so bedrohlich wie auf den Fahndungsplakaten. Damals hatte er wahnsinnig gewirkt. Jetzt sah er schon wieder viel kultivierter aus. Sein Gesicht verriet, dass er früher mal umwerfend ausgesehen haben musste, aber Askaban hatte sich auf seine Züge gebrannt.
    Ich erhob mich und wollte wieder gehen, als Sirius meinte: „Ich bin sein Pate. Ich bin der Pate von Harry Potter.“
    Augenblicklich ließ ich mich wieder fallen. Sirius blickte mich auf eine eigenartige Weise an und zum ersten Mal wurde mir bewusst, was er durchgemacht haben musste. Er hatte mir vielleicht gestern Nacht von allem erzählt, aber allein die Vorstellung, dass er Jahre unschuldig in Askaban saß und die ganze Zeit, die man ihm gestohlen hatte. Es waren schließlich zwölf Jahre gewesen. Ich hatte gehört, dass die meisten durchdrehten und den Verstand verlieren. Ich fand es bewundernswert, dass er das ausgehalten hatte und dazu noch entkommen war.
    Ich wollte ihm nun einfach von mir erzählen: „Ich hatte mit sechzehn einfach keine Lust mehr, die ganze Zeit lernen und das bescheuerte Waisenhaus, da ist mir eben die Sicherung durchgebrannt und ich hab beschlossen abzuhauen. Einen Tag später wurde mir dann auch klar, dass das so ziemlich die dümmste Idee überhaupt war, aber weil ich mir das nicht eingestehen wollte, blieb ich eben da draußen und man lebt sich eben ein. Mit meinem alten Leben wollte ich nichts mehr zu tun haben. So blieb das eben bis ich auf die fantastische Idee kam den Kindern im Waisenhaus etwas Gutes zu tun, und dass dort im Laden die Bomben hochgingen, konnte ich ja nicht ahnen.“
    Ich hatte alles schnell herunter gespult und sah Sirius herausfordernd an.
    „Das ist so ziemlich das dümmste, wovon ich jemals gehört habe“, meinte er und grinste leicht.
    „Nun ja, da draußen bin ich frei und kann machen, was ich will, auch wenn es nicht immer leicht ist. Es ist besser, als so mancher denkt.“
    In Sirius‘ Augen trat ein verträumter Blick.
    „Ja, es ist auch sehr anstrengend, aber es gibt auch gute Tage und ich glaube, es ist wirklich das dümmste, was man machen kann.“
    Wir mussten beide lachen. Ich hatte genau mitbekommen, dass Sirius bei dem Wort ‚Waisenhaus‘ aufgeblickt hatte und war umso glücklicher, dass er nicht danach fragte. Ich war nicht in Stimmung über meine toten Eltern zu reden.

    An diesem Abend tauchte Dumbledore auf. Der Schulleiter hatte sich nicht sonderlich verändert, er hatte immer noch diese einnehmende Art an sich und sah einen an, als wollte er denjenigen röntgen.
    Ich hatte mit Sirius in der Küche gewartet und Dumbledore kam zusammen mit Remus ins Hauptquartier.
    „Miss Jenkins, wie schön, Sie wieder zu sehen“, begrüßte er mich und ich nahm seine ausgestreckte Hand.
    Wir setzten uns und ich erzählte Dumbledore und Remus genau dasselbe, dass ich schon Sirius am Morgen erzählt hatte. Dumbledore nickte bedächtig und schlussendlich sagte er: „Dann wird es wohl das Beste sein, wenn Sie vorerst hier bleiben. Das Ministerium sucht nach ihnen, immerhin sind Sie eine Diebin, und durchkämmt die Straßen. Dort draußen ist es nicht mehr sicher. Zwischen den Trümmern wurde ihr Zauberstab entdeckt und von Mister Ollivander als den ihren identifiziert. Das Ministerium glaubt nun, dass sie an den Unfällen in der Winkelgasse schuld sind. Obwohl ich Diebstahl zutiefst verachte, wäre ich bereit Sie in den Orden aufzunehmen, ihre Eltern waren angesehene Zauberer und im jugendlichen Leichtsinn passieren oft unumkehrbare Dinge…“
    „Es ist ja nicht so, als hätte ich nie etwas zur Entschädigung dagelassen“, versuchte ich halbherzig meine Lage zu retten.
    Dumbledore zwinkerte mir zu: „Ich bin also bereit Ihnen Unterschlupf zu gewähren, Sie dürften dann nur nicht nach draußen. Außerdem könnte ihr Wissen uns extrem weiter helfen, ich meine, Sie dürften die Straßen dort draußen kennen, wie keine zweite. Dann ist es also abgemacht, ihr Wissen gegen den Schutz, den wir aufbringen können. Roxanne, ich bin mir sicher, dass es die beste Entscheidung ist.“
    Ich stand auf und meinte: „Sie können mich hier nicht festhalten. Ich muss dort raus.“
    Nun schaltete sich Remus in das Gespräch ein: „Wer weiß welche Zauber auf der ganzen Gegend liegen und du würdest uns wirklich ungemein helfen, Roxanne. Bleib‘ hier, erhol dich und irgendwann hat sich die ganze Sache erledigt. Wenn sie dich finden, dann könntest du in Askaban landen. Bei diesen Unfällen wurden viele Menschen verletzt und du bist nun ins Augenmerk des Ministeriums geraten. Sie kennen deinen Lebenslauf so gut, dass sie wissen, dass du nie die Schule beendet hast.“
    „Ich geh jetzt“, sagte ich ruhig und wollte das Zimmer verlassen. Allerdings hielt mich eine unsichtbare Barriere davon ab.
    „Sie bleiben wirklich besser hier. Wir können jeden auf unserer Seite gebrauchen“, erklärte Dumbledore, verabschiedete sich und apparierte wieder. Die Barriere war verschwunden. Missmutig ließ ich mich auf einen Stuhl fallen.
    Remus sagte freundlich: „ Immerhin könnt ihr euch jetzt Gesellschaft leisten.“
    Ich sah nicht, dass Sirius‘ Augen leuchteten, denn ich stand auf und fiel Remus erst einmal in die Arme: „Ich habe mich noch gar nicht bei dir bedankt.“
    Er wurde leicht rot und ich musste grinsen.
    Remus musste auch gleich wieder los und für den Orden einige Botengänge erledigen.

    ~Seine Sicht~
    Die Aussicht, dass Roxanne hier bleiben würde, war das Beste, was passieren konnte. Ich war froh nicht mehr allein sein zu müssen mit Gesellschaft war es eben doch leichter. Kreacher zählte nicht als angenehmer Gesprächspartner.
    Roxanne saß neben mir und versuchte mir beim Kreuzworträtsel zu helfen, allerdings sah ich mehr zu ihr, als auf die ganzen Kästchen.
    Ich schüttelte unbewusst den Kopf, sie war schließlich zehn Jahre jünger als ich. Mein Kopf war einfach völlig verwirrt und nicht mehr die Gegenwart von schönen, jungen Mädchen gewohnt. Dass ich das einmal sage, hätte ich vor einigen Jahren auch nicht gedacht.
    Vor ein paar Tagen war ein großer Artikel über die Explosionen in der Zeitung gewesen. Ihr Name stand darin und eine beträchtliche Summe Kopfgeld. Wir beide steckten jetzt in einer Haut. Zu meiner Überraschung hatte Roxanne nur breit gegrinst.
    Die ganze Lage schien sie allerdings sehr mitzunehmen. Ich hatte sie gestern erwischt, wie sie mittags am Fenster in ihrem Zimmer stand und sehnsüchtig nach draußen gesehen hatte. Hin und wieder blitzte Trauer in ihren Augen auf und ich gab mir die größte Mühe sie abzulenken, was mir nur schwer gelang. Im Grunde genommen wollte ich nur das gleiche wie sie auch: raus.
    Ich machte sie mit Seidenschnabel bekannt, wir putzten gemeinsam einige Zimmer, spielten Schach und unterhielten uns.
    Gerade hatte sie ‚Acromantula‘ senkrecht eingetragen, als sie den Stift auf den Tisch warf und sich genervt zurücklehnte. Ich sah sie fragend an.
    „Im Schlafzimmer von deiner Mum steht ein wunderbarer, gesunder Hippogreif, lass uns raufgehen und mit ihm verschwinden.“
    „Du weißt, dass das nicht geht.“
    „Komm schon Sirius, das ist bestimmt lustig. Wir beide, gemeinsam auf der Flucht vor der Staatsgewalt. Sei nicht so ein Spielverderber.“
    Ich stand lediglich auf und drückte ihre Schulter. Dann ging ich zur Spüle und goss mir einen Tee ein. Wieder blickte ich zu ihr und sah wie sie den Kopf schüttelte: „Du bist so ein Langweiler, Sirius.“
    Ich konnte nicht verhindern, dass ihre Worte mich kränkten. Im Grunde hatte sie recht.
    Ich musterte ihre roten Haare, die von der Sonne kühl angestrahlt wurden. Es war als würden ihre Augen mich frech auffordern etwas Dummes zu tun. Wir waren nun gemeinsam in dieser Lage und es hatte etwas unglaublich Tröstliches nicht mehr allein zu sein.
    „Ich könnte auch einfach abhauen, was meinst du?“

    ~Deine Sicht~
    Ich nahm nun regelmäßig an den Versammlungen des Ordens teil und konnte tatsächlich hin und wieder helfen. Dumbledore war nur selten dabei, dafür tauchte Snape jedes Mal auf und warf mir hasserfüllte Blicke zu, die ich nur erwidern konnte. Ich hatte ihn glücklicherweise nur in meinem letzten Jahr ertragen müssen, aber selbst das war mir zu viel.

    Sirius wurde immer mürrischer und ich konnte ihn nur zu gut verstehen. Auch ich spürte diese permanente Unzufriedenheit, die meine Laune stetig sinken ließ. Unruhig lief ich nun schon seit mehreren Tagen durchs Haus. Ich wollte endlich wieder an die frische Luft. Ich könnte einfach apparieren, aber ich fürchtete damit den Zorn von Dumbledore auf mich zu ziehen.
    Plötzlich hörte ich einen wütenden Schrei: „Könntest du bitte endlich damit aufhören. Du nervst mich schrecklich!“
    „Du mich auch!“, brüllte ich zurück. Gestern hatte er unerlaubter Weise Kontakt mit Harry aufgenommen. Sirius wollte ihn in seiner Hundegestalt besuchen kommen, aber sein Patensohn war vernünftiger als er selbst. Das hatte seine miese Laune gestern auf den Höhepunkt getrieben.
    Ich verdrehte die Augen und beschloss mich zu beruhigen. Ich duschte und legte mich auch gleich schlafen.
    Ich wachte irgendwann mitten in der Nacht auf. Mein Blick schweifte zum Fenster, wo ich einen hellen Sternenhimmel sah. Ich fuhr mir mit der Hand durch Gesicht und beschloss aufzustehen. Es hatte keinen Sinn sich wieder hinzulegen. Verschlafen tapste ich die Stufen hinunter in die Küche. Mir war kalt, ich trug nichts weiter als ein dünnes Nachthemd. In dem Kleiderstapel von Tonks hatte ich sonst nichts gefunden. Um ehrlich zu sein, hatte ich ihr dieses schwarze Nachthemd gar nicht zugetraut, aber vielleicht benutzte sie es auch nicht. Verzweifelt durchwühlte ich die Schränke nach einem sauberen Topf, mit dem ich Wasser kochen könnte. Es gab wirklich nichts Schlimmeres als einen nicht vorhandenen Zauberstab. Ich hatte in den letzten Tagen versäumt abzuspülen.
    Plötzlich hörte ich Schritte und Sirius‘ Stimme klang rau: „Noch nicht mal nachts lässt du mich in Ruhe!“
    Ich wirbelte herum und was ich dann sah, verschlug mir den Atem, wenn auch nur für einen kurzen Moment. Sirius trug nicht wie sonst einen Umhang der Zauberer, sondern eine locker sitzende Hose und ein offenes Hemd, sonst nichts. Einem Arm hielt er über seinem Kopf und stützte sich mit dem am Türrahmen ab. Ich konnte seinen muskulösen Oberkörper erkennen. Mir wäre es nie in den Sinn gekommen, dass er so unter seinem Umhang aussah. Ich konnte außerdem mysteriöse Schriftzeichen auf seiner Haut erkennen, falls es sich dabei um eine Schrift handelte. Seine schwarzen Haare hingen ihm ins Gesicht und er hatte sich schon seit drei Tagen nicht mehr rasiert. Mein Herz klopfte schneller als sonst und ich wollte, dass es sofort damit aufhörte. Er sah mich wachsam an und in dem schummrigen Licht konnte man das Grau seiner Augen besonders gut erkennen. Sturmgrau. Stumm rief ich mir wieder sein Alter ins Gedächtnis und war erleichtert, dass meine Stimme so gefestigt klang: „Ich wusste nicht, dass du noch wach bist.“
    Er schnaubte und wollte sich gerade wieder umdrehen, als ich schnell fragte: „Willst du auch was?“
    Sirius wandte sich wieder um und nickte dann kurz.
    Ich war unerklärlicherweise verunsichert. Sirius machte mich nervös. Ich hatte keine Ahnung wo ich hinsehen sollte oder wie ich mich bewegen sollte, ohne dass es gestellt aussah. Peinlich berührt wurde mir klar, dass ich nichts als dieses kurze Nachthemd trug.
    Ich stand am Herd und sah dem Wasser beim Kochen zu, als ich merkte wie Sirius hinter mich trat, um zwei Tassen aus dem Schrank zu nehmen.
    „Das steht dir“, sagte er und seine Stimme berührte meine Haut. Ich spürte deutlich die Wärme, die von ihm ausging und bekam eine Gänsehaut.
    Auch wenn ich nicht sein Gesicht sah, stellte ich mir vor, dass er eine Augenbraue hochgezogen hatte als er mir anbot: „Möchtest du mein Hemd haben? Es sieht so aus als wäre dir kalt.“
    Um mich nicht verdächtig zu machen, nahm ich sein Angebot an, was meine Situation allerdings kein bisschen verbesserte. Am Tisch saß mir nun ein halbnackter Sirius Black gegenüber und ich hatte beim besten Willen keine Ahnung wo ich hinsehen sollte. Dazu kam, dass das Hemd nach ihm roch, was mein Gehirn umnebelte. Meinen Tee fand ich dann sehr interessant.
    Immer wenn ich zu ihm rüber sah, konnte ich auch bei ihm einen neugierigen Blick in meine Richtung erkennen. Ich deutete auf die verschiedenen Zeichen auf seiner Haut, die aussahen wie verblichene Tattoos: „Was ist das?“
    „Andenken an die Zeit in Askaban. Frag lieber nicht. Immerhin ist es kein Dunkles Mal.“
    Ich hörte nun auch, dass alle Wut verpufft war. Mehrere Tage hatten wir Streit und oft geschrien, jetzt schien es eher so als wären wir beide zu müde dazu und erinnerten uns nicht mal mehr an den Grund wie das alles begann. Das Hemd war mir um einiges zu groß deshalb schlang ich es fest um meinen Körper und wurde im nächsten Moment von seinem Geruch umnebelt. Ich ließ mich einfach darin fallen.
    „Konntest du nicht mehr schlafen?“, wollte er mit rauer Stimme wissen.
    „Ja, was ist mit dir?“
    „Ich habe es noch nicht mal versucht.“
    „Wie hältst du das eigentlich aus? Die ganze Zeit bist du hier schon eingesperrt. Es ist hier dreckig und…“
    Meine Stimme hatte ungewollt scharf geklungen, was ich nicht beabsichtigt hatte. Die tröstliche Berührung an meiner Hand ließ mich verstummen. Sirius hatte meine Hand in seine genommen und sah mich über den Tisch intensiv an. Der Mond strahlte in seine Augen, sodass mir in diesem Moment der Atem stockte.
    „Lass uns nicht schon wieder damit anfangen. Wenn du gehen willst, dann geh‘. Ich kann dich mehr verstehen als jeder andere und ich kann dich nicht aufhalten.“
    Sirius stand auf, ließ meine Hand los und drehte sich zur Tür. Er hatte gerade fast die Küche verlassen, als ich leise sagte: „Ich will bei dir bleiben.“
    Sirius wirbelte herum und fragte: „Was! Was hast du gesagt?“
    Ich hatte mir an den Kopf gegriffen und ärgerte mich über meine Worte. Stumm stand ich auf und huschte an ihm vorbei, die Treppe hinauf.
    „Roxanne!“
    Ich hörte noch wie er ein paar Mal meinen Namen rief.

    Am nächsten Morgen konnte ich mir beim besten Willen nicht erklären, warum ich so gehandelt hatte. Meine Hormone waren einfach mit mir durchgegangen und das wäre mehr als einfach nur peinlich geworden. Ich versuchte mir wieder Sirius‘ Gesicht ins Gedächtnis zu rufen, als er ‚Was! ‘ fragte. Was war das in seinen Augen gewesen? Hoffnung? Entsetzen? Ich wusste es nicht. Ungute Gedanken schlichen sich durch meinen Kopf und ich hoffte inständig, dass mich einfach nur diese wilde, aufregende, draufgängerische Ausstrahlung im Mondlicht angezogen hatte und nicht Sirius selbst.

    In den nächsten Tagen hatte Sirius wieder bessere Laune. Dieser Dieb und Schwarzmarkthändler Mundungus Fletcher hatte in einer Sitzung des Ordens erzählt, dass die Schüler unter Harrys Leitung Verteidigung lernen wollten. Das war gegen die Regeln und damit gefiel es Sirius. Ich fand die Idee ganz gut im Gegensatz zu Molly.

    Je mehr Zeit verstrich, umso normaler wurde die ganze Situation. Ich war hier im Haus und eigentlich ging es mir besser als früher, auch, wenn ich mir das nicht eingestehen wollte. Natürlich wollte ich raus und dem Ganzen entfliehen, ich meine, wer ist denn schon Monate in einem Haus eingesperrt? Mir fehlte das Gefühl wie der Wind durch meine Haare wehte, wie sich Sand zwischen meine nackten Zehen bohrte. Ich wäre unglaublich gerne wieder dort draußen gewesen, aber ich musste auch vernünftig denken. Dazu kam, dass es immer kälter wurde und ich wirklich glücklich war hier zu sein. Auf der Straße war das immer die schlimmste Zeit gewesen. Sirius machte auf mich einen zufriedenen Eindruck und wir wurden sehr enge Freunde. Zu oft hatten wir nur uns in dem großen Haus und das gemeinsame Schicksal, die gemeinsame Verbannung und das gemeinsame Gefängnis verbanden uns.
    Wenn ich nachts aufwachte, ging ich allerdings nicht mehr in die Küche. Zu groß war die Angst Sirius zu begegnen und die Panik, dass meine Hormone wieder verrücktspielten. Er war zu alt für mich und ich zu jung für ihn, was würde er schon von mir wollen? In seinen Augen war ich einfach nur ein einfältiges, naives, kleines Ding, das vor Jahren Mist gebaut hatte.

    ~Seine Sicht~
    In einigen Tagen würde Weihnachten gefeiert werden. Das erste Weihnachtsfest seit unzähligen Jahren auf das ich mich wieder freute, denn ich würde nicht allein sein. Roxanne würde da sein und vielleicht auch ein paar Ordensmitglieder.
    Ich war gerade bei Seidenschnabel und fütterte ihn. Es war schon sehr spät und Roxanne hatte sich schon vor Stunden in ihr Zimmer verzogen. Das tat sie schon seit geraumer Zeit. Abends bekam ich sie nicht mehr zu Gesicht. Seit der Nacht in der Küche verhielt sie sich komisch, zwar nicht immer, aber ab und an machte sie einen zurückhaltenden Eindruck auf mich. Ich hatte mich schon öfter gefragt, ob es an mir lag. Hatte ich mich in dieser Nacht komisch verhalten? Roxanne hatte in der Nacht unfassbar ausgesehen, das war alles, was ich denken konnte und ihre Worte: Ich will bei dir bleiben. Ich wollte, dass sie bei mir blieb, aber wieso sollte sie das tun? Ich war alt, konnte sie nicht beschützen und sie musste denken, ich sei feige.

    Es war ein Brief aus Hogwarts gekommen. In ihm stand alles von dem Angriff auf Arthur und auch, dass die Kinder und Harry kommen würden. Unwillkürlich merkte ich, wie ich mich freute. Der Angriff war schlimm, aber die Aussicht auf Gesellschaft stimmte mich fröhlich.

    Der Portschlüssel war gerade gekommen. Harry sah wie gelähmt auf den Boden. Die Weasley – Kinder waren alle verzweifelt. Ich hatte eine heftige Diskussion mit Fred und George begonnen. Ginny mischte sich hin und wieder ein. Sie trieben mich in den Wahnsinn. Nur aus dem Augenwinkel hatte ich bemerkt, dass Roxanne auf dem unteren Treppenabsatz stand.
    „Ihr könnt nicht zu ihm!“, rief ich aufgebracht.
    „Du kannst uns gar nichts sagen!“, schrie George, oder war es Fred?
    „Ihr sollt hier bleiben, das steht ganz deutlich in dem Brief. Dumbledore wird erst eure Mutter benachrichtigen.“
    „Wir sind volljährig!“
    „Ihr bleibt hier und damit Ende des Gesprächs!“
    Ginny stampfte wütend auf.
    „Wir können doch zuerst frühstücken, wenn ihr schon nicht schlafen wollt!“, ich klang immer noch aggressiv. Kinder konnten so nervig sein.
    „Du hast leicht reden. Du opferst dort draußen nicht dein Leben. Für dich ist es immer leicht, wenn du dich hier drinnen versteckst!“
    Wie Messerstiche stachen diese Worte auf mich ein. Einer der Zwillinge hatte sie mir ins Gesicht geschleudert. Das war meine schwache Seite. Ich spürte wie Wut und Groll in mir aufstiegen. Ich war mir sicher, dass ich den Zwilling auch einfach schlagen konnte.
    Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Die Berührung war ganz flüchtig und doch so zärtlich. Ich wirbelte herum und alles was ich sah waren diese unendlich gütigen, liebevollen, grünen Augen. Roxanne lächelte mich sachte an. Alle Wut war wie weggeblasen, stattdessen fühlte ich Wärme und überwältigende Gefühle.
    Roxanne ging zu den Zwillingen und schloss beide einfach in ihre Arme. Sie wehrten sich ein bisschen und sahen mich immer noch wütend an. Ginny hingegen umarmte Roxanne zurück, Ron lief rot an und Harry sah ganz verwundert aus.
    Wortlos ging sie in die Küche und fing an Rühreier mit Speck zu braten. Alle folgten ihr in die Küche, auch wenn Harry lange nach oben gesehen hatte. Ich stand immer noch wie versteinert im Flur. Dieser Blick und schon wieder hatte sie mich in ihren Bann gezogen. Ich fasste mir an den Kopf und stöhnte auf, ich durfte mich nicht verlieben. Sie war doch viel zu jung!

    ~Deine Sicht~
    Die Weasleys und Harry waren im Krankenhaus. Ich stand in der Küche und spülte ab.
    „Willst du dich nicht schlafen legen? Du warst fast die ganze Nacht wach“, sagte Sirius, der gerade in die Küche kam. Er kam zu mir, lehnte sich an die Theke und strich mir einmal über den Rücken. Ich bekam eine Gänsehaut und meine Haut kribbelte. Von der Seite lächelte ich ihn an. Er sah müde aus. Ich legte meine Hand auf seine raue Wange. Augenblicklich legte er seine Hand auf meine und sah mir in die Augen. Ich verlor mich in dem endlosen, warmen Grau.
    Als hätte jemand eine Glocke geläutet, schreckten wir auseinander. Peinlich berührt lief ich leicht rot an und verabschiedete mich überschwänglich, um in mein Zimmer zu kommen.
    Was war da nur schon wieder in mich gefahren? Was war das nur mit ihm? Es war so viel mehr als sein unglaubliches Aussehen. Die Art wie er mich angesehen hatte. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich mich verliebt hatte.
    Ich machte zu viele Gedanken. Bestimmt war einfach gar nichts. Die Frage, ob ich denn nun verliebt war oder nicht, stellte sich immer nach einer gewissen Zeit, wenn Mann und Frau lange Zeit zusammen wohnten. Kein Grund zur Sorge. Allerdings sorgte ich mich um Sirius. Immer wenn jemand anmerkte, dass er sich hier versteckte, wurde er unwahrscheinlich wütend. Meistens kamen diese Sticheleien von Snape. Ich hatte heute wieder diese Wut in ihm aufflammen sehen und es war nicht gut, wenn es ihm so ging. Ich musste mit ihm reden. Allein und möglichst so, dass er nicht böse wurde.

    „Sirius?“, fragte ich zaghaft an der Küchentür.
    „Roxanne“, komm ruhig rein.
    Ich setzte mich zu ihm an den Tisch und sah ihn besorgt an: „Willst du dich nicht hinlegen? Ich bekomme das mit dem Essen schon hin. Molly kommt bestimmt bald zurück und kann mir helfen.“
    „Sehe ich so schlimm aus?“, fragte er mit einem spöttischen Lächeln auf dem Gesicht.
    „Schlaf würde nicht schaden.“
    Er stand auf und kam zu mir. Ich spürte wie mein Herz schnell schlug. Seine Hand strich durch meine Haare. Mir fiel es schwer zu atmen, die Aufregung hatte meine Kehle zugeschnürt. Sein Gesicht näherte sich meinem. Ich öffnete leicht meinen Mund und schloss die Augen. Ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht. Ich hätte fast gezittert.
    Mit einem Schlag öffnete sich sie Tür und die Familie Weasley, zusammen mit Harry, tauchte auf. Sirius und ich rückten schnell voneinander ab. Sein Blick war scheu, verunsichert und vielleicht schämte er sich für das, was fast passiert wäre.

    ~Zeitsprung~
    Arthur hatte sich wieder bestens erholt und der Frühling war gekommen. Zwischen Sirius und mir war es nicht mehr zu so einer Situation gekommen. Dafür hatten wir beide gesorgt. Dennoch spürte ich das schier unbändige Verlangen ihn zu küssen, immer wenn ich ihn sah.
    Nach dem Frühstück hatte ich mich in mein Zimmer verkrochen und war nun auf der Suche nach Sirius. Er hätte sicher Lust eine Partie Schach zu spielen. Allerdings fand ich ihn im ganzen Haus nicht. Gerade kam ich aus Seidenschnabels Zimmer und keine Spur von ihm. Wäre er gegangen ohne mir etwas zu sagen, ohne mich mitzunehmen?
    In der Küche fand ich dann lediglich den verschrobenen Hauselfen Kreacher, der fröhlich pfiff. Allein die Tatsache, dass er mit einem schmutzigen Besen fegen wollte, machte mich stutzig. Ich packte ihn im Nacken und hob ihn hoch.
    „Na, Kreacher? Heute so fröhlich?“, fragte ich scharf.
    „Das Schlammblut fragt Kreacher, wie es ihm geht. Gut geht es Kreacher. Oh, meine Herrin, wenn sie wüsste.“ Dieser letzte Satz klang erfreut und nicht gequält wie sonst.
    „Wo ist Sirius, Elf?“, wollte ich wissen.
    „Das will sie wissen, aber Kreacher wird es ihr nicht sagen.“
    Das ließ mich nun aus der Haut fahren. Ich machte mir riesige Sorgen und Sirius war schließlich wirklich nicht da. Ich würgte den Elf bis er die Worte „Zaubereiministerium“ und „Dunkler Lord“ ganz deutlich ausspuckte. Kreacher ließ ich einfach fallen und handelte völlig planlos und überstürzte.

    Ich apparierte vor der öffentlichen Toilette, die mich ins Ministerium bringen würde. Mein Denken hatte ich abgeschaltet. Es war wahnsinnig ohne Zauberstab als gesuchte Verbrecherin am helllichten Tag hier aufzutauchen. Wenn Sirius aber hier war, dann musste ich ihm helfen. Wie dieses Helfen aussehen sollte, konnte ich mir selbst nicht erklären. Ich spülte mich gerade ins Foyer, als mir der schreckliche Gedanke kam, dass Kreacher mich auch einfach angelogen haben könnte. Ich beruhigte mich aber sofort, als ich feststellte, dass hier niemand war. Keine Menschseele. Vom unteren Stockwerk hörte ich Lärm. Das Ministerium würde ihn nicht nach Askaban stecken. Nicht schon wieder und die Dementoren würden auch nicht seine Seele bekommen. Ich wusste, dass dort unten die Mysteriumsabteilung war. Erst als ich Treppen hinunterging, merkte ich, dass ich schreckliche Angst hatte. Es war töricht gewesen ohne Zauberstab zu kommen.
    Dort unten gab es eine Tür und einen Korridor. Die Tür ließ sich leicht öffnen und vor mir erstreckte sich ein kreisrunder Raum mit vielen weiteren Türen. Ich ging an allen vorbei und versuchte zu erkennen wo der Kampflärm herkam. Schließlich hatte ich mich entschieden und wusste nicht, ob ich mich freuen oder weinen sollte. Ich hatte die richtige Tür erwischt. Es gab nichts weiter als einen steinernen Bogen mit einem Schleier. Ansonsten lieferten sich der Orden und die Todesser einen verbitterten Kampf. Malfoy war die Maske heruntergerutscht und Bellatrix Lestranges Lachen hätte ich überall wiedererkannt. Zwischen all den Erwachsenen erkannte ich einige junge Leute, die beim zweiten Hinsehen Harry und seine Freunde waren. Was zur Hölle machten die denn hier? Mich hatte niemand bemerkt. Ich wusste, dass es keinen Weg zurück gab und ich würde das jetzt durchziehen. Ich erkannte Sirius und mein Herz schlug schneller.
    Die Nischen in den Wänden nutzte ich als Deckung und tastete mich so vor zu diesem Bogen. Er sah interessant aus. Als ich in seiner Nähe war, konnte ich Stimmen hören, die mich riefen. Sie kamen mir so vertraut vor. Erinnerten mich an eine längst vergessene, friedliche Zeit. Ein roter Lichtblitz hätte mich fast getroffen. Ich war wieder im Hier und Jetzt. Fluchend duckte ich mich und presste mich so gut es ging in die Steinnische. Ich war so dumm, ohne Zauberstab!
    Der Orden schlug sich gut. Die meiste Zeit achtete ich auf Sirius. Ich war wohl die einzige, die sofort merkte, dass sich die Tür geöffnet hatte und Albus Dumbledore hereinkam. Augenblicklich wurde mir leichter ums Herz. Nun würde alles doch noch gut werden.
    Ich war nervös und rechnete eigentlich damit, dass man mich endlich sehen würde, aber nichts dergleichen passierte.
    Dann kam der Moment, der meine Welt still stehen ließ. Sirius stand ganz in meiner Nähe, ganz in der Nähe des Bogens. Er duellierte sich zusammen mit Harry und die beiden gaben wirklich ein ausgezeichnetes Team ab. Plötzlich kicherte Bellatrix und richtete den Zauberstab auf Sirius.
    ‚Nein, nicht‘ schrie ich innerlich.
    Der grüne Strahl und ich erreichten Sirius fast zeitgleich. Fast. Ich war aufgesprungen und rannte auf Sirius zu. Als ich ihn erreichte, stieß ich ihn mit mir zu Boden. Gemeinsam schlugen wir auf den Steinen auf und fielen die Treppen hinunter. Der grüne Lichtblitz aus Bellatrix‘ Zauberstab schlug dort ein wo Sirius noch Sekunden vorher gestanden hatte.
    Ich lag auf Sirius, als er die Augen aufschlug und verwundert in mein Gesicht sah: „Roxanne? Was machst du hier?“
    „Dich retten“, rief ich laut gegen den Lärm an und zog ihn mit mir auf die Füße. Ich stellte mich hinter ihn und flüsterte in sein Ohr: „Sirius, ich habe keinen Zauberstab.“
    Er griff nach meiner Hand und noch nie in meinem ganzen Leben war ich über die Geste so froh gewesen.

    Die Tür von Grimmauldplatz Nummer zwölf fiel ins Schloss. Sirius drehte sich zu mir um und ich konnte erkennen, dass er müde war. Sein schulterlanges Haar sah stumpf aus, unter deinen Augen hatten sich Ringe gebildet und seine Mundwinkel hingen schlaff nach unten. Seine Stimme war anklagend und vorwurfsvoll: „Was sollte das!“
    „Ich wollte helfen und dich retten!“
    „Du hast ja nicht mal einen Zauberstab, wie in aller Welt hättest du helfen sollen?“
    Ich war empört und stemmte die Hände in die Hüften, als ich zurückschrie: „Ich habe dir das Leben gerettet, du undankbarer Mistkerl!“
    Er wusste, dass ich Recht hatte. Remus hatte ihm noch im Ministerium gesagt, dass ich gerade zur richtigen Zeit da gewesen war.
    „Was fällt dir ein im Ministerium einfach so aufzukreuzen? Dir hätte etwas passieren können! Du hättest sterben können!“ Sirius ignorierte mich einfach. Unfassbar!
    „Glaubst du, du könntest dich einfach so in Gefahr begeben? Ich wollte nicht, dass dir etwas passiert!“, verteidigte ich mich.
    Sirius lachte bellend: „Und da glaubst du, du könntest mir helfen? Denkst du, nur weil ich immer hier im Haus fest sitze, ich hätte alles verlernt. Du bist noch ein Kind!“
    Diese Worte trafen mich mehr als ich mir eingestehen wollte. Er hielt mich wirklich für ein kleines Mädchen. Ich hatte mich doch in ihn verliebt.
    Ich schrie zurück: „Ich bin sechsundzwanzig!“
    Sirius war schon die Treppe hochgegangen, als er stehen blieb und mich verwundert ansah: „Wann hattest du Geburtstag?“
    Ich schnaubte wütend und suchte hektisch nach einem Ort, an dem ich mich verstecken konnte. Ich stürmte einfach in die Küche.
    Sirius kam mir nicht nach, ich hörte nur noch wie er nach Kreacher rief. Verdammte zehn Jahre. Ich spürte wie sich eine Augen mit Tränen füllten.

    Gegen Abend ging ich hoch in mein Zimmer, öffnete das Fenster und versuchte meine Gedanken zu ordnen und die Geschehnisse des Tages zu verarbeiten. Ein seltsames Gefühl der Leere hatte sich in mir breit gemacht. Er hielt mich tatsächlich für ein kleines Kind. Ich hatte schrecklichen Liebeskummer. Jetzt hätte ich gerne eine richtige Freundin gehabt, die mich getröstet hätte. Säuerlich blickte ich auf den Sonnenuntergang und war mich sicher, dass mir dort draußen sowas nicht passiert wäre. Schon fast ein Jahr lebte ich in diesem Haus. So eingeengt und erdrückt wie jetzt hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. Wie hatte ich auch annehmen können, dass Sirius etwas für mich empfinden würde?
    Ich hatte nicht viel zum Grimmauldplatz mitgebracht. Genau genommen nur das, was ich damals getragen hatte. Mrs. Weasley war so freundlich gewesen mir die Sachen zu waschen und zu nähen. Ich schlüpfte schnell in das schwarze T-Shirt und die olive Hose. Ich wüsste schon wie ich mich verstecken könnte, jetzt wollte ich nur noch von hier weg. Ohne Zauberstab würde ich es sicher auch hinbekommen. Wehmütig sah ich auf den Stapel mit Kleidungsstücken von Tonks. Ob es ihr etwas ausmachen würde, wenn ich mir ein T-Shirt mitnehmen würde? Ich wollte nichts stehlen, deshalb ließ ich es bleiben und zog meine Schuhe an. Ich würde mich nicht verabschieden.
    Gerade riss ich meine Tür auf, als ich fast gegen Sirius gelaufen wäre. Er stand vor mir mit zur Faust erhobener Hand, als wollte er klopfen. Wir starrten uns an, dann löste sich Sirius aus seiner Versteinerung: „Was hast du vor?“
    Sah man mir so deutlich an, dass etwas nicht stimmte?
    „Nichts“, meinte ich versucht unbekümmert.
    „Wolltest du gehen?“, er klang wehmütig.
    Ich drehte mich um und trat zum offenen Fenster. Sirius stand kurz darauf hinter mir und legte eine Hand auf meine Schulter. Durch seine Nähe wurde mir heiß und kalt.
    „Es tut mir leid, ich wollte mich entschuldigen. Du hast mein Leben gerettet, ich werde das nie wieder gut machen können.“
    „Schon gut“, sagte ich mit dünner Stimme. Seine Berührung ließ mich langsamer denken.
    „Wieso hast du nicht gesagt, dass du Geburtstag hattest. Ich habe gar nichts, was ich dir schenken könnte.“
    Sirius wusste nicht, dass mir diese Entschuldigung mehr bedeutete als jedes Geschenk. Ich drehte mich zu ihm um und sah ihm ins Gesicht. Er wirkte immer noch müde, aber ich konnte ihm ansehen, dass er seine Entschuldigung ernst meinte. Seine grauen Augen sahen mich wachsam an.
    „Roxanne, du kannst da nicht raus gehen. Sie würden sich nur finden und nach Askaban bringen, das hättest du nicht verdient.“
    Sirius sprach nur selten von dem Gefängnis, deshalb blickte ich auf. Kühler Wind wehte durch das Zimmer. Ich fröstelte und ohne eine Reaktion von mir abzuwarten, zog Sirius mich an sich und wickelte seinen großen Mantel um uns beide. Mein Kopf ruhte an seiner Brust und seine Arme hatten sich um meinen schlanken Körper geschlungen. Ich atmete seinen vertrauten Geruch ein und schloss die Augen.
    „Du hättest auch nicht ins Ministerium kommen dürfen.“
    Ich sah zu ihm auf: „Aber dann wärst du jetzt tot.“
    „Du hattest mit dem ganzen nichts zu tun, es war zu gefährlich und zu leichtsinnig von dir. Du hättest einfach hier bleiben sollen, es hätte alles schief laufen können. Du bist doch noch jung und hast dein ganzes Leben vor dir.“
    Ich konnte nicht verhindern, dass Wut in mir hochkroch. Seit mir klar war, dass ich ihn liebte, reagierte ich auf das Thema Alter und Jugend sehr gereizt, gerade weil Sirius oft darauf anspielte.
    Ich konnte auch nicht verhindern, dass Tränen in meine Augen traten: „Wenn ich nicht da gewesen wäre, dass wärst du vielleicht tot!“
    Ich drückte mich von ihm weg und wollte ihn schlagen, er sollte es doch endlich einsehen, es war gut, was ich getan hatte. Ich schlug mit meinen Fäusten auf seine Brust, aber die Schläge waren so sachte, dass er nicht viel davon spürte.
    „Was hätte ich nur ohne dich machen sollen? Du warst einfach so plötzlich weg und ich hatte mit so große Sorgen gemacht. Ich wollte doch nicht, dass dir etwas passierte. Du bist doch alles, was ich hier habe! Was hätte ich denn nur machen sollen, wenn du nicht mehr zurückgekommen wärst?“
    Ich konnte nicht verhindern, dass eine Träne langsam meine Wange hinunter lief.
    Sirius packte meine Hände, nahm sie schützend in seine und zog mich zu sich. Er ließ meine Worte verstummen, indem er mich stürmisch und verlangend küsste. Ich schien jegliche kraft zu verlieren und war mir sicher, dass meine Beine gleich nachgeben würden. Sein Kuss war intensiv, meine Gedanken hatte ich abgestellt, mein Herz hatte einen Schlag ausgesetzt und klopfte nun wie wild. So schnell wie es begonnen hatte, so schnell hörte es auch wieder auf. Sirius stieß sich von mir weg und murmelte: „Entschuldigung, ich weiß nicht, was in mich gefahren ist.“
    Er drehte sich weg, aber ich griff nach seiner Hand, zog ihn zu mir und umfasste sein Gesicht mit meinen Händen. Ich lehnte mich gegen ihn und küsste ihn feurig zurück. Er erwiderte meinen Kuss mit solcher Leidenschaft die mich beflügelte. Er umschlang mich mit seinen Armen und hob mich hoch. Zwischen mehreren Küssen keuchte er: „Ich liebe dich.“
    Ich sah ihn an und murmelte: „Das ist das beste Geschenk.“

    Mein Kopf ruhte auf seiner muskulösen Brust und er strich mich durch das rote Haar. Meine Hand streichelte über seine Haut und zum ersten Mal seit Ewigkeiten war ich glücklich darüber wo ich war. Ich wollte nicht mehr weg, sondern nur noch bei ihm bleiben. Er legte einen Arm um meinen Rücken und ich kuschelte mich noch näher an ihn. Er küsste meine Stirn, während ich gedankenverloren eines der blassen Zeichen auf seiner Haut nachstrich.
    „Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, flüsterte er leise.
    Draußen schien nur der Mond, das Fenster stand noch offen uns kalte Nachtluft trieb herein. Ich beugte mich zu ihm, küsste ihn zärtlich auf den Mund und flüsterte: „Dann sag doch einfach nichts.“
    Seine starken Hände gruben sich in meine Haare und zogen meinen Kopf zu sich, sodass er mich erneut küssen konnte.
    „Habe ich das wirklich verdient?“, fragte er leise.
    „Was denn?“
    „Dich. Das alles hier.“
    Ich fuhr über seine Wange.
    Sirius ergänzte: „Ich bin alt und du hast noch so viele Chancen und Möglichkeiten.“
    Ich bettete meinen Kopf wieder auf seiner Brust und sagte: „Du bist nicht alt. Es sind keine ganzen zehn Jahre. Komm mir bloß nie mit dem Satz, dass du mein Vater sein könntest.“
    Sirius lachte leise kehlig auf.
    Ich sah ihn an, meine grünen Augen trafen seine grauen.
    „Wir werden beide wegen etwas gesucht, das wir nicht getan haben. Ich habe keinen Schulabschluss, kein richtiges zu Hause, keine Familie und keine Arbeit. Ich habe dort draußen keine großen Chancen. Du bist meine Zukunft.“

    ~Zukunft~
    Die große Schlacht war geschlagen und Sirius und ich hatten beide überlebt. Der neue Zaubereiminister Kingsley Shacklebolt sorgte dafür, dass Sirius und ich frei gesprochen wurden. Unter Menschen war es aber trotzdem nicht leicht für uns beide und so zogen wir in ein kleines Haus bei Godric's Hollow.
    Sirius genoss seine wiedergewonnene Freiheit. Es war beinahe unmöglich für einen Sirius Black eine Arbeit zu finden, aber mit dem Geld seiner Familie kamen wir gut über die Runden.
    Vor einem halben Jahr hatten wir in ganz kleinem Kreis geheiratet.

    Gemeinsam saßen wir auf einem Hügel im Gras und beobachteten wie sie Sonne die Felder unter uns golden färbte. Der Wind wehte durch meine Haare, ich schmiegte mich näher an Sirius. Niemand sagte ein Wort, aber das war auch nicht notwendig, wir verstanden uns auch so. Bald würde Herbst werden, am Himmel zogen einige Vögel ihre Bahnen. Angenehm spürte ich die Wärme von Sirius‘ Hand, die auf meinem dicken Bauch ruhte. Ich war mir sicher, das Kind spürte sie auch.


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