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Moon & misery

Eine Geschichte um Draco Malfoy und Iris-Isabelle van Greenskape, die im siebten Schuljahr untragisch beginnt. Iris-Isabelle, die lieber Isa genannt wird, ist schockiert, als sie erfährt, dass sie zusammen mit Draco Malfoy Schulsprecher werden soll. Dabei kann sie den gar nicht leiden! Noch schlimmer wird es, als ihr Vater verkündet, dass die beiden jungen Reinblüter heiraten sollen. Doch das sind Probleme, die sich Isa bald zurück wünschen wird, denn die Zeiten werden immer düsterer, der Werwolf Greyback immer bissiger, Voldemort immer fordernder und die Gefahr immer größer.
Was als klein-Mädchen-Problem anfängt, entwickelt sich schnell zu einer finsteren Geschichte.

Die Geschichte ist teilweise aus Isas, Teilweise aus Dracos Sicht.

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    Nein! Nein! Nein!“ Genervt blickt mein Vater auf. „Iris-Isabelle, sei ruhig und erzähle was denn bitte so schrecklich ist. Du hast doch bloß die üblichen Hogwarts-Briefe bekommen.“ Ich beiße mir auf die Zunge um mir den üblichen Kommentar zu meinem grauenhaften Namen zu verkneifen. Natürlich ist mein Vater darüber im Klaren, dass ich bloß Isa genannt werden will. Aber wir sind reich, unsere Familie ist alt und wir sind durch und durch reinblütig. Reinblütige Slytherins. Wir die Familie van Greenskape. Auf Hogwarts bin ich in meinem Abschlussjahr, bisher durch und durch perfekt. Perfekter Notendurchschnitt, perfekter Ruf der reinen Familie, perfekter Stand zu Voldemort. Perfekt aber langweilig. Jaja, Voldemort. Meine Eltern, Todesser. Ich, Todesser. Was auf Hogwarts offiziell natürlich niemand weiß. „Ich bin Schulsprecherin..“ „Glückwunsch.“ „Da steht auch, wer der andere ist!“ „Musst du nicht mit dem dann dein siebtes Jahr in einem Kerker verbringen?“ Wie das mit dem Kerker klingt.. „Ja! Es ist“ Ich verziehe das Gesicht, „Malfoy!“ Endlich hebt mein Vater den Kopf. „Der Sohn von Lucius?“ Ich nicke. „Dieser behämmerte, eingebildete, hässliche, blöde, miese, feige, idiotische, dumme, kleine, widerliche Blondie!“ Vater runzelt die Stirn. „Die Malfoys sind eine ehrenwerte Familie.“ Ich schnaube. „Ja sicher, genauso ehrenwert wie wir, oder was? So mit dem dunklen Lord und so..“ „Auf dein Zimmer!“ Nur zu gerne verschwinde ich duzende Treppen nach oben, durch unser gewaltiges Anwesen. In meinem Zimmer angekommen schnappe ich mir Tinte, Feder und Pergament. Nach ein paar überlegenden Augenblicken jedoch schiebe ich die Schreibutensilien beiseite und nehme meinen Zauberstab zur Hand. Wird Zeit, diesem blöden Frettchen einen kleinen Mahn-Heuler zu schicken..
    ~
    Stöhnend lese ich diesen blöden Brief noch einmal. Das darf doch nicht wahr sein! Dass ich mit dieser blöden van Greenskape das nächste Jahr in einem Schlafsaal verbringen muss! „Draco? Draco, wieso machst du so ein düsteres Gesicht?“ Ich schiebe den Brief meiner Mutter zu. Sobald sie die ersten Zeilen überflogen hat, formen ihre schmalen Lippen ein leichtes Lächeln. „Schulsprecher! Wenn Lucius das hört..“ „Lies weiter.“ Ihr Lächeln wird noch breiter. „Sehr gut. Iris-Isabelle Greenskape..ist doch die Tochter von Lillian?“ Ich verdrehe die Augen. „Ja schon, “ antworte ich, „Nur das der dunkle Lord Lillian letztes Jahr für überflüssig befunden hat.“ Einen Augenblick bröckelt die Maske meiner Mutter, doch sie fängt sich rasch wieder. „Oh..Tatsache? Nun, der dunkle Lord weiß, was das Richtige ist. Aber wieso bist du denn nun so verstimmt?“ Ich seufze. „Greenskape ist eine unausstehliche Besserwisserin!“ Mutter blickt überrascht von dem Brief hoch. „Hat Lucius dir denn gar nichts gesagt?“ Ich ahne Böses. „Gesagt? Was gesagt?“ „Vor ein paar Tagen hatte sich Lucius mit Andrew, also Iris-Isabelles Vater, getroffen. Wir überlegen, dich, mein Sohn, mit Andrews Tochter zu vermählen!“ Ich springe auf. „Wie bitte? Wieso das denn? Hinter meinem Rücken!“ Beschwichtigend hebt Mutter die Hände, doch ich will mich gar nicht beruhigen. „Draco. Du weißt ganz genau, dass seit jeher die Malfoys bloß mit anderen, reinblütigen vermählt werden. So ist es nun Mal.“ Bei der Stimme meines Vaters wirble ich herum. Da steht er, im Eingangsportal, die Ruhe selbst. Plötzlich kracht von draußen wieder und wieder etwas gegen eines der Fenster. Durch das Kristallglas kann man nicht erkennen, was es ist. Allerdings ist es knallgrün. Vater zieht seinen Zauberstab, öffnet vorsichtig das Fenster und schon springt ein Leguanartiges Geschöpf in den Raum. „Ist..Ist das ein Drache?“ frage ich ungläubig, die Flügelchen am Nackenansatz betrachtend. „Nein“ antwortet meine Mutter verwundert, „Das ist eine seltene Artenkreuzung. Seht mal, es hat einen Brief dabei!“ Einen Augenblick ist es still, als sich das seltsame Wesen umschaut. Dann macht es einen Satz auf mich zu. Rasch ducke ich mich, aber das Vieh nimmt schon wieder Anflug auf mein Gesicht. Im nächsten Moment hat es sich in meinem weißen Hemd festgekrallt und..schleckt mir begrüßend das Gesicht ab. Dann lässt es sich auf meinem Schoß nieder und legt mir einen feuerroten Brief in die Finger. Ich bin zu perplex, um zu bemerken, was das für ein Brief ist. Kaum dass er anfängt zu kokeln, macht das Vieh einen großen Satz von mir weg. Schon explodiert der Heuler:
    „DRACO MALFOY!
    KANNST DU DIR DENKEN, WER ICH BIN? ACH, VERMUTLICH NICHT. DIE SCHULE HAST DU JA AUCH NUR DURCH ABSCHREIBEN GESCHAFFT! ICH BIN ISA. DIE ADERE SCHULSPRECHERIN…
    ICH WOLLTE DIR BLOẞ SAGEN, DASS ICH DIR ZUM NÄCHSTEN WEIHNACHTEN EINEN SCHÖNEN FLUCH SCHENKEN WERDE, WENN DU DICH GENAUSO BESCHEUERT VERHÄLST WIE IM LETZTEN JAHR.

    ACHJA, SOLLTE JUMPS BEI EUCH IRGENDETWAS ZUSTOẞEN, KÖNNT IHR DEN DREIFACHEN PREIS BEZAHLEN, WIE JUPMS GEKOSTET HAT..DAS WÄREN DANN SO 1500 GALLEONEN!
    BYEBYE, ACH JA, PECHWUNSCH ZUM GEBURTSTAG NACHTRÄGLICH!

    Der Heuler zerfällt zu Asche. Ich schaue hoch, zu meinen etwas perplexen Eltern. „Versteht ihr jetzt?“ „Nun“ meint Vater, „Offenbar hat dein gutes Benehmen etwas nachgelassen.“
    ~
    Jumps plumpst auf meinen Bauch und schaut mich vergnügt an. „Na, Auftrag erfüllt?“ Jumps keckert zustimmend.

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    Gut gelaunt turnt er durch mein Zimmer, wie immer, wenn er einen Heuler überbringen durfte. Ich richte mich auf und gehe wieder ins Esszimmer. Mein Vater ist längst im Ministerium.Unten angekommen sehe ich einen Zettel auf dem Tisch liegen. Komisch..

    Iris-Isabelle,
    ich bitte dich, dich in Zukunft etwas zurückzuhalten.
    Lucius berichtete mir von dem Heuler.
    Als Zukünftige von Draco Malfoy solltest du definitiv dein Verhalten ändern,
    Vater

    Schockiert starre ich den Brief an. Zukünftige von ihm? HEIRATEN! Draco Malfoy? Isa Malfoy..Draco van Greenskape… Ich weiß nicht, was sich bescheuerter anhört. Meine Liebe aus Kindertagen… Herrgott, war ich in den ersten drei Jahren verknallt! Aber ihn heiraten? Sowieso ist er so idiotisch und dumm und hässlich und süß.. Nein. Nicht süß. Verwirrt schüttle ich den Kopf. Plötzlich dringt eine schrille Klingel an meine Ohren. Mit einem Zauberstabschlenker stoppe ich das Geräusch. Irgendjemand steht vor dem Tor des gewaltigen Anwesens… Ich renne schnell nach oben zurück in mein Zimmer und suche vernünftige Kleidung heraus. Egal wer es ist, ich kann ihn auf keinen Fall im Schlafanzug begrüßen. Kaum bin ich fertig schnappe ich meinen Rennbesen und fliege direkt aus dem Fenster. Das Anwesen meines Vaters ist vielleicht nicht ganz so gewaltig wie Malfoy Manor, kommt aber dennoch nahe dran. Das Grundstück wird nicht nur durch Zauber und Flüche geschützt, sondern auch durch eine hohe Mauer. Ich zücke den Zauberstab und lasse die gewaltigen Tore auffliegen, ehe ich elegant vom Besen hüpfe. Der Besucher kommt langsam näher. Neugierig beobachte ich ihn….Obwohl sein Gesicht von einer weiten Kapuze verborgen ist, brauche ich etwa zwei Sekunden, um zu erkennen, wer der reichlich unerwünschte Gast ist. Unter dem Reiseumhang ist deutlich der schwarze Anzug zu erkennen, auch die Schuhe sind ein weiteres Merkmal. Ausschlaggebend jedoch ist der breite Ring mit der Schlange. Er schiebt die Kapuze zurück. Einen Moment ist es still, dann bricht er das Schweigen. „Da gibt es einiges, was wir besprechen müssten.“ „Ausnahmsweise gebe ich dir Recht, Malfoy.“ „Für dich ab jetzt Draco“ knurrt Malfoy. „Noch haben wir nicht geheiratet“ gebe ich zurück. „Komm mit.“ Was bildet der sich ein? Mich auf meinem eigenen Grundstück zurechtzuweisen? „Hey Malfoy! Hier habe ich das Sagen!“ „Nicht mehr lange!“ Ich schneide ihm eine Grimasse, springe wieder auf meinem Besen und flieg vor.
    ~
    Fluchend starre ich Isa nach. Und die soll ich heiraten? Dieses widerspenstige Biest! Sie hätte mich ja wenigstens mitnehmen können! Wütend auf so ziemlich alles laufe ich ihr nach.

    Außer Atem haste ich ins Wohnzimmer. Zum Glück war ich schon einige Male hier, wegen meinem Vater. Überheblich grinsend sitzt Isa auf einem der Sofas. „Angenehmer Fußmarsch?“ Ich hole tief Luft, versuche, mich zu beruhigen. Ich setze mich zu ihr. „Mein Vater hat vorhin noch mit mir über die Hochzeit gesprochen. Es soll, ich meine, es wird eine Todesser-Hochzeit. In Malfoy Manor. Der dunkle Lord persönlich wird dabei sein. Natürlich haben wir die Wahl, heiraten oder getötet werden-“ „Oder fliehen und sich verstecken?“ Draco verdreht die Augen. Dann steht er auf, geht vor mir auf die Knie und holt eine kleine Schachtel aus der Tasche seines Jackets. Ein Ring. „Willst du, Iris-Isabelle van Greenskape, mich, Draco Lucius Malfoy zu deinem rechtmäßigem Ehemann nehmen?“ fragt er gequält. „Keine Sorge“ erwidere ich düster, „Ich nehme dir die Qual ab!“ Entschlossen klappe ich die Schatulle wieder zu. „Nö, vielen Dank der Nachfrage!“ damit drehe ich mich um, renne aus dem Haus, mit meinem Besen. Mit aufgescheuchten Gefühlen fliege ich in den Himmel. Ich weiß zwar schon, wohin, aber es ist weit. Außerdem werde ich nicht den gesamten Weg fliegen können. Zu Hermine, meiner besten Freundin.
    ~
    Erschrocken sitze ich da. Was war das? Jedenfalls bedeutet das Ärger. Für wen genau kann ich nicht sagen.

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    Was denkt die sich? Wir müssen, wir sind Reinblüter, sollen es auch bleiben, dazu noch Todesser..dann sowas. Die spinnt doch! Besorgt mache ich mich auf den Weg zurück nach Malfoy Manor, per Flohpulver. Glücklicherweise sind gerade keine Todesser im Salon, als ich ankomme. Dafür meine Eltern. Mutter springt auf, als sie mich sieht. „Draco, was ist geschehen? Wieso bist du schon zurück?“ Angespannt berichte ich ihnen von den Ereignissen. „Das wird den dunklen Lord nicht erfreuen“ meint Vater düster, „Noch mehr Probleme! Jetzt müssen wir auch Greenskape suchen. Verflucht, warum hast du sie nicht gleich mitgebracht? Hier könnte sie nicht abhauen!“ Natürlich, jetzt ist es wieder meine Schuld! „Wer“ antworte ich aufgebracht, „Könnte denn ahnen, dass sie sich so aufführt!“ „Keiner, Draco, keiner“ meint meine Mutter nachsichtig. „Jetzt müssen wir wohl den dunklen Lord benachrichtigen-“ Schnell unterbreche ich sie, ich will den schwarzen Lord nicht hier haben. „Warte noch! Wir können doch erstmal ein paar Todesser losschicken, sie zu suchen. Und ihren Vater benachrichtigen!“
    ~
    Irritiert schaue ich mir die Haustür an. Dieses Muggelzeug ist echt zum Davonlaufen. Vorsichtig berühre ich einen kleinen Kreis an der Hauswand. Von drinnen ertönt eine Klingel. Erschrocken mache ich einen Satz zurück. Verfluchtes Muggelzeug… Nichts rührt sich. Mist. Offenbar ist keiner da. Wo könnte Hermine noch sein? Natürlich. Bei den Weasleys. Ich habe Potter und Weasley noch nie ausstehen können. Trotzdem weiß ich natürlich wo sie wohnen, Hermine hat mir oft genug davon erzählt, zumindest bevor ich zur Todesserin wurde. Es ist weit, und sehr willkommen werde ich dort auch nicht sein. Aber ich brauche Hilfe.
    --ein paar Flugstunden später--
    Hier irgendwo muss der Fuchsbau sein, ich weiß es, auch wenn ich ihn nicht sehen kann. Vermutlich durch Magie geschützt. Ich fliege einfach weiter und hoffe auf Glück. Plötzlich krache ich gegen eine unsichtbare Wand und werde zurückgeschleudert. Ich rutsche von meinem Besen und fliege dem Erdboden entgegen. Im nächsten Moment wird auch schon alles schwarz…

    Als ich wieder erwache liege ich definitiv auf einem Sofa. „Oh, du bist wach!“ Erschrocken setze ich mich auf. Eine mollige, rothaarige Frau kommt auf mich zugewuselt. „Hermine hat uns erzählt, dass du eine Freundin von ihr bist!“ Ich nicke. „Hermine ist hier? Ich brauche ziemlich dringend Hilfe!“ „Nun Schätzchen, sehr gerne werden wir dir alle helfen!“ Laut ihren Worten hat keiner hier mein dunkles Mal gesehen, immerhin.

    Ich sitze mit der ganzen Weasley Familie, Potter und noch irgendwelchen Franzosen beim Abendbrot. „Jetzt erzähl doch mal. Wer bist du, was ist dein Problem?“ Das ist dieser Mann..Arthur Weasley. Ich räuspere mich. „Zuerst einmal möchte ich, dass ihr mir zuhört. Das ist wichtig, denn wenn es eins gibt was ich hasse, dann sind es Vorurteile. Mr Weasley. Sie dürften meinen Vater kennen, er arbeitet auch im Ministerium. Andrew van Greenskape-“ Mr Weasleys Hand ballt sich zur Faust. „Lasst mich bitte zu Ende sprechen! Heute..heute ist etwas passiert, was mich dazu gebracht hat, meiner Familie endgültig abzuschwören. Die van Greenskapes sind Reinblüter, solche wie die Malfoys.“ „Wenn Malfoys im Spiel sind kann es nur schrecklich werden!“ flüstert einer der Zwillinge grinsend. Ich nicke. „Allerdings. Lucius und Narcissa Malfoy und mein Vater wollen mich und Draco verheiraten.“ Schlagartig ist es still am Tisch. Bis die beiden Zwillinge in lautes Lachen verfallen. „Ja..ähm. Ich wollte ursprünglich nur zu Hermine um diese schlaue Hexe um Rat zu fragen.“ Hermine lächelt. „Du könntest hierbleiben, Schätzchen!“ Heftig schüttle ich den Kopf. „Mein Vater ist Todesser. Ich werde vermutlich jetzt schon gesucht!“ Fred und George verdrehen synchron die Augen. „Wir beherbergen Harry Potter, den Unerwüschten Nr.1“ sagen sie im Chor, „Ein Unerwünschter mehr oder weniger ist da auch egal!“ Ich zögere. Je länger ich hier bleibe, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass jemand mein dunkles Mal entdeckt. Die Frau-Molly Weasley- nickt überschwänglich. „Bleib doch hier! Du kennst ja Hermine, Ron und Harry. Die freuen sich doch bestimmt alle!“ Potter, Wieselkönig und ich tauschen zweifelnde Blicke. „Sie kann zu mir uns Ginny ins Zimmer!“ schlägt Hermine vor, damit ist es beschlossene Sache.

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    Einige Stunden später stehe ich in Ginnys kleinem Zimmer und will mir gerade einen von Hermine entliehenen Schlafanzug anziehen, als Ginny hereinplatzt. „Mum bräuchte kurz Hilfe bei- Was hast du da?“ fragt sie perplex und deutet auf meinen linken Unterarm. Schnell und mit rasendem Herzen ziehe ich den Ärmel über mein dunkles Mal. „Nichts. Nur ein kleiner Bluterguss. Vom Sturz vorhin.“ Doch Ginny glaubt mir kein Wort, mit resoluten Schritten kommt sie zu mir und zieht den Ärmel wieder hoch. Entsetzt starrt sie auf den Totenkopf und die Schlange. Dann blickt sie mich an. „Du bist..eine Todesserin?“ Ich schweige. Was gibt es noch zu sagen? Mit einem Blick, der vielleicht angemessen wäre, wenn ich die gesamte Familie Weasley ermordet hätte, weicht Giny zurück, dreht sich um und rennt aus dem Zimmer. Aus der Tür stößt sie prompt mit Hermine zusammen. „Was ist denn hier los?“ „Sie!“ Ginny deutet anklagend auf mich. „Sie ist eine miese kleine Todesserin, die uns ausspionieren will!“ „Ich will euch nicht ausspionieren! Ich habe euch nicht angelogen!“ fahre ich sie an. Ginny holt gerade Luft zum Kontern, doch Hermine unterbricht uns. „Ich weiß darüber Bescheid, dass Isa das dunkle Mal hat. Und ich vertraue ihr!“ „Dumbledore hat Snape auch vertraut! Und wie hat es geendet?“ Plötzlich kracht etwas gegen das Fenster. „Jumps!“ rufe ich erfreut aus und lasse mein treues Haustier herein. „Ich wusste, du kommst!“ Unruhig blickt Hermine nach draußen. „Wenn ihn einer gesehen hat?“ Ich schüttle nur den Kopf. „Jumps kann sich unsichtbar machen. Und er weiß, wann es besser ist, unsichtbar zu werden.“ „Okay“ sagt Hermine schließlich, „Kriegsbesprechung. Ginny, glaub mir, Isa kann man vertrauen. Wir sollten besprechen, was wir im Falle tun, wenn die Todesser kommen. Am besten zusammen mit Harry und Ron. Sie sollten auch über dein Mal Bescheid wissen, Isa.“

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    „Wieso das denn“ murre ich. Was haben Weasy und Potty damit zu tun. „Weil“ antwortet Hermine, „Fünf Gehirne mehr Ideen haben als drei. Harry, Ron!“ ruft sie auf das Treppenhaus, „Kommt mal!“
    Zwei Minuten später sitzen wir über die drei Betten verteilt im Zimmer. „Kriegsbeschrechung“ eröffnet Hermine. „Isa, los, zeig es ihnen.“ Vier Augenpaare sind auf mich gerichtet. „Ja..also. Pot- Harry..Ron… Es gibt da was, das ihr vielleicht wissen solltet.“ Ich hole tief Luft und entblöße mein dunkles Mal. Weasyking gibt ein undefinierbares Überaschungs- oder Entsetzensgeräusch von sich. Potter starrt mich einfach nur entsetzt an. „Ja, Isa ist eine Todesserin!“ erläutert Hermine unnötigerweise. „Aber sie hat sich Voldemort abgeschworen und ihrer Familie.“ „Und Malfoy.“ ergänze ich. „Und Malfoy“ bestätigt Hermine. Schweigen. „Was jetzt?“ frage ich in die Stille. „Sie wissen es und gut. Was macht ihr drei eigentlich nach den Sommerferien? Wohl kaum Hogwarts.“ Potter, Weasley und Hermine erzählen mir von den Horcruxen. Ich selbst weiß noch nicht, was ich nach den Ferien mache. Aber definitiv liegt in meinen Plänen kein Malfoy, kein Todesser da sein, kein Voldemort.
    ~
    Nervös und angespannt sitze ich auf meinem fest bestimmten Platz neben meinem Vater. Nie, wirklich nie hätte ich vor drei oder vier Jahren erwartet, dass es je dazu kommen könnte, dass in Malfoy Manor einmal nicht Vater Herr des Hauses ist. Ich starre krampfhaft auf die Tischplatte vor mir. Bloß nicht hinsehen, denke ich, bloß nicht den dunklen Lord ansehen. Der hält mal wieder eine seiner Reden gegen Potter. Ich habe Potter immer gehasst, ja, ihm sogar ab und zu den Tod gewünscht. Aber den schwarze Lord verabscheue ich noch mehr, auch wenn ich das nie sagen würde. Alle meine Prinzipien sind über den Haufen gerannt, seit ich die Praxis wirklich schwarzer Magier mitansehen muss. Einfach nur grausam. Ich werde prompt aus meinen Gedanken gerissen, als die kalte Stimme des dunklen Lords um ein paar Takte lauter wird. „Malfoy!“ Mein Vater neben mir hebt angespannt den Kopf. „Ja, Herr?“ Der dunkle Lord lacht kurz und freudlos. „Nicht du. Der junge Malfoy!“ Einen Moment ist es still. Dann begreife ich: Das bin ich!

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    Langsam hebe ich den Blick Richtung unseres Lords, allerdings ohne ihn direkt anzusehen. „Herr?“ Der dunkle Lord starrt mich intensiv an. Ich weiche seinem Blick aus und versuche, Oklumentik anzuwenden. „Hast du zugehört?“ Ich konzentriere mich darauf, keine Emotionen zu fühlen. „Selbstverständlich, Herr. Nie würde ich es wagen, mich in eurer Gegenwart auf etwas anderes zu konzentrieren, Herr.“ Stumm flehe ich den massiven Steinboden an, sich aufzutun damit ich abhauen kann. Das war immer schon der gesündeste Weg, einfach abhauen. „LÜG NICHT! Ich merke es, ich merke es immer!“ schreit mein Herr. Veflucht, nicht geklappt. „Verzeihung, Herr“ flüstere ich. „Wie der Vater, so der Sohn...In diesem Falle vollkommen unwürdig, zu sein, und unfähig noch dazu“ sagt der dunkle Lord. Mein Herz rast, vor Wut oder Angst, ich weiß es nicht. Näher am dunklen Lord lacht eine laute, kreischende Frauenstimme. Bellatrix, natürlich. „In diesem Falle“ zischt Voldemort, „Verzeihe ich. Ausnahmsweise. Dennoch, heute habe ich eben einen gutmütigen Tag..außerdem brauche ich dich noch.“ Ich kann mich nicht entscheiden ob das jetzt gut oder schlecht ist. „Ich sprach vorhin davon, dass wir herausfinden sollten, von Greenskape sich versteckt hält. Ich dachte, du wüsstest vielleicht etwas.“ Ich schüttle stumm den Kopf. Es bleibt weiterhin still am Tisch. „Ich weiß nicht viel über Isa, ich hatte nie viel mit ihr zu tun“ sage ich schließlich. „Ist das so? Dein Vater hat da aber etwas anderes berichtet.“ Entsetzt starre ich meinen Vater an. Das hat er nicht..Doch, er hat. Er sieht tatsächlich ein klein wenig schuldbewusst aus. „Lucius“ fährt der schwarze Lord fort, „Hat uns von deiner kleinen.. Affaire mit Greenskape erzählt. Obwohl, so klein war sie gar nicht, oder? Das dritte Jahr und auch im vierten über wart ihr doch, wie sagt man? Ein glückliches Pärchen? Bis du mit Pansy Parkinson zum Schulball gegangen bist, nicht mit Greenskape. Daraufhin habt ihr euch doch schmerzlich getrennt, oder?“ Einige der anderen Todesser lachen. „Schweigt!“ donnert Voldemort und sofort ist es wieder so still, dass ich glaube, alle am Tisch können meinen Herzschlag spüren. „Also..sie ist sehr gut mit dem Schlammblut Hermine Granger befreundet. Vermutlich ist Isa bei Granger. Allerdings ist Granger sozusagen untergetaucht. Ich würde sagen, am ehesten sind alle vier bei den Weasleys.“ „Vier?“ fragt Vater überrascht. „Vier?“ widerholt der dunkle Lord. „Isa, Granger, Wieselkönig und..Potter.“
    ~
    --Zeitsprung--
    „Wach auf, mach schon! Heute ist der Tag der Hochzeit, komm jetzt!“ Ich ziehe mir die Decke über den Kopf, doch Ginny und Hermine lassen nicht locker bis auch ich aufgestanden bin.
    Den Vormittag über trudeln die Gäste ein, zu Fleurs und Bills Hochzeit. Letzte Vorbereitungen werden getroffen, dann ist es so weit. Alle sind in einem weißen Zelt versammelt, als Bill und Fleur zu Mann und Frau erklärt werden. Da passiert es: Plötzlich schießt ein Pantronus ins Zelt. Der Patronus spricht!: „Das Ministerium ist gefallen. Der Minister ist tot. Sie kommen!“ Da apparieren Todesser ins, und Hochzeitsgäste aus dem Zelt. Potter kommt auf mich zu. „Hast du irgendetwas damit zu tun!“ faucht er. Habe ich aber nicht. „Nein! Nein! Potter, da vorne sind Hermine Weasy, schnell, geh zu ihnen, ihr müsst hier weg! Appariert!“ Potter nickt kanpp, dreht sich um und geht. Hitzig sehe ich mich um, ducke mich unter einem Fluch weg. Plötzlich packt mich jemand grob an der Schulter. Malfoy! Ich reiße mich los, laufe aus dem Zelt. Ich höre, wie er mich nach rennt. Mit sicherem Griff packe ich meinen Zauberstab, drehe mich um und rufe: „Expelliarmus!“ und danach „Accio Zauberstab!“ Jetzt ist Draco entwaffnet und ich habe seinen Zauberstab. „Draco! Dachtest du wirklich, du könntest mich kriegen?“ Er ist wie erstarrt stehen geblieben. „Mach keine blöden Sachen, isa!“ ruft er, „Du weißt wie mitleidslos der dunkle Lord sein kann!“ „Du bist so ein mieser Feigling, Draco! Aber ich weiß, was das Richtige ist! Komm schon, vertrau mir! Ich kann dir helfen, wir können uns verstecken! Jetzt entscheide, auf welcher Seite du stehst!“ Einen Augenblick lang ist es, als verstumme die Welt um uns herum, die Schreie, Flüche, die Explosionen. Nur Draco und ich. „Auf der Seite meines Vaters!“ knurrt der mit zusammengebissenen Zähnen. „Und auf welcher Seite steht er? Er handelt doch nur aus Angst, genau wie du! Ihr seid so ein armseliges Pack, allesamt!“ „Armselig, ja?“ Draco macht einen wütenden Sprung auf mich zu, doch darauf habe ich nur gewartet. Gerade, als er mich angreift, packe ich Dracos Arm und appariere.

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    ~
    „Was soll das? Wo sind wir?“ Ich und Isa stehen an einem kleinen Tümpel mitten in einem dunklen Nadelwald. „Siehst du doch. Ein Wald.“ Ich verdrehe die Augen. „Was tun wir hier?“ „Uns ausruhen.“ Kann dieses Mädchen sich eigentlich irgendwann mal klar ausdrücken? „Ich dachte mir, du würdest auch mal ganz gerne etwas Abstand zwischen dich und deine Familie und den dunklen Lord bringen. Ich nehme alle Schuld auf mich. Nach den Sommerferien kehren wir ganz normal nach Hogwarts zurück. Kapiert?“ Nee, nicht ganz, denke ich. Das ist gerade alles etwas viel. „Ein paar Fragen habe ich noch. Wir bleiben den ganzen Sommer hier? Wie willst du weiterleben, der dunkle Lord wird dir nicht verzeihen.“ Isa zuckt mit den Schultern. „Wird er nicht? Falls es dir nicht aufgefallen ist, meine Familie ist im Gegensatz zu deiner nicht in Ungnade gefallen. Mir wird der dunkle Lord verzeihen. Allerdings werde ich nicht weiter den Todesser spielen! Du etwa? Nach allem, was passiert ist? Weißt du noch, als er die Muggelkundelehrerin ermordet hat? Wie wir zusehen mussten, wie Nagini sie aufgefressen hast? Oder generell die vielen Crutiatus- und Todesflüche, die wir mitansehen mussten? Oder sogar selbst ausüben… Wie sehr es geschmerzt hat, als er uns das dunkle Mal auf den Arm gebrannt hat? Weißt du das noch?“
    ~
    Draco schweigt. „Draco“ sage ich leise und mache einen Schritt auf ihn zu. „Und weißt du noch, als er uns vor einem Jahr gezwungen hat, gegeneinander zu kämpfen? Das war, weil der dunkle Lord mitbekommen hat, wie wir uns gestritten haben, weil...“ Ich muss es nicht aussprechen. Draco weiß wieso wir uns damals angeschrien hatten. Wieso wir uns bis auf die Feindschaft gestritten hatten. Aber keiner von uns hat es je ausgesprochen, so feinfühlig ist keiner von uns. Zuzugeben – obwohl der jeweils Andere es auch so wusste – das die Gefühle von der dritten und vierten Klasse immer noch da waren. Da sind. Aber es geht nicht, dank Voldemort. So eine Art von Beziehung wollte keiner von uns. Voldemort hat nur unseren Streit mitbekommen, nicht den Grund. Und dann zwang er uns, uns wie, richtige Zauberer' zu streiten. Im Kampf. Ich ziehe Dracos Umhang zur Seite und schiebe sein Hemd ein Stück hoch. „Du hast die Narbe immer noch.“ Er nickt. „Tut mir Leid.“ Die Narbe stammt von dem Kampf, ich habe einen einfachen Schneidezauber angewandt. Draco starrt erst zu Boden, dann blickt er mich langsam an. „Wir sind nicht auf Malfoy Manor. Wir sind nicht auf Hogwarts. Wir sind nicht bei dem dunklen Lord“ stellt er fest. „Sieht so aus.“ Ich weiß ganz genau, was ihm durch den Kopf geht. Einen Sommer haben wir Zeit für uns. Einen Sommer Freiheit. Aber was wird danach sein? Nichts? „Okay“ sage ich, „Wir bleiben hier. Zusammen.“ Draco nickt. „Aber du trägst die Verantwortung.“ Ich verdrehe die Augen. „Feigling!“ „Dann ist das halt so“ knurrt er. „Gute Einstellung.“ Ich gähne. Der Himmel beschließt so langsam, wirklich dunkel zu werden. „Du hast nicht zufällig ein faltbares Haus dabei?“ ich schüttle den Kopf. „Zufällig nicht. Aber ich hab 'ne bessere Idee.“ Ich gehe ein Stückchen in den Wald hinein bis ich auf eine kleine Lichtung stoße. Nichts Besonderes, nicht mal eine richtige Lichtung, eher ein kleiner Fleck von die Bäume etwas weiter auseinander stehen. Ich zücke meinen Zauberstab und konzentriere mich. Mit geschlossenen Augen wiederhole ich in Gedanken immer und immer wieder den passenden Zauberspruch. Ein leises Reißen vor mir sagt, dass ich es geschafft habe. „Nicht schlecht“ meint auch Draco. Ich öffne die Augen. Vor mir haben die Bäume ihre Äste zueinander gestreckt, ineinander verflochten und bilden so Wände und Dach. „In Zauberkunst warst du schon immer gut“ kommentiert Draco. „Das ist Verwandlung.“ „Oh. Wo wir schon dabei sind, kriege ich meinen Zauberstab zurück?“ Ich nicke und werfe ihn ihm zu.

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    Umsichtig lasse ich meinen Zauberstab kleine, schwebende Feuerbällchen spucken bis es angenehm warm ist zwischen den Bäumen. Isa setzt sich gut gelaunt auf den trockenen Boden. „Kriegst du ein paar Schutzzauber hin?“ Ich nicke. „Natürlich. Für wen hältst du mich?“ Isa zuckt mit den Schultern. „Bis eben hatte ich den Eindruck, ich wäre in Gesellschaft Draco Malfoys.“ Haha.
    Fünf Minuten später liegen wir nebeneinander auf dem Rücken in unserem eigenen kleinen Waldhaus und schauen durch das verzweigte Dach zu den Sternen. Isa wirkt vollkommen entspannt, im Gegensatz zu mir. Bei jedem knacken im Unterholz, bei jedem rascheln von Laub erwarte ich Todesser, die unser Versteck stürmen. „Hast du gar keine Angst?“ frage ich sie. „Wo vor denn? Schlimmstenfalls foltern sie mich. Es gibt Schlimmeres. Aber ja natürlich habe ich Angst. Ist doch ganz normal. Aber vielleicht sollte man mal überlegen, sich für das Richtige zu entscheiden. Dann braucht man nichts zu fürchten. In unserem Falle müssen wir uns für die richtige Seite entscheiden und wenn wir das getan haben...dann wissen wir, wir haben das Richtige getan. Und wovor man dann noch Angst haben könnte, ist dann nicht mehr wichtig. Verstehst du?“ „Vielleicht.“ Sicher bin ich mir nicht, aber man kann es ja mal versuchen. „Wie genau lautet eigentlich dein Plan? Was du nach dem Sommer machst?“ Isa schweigt einen ewigen Moment lang. „Zurückgehen, mir irgendwelche Ausreden überlegen, so tun, als wäre nichts passiert, nach Hogwarts zurückgehen… Was ist mit dir?“ „Ich weiß noch nicht, ob ich nach Hogwarts zurück will..oder kann.“

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    „Wieso?“ Sie setzt sich auf. „Naja...der dunkle Lord...wegen meinem Vater...“ „Ja?“ Ich hole tief Luft. Auch wenn ich nie ein sonderlich gutes Verhältnis zu Vater hatte, fällt es mir schwer, zuzugeben, dass er ein Versager ist. „Der dunkle Lord überlegt noch, ob er mich wieder nach Hogwarts lässt. Viel eher will er, dass ich mit den anderen Todessern ebenso Todesserzeug mache. Weil ja schon Vater nichts Nützliches getan hat.“
    Verwundert sagt sie: „Aber du hast die Strafe für deinen Vater ja schon abgesessen? Als du...Als du Dumbledore getötet hast, oder nicht?“ Snape hat für mich gelogen. Erzählt, dass ich Dumbledore ermordet habe. Er hat mich gelobt. Für nichts..vermutlich ist jetzt der passende Moment, das zu sagen. „Ich habe ihn nicht ermordet!“ rutscht es mir – ziemlich direkt – heraus. „Es war Snape, aber er hat für mich gelogen.“ Isa lehnt sich wieder zurück. „Ich mag unsere kleine Fledermaus immer mehr“ stellt Isa fest. Verächtlich verziehe ich den Mund. Snape als, kleine Fledermaus' zu bezeichnen ist wohl kaum angebracht. „Ist ja auch egal, bis dahin sind es noch fast 6 Wochen Ewigkeit“ fährt sie fort. „Ja. Ein bisschen Ewigkeit ist wohl doch jedem Menschen vergönnt, egal was er getan hat“ denke ich laut. „Was genau haben wir denn getan?“ Ich schiebe meinen linken Ärmel hoch und betrachte mein dunkles Mal. „Sagt das nicht genug?“ Isa schweigt einen Moment. „Vielleicht hast du Recht. Aber es ist nicht zu spät, irgendwas zu verändern.“ „Wir haben keine Wahl“ seufze ich. „Jeder hat eine Wahl.“ „Ja klar“ ironiere ich, „Die Wahl zwischen auf der guten Seite tot sein oder auf der bösen Seite leben. Super. Ich freu mich, so eine tolle Auswahl!“ Isa dreht sich auf die Seite und blickt mich an. „Verstecken und weglaufen?“ schlägt sie vor. Ich verdrehe nur die Augen. „Eine...Eine Möglichkeit gibt es noch“ sagt sie langsam. „Die wäre?“ „Die wäre ein Doppelleben.“

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    ~
    Dracos Augen werden groß wie Hippogreifhufe. „Meintest du das gerade ernst!“ Ich nicke. „Natürlich. Wir geben dem dunklen Lord falsche Informationen und schmuggeln uns irgendwie auf die Anti-Nasenlos-Seite.“ An seinem Gesichtsausdruck weiß ich, dass Draco diese Möglichkeit tatsächlich in Betracht zieht. Dann verfinstert sich seine Miene. „Die folgen doch alle Potter, oder?“ Was meint er damit? Dann begreife ich: „Du willst dich ernsthaft der dunklen Seite vermachen, nur weil Potter auch dagegen ist?“ Draco schweigt. Das ist mal wieder typisch! „Meine Entscheidung steht jedenfalls fest. Ich fange ein neues Leben an. Obwohl...vermutlich nicht lange, oder?“ „Wie meinst du das jetzt wieder?“ Ich schaue Draco, ohne zu blinzeln direkt in die Augen. Irgendwo in der Nähe schreit ein Käuzchen. „Wenn du zu deinem Daddy zurücklehrst, als ehrlicher Todesser, als treuer Todesser, als ein Todesser, der ein Todesser sein will, wird das Erste sein, was du tust, mich zu verraten. Das ist nämlich deine Pflicht. Weißt du, du kannst nicht mit einem Fuß auf der guten, und mit dem anderen in auf der dunklen Seite stehen.“
    Worte waren schon immer meine Spezialität. Draco bläst die Backen auf und dreht sich wieder auf den Rücken. Hörbar stößt er die Luft aus. „Na gut. Du hast gewonnen. Ich mache mit. Ich hasse dich dafür, Isa.“ Ich muss lächeln. „Ich liebe dich dafür, Draco.“ Wie auf ein Zeichen finden sich unsere Hände zwischen uns auf dem moosigen Waldboden.

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    „Du hast echt Glück, Isa. Sonst bin ich ja nicht so nett.“ Ich seufze. „Das ist mir vollkommen egal Draco. Denn genau in den feigen, hinterhältigen, unfreundlichen, kalten Fiesling der du bist habe ich mich verliebt.“ Draco lacht leise. „Was für ein Kompliment. Aber sonderlich feige finde ich das von mir eigentlich nicht, wenn ich ein Doppelleben anfange. Ich meine, ich muss dafür ja, nur' meine Familie aufgeben-“ „..Deine Prinzipien über den Haufen werfen, dein Leben riskieren, mit Potter auskommen...“ „Hör auf! Sonst überlege ich es mir noch anders!“ Ich drücke seine Hand. „Glaube ich nicht. Ich schätze mal, wir müssen unseren Urlaub umplanen. Irgendwie müssen wir mit den Potter-Anhängern in Kontakt treten.“ „Die Weasleys.“ „Die Weasleys?“ Draco setzt sich auf. „Die Weasley sind doch bestimmt in so einer Anti-dunkler-Lord-Organisation oder so. Vielleicht sind sie noch in ihrem Fuchsbau.“ Ich richte mich ebenfalls auf. „Stimmt. Das ich da nicht drauf gekommen bin..egal. Irgendwann demnächst müssen wir zu ihnen hin. Aber...nicht jetzt. Wir beide brauchen erstmal ein paar Tage Auszeit, oder?“ Draco nickt grinsend. „Aber sowas von! Ein bisschen Zeit für sich ist immer gut. In unserem Falle..“ „Zeit für uns. Also da ist ja ziemlich viel zwischen uns..“ „Schiefgelaufen? Ja. Was für eine passende Beschreibung.“ Ich nicke. Draco hat es mal wieder treffend auf den Punkt gebracht. „Aber das“ fährt er fort, „Ist Vergangenheit.“
    Ziemlich formell hält er mir die Hand hin. Ich schlage ein. Einen Augenblick schauen wir uns ernst an, dann müssen wir beide laut lachen, hier ist ja niemand, den das stören könnte, und ich falle ihm um den Hals. Zweieinhalb Jahre habe ich auf diesen Moment gewartet, auf den Moment, wo Draco und ich alles was nach dem Ball in Hogwarts geschehen ist, begraben. Und ich glaube, ihm geht es genauso. „Ich hab dich vermisst“ flüstere ich heiser. Zum Glück der Romantik zieht in diesem Moment eine Wolke vorbei, und der Vollmond bestrahlt uns. „Was für ein Klischee“ murmle ich. „Das ist dann aber das schönste Klischee was mir je passiert ist“ gibt Draco zurück. Sanft löse ich mich von ihm. „Sieh mal an. Der gefühlslose Draco Malfoy kann Emotionen zeigen.“ Draco zuckt nur mit den Schultern. „Die Welt steckt voller Überraschungen.“
    ~
    In Gedanken versunken schaut Isa raus in den dunklen Wald. Die kleinen schwebenden Feuerbällchen über uns werfen ein seltsames Schattenspiel auf ihre langen, dunklen Haare. Ich glaube, jetzt verstehe ich, was sie vorhin alles geredet hat.
    Ich frage mich, wie wir beide in diesem Moment auf die anderen Lebewesen im Wald wirken wie wir hier in unserer kleinen Hütte aus Bäumen, mit Feuerlampen über unseren Köpfen sitzen, Isa in den Wald starrend, ich sie ansehend.
    Wir müssen beide vollkommen wahnsinnig sein, die Seiten zu wechseln, welcher Schwachkopf kommt denn auf sowas? Und welcher Idiot stimmt bitte zu? Wir. Ganz sicher, in den nächsten zwei Wochen noch werden wir geschnappt und umgebracht oder so. Zugegeben, ich habe total Panik davor.
    „Glaubst du, es kommt ein Krieg? Wie vor 17 Jahren?“ Ich schweige. Was soll man auf so eine Frage antworten? Mach dir keine Sorgen, es kommt nicht so weit? Ja, sicher, und es werden tausende Leute sterben? „Vielleicht“ weiche ich aus. „Es ist ja oder nein, kein vielleicht!“ „Ja. Ja, ich glaube es kommt ein Krieg.“ Isa nickt. „Ich auch. Komisches Gefühl, sich vorzustelle, dass man in einem Jahr vielleicht schon tot ist, oder?“

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    „Du machst mich wahnsinnig! Musste das jetzt sein?“ Isa grinst. „Nee, ich will dir nur ein bisschen Angst einjagen. Man muss eben realistisch sein.. Ach vergiss es. Wir haben besseres zu tun.“ Etwas stutzig runzle ich die Stirn. „Das wäre?“ „Das wäre, ein paar Jahre nachzuholen! Oder?“ Sie legt die Hände in meinen Nacken. Ich lege einen Arm um sie, mit der anderen stütze ich mich ab. Ehrlich gesagt, mein Gehirn legt sich langsam lahm. Die ganze Zeit starren wir uns in die Augen..um Himmels Willen, das macht mich verdammt wuschig. Als wäre ich ein normaler Jugendlicher. Isa lehnt sich weiter zu mir rüber und..küsst mich. Einfach so.
    Zweieinhalb Jahre sind vielleicht nicht so viel, aber trotzdem genug Zeit, die man unbedingt nachholen muss. Definitiv.

    „Du hast dich ziemlich verändert, weißt du das?“ fragt Isa. Ich schüttele den Kopf. „Du kannst besser küssen als in der Vierten. Viel ..Übung?“ fragt sie möglichst unschuldig. „Ja, sicher doch, ich meine, dafür habe ich doch so viel Zeit gehabt und du weißt ja, wie sehr mein Vater sich darüber freut, wenn ich mich mit irgendwelchen Mädchen rumtreibe“ sage ich sarkastisch. „Du warst schon immer so eifersüchtig. Isa, echt mal, du bist unmöglich!“

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    Ich fahre fort:,, Wenn du nicht so kleinkariert wärst...wäre das..nicht..hätten wir..“ „Hätten wir uns nicht getrennt, ich weiß. Aber wieso, Draco, wieso gehst du denn auch mit Möpschen zum Ball?“ Och nee… Langsam sage ich: „Mein..Vater..wollte das. Warum auch immer.“ Isa klappt der Mund auf. „Ernsthaft! Wieso hast du das nicht erklärt? Weshalb hast du nichts gesagt? Warum?“ Ist das jetzt auch noch meine Schuld? „Weil..Also..Erstens..Du hast mir eh nicht zugehört. Und..äh..zweitens...Ich...Egal.“ „Du hast dich geschämt, weil du dich von deinem Vater herum korrigieren lässt wie ein Hund der einem Würstchen hinterherrennt.“ Oh Gott, wie tief kann man eigentlich sinken? „Das..Das beschreibt mein Problem..recht...präzise. Ja.“
    ~
    „Ach, Dracolein“ seufze ich. Draco starrt mich an, als hätte ich ihn soeben Draco Parkinson genannt. „Reg dich ab. Draci hat dich ja Pansy schon genannt.“ „Und du darfst mich auch nicht Draco, Dracolein, Dracichen oder sonst wie nennen, kapiert?“ Ich verdrehe die Augen. „Schon klar, reg dich ab. Ehrlich gesagt bin ich ziemlich froh, dass wir bald halbwegs aus der Sache raus sind, also, mit dem dunklen Lord und so...“ „Aus der Sache raus sind? Raus? Isa, wir versinken eher noch tiefer in diesem Politik-Kram und es wird gefährlicher als je zuvor! Für uns, meine ich. Aber jetzt, jetzt ist mir das auch egal! So seltsam es auch klingt, aber echt mal, wieso soll der dunkle Lord siegen? Sogar seine treuesten Anhänger müssen Angst haben, jeden Moment ermordet zu werden. Wer will denn so reden? Und denk doch mal an die Muggel, jaja, ich weiß, habe ich selber auch nie. Aber wenn man sich mal vorstellt, man hat keine Ahnung dass es die Zauberer gibt, den dunklen Lord und man hört trotzdem von all den Morden und Unfällen! Das ist fast noch schlimmer, als als Eingeweihter drinzustecken! Jeder, der könnte, sollte auch etwas gegen ihn ausrichten!“
    Ich schweige, ziemlich überrollt. „Man, das war ja eine richtige Rede, Draco!“

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    „Kannst du apparieren?“ fragt Draco, 3 Tage später. Ich nicke. „Die Prüfung habe ich zwar nicht gemacht, weil ich zu jung war, aber ich kann es.“ Draco nimmt meine Hand und ich schließe die Augen, fest konzentriert auf den Ort, wohin wir wollen.
    ~
    Ich hasse diese drückende, schwarze Enge des Apparierens, aber durch mein Todesserdasein bin ich relativ daran gewöhnt. Im nächsten Moment bin ich mit Isa auf einem der grünen Hügel in der Nähe des Fuchsbaus. Schweigend nähern wir uns dem ziemlich schiefen Haus. Wie kann man da eigentlich wohnen? „Offenbar sind alle im Haus“ stellt Isa fest, als wir draußen keine Menschenseele erblicken können. Vor dem Törchen zögern wir beide einen Herzschlag lang, doch dann zieht Isa mich mit. Mit jedem Schritt will ich wieder mehr zurück. Sie werden uns eh kein Wort glauben.
    Entschlossen hämmert Isa mit der Faust gegen die Tür. Von drinnen ertönt eine ängstlich klingende Frauenstimme. „Wer ist da?“ „Ich bin's! Isa! Und ich habe jemanden mitgebracht!“ Leise Schritte sind zu hören und die Tür wird einen Spalt breit geöffnet. Schnell senke ich den Kopf, auch wenn ich weiß, dass ich jetzt nicht mehr drum herum komme, dass die Weasleys mich sehen und merken wer Isas Mitbringsel ist, will ich instinktiv nicht erkannt werden. „Isa! Du bist es wirklich!“ Jetzt klingt die Frauenstimme schon fröhlicher. „Molly! Kann ich – Können wir rein? Man sollte nichts Politisches zwischen Tür und Angel besprechen.“ „Sicher. Aber wen hast du denn mitgebracht?“ Mir fällt auf, dass Isa immer noch meine Hand hält. Leider. Entschlossen zieht sie mich durch die Tür, kommt selbst nach und verschließt die Tür.
    Langsam hebe ich den Blick. Fast die gesamte Familie Weasley ist in dem Raum, der vermutlich ein Wohnzimmer sein soll, versammelt. Arthur und Molly Weasley, das Mädchen, die Zwillinge und zwei etwas ältere, mir unbekannte Männer. Einen endlos langen Augenblick ist es still, bis das Mädchen es mit einem ziemlich entsetzten „Malfoy!“ auf den Punkt bringt. „Isa? Kannst du das erklären?“ fragt Weasley Senior. „Ist zwar etwas kompliziert, aber ich denke, wir schaffen das schon. Als bei der Hochzeit die Todesser kamen, war Draco hier auch dabei-“ „Was daran liegt, dass er ein Todesser IST“ erinnert ein Zwilling. „Ja...genau wie ich.“ Nur Ginny Weasley scheint diese Nachricht nicht zu überraschen, sie bleibt sogar ruhig, als Isa ihr dunkles Mal zeigt. „Aber alles was bei uns von dem Todesser in uns geblieben ist, ist eben das dunkle Mal und Wissen. Wir alle wissen“ fährt sie fort, „dass Draco eher unwillig ein Todesser war. Wie ich. Nach der Hochzeit also habe ich Draco gewissermaßen entführt. Wir hatte ein paar nette Unterhaltungen und...kurz gesagt, wir haben die Seite gewechselt.“ Alle schauen uns nur wortlos an. „Komm Isa. Die glauben uns eh kein einziges Wort. Lass uns wieder verschwinden und woanders versuchen irgendetwas gegen den dunklen Lord auszurichten“ sage ich leise. „Woher..sollen wir wissen, dass ihr das wirklich so meint?“ fragt Athur Weasley. „Woher“ erwidert Isa, „Sollt ihr wissen, dass irgendwer, der behauptet, auf eurer Seite zu sein, auch nicht irgendein Verräter ist?“ „Da hat sie recht“ meint der Weasley mit Brandnarben an den Armen nachdenklich, „Erzählt irgendetwas über die Anhänger von ihr-wisst-schon-wem.“ „Das kannst du doch am besten, Draco“ grinst Isa, „Schließlich sind die Versammlungen..“ „In Malfoy Manor, schon klar.“ Ich werfe ihr einen bösen Blick zu. War doch klar, dass sie mal wieder mich vorschiebt. „Mal sehen, was gibt es denn so darüber zu erzählen...“ denke ich laut, „Bellatrix sitzt natürlich relativ nah am dunklen Lord bei den Versammlungen. Der Lord selbst hat die Angewohnheit, während seinen Reden auch mal aufzustehen und um uns herum zu gehen. Ich kann euch sagen, das macht dich verdammt nervös, wenn er hinter dir steht. Er hält sich selbst für gnädig, warum auch immer. Seine Anhänger haben fast so viel Angst vor ihm wie seine Feinde. Diese Schlange, die er hat, lässt der dunkle Lord ganz gerne mal Menschen auffressen.
    Reicht das?“

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    „Na siehst du, Draco. Klappt doch“ meint Isa ein paar Stunden später. Ich bekommen das Zimmer von Charlie Weasley, der bald sowieso wieder irgendwohin muss und Isa das Zimmer von Bill, der zu seiner Frau musste. Ich seufze. „Jaja. Schon gut.“ Sie mustert mich prüfend. „Lass mich raten. Du vermisst sie tatsächlich.“ „Hm...nee. Nicht direkt. Nur Mutter.“ Isa nimmt mich kurz in den Arm. „Gute Nacht.“ „Nacht.“
    ~
    Ich drehe mich um und gehe einige Treppen hoch zu 'meinem' Zimmer. Auf dem Flur treffe ich auf Ginny. Sie tippt sich an den Hals. „Du hast da einen Knutschfleck. Wollte ich nur mal erwähnen.“ „Na vielen Dank Ginny.“ Was hat dieses Mädchen eigentlich immer? Ginny ist immer so unfreundlich zu mir. Offenbar liest Ginny meinem Gesicht ab was ich denke. „'tschuldigung“ seufzt sie, „Aber du tauchst hier einfach auf, siehst das alles so leicht, während Harry sein Leben riskierst, dann schleifst du Malfoy her, du kannst mit ihm knutschen und ich hab keinen Harry!“ Ouh. „Einfach! Du glaubst ich seh das hier alles einfach? Den Kampf gegen den dunklen Lord? Er hat meine Mutter vor einem Jahr umgebracht und ich war DABEI! Und was glaubst du, was der schwarze Lord mit Draco und seiner Familie anstellen wird, wenn herausgefunden wird, was wir hier tun? Glaubst du, wir würden einfach umgebracht? Deinen Potter will er sofort umbringen, damit er nicht wieder abhaut! Aber uns! Uns würde er vorher die Hölle durchleben lassen! Verstehst du das nicht!“ Ginny senkt tatsächlich leicht den Kopf. „So habe ich das noch nicht gesehen…“ „Egal“ knurre ich und verschwinde in dem Zimmer.
    ~
    Nachdenklich starre ich an die Decke. Gedämpftes Mondlicht gelangt in das Schlafzimmer, alles ist still. Was wohl meine Eltern gerade machen? Ob es gerade eine Versammlung gibt? Werden Isa und ich gesucht? Wen lässt der dunkle Lord dafür büßen, dass wir abgehauen sind? Der Gedanke lässt mir keine Ruhe. Leise richte ich mich auf. Gibt es hier irgendwo einen Spiegel? Gerade ist mir etwas eingefallen. Es ist gefährlich. Sehr sogar. Egal… An der Wand hängt einer. „Translucens speculum materlocus” (ACHTUNG: Das ist kein offizieller HP-Zauberspruch!) flüstere ich. Vor einer Sekunde noch habe ich mich im Spiegel gesehen, noch blasser und mit tiefen Schatten unter den Augen. Jetzt nicht mehr. Ich sehe ein relativ großes, dunkel gehaltenes Bett auf dem eine Frau mit zweifarbigen Haaren sitzt; dunkel und hell, in einen allzu vertrauten Raum. Die Frau starrt aus einem Fenster, mit dem Rücken zu mir. „Mutter” flüstere ich. Sie springt auf und dreht sich um als hätte ich geschrien. Fassungslos starrt meine Mutter mich an. “Draco!” sagt sie gedämpft, „Was tust du in meinem Spiegel? Wo bist du? Geht es dir gut?”

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    „Jaja. Schon in Ordnung bei mir. Wo ich bin kann ich nicht sagen, aber ich muss-” Sie verschwindet kurz aus meinem Blickfeld und wie aus weiter Ferne höre ich eine Tür auf- und wieder zu gehen. Dann ist Mutter wieder da. “Ich wollte nur nachsehen, ob wer auf dem Flur ist. Malfoy Manor ist nicht sicher. Sprich weiter.” „Ich..Ich muss dir zwei ziemlich wichtige Sachen sagen. Vorab: Du bist selbst nicht ganz begeistert vom dunklen Lord, oder?” „Es gibt Meinungsunterschiede.” Das ist genug für mich um zu verstehen. Sie hat es mindestens genauso satt wie ich. „Mutter...Das erste: Ich liebe Isa. Das zweite…… Ich habe die Seite gewechselt.” Narzissas Augen weiten sich vor Schreck. „Was ist in dich gefahren? Wenn das jemand erfährt!” „Sei ruhig! Niemand anders darf das wissen, klar! Aber ich musste es dir sagen. Die offizielle Geschichte wird sein: Wir wurden von Dumbledores ehemaliger Gefolgschaft irgendwo festgehalten und sind irgendwann geflohen.” „Draco! Was zum Teufel tust du da!” Ich schrecke hoch. Das war nicht Mutter. „Draco? Was ist los?” fragt diese. Isa ist in meinem Zimmer. Sie setzt sich neben mich und schaut in den Spiegel. „Misses Malfoy! Was ist hier los? Draco! Was tut deine Mutter in diesem Spiegel?” Ich erzähle ihr was ich bis eben getan habe. „Ich weiß nicht ob das so klug war, Draco!” meint Isa zweifelnd. „Ich werde euch nicht verraten. Und, Draco. Ich bin stolz auf dich.” Dann verschwindet das Bild. „Draco. Du bist lebensmüde.” Ich zucke mit den Schultern. “Habe ich doch genug Gründe, oder nicht?” „Sag sowas nicht!” „Reg dich ab.” Isa legt den Kopf auf meine Schulter. „Ach Draco” seufzt sie. “Immerhin wissen wir jetzt, was wir als Ausrede benutzen werden” verteidige ich mich. Isa hebt abwehrend die Hände. „Ist ja gut! Das wäre was anderes, wenn du das deinem Vater gebeichtet hättest, aber ich finde Narzissa ganz in Ordnung.”
    Wartet nur, bis mein Vater davon hört! Wie oft ich diesen Satz früher gesagt habe und heute..heute erzähle ich ihm gar nichts mehr was mir wichtig wäre. Wenn er wüsste, dass ich jetzt gegen in agiere, würde er mir vermutlich irgendeinen Fluch aufhalsen.

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    „Draco komm schon!” versucht Isa mich zu überzeugen. „Gibt's hier keine Hauselfen oder so die mir das bringen können?” frage ich genervt. „Nein gibt es nicht. Außerdem bist du hier der Gast, also wirst du ja wohl mit den Weasleys zusammen essen können! Stell dich nicht so an, man sollte meinen, mittlerweile hättest du deine rassistischen Einstellungen etwas zurückgeschoben. Letztens noch hast du gepredigt dass auch Muggel Lebewesen sind, also wirst du jetzt wohl mit 'Blutsverrätern' wie du sie nennst zusammen frühstücken können!” Ich seufze. „Ist ja schon gut. Ich habe nur keine Lust, wieder so von den jungen Weasleys angestarrt zu werden!” Isa seufzt. „Ich versteh dich. Mich gucken sie doch auch so komisch an. Ich schätze, wir beide passen einfach nicht hierher… Aber wir müssen uns anpassen. Und jetzt komm, die warten schon eine Ewigkeit!”

    Ich ziehe verlegen die Schultern hoch, als wir nach unten zu den Weasleys kommen und alle Blicke auf uns gerichtet sind. „Morgen” murmle ich. „Draco hatte so seine Probleme aus dem Bett zu kommen” redet Isa mich aus meiner Verspätung schnell heraus, „Wer kennt dieses Problem nicht?” Die Weasley-Zwillinge lachen. „Wer hätte gedacht, dass Malfoy Alltagsprobleme hat!”
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    Ich werfe den beiden Rotschöpfen einen bösen Blick zu. Kein Wunder dass Draco keine Lust auf die hat.
    Draco und ich setzen uns nebeneinander, ich zwischen ihm und Ginny und Draco am Ende der Tischkante. Er rührt das Essen kaum an. Plötzlich verkrampft Draco und im nächsten Moment spüre ich es auch; Das Brennen am linken Unterarm. „Einfach ignorieren” flüstere ich, „Das hat bestimmt nichts zu bedeuten. Er ruft seine Gefolgschaft doch öfter dadurch zusammen wenn er mal wieder irgendeine Idee über Potter hat.” Ich weiß nicht wen genau ich gerade versuche zu überzeugen, Draco oder mich.
    Es kann nichts bedeuten. Es kann aber auch alles bedeuten.
    „Was ignorieren?” fragt Ginny neugierig, „Meine beiden nervigen Brüder?” „Schön wär's” gebe ich zurück, „Aber ich meine das dunkle Mal. Es brennt. Wie immer wenn der dunkle Lord eines der Male von irgendeinem Todesser berührt, das ist dann ein Zeichen, dass wir – also die Todesser – apparieren sollen.” „Und was hat das zu bedeuten?” fragt Ginny weiter. „Nichts” antworte ich, „Oder Alles” ergänzt Draco.

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    „Warum ich euch heute hierher gerufen habe...” sagte der dunkle Lord und ließ den Blick über die versammelten Todesser schweifen, „Ist einfach.” Nur zwei Plätze waren frei. „Wie einige von euch sicher schon bemerkt haben...Wir sind nicht vollständig.” Zwei Männer hoben den Kopf. „Zwei junge aus unseren Reihen sind..verschwunden. Sollte irgendjemand hier in diesem Raum etwas über den Aufenthalt der beiden wissen...muss der, oder diejenige sich melden..ansonsten...” Keiner regte sich in dem düsteren Raum. „Wenn das so ist..gibt es noch zwei Möglichkeiten, was mit ihnen passiert ist.
    Lucius? Was meinst du, was dein Sohn getan hat? Wird er gefangen gehalten oder...ist er womöglich aus freiem Willen auf die 'andere Seite' gegangen?” wandte sich Lord Voldemort an einen der Männer, die sich aufgerichtet hatten. „Herr, mein Sohn würde nie die Seite wechseln! Er hat viel zu großen Respekt vor euch, Herr!” Der dunkle Lord fixierte den blonden Mann einen Moment lang. „Wenn das so ist… Andrew, was meinst du was deine Tochter für einen Weg eingeschlagen hat?” Der Andere schwieg. „Isa” begann er schließlich stockend, „Hat sich in der letzten Zeit seltsam verhalten. Sie..sie hat Dinge gesagt, die sie nicht sagen sollte. Dass Ihr, Herr..Isa hat Dinge gegen Euch gesagt. Als wäre sie nicht mehr mit Euch einverstanden.” „Und wie” sagte der dunkle Lord leise, „Kommt sie auf solche Dinge? Von wem hat sie das?” „Von mir ganz sicher nicht!” beteuerte Andrew, „Ich habe nie, wirklich nie etwas gegen Euch gesagt, das schwöre ich!” Näher am dunklen Lord lachte eine Frau mit hoher, kreischender Stimme. „Vielleicht hatte sie diesen Unsinn von ihrer wertlosen Mutter! Die war auch gegen Euch!” Voldemort schloss die Augen, während er zwischen seinen langen Fingern Lucius' alten Zauberstab hin und her rollte.
    „Selbst wenn die junge Greenskape diese Untreue nicht von dir hat, Andrew, hast doch du sie erzogen und warst verantwortlich für sie. Und jetzt” er öffnete die Augen, „Wirst du für sie bezahlen.” Voldemort hob den Zauberstab.
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    Als ich hereinkomme, starrt Isa gedankenversunken aus dem Fenster. Ich räuspere mich und ihre Hand greift direkt nach dem Zauberstab. „Ich bin's nur.“ „Nur ist gut“ erwidert Isa. „Was gibt’s?“ Ich zögere. „Das klingt jetzt etwas komisch aber…. Was tut man hier den ganzen Tag?“ Isa lächelt. „Hauselfenarbeit. Putzen, aufräumen, kochen...“ Ich verdrehe die Augen. „Irgendwas was Spaß macht? Ich glaube kaum dass die Zwillinge irgendwas von dem machen was du gerade genannt hast.“ Isa zuckt mit den Schultern. „Vermutlich nicht. Aber frag sie doch mal.“ Ich tippe mir an die Stirn. „Sehr lustig. Als ob ich mit diesen dämlichen Idioten freiwillig reden würde! Guck sie dir doch an, so..so..als wäre das alles hier ein riesengroßer Spaß. Die beiden sind einfach nur dumm. Sie haben die Schule abgebrochen! Das sagt doch schon mal was, oder? Null Ehrgeiz und Disziplin.“ „Du hörst dich an wie Umbridge!“ Irgendetwas findet Isa offenbar unheimlich lustig. „Aber sprich nur weiter.“ Okay..das ist zwar etwas seltsam, aber nun ja. „Jedenfalls“ fahre ich fort, „Wieso sollte ich mit so unterbelichteten, armseligen Leuten wie die Zwillinge reden?“ „Ich weiß auch nicht“ meint Isa und unterdrückt ein Lachen, „Ich meine, ihr lebt doch auch vollkommen aneinander vorbei..zumindest du an ihnen.“ Ich runzle die Stirn. „Was soll das denn heißen?“ „Dreh dich einfach um Draco!“ kichert Isa. Langsam drehe ich mich zur Tür. Da stehen Fred und George Weasley mit amüsiertem Gesichtsausdruck. „Jaah“ sagt der eine, „Immer wieder spannend solch tiefe Einblicke in das Gehirn eines Malfoys!“ Ich schaue von Isa zu den Zwillingen und wieder zurück. „Wie lange stehen die denn schon da! Warum hast du nichts gesagt?“
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    Die Zwillinge sind mir gleich etwas sympathischer, so gelassen wie sie Dracos Gerede aufnehmen. „Draco“ sage ich nur, „Dein Gesicht gerade ist echt unbezahlbar. Was gibt’s Zwillinge?“ „Najaa, da die momentane Situation ja recht beschwerlich ist, dachten wir uns, wir lassen unseren Laden mal kurz in Betreuung von Bediensteten, um hier unserer lieben Mutter ein wenig unter die Arme zu greifen. Wir hoffen“ sagen die Beiden synchron mit einer spöttischen Verbeugung Richtung Draco, „Das war diszipliniert genug ausgedrückt für Sie Mr Malfoy.“ Draco knirscht mit den Zähnen, aber ich muss grinsen. „Ihr könnt normal reden. Ihr wisst doch, Draco versteht alles, so klug und gebildet wie er ist.“ „Jedenfalls“ spricht einer der beiden weiter, „Wollten wir fragen ob du vielleicht Lust hast uns zu helfen den Garten zu entnommen. Bei Malfoy haben wir uns da erst gar keine Hoffnungen gemacht.“

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    Ich zucke mit den Schultern. „Ich habe das noch nie gemacht. In dem Garten auf dem Anwesen meines Vaters gibt’s keine Gnome.“ Die Zwillinge tauschen einen Blick. „Dachten wir uns. Aber was man noch nicht kann, kann man noch lernen.“ Ich strecke mich und stehe auf. „Wer sagt dass ich das nicht kann? Ich habe doch nur gesagt dass ich das noch nie gemacht habe.“ „So spricht ein wahrer Slytherin.“ Ich drücke dem finster schauenden Draco einen Kuss auf die Wange. „Wir sehen uns dann später. Und achja, hör bitte auf so zu gucken. Das erweckt ein bisschen das Gefühl, als würde ich deinen Vater küssen.“
    Zusammen mit den Zwillingen gehe ich in deren verwucherten Garten. „Sagt mal ihr zwei, gibt es an sich nicht ein paar dringende Probleme als Gnome zurzeit?“ „Schooon. Aber wir denken, ein bisschen Normalität kann einem nur gut tun, nicht Fred?“ Der nickt. „Total. Dann mal an die Arbeit.“
    Fred zeigt mir, wie ich die Gnome wegschleudern soll, während George sich einen Spaß daraus macht, zu versuchen, mir ein paar Gnome in den Kragen zu stecken.
    Nach ein paar Minuten schon bin ich ziemlich voller Erde, mit der mich ein Gnom attackiert hat als ich ihn packen wollte, allerdings stört mich das nicht. „Ich glaube“ sage ich lachend, „Ihr habt recht. Etwas Normalität ist super Abwechslung!“ „Ich habe zwar nicht die leiseste Ahnung“ ertönt hinter uns eine griesgrämige Stimme, „Was hier dran normal sein soll, aber was auch immer das hier dann tatsächlich sein soll, ich mache mit.“ Wir drehen uns um. Ich kann nicht anders, ich muss anfangen zu lachen.
    Draco passt in seinem typischen, schwarzen Anzug in etwa so wenig in den Weasleygarten wie ein Gnom in die Eingangshalle von Malfoy Manor.
    Fred und George legen sich gegenseitig die Hand an die Stirn. „Haben wir Halluzination hervorrufendes Fieber? Malfoy hier?“
    „Ja, Malfoy hier“ knurrt Draco. „Ich bin beeindruckt, Draco“ lächele ich. „Oh ja, wir sind geradezu umgeworfen“ sagen die Zwillinge im Chor. „Ihr glaubt“ zischt Draco, „Ich bin ein langweiliges, böses Papisöhnchen, ja?“ Die Zwillinge nicken grinsend. „So dann passt mal auf: Ich kann nämlich auch unverschämt sein!“ Er zückt seinen Zauberstab und einen Schlenker später sind Fred und George einem kleinen Schlammregen unterlegen. Natürlich lassen die beiden das nicht auf sich sitzen und die drei Jungs versuchen sich gegenseitig mit Unverschämtheiten zu übertrumpfen.
    „Jungs. Jungs! Hallo! Ich glaube nicht dass das hier so produktiv ist.“ Selbstverständlich werde ich ignoriert, also gehe ich zurück ins Haus. „Molly? -Äh ich meine Misses Weasley?“ „Nenn mich ruhig Molly“ meint Molly Weasley freundlich. „Also… Ich weiß gerade nicht so recht was ich machen soll. Die Zwillinge und Draco liefern sich im Garten gerade ein nettes, kleines Schlammduell, was sie selbst und den Garten erst recht verwüstet. Aber ich will auch nicht direkt dazwischen gehen weil Draco tatsächlich dabei ist, sowas wie eine normale Persönlichkeit zu entwickeln.“ „Lass sie nur machen. Aber lass sie nur nicht ins Haus solange sie verschlammt sind!“ Ich nicke. „Danke.“
    Wie eine Wache stelle ich mich vor die Tür.
    Plötzlich höre ich aus der Ferne ein leises Zischen. Mein Blick fliegt in den Himmel. „Scheiße!“ rutscht es mir heraus. Die dunkeln Wirbelsäulen in der Luft sind mir nur zu vertraut. Wieso haben wir nicht daran gedacht, dass die Weasleys vermutlich öfter kontrolliert werden. Hastig laufe ich zu den Jungs. „Draco! Todesserkontrolle im Anmarsch!“ Draco schließt entsetzt die Augen. „Was sollen wir machen?“ Ich ziehe Draco entschieden in den Hühnerstall.
    „Das ist nicht dein Ernst? Die werden doch alles durchsuchen!“ Ich suche mir eine kleine Lücke zwischen den Holzlatten und spähe nach draußen. „Ja natürlich. Aber nicht sofort.“ Avery, Lant.. Mein Herz setzt einen Moment aus. „Was ist los?“ fragt Draco. „Mein..Mein Vater ist da.“ Draco verzieht das Gesicht. „Sie sind jetzt im Haus...Komm!“ „Was hast du vor!“ „Weißt du noch, “ erkläre ich, während ich geduckt um den Fuchsbau schleiche, „Dass dieser Guhl Ronald Weasley spielt?“ „Ja natürlich“ flüstert Draco, „Aber was hilft uns das weiter?“ Über uns geht ein Fenster auf. Mit rasendem Herzen presse ich mich an die Hauswand, Draco neben mir. Nervös nehme ich seine Hand. „Ich hätte schwören können da draußen war was“ höre ich die mürrische Stimme meines Vaters. Draco drückt meine Hand. Nach endlosen Sekunden schließt sich das Fenster wieder. „Also – was hilft uns der Guhl?“ „Ganz einfach: Den werden sie nicht so gründlich ansehen wollen. Sobald die Todesser in dem Zimmer waren, verstecken wir uns da.“ Draco verzieht angewidert das Gesicht. Mit gegenseitigem Hochziehen und Schieben klettern wir das schiefe Haus hoch.
    Hand in Hand liegen wir auf einem winzigen Vordach vor Ronalds Zimmer und warten auf die Todesser. Von drinnen ertönen gedämpfte Schritte. „Hier liegt unser Ron – er ist an Grieselkrätze erkrankt.“ „Das interessiert uns nicht!“ raunzt mein Vater. „Kommt, wir suchen weiter.“ Die Schritte entfernen sich wieder. „Schnell! Bevor sie wieder aus dem Haus gehen!“ Draco schiebt das Fenster hoch, hilft mir rein und kommt selbst nach. Der Guhl ignoriert uns. Mit den Nerven ziemlich am Ende lasse ich mich an der Wand zu Boden rutschen und vergrabe den Kopf zwischen den Knie. Draco setzt sich neben mich. Von unten dringt die laute Stimme meines Vaters wie er sich mal wieder über irgendetwas beschwert. „Bist du okay?“ fragt Draco. Es ist komisch, seine Stimme so mitfühlend zu hören. „Hmhm.“ „Hmhm ja, hmhm nein? Kannst du dich gefälligst mal vernünftig ausrücken! Du weißt dass Gefühle und dieses komische Zeug nicht meine Themen sind!“ „Okay.“ Ich richte mich auf. „Mein Vater, der mich vermutlich schon längst aus der Familie verstoßen hat, der der Mann ist, der meine Mutter wegen einem falschen Wort an den dunklen Lord ausgeliefert hat steht da unten als würde das hier ihm gehören, das, was Zuhause für eine riesige Familie ist, die Familie die uns aufgenommen hat und uns vertraut. Was glaubst du wie ich mich fühle?“ Draco schweigt. „Vermutlich nicht so gut.“ Ich fühle mich total mies. Dieser Mann kann nicht mein Vater sein. Ich will nicht dass er mit mir verwandt ist! Ich hasse ihn!
    Ich will nicht weinen, schon gar nicht vor Draco. Aber ich tue es. Ich bin einfach am Ende, bei der Stimme von meinem Vater sind böse Erinnerungen hochgekommen.
    Etwas hilflos legt Draco den Arm um mich.
    Wie schnell die Gesamtstimmung kippen kann...

    20
    Einige Minuten später hören wir auf dem Flur, wie jemand unsere Namen ruft. „Wir sind hier!“ antwortet Draco. Die Zwillinge öffnen die Tür. „Kommt runter, die sind weg!“
    ~
    Als wir es uns unten auf dem Sofa gemütlich gemacht haben, entschuldigt sich Layla unermüdlich für das Auftauchen der Todesser als wäre es ihre Schuld.
    „Habt ihr diesen einen Todesser gesehen? Der mit den breiten Schultern und diesem hässlichen Gesicht? Also, dessen Kind wäre ich nicht gerne, da müsste man ja wirklich fürchterlich aussehen!“ grinst Fred. Isa starrt depressiv auf den Boden. „Tja. Das war mein Vater.“
    Das lässt sogar die Zwillinge verstummen. „Und mal im Ernst Zwillinge“ sage ich, „Isa sieht doch alles andere als schlecht aus!“ Fred und George verdrehen synchron die Augen. „Wir wissen was du denkst, Malfoy. Du redest im Schlaf.“ Ich schnappe nach Luft. „Ihr beobachtet mich wenn ich schlafe?“ „Das haben wir nicht gesagt. Wir hören dir nur dabei zu.“ „Ihr seid unmöglich!“
    Isa legt einen Arm um mich und grinst. „Möglich sind sie schon.“ Immerhin ist sie wieder besser drauf. „Leider.“ „Passt auf was ihr sagt!“ grinsen die Zwillinge. „Und was genau wollt ihr beiden gegen uns ausrichten? Uns eure Scherzartikel auf den Hals jagen?“ kontert Isa. „Gute Idee!“
    --kleiner Zeitsprung--
    Nervös schreitet Isa auf uns ab. „Ich habe total Panik, Draco. Sag jetzt nichts! Ich weiß dass ja gerade ich das mit dem keine-Angst-du-stehst-auf-der-richtigen-Seite gepredigt habe, aber-“ Ich halte sie am Arm fest. „Ich weiß. Ich habe auch Angst, aber… Jetzt oder nie?“ „Jetzt.“
    Plötzlich kracht die Tür zu Isas Zimmer auf und bevor wir beide irgendetwas oder jemanden erkennen, werden wir von zwei Flüchen durch die Luft geschleudert. Ich krache mit dem Rücken gegen ein Bücherregal und pralle auf den Boden. Hastig befreie ich mich von den Büchern und springe auf. Vom aufgewirbelten Staub hustend ziehe ich meinen Zauberstab.
    Doch es sind nur die Zwillinge, die grinsend in der Tür stehen. „Was sollte das denn!“ frage ich aufgebracht, während ich mir den Staub vom Anzug klopfe. „Mum meinte, wir sollen euch beide ein bisschen nach Kampf aussehen lassen! Natürlich wäre das auch vorsichtiger gegangen, aber..“ „Wir wollten es realistisch machen“ beendet der andere Zwilling. „Ja, also wenn zum Kampf-Outfit Federn gehören..“ Isa stellt sich neben mich. „Ihr habt mich direkt aufs Bett befördert.“
    Eilig begeben wir uns nach draußen und gehen, weg vom Fuchsbau. „Passt auf euch auf!“ ruft Molly Weasley.
    „Bereit?“ frage ich Isa, als wir außer Sicht- und Hörweite des Fuchsbaus sind. „Nein. Du etwa?“ Ich schüttle den Kopf. Jetzt ist es also soweit, wir kehren zurück nach Malfoy Manor, was einmal mein Zuhause war.. „Du weißt, was du sagen musst?“ gehe ich noch einmal sicher. Isa nickt. „Natürlich. Also dann..“ Sie nimmt meine Hand und dann apparieren wir.

    Als erstes lasse ich mir von meiner Hand bestätigen, dass Isa noch da ist. Zeit für das Schauspiel! erinnere ich mich und lasse mich selbst stolpern, als wäre das Apparieren eben nicht so entspannt gewesen. Isa und ich sind in dem Raum von Malfoy Manor, in dem die Todessersitzungen abgehalten werden. Zum Glück sind gerade 'nur' meine Eltern und ein paar wenige, weniger wichtige Todesser da. Etwa ein halbes Dutzend Zauberstäbe sind auf uns gerichtet. Schnell hebe ich die Hände, Isa tut es mir gleich. Mein Herz rast, als würde es mir am liebsten aus der Brust springen und davonlaufen, genau wie ich. „Draco!“ Zwei der Zauberstäbe werden gesenkt. Langsam hebe ich den Blick. Meine Eltern starren uns erschrocken wie erleichtert an. „Was ist passiert?“ „Wenn ich ehrlich bin“ sagt Isa langsam, „Könnte ich glaube ich besser erzählen, wenn gerade keine Zauberstäbe auf mich gerichtet sind. Ich muss mich erst wieder daran gewöhnen, selbst einen zu haben!“ Sie lacht nervös. Ganz wie geübt. „Was soll das heißen?“ fragt Vater unfreundlich. „Sie haben uns die Zaubertsäbe abgenommen, bevor sie uns weggesperrt haben!“ sage ich hastig. „Wer?“ Isa schüttelt den Kopf. „Keine Ahnung! Es ging alles so schnell, auf dieser dämlichen Hochzeit! Als ihr ankamt wurden wir ein bisschen weggetrieben und haben uns mit irgendwelchen Leuten duelliert, die wir nicht kennen!“ „Halt, halt!“ unterbricht meine Mutter. „Langsam. Was hast du überhaupt bei den Weasleys getan?“ Isa mustert die restlichen, auf uns gerichteten Zauberstäbe misstrauisch. „Bevor ihr sprecht, lasst sie auf jeden Fall die Zauberstäbe senken, für den Fall der Fälle!“ Das hatte dieser Weasleymann gesagt. Meine Mutter nickt den anderen Todesstern zu. Zögerlich senken diese ihr Zauberstäbe. Isa atmet auf. Ermutigend nehme ich ihre Hand. Mein Vater mustert uns aus schmalen Augen. „Was ist denn mit euch los! Bevor ihr beide, wie es aussieht, entführt wurdet, wart ihr-“ „Es schweißt schon irgendwie zusammen, wenn man zusammen für ein paar Wochen irgendwo gefangen gehalten wird!“ tue ich auf erklärend. Das alles, jeder Schritt, jedes Wort ist geplant. „Also, kann ich jetzt vielleicht mal weitersprechen?“ Isa ist perfekt! Das perfekte Maß an Frechheit, Hast aber auch Angst in der Stimme. „Also..Ich gebe zu, ich habe mich ziemlich falsch verhalten und als Draco mich..heiraten sollte, habe ich ja ziemlich überreagiert. Ich bin einfach in irgendeine Richtung geflogen, aber ich habe mich verirrt. Apparieren kann ich alleine nicht so gut, also bin ich ziemlich lange einfach nur herumgeirrt. Bei meiner Flucht habe ich dieses Schlammblut Granger getroffen, offenbar hat die mitbekommen, dass ich etwas durch den Wind war. Sie war so..“ Isa schüttelt in einer Geste der Verwirrung den Kopf, „So nett...Ich dachte mir, bei der Gelegenheit kann ich sie auch ein bisschen ausfragen. Und dann..hat sie irgendwann vorgeschlagen, dass ich mit ihr zum Fuchsbau komme. Das ist diese komische Bude von den Weasleys. Eigentlich wollte ich nur einen tag oder so bleiben, ein bisschen über sie herausfinden oder so. Ich wurde nicht grob behandelt oder so. Sie sind einfach zu gutgläubig gewesen. Bis ihr – also die Todesser – gekommen seid. So Leute von irgendeinem Orden haben ganz offensichtlich mich damit in Verbindung gebracht und mich offenbar irgendwie irgendwo hingebracht.“ Sie runzelt die Stirn. „Ich kann mich an nichts Genaues erinnern. Aber an was ich mich erinnere ist, dass ich mit Draco zusammen irgendwo in einem Raum gefangen war. Ohne unsere Zauberstäbe natürlich."

    21
    Die Todesser mustern uns abschätzend. „Und wie genau seid ihr daraus gekommen?“ knurrt einer der Todesser, dessen Name mir nicht direkt einfällt. Achja, das ist ja mein Part. Ich zucke mit den Schultern. „Wie gesagt, die sind viel zu leichtgläubig. Isa und ich haben behauptet, dass wir jetzt begriffen hätten, dass der dunkle Lord die falsche Wahl wäre. Tja..nach ein paar überzeugenden Lügen wurde uns geglaubt, wir bekamen unsere Zauberstäbe zurück. Der Kampf hat nur ein paar Sekunden gedauert, als die von der Potter-Seite dann kapiert haben, was wir eigentlich vorhaben. Zum Glück lagen zu dem Zeitpunkt keine Disapparierflüche in der Luft. Das war's.“ „Und dann seid ihr direkt hier hin appariert?“ fragt meine Mutter ungläubig. Ich nicke. „Wir hatten keine Zeit um groß nach zu denken.“
    ~
    Mit einem unguten Gefühl mustere ich die anderen Todesser außer Dracos Eltern, die im Raum sind. „Als treue Todesser mussten wir ja auch so schnell wie nur geht zurück.“ Jetzt bin ich mir ganz sicher! Die Todesser haben irgendein Problem, so wie sie mich anschauen. Das dachte ich zwar eigentlich schon seit ich hier stehe, aber nach Dracos Worten bin ich ganz sicher. Plötzlich öffnet sich die Tür am Ende des Raums. Es kommt mir seltsam surreal vor, als mein Vater hereinkommt. Vor einiger Zeit noch habe ich mich vor ihm versteckt und jetzt.. Vater starrt Draco überrascht an. Dann wandert sein Blick weiter, bis er auf mich fällt. Als hätte er einen Geist gesehen, weicht er einen Schritt zurück. „Ich schätze, wir müssen alles noch einmal erklären“ seufzt Draco. „Ihr könnt es gleich ALLEN erklären!“ Oh nein. Eine weitere Person hat den Raum betreten. „Was auch immer ihr Verräter hier tut!“ „Wir sind keine-“ Auch bei Draco löst das Auftreten von Bellatrix Lestrange offenbar einen kleinen, psychischen Herzinfarkt aus. „Es findet gleich eine Versammlung statt“ erklärt Narzissa leise. „Am besten, ihr zwei zieht euch kurz um. Ihr seid etwas zugestaubt. Isa, Draco kann dir sicher was leihen.“ Sicher… Sag doch gleich, das Draco und ich uns kurz verziehen sollen, damit der Erwachsenenrat allein sein kann.
    Zusammen verlassen wir die Todesser und Draco führt mich durch Malfoy Manor zu seinem Zimmer. Etwas zögernd stößt er die Tür auf. „Alles sieht aus wie früher...“ murmelt er.
    Ich öffne den Schrank an der linken Wand. „Äh, draco...Ist das dein Ernst! Hast du echt nur Anzüge?“ „Hm.“ Ich schüttele den Kopf. Wie einseitig. Plötzlich wird mir etwas bewusst. „Draco“ sage ich mit unnatürlich hoher Stimme vor Angst, „Deine Mutter hat gesagt, es gibt gleich eine Versammlung. Ist das..heißt das, ER wird auch da sein?“ Draco erstarrt. „Stimmt."

    22
    Ich hole tief Luft und versuche mich zu beruhigen. Wenn der dunkle Lord da ist...Er kann Legilimentik. Wir dürfen einfach nicht lügen, wir müssen die Wahrheit sagen, wir müssen die Wahrheit versteckt sagen, so, dass wir nicht lügen und trotzdem nichts verraten, schießt es mir durch den Kopf. Wie soll das gehen? Draco geht offenbar das selbe durch den Kopf. „Wir schaffen das schon“ sagt er. Allerdings klingt es eher wie: Wir haben keine Chance zu überleben.
    Nachdem wir uns umgezogen haben, gehen wir zurück zur Versammlungshalle. Vor der geschlossenen Tür bleiben wir beide automatisch stehen. Ich schaue Draco an. Fast hätte ich gesagt: Bereit zum sterben? Aber ich kann die Worte so gerade eben noch aufhalten, bevor sie aus meinem Mund schlüpfen.
    Aus dem Saal klingt gedämpft die eine Stimme, unverständlich.
    Auf einmal schwingt die Tür vor uns auf.
    „Wieso kommt ihr nicht herein?“

    23
    Ich schaue unsicher zu Draco, doch er weicht meinem Blick aus. Ich hole tief Luft und gehe rein. Langsam hebe ich den Blick, schaue an den beiden Reihen der Todesser vorbei zum dunklen Lord. Ich mache den Fehler, ihn direkt anzusehen. Zwar hat das keine konkreten Folgen, allerdings ist das ziemlich einschüchternd. „Stellt euch an das Tischende dort..mir gegenüber also. So können wir alle euch gut sehen.“ Das ist noch eine Milliarde mal einschüchternder.
    Alle Todesser haben ihre Blicke auf Draco und mich gerichtet und das sind schon einige.
    Ehrlichgesagt habe ich gerade keine Ahnung, wie ich das mit dem nicht-lügen anstellen soll. Aber eine andere Möglichkeit gibt es nicht. „Also...“ Ich räuspere mich. „Also...Ich war, bevor die Todesser die Hochzeit überfallen haben, relativ unfreiwillig eine kurze Zeit bei den Weasleys, da ich...Ich auf sie gestoßen bin. Dann ging alles so schnell und Draco wurde weggebracht, zusammen mit mir...“ Ich habe ja Draco weggebracht und auch mich, von daher geht das wohl als umgeschriebene Wahrheit durch. „Wir waren sozusagen auf der falschen Seite und den falschen Leuten unterworfen.“ Nämlich den Anhängern des dunklen Lords.Aber ich war wohl besonders überzeugend, so von wegen jetzt zur richtigen Seite bekehrt. Dann sind wir hier her zurückgekehrt.“ Einige Sekunden ist es still. Aber dann..nickt der dunkle Lord. „Du hast nicht gelogen. Ich glaube dir. Allerdings berichtete dein Vater mir von einigen Unartigkeiten deinerseits...“ Wie bitte? Was? Oh. Natürlich. Ich habe etwas gegen den dunklen Lord gesagt, Anfang der Sommerferien. Draco blickt mich verwirrt an. „Was hast du jetzt wieder angestellt?“ „Deine kleine Freundin hat einige untreue Sätze von sich gegeben!“ gackert Bellatrix.
    Ich senke den Blick. Was kommt jetzt? „Bereust du es?“ fragt der dunkle Lord. Stumm nicke ich. „Gut...allerdings, getan ist getan. Wenn du jetzt diesen Raum verlassen würdest und zu deinem Vater gehst?“ das fragende ist eher rhetorisch. Jetzt erst fällt mir auf, dass mein Vater nicht anwesend ist. „Und..Wo ist er?“ „Geh einfach.“ Innerlich verdrehe ich die Augen. Super. Draußen schließe ich die Tür. Plötzlich stubst etwas mein Knie an. Als ich nach unten schaue, steht da ein Hauself. „Sie müssen mitkommen“ piepst der.
    Das kleine Geschöpf führt mich ein paar Treppen hoch, lässt mich vor einer Tür stehen und verschwindet dann wieder. Zögernd trete ich ein. Mein Vater sitzt auf einem einsamen Stuhl, mitten im Raum. Obwohl, er ist nicht mein Vater, höchstens eben mein Erzeuger. Richtige Väter schauen ihre Töchter nicht so hasserfüllt an. „Für dein Verhalten hat der dunkle Lord mich verantwortlich gemacht und mich schon dafür zahlen lassen.“ „Aber… Das war doch nur so dahergeredet!“ „Und jetzt, Iris-Isabelle, bist du an der Reihe!“
    ~
    Nachdem Isa verschwunden ist, musste ich mich an meinen Platz neben meinem Vater setzen und der dunkle Lord dröhnt uns mal wieder mit irgendwelchen Reden zu.
    Ich zucke zusammen, als von relativ weit entfernt ein Schrei zu hören ist. Isa. Definitiv. Wenn Vater mich nicht reflexartig am Arm festgehalten hätte, wäre ich fast aufgesprungen. Er wirft mir einen warnenden Blick zu. Ein weiterer schmerzerfüllter Schrei ist zu hören. Wegen ein paar Sätzen? Ich balle die Hände zu Fäusten. „Hört sich ganz nach dem Crutiatus-Fluch an! Armes, armes Mädchen!“ Wer hätte gedacht, dass der Lord Humor hat. „Sie hat es verdient!“ lacht Bellatrix. Am liebsten hätte ich diesem ganzen elenden Pack einen Fluch aufgehalst. Tue ich aber nicht.
    ( Hallöle ihr da draußen.
    Ich muss euch leider sagen, dass jetzt für 9 Tage nichts kommen wird, da ich morgen nach Gran Canaria fliege und damit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit kein Internet haben werde.
    Dass so wenig neue Kapitel kamen in den letzten Tagen lag an Urlaubsvorbereitungen.
    Also dann Malfoyheads, man liest sich!)

    24
    (Hello from the other siiiiiiddeeee!
    Nein, ich bin zurück!:)
    Ich hoffe ihr freut euch auf nächste Kapitel ^^
    Gran Canaria war supii, für alle, dies interessiert: D besonders das Meer und das Essen im Hotel.
    PS: OH MY GOSH! Über 2000 Aufrufe! Nicceeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeee!
    Jetzt aber weiter im Text:)

    Eine Stunde später ist die Versammlung zu Ende. Ich weiß nicht, wie lange ungefähr Isa gefoltert wurde, nach Möglichkeit habe ich weggehört.
    Ich bleibe einfach sitzen. Die meisten Todesser haben zu tun, und wenn nicht, verbringen die ihre Zeit nicht damit, in Malfoy Manor zu versauern.
    Es ist ein komisches Gefühl, ganz allein in dem großen, dunklen Raum zu sein. So still. Ich lege den Kopf auf die kühle Tischplatte vor mir und schließe die Augen. Still und dunkel.
    Was genau mache ich hier eigentlich? Vielleicht auf Isa warten. Obwohl, sie würde vermutlich eher zu meinem Zimmer kommen. Auf einmal ploppt es leise vor mir und ich reiße den Kopf hoch. Der Hauself scheint bei meinem Anblick einen tierischen Schreck bekommen zu haben. „Reg dich ab“ knurre ich genervt. „Wenn du schon hier bist, weißt du wo Isa steckt?“ Der Hauself – ich habe seinen Namen vergessen – deutet schüchtern auf die Tür. Ich runzle die Stirn. Was soll das bedeuten? „Canny glaubt, sie wollte sich kurz ausruhen. Aber Canny glaubt, dann ist sie eingeschlafen.“ Ich stehe auf, gehe langsam zur Tür und schaue vorsichtig in die kleine Vorhalle. Isa sitzt, angelehnt an die erste Stufe, an der Treppe nach oben. Ich kann ihr Gesicht nicht sehen, da ihr Kopf auf ihrer mir abgewandten Schulter liegt, aber ich bin ziemlich sicher, dass sie schläft.
    Ein paar Sekunden stehe ich einfach so da. Schließlich setze ich mich neben sie.
    „Verzieh dich.“ Isas Stimme klingt rau. Offenbar habe ich sie gerade geweckt. „Und wieso?“ „Weil deine schönen grauen Augen mich nicht so sehen sollen. Ich hätte nicht gedacht, dass du dich noch hier rum treibst.“ Ich hänge da noch ein, zwei Gedankengänge zurück. Ich soll sie wie nicht sehen? Ich sitze doch neben ihr. Allerdings sehe ich Isas Gesicht nicht. „Was ist. Zeigen.“ „Nichts was dich interessieren sollte“ weicht sie aus. „Tut es aber“ beharre ich, packe Isa bei den Schultern und drehe sie grob zu mir.
    ~
    Draco lässt mich sofort los, als er mein Gesicht sieht. Als ich vorhin an einem Spiegel vorbeigelaufen bin habe ich mich selbst erschreckt. Drei gezackte, tiefe Schnitte verlaufen quer durch mein ganzes Gesicht, ich hatte noch keine Gelegenheit, das Blut abzuwaschen, ein Auge ist rot und geschwollen. „Ich sagte doch, verzieh dich.“ Draco sieht aus, als wäre ihm schlecht. Aber er geht nicht. „Das sieht übel aus.“ „Tja, ich habe mich auch schon mal besser gefühlt.“ Draco schweigt einen Moment lang und mustert mich nachdenklich. „Wieso musstest du mich erst entführen, mich zu den Weasleys schleppen und gefoltert werden, bis ich tatsächlich kapiere, wie bescheuert diese ganze Bagage hier wirklich ist?“ „Das sollest du nicht zu laut sagen, Draco.“
    Erschrocken hebe ich ruckartig den Kopf und fühle im nächsten Moment, wie weiteres Blut über mein Gesicht läuft.
    Am Treppenansatz steht Narzissa und mustert uns mit unergründlicher Miene. Ach ja, sie steht ja auf unserer Seite. Mit langsamen Schritten kommt sie zu uns herunter. „Habe ich dir denn gar nichts beigebracht, Draco?“ Narzissa mustert ihren Sohn missbilligend. Der Angesprochene runzelt die Stirn. „Du hast mir eine ganze Menge beigebracht, Mutter. Worauf genau willst du also hinaus?“
    „Wenn eine Person, mit der man ein gutes Verhältnis führt – was bei euch ja an sich schon untertrieben ist – Hilfe benötigt-“ „Ich kann keine Heilzauber! Das hat mich nie interessiert“ verteidigt sich Draco, während ich gleichzeitig die Lüge „Mir geht’s prima“ von mir gebe.
    Narzissa hebt abwehrend die Hand. „Man muss keine Heilzauber können, um jemanden zu helfen. Zur Not könntest du auch einfach einen Hauselfen holen. Und was dich betrifft, Isa, so kann man dir in deinem Zustand kein Wort glauben. Kannst du gehen?“ Mühsam richte ich mich auf. „Natürlich kann ich gehen.“
    Draco bringt mich vorerst hoch in sein Zimmer, wo Narzissa mit irgendeinem Zauber mein Gesicht zusammenflickt.
    Nachdem sie den Raum verlassen hat, entsteht eine unangenehme Stille zwischen mir und Draco.
    „Danke“ sage ich schließlich. Draco legt den Kopf schief. „Für was?“ „Keine Ahnung. Alles?“ Er nickt. „Ist zwar unlogisch, aber verständlich.“

    In den folgenden Wochen tun so gut wie alle Todesser so, als hätte es den kleinen Zwischenfall nicht gegeben.
    Nach Möglichkeit gehen Draco und ich irgendwelchen größeren Todessereinsätzen aus dem Weg, was bei ihm nicht weiter schwierig ist, da er ja erst 17 und noch kein ausgebildeter Zauberer ist. Was mich betrifft, sieht das schon schwieriger aus. Ein paar Mal testet der dunkle Lord meine Treue; Lässt mich bei Hausdurchsuchungen potentieller Verdächtiger mitmachen, bei Überfällen auf nicht vom dunklen Lord genehmigten Läden in der Winkelgasse oder auch in Hogsmeade und bei gelegentlichen Versammlungen richtet er öfter als normal ein Wort an mich. Zum Glück dauert diese Test-Reihe nicht länger als drei Wochen. Trotzdem bin ich weiterhin vorsichtiger mit dem was ich sage und tue, besonders, da der dunkle Lord aus unerfindlichen Gründen beschlossen hat, dass ich dauerhaft in Malfoy Manor wohnen soll. Aber nicht vorsichtig genug.

    Ich sitze ich einem bequemen Sessel in dem mir zugeteilten Zimmer und spiele gelangweilt an einem kleinen, verstaubten Radio herum, dass ich in einem der ziemlich unbenutzten Zimmer von Malfoy Manor gefunden habe. Überall das gleiche; Unerwünschter Nr 1, Potter ist doof, Ministerium sucht den und die und das, Potter noch nicht gefunden, keiner hat den unerwünschten Nr 1 gesehen, Wir alle glauben an Potter, Uner-
    Was? War? Das? Wir alle glauben an Potter?
    Hastig versuche ich, den Sender wieder rein zu kriegen. Nichts. Habe ich gerade irgendetwas anders gemacht? Ich runzle die Stirn. Ja, doch.

    25
    Ich habe dummerweise in den letzten Tagen die Angewohnheit entwickelt, mit meinem Zauberstab herumzuspielen.
    Zum Test tippe ich denselben Rhythmus auf das Radio, wie vor wenigen Sekunden.
    „Natürlich ist er immer noch nicht gefunden.“ Ein Lachen. Ich kenne die Stimme. „Tatsächlich haben selbst die Todesser des ach so dunklen Lords selbst unseren netten kleinen Sender noch nicht zu hören bekommen. Gar nicht mal so schlau, nicht wahr?“ „Wer hat je geglaubt, dass die schlau sind?“
    Ich werfe einen hastigen Blick zur Tür. Verschlossen. Augenblicklich entspanne ich mich. Das Haus ist groß. Trotzdem stelle ich mit zitternden Fingern leiser, bis ich die Stimmen von Fred und George kaum noch hören kann. Sicher ist sicher. Ich muss lächeln.
    Es tut gut, freundliche, gut gelaunte Stimmen zu hören.
    „Heute sind wir leider nur zu zweit, da die anderen Vertreter unseres Senders alle dienstlich unterwegs sind. Aber das soll uns nicht davon abhalten, euch Potterwatchers auf den neusten Stand zu bringen.“
    Oh mein Malfoy.
    Neuigkeiten. Verbindung zur Außenwelt. Ich tick' aus.
    „Seit unserer letzten Sendung gab es erstaunlicherweise keine Mordfälle. Ist das nicht unglaublich? Scheint, als hätten die Todesser tatsächlich etwas anderes zu tun.“ Ja, denke ich, mich überwachen zum Beispiel. Der andere – also Fred, glaube ich, - fährt fort: „Nur an Hausdurchsuchungen wurde nicht gespart. An dieser Stelle wollen wir einen kleinen Gruß an unsere liebe Eule ohne Flügel da draußen schicken.“ Wie? Wer ist das denn jetzt? „Tja, anstatt uns per einem kleinen, hüpfenden Drachen auf dem Laufenden zu halten, verschmort sie gerade wohl in Malfoy Manor. Ob sie uns wohl auch manchmal hört, George?“ „Aaach, ich weiß nicht. Das Heim des Drachen ist doch ein einziger Überwachungsstaat.“
    Wie immer brauche ich ein bisschen, bis der Sinn der Worte zu mir durchdringt.
    Drache. Sie sprechen über Draco. Und, Moment mal, hüpfen, Drache – Jumps!
    Mich. Sie sprechen auch über mich! Ich bin die Eule ohne Flügel! Aber wieso Eule ohne Flügel? Weil ich keine Post bringe… Ich springe auf, plötzlich ganz zappelig. Ich bekomme gerade noch „Das Passwort für den nächsten Termin ist Phönix-“ mit, bevor ich aus dem Zimmer laufe und Jupms suchen gehe.

    26
    „Wieso bist du so guter Laune?“
    Draco mustert mich misstrauisch, während wir einem Hauselfen dabei zusehen, wie er sein Zimmer putzt.
    Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich meine Entdeckung Draco erzählen will.
    Ich weiß, ich sollte ihm komplett vertrauen, aber bei ihm kann man nie sicher sein. Also sage ich bloß: „Wieso nicht.“
    „Du weißt schon, was jetzt, wo wir wieder hier sind, ansteht, oder?“
    Ich runzele die Stirn. „Was? Nein?“
    Draco macht eine unheilvolle Miene. „Was denn jetzt?“ Er seufzt. „Wie du weißt, hat der dunkle Lord eine Schwäche dafür, uns zu ärgern.“
    Interessant ausgedrückt. „Der Grund, weshalb wir beide eigentlich bei den Weasleys gelandet sind..“
    Ich verstehe immer noch nicht. „Die Todesser haben die Hochzeit von dem einen Weasley und dieser Französin gesprengt? Und dann...“ Ich überlege. „Ich habe dich verschleppt, du hast deine Meinung geändert, daraufhin sind wir zurück. Worauf also willst du hinaus?“
    ~
    Warum nur ist Isa so begriffstutzig! „Kapierst du nicht? Davor! Bevor du abgehauen bist! Die Hochzeit! Und zwar HIER! Mit den anderen Todessern!
    WIR!“
    Es ist so still, dass ich meinen eigenen Herzschlag hören kann. Selbst der Hauself ist erstarrt.
    Nicht, dass ich allzu sehr etwas dagegen hätte, Isa zu heiraten, immerhin sieht sie nicht schlecht aus, sie ist reich, sie ist reinblütig. Aber hier… und vor Allem, als Todesser.
    „Hat ER schon irgendetwas darüber gesagt?“ Isa wirkt seltsam gefasst, als würden wir nicht über uns, sondern über entfernt Bekannte sprechen. Ich schüttele den Kopf. „Aber er ist nicht dumm. Vergessen haben wird er die Hochzeit wohl kaum.“
    Isa holt tief Luft. „Gut. Dann sollten wir nicht weiter darüber nachdenken.“
    Dann verlässt sie den Raum.

    Die Tage, Wochen fließen an mir vorbei, jeden Tag das Gleiche, ein schier endloser Fluss, mit immergleichen Wellen.
    Aufwachen, Menschen aus dem Weg gehen, schweigen, essen, Chaos in der Muggelwelt verursachen, Hexen und Zauberer erschrecken, Todesser sein. Essen, dann wieder schlafen.
    Bis eines Tages alles aus dem Ruder gerät.

    27
    ~
    Eine Hand am Geländer eile ich die Treppe hinunter. Ich muss Draco finden; So schlau wie ich mal wieder war, habe ich verdrängt, wann wir dran sind mit unserer 'Schicht' in der Muggelwelt.
    Da ich ihn nirgends sonst finden konnte, sehe ich jetzt im dem Raum nach, der für die offiziellen Todesserversammlungen ist. Soweit ich weiß, ist gerade keine – wie ich feststelle, als ich die Tür öffne, nur so weit ICH weiß.
    Ich blicke direkt in die Gesichter von etwa zehn Todessern.
    „Ich...“ Ich suche eine Entschuldigung, als ich SIE sehe.
    Sie liegt auf dem Tisch, etwas Blut sickert durch ihren Umhang.
    Als hätte jemand einen Zauberstab geschwungen, geht mein Denkvermögen schlafen, nein, es geht sich gleich aufhängen.
    Nein.
    Nein.
    Nein.
    Sie gibt ein leises Stöhnen von sich, versucht den Kopf zu heben, mich anzusehen.
    „Nein!“
    Bevor ich wirklich weiß, was ich tue, stürze ich nach vorne, will sie festhalten.
    Fast zwei Jahre...
    Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Bellatrix ihren Zauberstab gegen mich richtet. Ich verliere meinen eigenen, als ihr Zauber mich trifft, und ich zurückgeschleudert werde.
    Das darf sie nicht!
    Sie darf mich nicht davon abhalten, zu IHR zu gehen!
    Ich richte mich halb auf, will sie alle anschreien, dafür, dass sie alle mir verheimlicht haben, dass meine Mutter noch am Leben ist.
    Bellatrix, meinen Vater, sogar den dunklen Lord selbst.
    Ich hasse sie, ich hasse sie alle!
    Adrenalin rast durch meine Adern, also öffne ich den Mund und will die Worte von mir stoßen, die praktisch mein Selbstmord wären, würde mich nicht plötzlich etwas sehr hartes an der Schläfe treffen.

    28
    „Ich kann das nicht“ ist das Erste, was Isa von sich gibt, als sie aufwacht.
    Gerade rechtzeitig, bevor sie sich mit ein paar unbedachten Worten selbst umbringt, war ich in den Saal gekommen.
    Was da passiert war, war nicht zu übersehen.
    Nachdem ich sie also mit einem Kick gegen die Schläfe ruhig gestellt hatte, habe ich sie in ihr Zimmer schweben lassen.
    „Ich kann nicht so tun, als wäre ich auf ihrer Seite. Ich kann nicht so tun, als würde ich das, was die Todesser praktizieren, gutheißen. Ich kann mich nicht weiter unterwerfen, wenn sie so etwas tun.“
    Vermutlich sollte ich Isa jetzt trösten, ihr sagen, dass alles gut wird, ihr sagen, sie schafft das schon.
    Aber das wäre nicht ich.
    So bin ich nicht.
    „Tja, es war schließlich deine Idee. Du warst es, die mich überredet hat, “ ich senke die Stimme, „Die Seite zu wechseln! Und genau deshalb musst du das jetzt auch durchziehen, kapiert? Glaubst du vielleicht, für mich ist das einfach? Ich muss außer dem dunklen Lord noch meinem Vater ins Gesicht lügen, dich beschützen, eigentlich muss ich hier alles machen!“
    Isa setzt sich abrupt auf. „Mich muss niemand beschützen!“ „Ach nein?“ Wütend funkele ich sie an. „Weil du ja auch so kühlen Kopf bewahren kannst! Und so besonnen, überhaupt nie unbedacht reagierst! Hast du eigentlich jemals daran gedacht, was ich alles für dich aufgegeben habe? Ich musste meine Eltern aufgeben, meine Sicherheit, nicht einfach so getötet zu werden, und mich selbst habe ich auch aufgegeben! Wenn mein Vater wüsste, was ich hier eigentlich für ein Spielchen treibe – der würde mich glatt persönlich umbringen! Und wenn er oder sonst jemand erfahren würde, dass auch meine Mutter davon weiß-“ Ich spreche lieber gar nicht erst weiter.
    Isa hat sich in ihr Kissen zurückfallen lassen und sieht totenblass aus. „Dann mach's doch“ sagt sie tonlos. „Was soll ich machen?“ „Ich weiß, dass du es willst, Draco. Geh zu deinem Daddy und erzähl ihm alles. Sag, dass ich dich irgendwie gezwungen hätte. Meinetwegen bezeuge ich das auch noch. Bist du dann wieder glücklich? Ich habe auch keine Lust mehr auf-“
    Ich halte ihr entschieden den Mund zu, bevor sie noch mehr Unsinn redet.
    "Dein Kopf hat vorhin etwas mehr abbekommen als zuerst gedacht, kann das sein?"

    29
    Sie seufzt. „Ja, kann sein. Ich hab' mich nur gefragt..Naja, für was genau machen wir das eigentlich?“ Ich denke einen Moment nach. „Du hast damals irgendetwas über die 'richtigen Seite' und so Zeug geredet…“ Isa beißt sich auf die Lippe. „Nun ich- Also das habe ich hauptsächlich gesagt, weil ich dich auf meiner Seite haben wollte. Und ICH wollte nichts mehr mit dem dunklen Lord zu tun haben, und um ganz ehrlich zu sein… in diesen ganzen Geschichten gewinnt auch immer das Gute. Und wir sind hier ganz sicher nicht bei den 'Guten'. Wenn der Lord gewinnt, kann man sich sicher immer noch auf seine Seite stellen. Aber wenn er verliert – ich glaube nicht, dass die ganzen Potters dieser Welt jedem Todesser nach dem Krieg irgendetwas besonders leichtfertig glauben.“ Ungläubig starre ich sie an. „Das kann nicht dein Ernst sein! Du hast nur so getan, als würdest du an diesen ganzen Moral-Quatsch glauben? Echt jetzt? Du hast mich einfach mal eben so angelogen, damit du nicht allein dein...dein ganzes Leben kaputt trampelst, aus einer Laune heraus?“ Isa hat die Augen geschlossen, während ich über sie herfalle. „Weißt du, Potter hat mir oft genug gesagt, wie abartig ICH wäre. Aber das… Das kommt selten vor, aber in diesem Falle fehlen mir echt die Worte.“
    Als Isa spricht, klingt ihre Stimme seltsam gebrochen. „Das- Das stimmt nicht ganz. Ich...Ich..Ich glaube, in dem Augenblick, wo ich das gesagt habe, HABE ich daran geglaubt. Ich dachte wirklich, dass das stimmen würde. Aber jetzt...Jeder, der sich dem dunklen Lord widersetzt, hat irgendetwas, das er schützen möchte. Aber wir?“
    „Wenn ich für irgendjemanden kämpfen würde, dann vermutlich für meine Mutter“ überlege ich langsam, „Und du? Deine Mutter lebt doch auch.“ Isa blickt mich hilflos an. „Ich weiß nicht, auf welcher Seite sie steht!“ Ich schüttele verständnislos den Kopf. „Nach dem, was da passiert ist – was glaubst du wohl, hm?
    Manchmal könnte ich dich echt- Du kannst manchmal ziemlich bescheuert sein. Und trotzdem mag ich dich, ist das nicht verrückt? Ich verstumme, als mir plötzlich etwas einfällt. „Ein bisschen“ sage ich, leiser jetzt, „Ein bisschen wie bei meinem Vater. Nur er hat mich und meine Mutter eigentlich erst in diese ganze Sache mit rein gezogen. Wenn er nicht so begeistert vom dunklen Lord wäre, könnten wir uns jetzt wunderbar aus allem heraushalten. Wirklich nett war er ja auch nie. Ich meine, klar, ich habe immer alles bekommen, was ich haben wollte, aber ich hatte nie den Eindruck dass..naja...dass er mich irgendwie...mochte. Und trotzdem – obwohl ICH dauernd SEINE Fehler ausradieren musste… Ich mein, er ist mein Vater, oder? Das ist dann doch eigentlich normal. Was meinst du? Isa?“ Sie starrt wie versteinert an mir vorbei. „Was ist, bist du jetzt so geschockt, dass jemand wie ich tatsächlich im Stande ist, so etwas zu sagen?“
    „Nein“ flüstert Isa mit rauer Stimme, „Nein. Draco, schau mal hinter dich.“

    30
    Langsam, wie im Traum drehe ich mich um, ob wohl ich mir schon sehr gut denken kann, was Isa in Schreckstarre versetzt hat.
    Hinter mir in der Tür steht mein Vater – ein halbes Dutzend anderer Todesser hinter ihm. Und alle haben ihre Zauberstäbe bereit.
    Einer der Todesser, den ich unter dem Namen Jugson wiedererkenne, tritt vor. „Das war ja eine wirklich rührende Ansprache, doch jetzt werden wir wohl noch mit euch über ein paar andere, weniger erfreuliche Dinge plaudern.“
    Er lächelt, wie ein Kind, das vorhat, einen Marienkäfer zu zertreten.
    „Wenn ihr jetzt freundlicherweise mitkommen würdet?“
    Ein grobschlächtiger, blonder Zauberer stößt Jugson zur Seite. „Lass diese Spielchen, Jugson!“ „Jaah, dann mach du das doch, Yaxley!“
    Etwas verwirrt und durchaus nervös schaue ich zu Isa, doch die scheint genauso ratlos zu sein.
    In dieser einen, abgelenkten Senkunde des Blickkontakts handelt Yaxley.
    „Expelliarmus!“
    Meinen und Isas Zauberstab fängt mein Vater auf, der – zu meiner Verwunderung – tatsächlich so aussieht, als wüsste er nicht ganz genau, was er von alledem halten soll.
    „Mitkommen!“ Haben wir eine andere Möglichkeit?
    Die Todesser zerren uns in die Halle, in der auch die Todesserversammlungen stattgefinden.
    „Ihr habt Glück“ knurrt Yaxley, „Dass der dunkle Lord selbst nur dann gerufen werden soll, wenn wir Potter haben! Aber so…werden wohl wir mit euch abrechnen!“
    Als 'Glück' betrachte ich eigentlich etwas anderes, als sieben Zauberstäben ausgeliefert zu sein, aber ich sage kein Wort.
    „Wieso abrechnen?“ fragt Isa, mit überraschend fester Stimme. „Wir haben nichts getan!“
    „Ach tatsächlich?“
    Mit großen Schritten geht Yaxley auf Isa zu, den Zauberstab auf ihr Herz gerichtet. „Nichts? Was du als Nichts bezeichnest ist alles andere als Nichts!“
    Verächtlich stößt er sie gegen die Wand. Ich traue mich nicht, irgendetwas zu sagen, werfe ihr aber einen besorgten Blick zu. Sie lächelt mir leicht zu. Vielleicht hat sie recht, und ich bin ein Feigling. „Keine Angst, Draco. Eine Beule mehr ist bei mir jetzt auch egal.“
    „Das Scherzen wird dir gleich vergehen, Mädchen!“ droht Yaxley.
    Zwei weitere, maskierte Gestalten kommen herein.
    „Wir haben Hinweise, dass ihr vielleicht doch nicht ganz so unfreiwillig 'gefangen' genommen worden seid!“
    Erschrocken weiche ich zurück, obwohl es keinen Ort gibt, wohin ich fliehen könnte.
    „A-Aber ihr habt doch keine Beweise!“ Ich merke selbst, dass ich mich ahöre, wie ein Kleinkind, das standhaft behauptet, das Spielzeug nicht kaputt gemacht zu haben.
    Yaxley grinst und entblößt einige schlechte Zähne. „Nein...Aber das Wort von zwei sehr guten Todessern!“
    Die beiden Todesser, die vorhin etwas verspätet herein kamen, stellen sich als alles andere als 'sehr gut' heraus, nachdem sie die Masken herunter genommen haben. Der eine ist Fenrir Greyback, der andere Isas Vater.
    Isa blickt keinen der beiden an, doch Greyback packt sie grob am Kinn und zwingt sie, ihn anzusehen.
    Der Werwolf saugt tief die Luft ein. „Sie ist es, ich bin mir sicher!“ Ich verstehe noch immer kein Wort.
    Die paar versammelten Todesser lachen hämisch.
    Yaxley blickt erst Isas und dann meinen Vater an. „Na los! Worauf wartet ihr? Holt das Geständnis aus ihnen heraus! Vorher können wir sie nicht einfach umbringen!“
    Ich kann nicht atmen. Meine Lunge scheint genauso pansich zu sein wie ich.
    Vor einem Jahr, als ich Dumbledore umbringen sollte, weil sonst ich und meine Eltern umgebracht werden, dachte ich, ich sterbe vor Angst. Aber jetzt… Der Tod ist so greifbar, nah und real- Ich glaube nicht, dass ich jemals in meinem Leben so viel Angst hatte.
    Der Gedanke, vielleicht schon in einer halben Stunde tot zu sein… Einfach nicht mehr da, als hätte ich nie existiert. Alles, was übrig bleibt wäre mein Körper. Aber ICH – einfach weg. Nicht mehr da. Ich werde wahrscheinlich niemals erfahren, wie dieser Krieg zuende geht.

    Vor einem Jahr hat Potter mir mit irgendeinem seltsamen Zauber die Brust aufgeschlitzt. Ein Jahr davor hat mich Goyle einmal über den Haufen gerannt. In der vierten Klasse hat mich dieser komische Professor in ein Frettchen verwandelt und mehrmals aus mehreren Metern Höhe auf Steinboden krachen lassen. Als ich zwölf war, bin ich einmal ungebremst vom Besen auf den Rücken gestürzt, aus etwa fünf Metern Höhe. Einige Zeit davor noch, als ich sieben war, hat mein Vater mich geschlagen, weil ich ihn gefragt hatte, wer Voldemort ist, nachdem ich den Namen in einem Buch entdeckt hatte.

    Kein Schmerz davon und auch nicht alles zusammen kommt dem gleich, was ich jetzt empfinde.
    Als würde man mich in einen noch brodelnden Zaubertrank werfen, mir meinen Namen mit einem Messer auf den Rücken malen, meine Haut in Brand setzen. Es fühlt sich an, als würde mir das Fleisch jeden Moment vom Körper schmelzen, jedoch gleichzeitig von Eissplittern durchbohrt werden.
    Meine Gedanken nehmen verschwommen Gestalt an: Cruciatus.
    Warum tut jemand mir das an? Ach jaah...Das Geständnis vom Seitenwechsel...Aber wenn ich es zugebe, töten sie mich...
    Ich weiß nicht, wovor ich im Moment größere Angst habe:
    Vor den Schmerzen oder vor dem Tod.

    31
    ~
    Schockiert starre ich auf den sich am Boden windenden Draco. Er gibt keinen Laut von sich, doch sein Gesicht ist zu einer gequälten Grimasse verzogen.
    Fenrir Greyback hält mich an den Schultern fest, aber ich habe nicht vor, mich zu wehren.
    Lucius Malfoy deutet mit dem Zauberstab auf seinen Sohn, doch ich meine, seine Hand zittern zu sehen. Doch dann unterbricht er den Fluch.
    „Also?“ fragt Yaxley ungeduldig. Draco bringt kein Wort über die Lippen. Ich kann gut verstehen, was in ihm vorgeht. Wenn er es zugibt stirbt er – wenn nicht, wird sein Vater ihn wohl weiter foltern müssen.
    „Schön, wenn du nicht bereit bist irgendetwas zu sagen… Greyback, wann…?“
    Der lacht. „In zwei Tagen schon!“
    „Na, solange können wir ja noch warten. Andrew, bring sie weg.“
    Greyback lässt mich los, dafür packt mein Vater mich grob am Arm. Er blickt mich nicht an.
    Ein anderer Todesser, der bis jetzt nur daneben stand, zieht Draco am Kragen hoch und mein Vater schleift auch ihn aus der Halle. Er bringt uns in Dracos Zimmer und verschließt die Tür von außen.
    Draco lässt sich leichenblass auf sein Bett fallen.
    „Ich frage mich“ überlege ich laut, „Wie die da drauf gekommen sind. Und was ist in zwei Tagen?“ „Keine Ahnung...“ stöhnt Draco. Ich setze mich neben ihn. „Alles klar bei dir?“ „Hmm… Wie lange sperren sie uns wohl hier ein?“ Ich starre zu Boden, als würde dort geschrieben stehen, wie dieses Chaos zu erklären ist. „Naja, die zwei Tage, vermute ich mal.“ Wenn das doch nur irgendwie Sinn machen würde! Woher wussten sie, dass wir gelogen haben? Woher? Oder...von wem? Und was hat es mit diesen zwei Tagen auf sich? „Okayy, halten wir uns mal an das, was wir wissen.
    Wir sitzen hier fest, haben keine Ahnung wie es dazu gekommen ist, haben keine Zauberstäbe und werden vermutlich in zwei Tagen entweder ermordet oder weiter gefoltert. Nicht gerade viel.“
    Ich werfe einen besorgten Blick zu Draco. Er zittert am ganzen Leib und ist immer noch kalkweiß.
    Plötzlich tut sich etwas auf dem Gang. Ein paar Worte werden gewechselt, dann öffnet sich die Tür.
    Kampfbereit springe ich auf – was natürlich sinnlos ist, trotzdem möchte ich von niemandem angegriffen werden wenn ich herumsitze.
    Doch es ist nur Narzissa, die sich mit besorgtem Blick zu uns ins Zimmer schiebt. Die Tür wird wieder zugeschlagen.
    Fragend blicke ich sie an. „Ich darf nicht allzu lange bei euch bleiben“ flüstert sie sehr schnell und sehr leise. „Ich weiß auch nicht viel mehr als ihr.“
    Jetzt richtet sich auch Draco auf. Hastig setzt sich seine Mutter an seine Seite. „Draco, wie geht es dir?“ Der mustert sie nur ohne ein Wort zu sagen. „Er hat das nicht freiwillig getan, dein Vater.“ Solch sanfte Worte klingen fremd aus Narzissas Mund, aber immerhin ist sie auf unserer Seite.
    Anschließend wendet sie sich wieder an mich; Vermutlich im Glauben, dass ich momentan eher ansprechbar bin, als Draco. „Ich habe eine gute Nachricht für euch. Es ist beschlossen worden, dass keine weiteren Todessser über die Anschuldigungen gegen euch informiert werden. Sie wollen mit keinem anderen den Lohn teilen, wenn sie euch..wenn sie euch erst klein gekriegt haben und richtig liegen.“ Ich nicke stumm. Das ist doch mal was.
    „Weißt du, was sie jetzt noch mit uns vorhaben?“ krächzt Draco.
    „Ihr werdet zwei Tage hier drin sitzen bleiben. Ihr werdet bewacht, danach-“ Sie stockt einen Moment. „Was?“ frage ich nachdrücklich. „In zwei Tagen ist-“ Da öffnet sich die Tür und Narzissa wird von einem der Todesser, dessen Name mir nicht in den Sinn kommt aus dem Zimmer gebracht, bevor sie uns mitteilen kann, was uns in zwei Tagen erwartet. (Habt ihr selber denn Vermutungen? ;) )
    Jetzt wissen wir auch nicht wirklich mehr als vorher.

    32
    Die Stunden, die wir in dem Raum festsitzen, ziehen sich ewig dahin. Nichts ist zu hören, niemand kommt, um uns zu sagen, was uns erwartet. Das ist das schlimmste. Weder ich, noch Draco wissen, was uns in zwei Tagen erwartet. Alles könnte kommen, und zwar genauso ALLES wie es bei BertieBotts-Bohnen tatsächlich ALLE Geschmacksrichtungen gibt.
    Die Nacht bricht herein. Draco, der ich bis jetzt kaum bewegt hat, erhebt sich von seinem Bett und tritt ans Fenster. Während er da so gedankenverloren den Mond anstarrt, beobachte ich ihn von der anderen Seite den Raum.
    „Komm schon“ seufze ich, „Du bist vielleicht ein Feigling, aber definitiv der Schlauere von uns beiden. Hast du denn keine einzige Idee, was unser Schicksal betrifft?“
    „Ich bin schlau? Natürlich! Wie konnte ich das übersehen? Bei Salazar Slytherin, natürlich! Das kann doch nicht wahr sein! Das DARF nicht wahr sein...Verflucht!“
    Ich mustere ihn skeptisch. „Das ist ja ganz schön, dass du dich so über dein Gehirn freust, aber ich denke nicht, dass das jetzt der passende Augenblick-“ „Nein!“ unterbricht er mich, „Das ist es nicht! Isa, ich weiß, was in zwei Tagen ist. Ich weiß nicht, ob sie das auch meinten aber…“
    Draco dreht sich zu mir um, das blanke Entsetzen im Gesicht. „Isa. In zwei Tagen ist...Vollmond.“
    Na und? will ich schon sagen, als mir die Szene noch einmal vor Augen kommt.
    Yaxley, der fragt, wann ES so weit ist...Und diese Frage war gerichtet an Greyback.
    Die Angst breitet sich in mir aus, schwappt wie eine große, dunkle Welle über mich.
    Greyback.
    Werwolf.
    Ich.
    Draco.
    Geschockt starre ich Draco an.
    „Entweder er tötet uns oder er quält uns oder...“ „Oder er macht uns zu Werwölfen“ vollendet Draco meinen Satz.
    ~
    Plötzlich fängt Isa an zu lachen. Das ist das letzte, wonach mir gerade zu Mute ist.
    Als ich sie frage, was zum Teufel denn bitte so lustig ist, antwortet sie etwas, wo ICH in so einer Situation echt nie drauf gekommen wäre.
    „Es ist nur- Mir tun die ganzen Schüler leid, die gerade in Hogwarts festsitzen. Wenn man bedenkt, dass die alle in ein-einhalb Tagen eventuell Werwölfe als Schulsprecher haben...“
    Stimmt, ich hatte ganz vergessen, wie dieses Drama überhaupt erst angefangen hat.
    „Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich tatsächlich noch gesagt, dass ich lieber vom Astronomieturm springen würde, als noch zwei Jahre nach Hogwarts zu gehen. Aber jetzt… Wir beide werden Hogwarts ja höchstwahrscheinlich nicht mehr sehen.“

    33
    Isa nickt langsam.
    „Ja, vermutlich hast du Recht. Hast du eigentlich was dagegen, wenn ich mich ein bisschen hinlege?“ Sie nickt zu meinem Bett hinüber. Ich schüttele den Kopf. „Nein. Ich kann jetzt sowieso nicht schlafen.“
    Während Isa langsam einschläft, gehe ich auf uns ab. Ich frage mich, wie meine Zukunft jetzt aussieht. Werde ich sterben oder als Werwolf enden? Oder Isa? Und wenn wir überleben und hier doch noch irgendwie herauskommen, was dann?
    Man sagt ja immer, die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber in meinem Falle stirbt die Hoffnung wieit vor mir. Nichts auf der Welt kann ich mir jetzt gerade vorstelle, was mich oder Isa jetzt noch retten könnte. Die Todesser ganz sicher nicht, auf meine Eltern ist auch kein Verlass. Wenn ich doch nur wüsste, wie die Todesser darauf gekommen sind, dass wir sie verraten haben…!
    Als schon wieder die Morgendämmerung hereinbricht, lege ich mich zu Isa um zu schlafen. Viel anderes kann ich eh nicht tun.
    Mein letzter Gedanke, bevor ich einschlafe ist; Nach diesem Tag holen sie uns…

    Als ich die Augen wieder aufschlage, muss es schon Nachmittag sein. Eine tief stehende Sonne strahlt herein.
    Plötzlich bricht die Wahrheit über mich herein. Ich werde sterben. Ich fühle mich unendlich und schrecklich gefangen, ich kann nicht weglaufen, nicht mal kämpfen.
    Jetzt, wo mein Leben in ein paar Stunden vorbei sein wird, bereue ich es, dass ich nie wirklich irgendetwas getan habe, was ich wirklich wollte. Mein Leben war von Anfang an immer bloß schwarzweiß. Und grün. Aber jetzt ist es zu spät.
    „Draco, ich muss dir etwas sagen.“
    „Was?“
    Noch etwas abwesend richte ich mich auf. Isa steht neben mir, blickt mich erst an.
    „Du hast bewiesen, wie klug du sein kannst. Also ist es meine Zeit, zu zeigen, dass ich mutig sein kann.“
    Verwirrt runzele ich die Stirn. „Was bitte meinst du?“
    „Wir werden das ab jetzt so machen, wie von Anfang an geplant.“
    Ich verstehe immer noch nicht. Doch Isas Gesichtsausdruck sagt mir, dass ich besser nicht frage.
    „Und noch etwas.“ Entsetzt muss ich mitansehen, wie eine einzelne Träne ihre Wange hinunter rollt. Ansonsten ist sie vollkommen ruhig.
    „Jetzt wo wir – vermutlich – sterben werden… Ich...Ich muss dir sagen..Draco ich...“
    Isa holt tief Luft. „Ich glaube ich liebe dich. Nein, ich weiß es.“
    Nachdenklich schaue ich ihr in die Augen. Und plötzlich ist sie da – die Gewissheit. Ich liebe Isa. Wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst bin, habe ich bis vor einigen Wochen eigentlich kaum gedacht, dass ICH in der Lage wäre, jemanden tatsächlich zu lieben. Das kam mir einfach albern vor. Doch jetzt schleichen sich wie von selbst die Worte über meine Lippen. „Isa...Ich liebe dich auch.“
    Wie kitschig.
    Wie albern.
    Wie lächerlich.
    Wie grauenhaft.
    Wie ekelhaft.
    Das sagt zumindest mein Kopf.
    „Was für ein Klischee“ sage ich leise.
    „Dann ist das aber das schönste Klischee, das ich je erlebt habe“ erwidert Isa lächelnd.
    Aber mein Herz sagt etwas anderes.

    Drei Stunden liegen wir einfach so da, uns ansehend, schweigend.
    Bis sich die Tür öffnet, und unser Lebensende rasend auf sein Ende zufliegt.
    (*dramatische Musik*)

    34
    Wie zwei Tage zuvor sind sechs Zauberstäbe auf uns gerichtet, als die Todesser uns hinunter in eine der großen, unterirdischen Gewölbe bringen.
    Als ob ich und Isa in dieser Situation auch so eine Chance auf Flucht hätten.
    Offensichtlich warten die Todesser noch auf etwas. Ach richtig, der Werwolf fehlt noch. Ob die Bisse sehr schmerzhaft sind?
    „Und er hat sich wirklich unter Kontrolle?“ höre ich meinen Vater leise fragen. „Er weiß, dass wir ihn sonst töten“ erwidert Yaxley grimmig. Es geht wohl um Greyback.
    Auch wenn es recht sinnlos ist, bin ich erleichtert, dass die anderen Todesser nicht mehr neben mir und Isa stehen, sondern an die Wände zurückgewichen sind. Und auch dass Greyback scheinbar noch nicht da ist, erleichtert mich. Auch wenn es das Unvermeidlich nur noch herauszögert.
    Leise knarrend öffnet sich die Tür zum Gewölbe. Ich wage es nicht, mich umzudrehen.
    Gleich, denke ich, gleich wird Isa vom Werwolf niedergemacht..oder ich.
    Doch es bleibt ruhig. Als ich mich dann doch umschaue, ist es bloß meine Mutter, die sich zu meinem Vater stellt und ein paar leise Worte mit ihm wechselt.
    Keiner der Beiden sieht mich an.
    Als ich mich mal zu Isa umdrehe, hat sie sich äußerlich ganz entspannt im Schneidersitz auf dem kalten Steinboden niedergelassen. Ich weiß, dass sie immer noch versucht, auf mutig zu tun. Wegen mir. Sie schenkt mir ein leises Lächeln. „Vergiss nicht, Draco. Wir machen es ab jetzt so, wie von Anfang an geplant.“ „Wie meinst du das überhaupt?“
    Doch ich komme nicht dazu, die Antwort zu hören, denn die Tür wird erneut geöffnet.

    Tief geduckt in eine abscheulich animalische Jagdhaltung, schleicht der Werwolf herein. Es ist eine widerlich verzerrte Art von Wolf. Mit langen, dünnen Gliedmaßen und großer Schnauze.
    „Habt ihr noch irgendetwas zu sagen?“ fragt Yaxley böse grinsend.
    „Ja.“ Überrascht drehe ich mich um. Isa ist aufgestanden. „Ich will nicht verleugnen, dass auch Draco euch verraten hat, allerdings gibt es bei ihm einige Dinge zu erklären. Wenn ihr ihn dazu verurteilt, zu sterben - dann tut es schnell. Er hat sich nicht ganz so große Schuld zugetragen, wie ich.“ Isas Stimme ist ruhig, doch sie bebt am ganzen Körper.
    „Es ist meine Schuld, dass er hier steht und fürchten muss, ermordet zu werden.“
    Und da fallen mir Worte wieder ein, Worte, die Isa vor einiger Zeit gesagt hat. Unbefangen damals, doch heute haben sie so viel Bedeutung.
    ' Ich nehme alle Schuld auf mich.' Oder was ich gesagt habe. 'Aber du trägst die Verantwortung.' Das hatten wir von Anfang an so gesagt. Aber jetzt...in der Realität ist das ziemlich...verrückt, grenzt an Wahnsinn.
    Isa spricht, ich schweige.
    Isa trägt die Verantwortung, ich schweige.
    Isa nimmt mich in Schutz, ich schweige.
    Isa ist mutig, ich schweige.
    Vielleicht bin ich tatsächlich ein Feigling, überlege ich. Nein, Unsinn.
    Isa redet davon, wie sich mich entführt hat, gefangen gehalten hat, mir den Zauberstab abgenommen hat. Sie erzählt, dass sie mich bedroht hat. Mir mit Mord an mir, meiner Familie und Freunden gedroht hat, wenn ich nicht tue, was sie sagt.
    Und Isa spricht davon, dass sie mich dafür brauchte, ihre Mutter zu rächen.
    Während der Zeit, in der Isa spricht, sind die Hälfte der Zauberstäbe der Todesser auf uns uns die andere auf den Werwolf gerichtet, der überraschend ruhig dasteht.
    Nachdem Isas Lügengeschichte beendet ist, ist es seltsam leise. Bis auf das keuchende Atmen des Werwolfs.
    Yaxley mustert uns aus schmalen Augen. „Interessant. Aber nun habt ihr es zugegeben. Aber du, Iris-Isabelle, hast wohl ausnahmsweise recht. Draco hat weniger verbrochen als du. Also...wird er weniger qualvoll sterben.
    Aber was dich betrifft...“ Er lacht.
    Ein anderer Todesser packt mich grob am Kragen und zerrt mich zur Seite. Jetzt steht Isa ganz allein in Mitten des Gewölbes, einem nach Blut dürstenden Werwolf gegenüber.
    Mir fällt auf, dass die Tür noch offen steht. Ob ich abhauen könnte…? Nein, der Werwolf ist im Weg. Obwohl, wenn er erstmal auf Isa losgegangen ist, könnte ich mich immer noch losreißen und raus- „Denk nicht einmal daran“ flüstert der Todesser, der mich festhält.
    Greyback setzt sich so schnell in Bewegung, dass er keine Sekunde braucht, um bei Isa anzukommen.
    Ich kann nichts weiter tun, als zusehen.
    Auch wenn ich total Panik davor habe, es mich absurd anekelt und ich das eigentlich überhaupt gar nicht ansehen möchte – ich kann den Blick nicht abwenden.
    Schock und Angst halten mich fest.
    Und so muss ich zusehen, wie der Werwolf Isa mit den Zähnen am Nacken packt, sie gegen die Wand schleudert und das widerliche Gebiss in ihren Rücken gräbt.
    Greyback beißt.
    Isa schreit.
    Ich schweige.
    Blut spritzt durch die Luft und setzt sich am Boden fest.
    „HEY! Greyback! GREYBACK!“ Yaxley. Was will er jetzt schon wieder?
    „Du sollst sie nur zum Werwolf machen, und nicht das Mädchen zerfleischen! Los, geh raus! Geh!“
    Doch der Werwolf bemerkt ihn gar nicht erst.
    Ohne zu zögern schleudert einer der Todesser einen Schockzauber auf Greybacks Wolfgestalt, die jetzt regungslos am Boden liegt.
    Mir wird schlecht, als ich das viele Blut sehe, in dem Isa liegt. Sie zuckt nur noch leicht, keiner schenkt ihr Beachtung.
    „Andrew, Lucius, ihr seid dran. Macht schon!“
    Der Todesser, den ich als Isas Vater wiederkenne, zückt seinen Zauberstab.
    Ausdruckslos tritt er zu seiner Tochter, wie ich weiß, um sie zu töten.
    Mit einem Mal schlägt Isa die Augen auf, richtet sich tatsächlich sogar ein kleines Stückchen auf.
    Doch sie blickt nicht ihren Vater an, der ihr den Zauberstab an die Kehle hält. Sie blickt mich an.
    Dann sehe ich den grünen Blitz.

    35
    Doch es ist kein Lichtblitz wie aus einem Zauberstab. Auch kein echter Blitz mit grünem Leuchten.
    Es ist...Jumps.
    Isas kleines Haustier, die kleine Echse mit den Flügeln am Nackenansatz. Er kam gerade hereingeschossen. Jetzt hängt er kopfüber von der Decke – wie auch immer der sich da halten kann – und schaut zu.
    Etliche Augenpaare richten sich wieder auf Isa und ihren Vater.
    Wenn jetzt kein Wunder geschieht, dann ist es endgültig vorbei mit ihr.
    Und wieder blickt Isa nur mich an. Wie schafft sie das? Ich...Tja, ich würde mehr mit mir selbst beschäftigt sein.
    „Avada-“ Ein Wunder, bitte…
    „Halt!“
    Der Todesser, der mich am hinten Kragen festgehalten hat, ist so überrascht, dass er loslässt. Darauf bin ich nicht vorbereitet, stolpere nach vorn, stürze dann. Erst begreife ich nicht, worin ich liege. Es ist warm und dickflüssig und...rot. Ich liege in Isas Blut. Mein schwarzer Anzug ist voller Blut. Mir kommt der Brechreiz – doch ich bin selbst so überrascht, von dem, was jetzt passiert, dass ich auch das schnell wieder vergesse.
    Mein Vater ist vorgetreten. Alle starren ihn an. Was wird das? Warum verhindert er, dass Isa getötet wird?
    „Das Mädchen sollte zusehen, wie ihr...Geliebter umgebracht wird. Ich beginne.“
    Aus dem Augenwinkel bemerke ich, dass Isas Körper nun komplett erschlafft und jetzt komplett regungslos daliegt.
    Aber ich muss noch an dem arbeiten, was ich da gerade gehört habe. Mein Vater will mich umbringen. Jetzt. Damit Isa zusehen muss. Ich werde sterben, durch meines eigenen Vaters Hand.
    Hastig krabbele ich auf dem Boden so weit zurück wie ich kann. Ich muss aussehen wie ein kleiner Käfer, der panisch versucht einem sich nähernden Kutschenrad auszuweichen. Mit dem Rücken gegen die Wand gedrückt starre ich meinem Vater entgegen. Das kann er nicht tun. Das kann er einfach nicht tun.
    Den Zauberstab auf mich gerichtet, tritt er direkt vor mich.
    Ich schaue zu Vater auf, den Anzug voller Blut, Angst in allen Gliedern, zu Vater, der mich jetzt gleich töten wird.
    Am liebsten würde ich schreien, um mich schlagen oder heulen oder alles zusammen.
    Wie kann er sowas tun?
    Doch ich tue nichts von dem. Ich bin ein Malfoy. Wir tun so etwas nicht.
    Stirb stolz, Draco Malfoy, denke ich, stirb stolz.
    „Tz tz tz!“
    Es ist das Geräusch, was ein Lehrer macht, wenn man schon zum fünften Mal seine Hausaufgaben nicht hat.
    Ein Vorwurf, Missbilligung und Empörung in einem. Jumps.
    In dem Moment, in dem sich alle anderen Todesser nach der Quelle des Geräuschs umsehen, geschieht etwas, das ich noch weniger verstehe, als alles andere, das heute Abend geschehen ist.
    Vater blickt mich ganz direkt an, bedeutet mir, nichts zu sagen, dreht sich um und - „Obliviate!“
    Einen Moment ist es ganz still, alle Welt scheint erstarrt.
    Alle anwesenden Todesser drehen sich wieder zu meinem Vater und mir um. Wie angewiesen sage ich kein Wort. Ich verstehe nichts. Nichts.
    Yaxley nickt. „Natürlich. Kommt. Und, Lucius, mach das Blut weg.“ Ein Todesser nach dem anderen verlässt das Gewölbe, bis nur noch ich, Isa, Mutter, Vater und der ohnmächtige Werwolf hier sind.
    Verständnislos blicke ich meinen Vater an. „Was ist hier los?“
    Er steckt den Zauberstab weg, zieht mich hoch, ohne dem ganzen Blut Beachtung zu schenken. „Es wäre reine Verschwendung, wenn ich mein eigenes Werk umbringen würde. Die Todesser, die hier waren, denken, Greyback hätte die Kontrolle über sich verloren, Isa angegriffen. Und die anderen..werden es nie erfahren.“
    Ich starre auf den Boden. Ich dachte, Vater würde mich heute noch umbringen. Dabei hat er mir das Leben gerettet. „Und wie habt ihr das überhaupt herausgefunden? Also dass ich und Isa...“ Ich brauche den Satz nicht zu beenden.
    „Andrew dachte schon, dass er, als er bei den Weasleys einen Kontrollgang hatte, dass er Isas Stimme gehört hätte. Dann wurde irgendwann dieser geheime Sender von ein paar der Weasleys gefunden. Im Radio. Es wurde über zwei Gehilfen im Nest des Drachen gesprochen. Aber sicher waren wir uns erst, als Greyback den Weasleys einen Besuch abgestattet hat...und Isa gerochen hat.“
    Isa...Isa!
    Erschrocken haste ich zu der regungslos am Boden liegenden Isa und knie mich neben sie. Sie atmet kaum und sehr unregelmäßig. Mir wird schwindelig beim Geruch des vielen Blutes.
    Und plötzlich wird mir eines sehr klar.
    Isa ist jetzt ein Werwolf. Eine Bestie. Nicht mehr wie vorher. Eine Mutation, ein Monster.
    Ich springe auf. Alles dreht sich.
    So schnell ich kann, verlasse ich das Gewölbe.
    Schwer atmend schließe ich mich in meinem Zimmer ein, als könnte ich die Wahrheit ausschließen.
    Am liebsten würde ich alles Mögliche eintreten, irgendwie meine Wut und Trauer loswerden. Aber ich tue es nicht. Natürlich nicht.
    Stattdessen lasse ich mich auf meinem Bett nieder, mit rasendem Herzen und Gedanken.
    ~
    Schwarze und weiße Schatte dringen in mein Bewusstsein. Bin ich tot? Nein…
    Da ist dieser Schmerz...dieser rote, tiefe, schreckliche Schmerz…
    Ich höre Stimmen, die mir bekannt vorkommen, kann keine einzige zuordnen. Immer verschiedene Schemenhafte Gestalten, die ich auch nicht erkenne. Die ganze Welt besteht aus Schatten, Schemen, Stimmen und Schmerz. Es ist ein einziges Durcheinander, ich habe kein Zeit- oder Raumgefühl. Es könnten Stunden, aber auch Tage vergehen, ich weiß es nicht. Manchmal habe ich das entfernte Gefühl, dass ich mich bewege oder bewegt werde. Ich weiß es nicht. Nichts weiß ich...wer bin ich? Wo bin ich? Was bin ich?
    Ich höre verschiedene Namen, aus den verschwommenen Worten, die zu mir durchdringen. Zwei davon lösen ein Gefühl des Wiedererkennens in mir aus, aber der Schmerz ist zu groß, als dass ich wirklich klar denken könnte.
    Isa und Draco.
    Ich klammere mich an diese Namen, denn mehr habe ich nicht in meiner Welt aus Schatten und Schmerz.
    ~
    In den zwei Tagen, die vergangen sind, haben sich alle weiteren Fragen geklärt.
    Isa sagte, sie wäre dabei gewesen, als ihre Mutter getötet wurde. Nein, ihre Mutter war nur Bewusstlos, nur FAST tot. Doch jetzt ist sie tot. Wie geht es jetzt weiter? Wie vorher. Alle Todesser haben vergessen, was geschehen ist. Bis auf meine Eltern. Und ich. Ich kann nicht vergessen, was geschehen ist. Ich kann nicht vergessen, dass Isa jetzt ein Werwolf ist.
    „Sieh doch wenigstens einmal nach ihr.“
    „Nein.“
    Ich spüre den Blick meiner Mutter im Nacken, während ich abwesend aus dem Fenster meines Zimmers schaue und meinen Blick über die Hecken und Wiesen wandern lasse.
    „Sie wird heute noch nicht aufwachen. Morgen vielleicht.“ Ich schließe genervt die Augen, doch meine Stimme bleibt ruhig. „Nein. Ich sehe nicht nach ihr. Sie ist ein Werwolf. Das ist nicht sie. Nicht mehr. Was sollte ich bei ihr?“
    Mutter erwidert darauf nichts, sondern lässt mich und die Frage wieder allein.

    36
    ~
    Als ich das erste Mal wieder bei vollem Bewusstsein bin, und nicht mehr in der Schattenwelt zwischen Schlaf und Wachsein hänge, sind die Schmerzen der Werwolfbisse beinahe verschwunden.
    Aber...wieso lebe ich denn noch? Die Todesser, sie wollten mich doch umbringen, oder nicht? Und dann wird mir klar, weshalb ich noch hier bin.
    Ein weiterer Werwolf in den Reihen des dunklen Lords. Ich werde ein zweiter Greyback sein müssen, wenn ich nicht fliehe oder auch wenn ich nicht sterbe. Zauberer und Hexen zu düsteren Kreaturen machen und sie dann auf die Seite des dunklen Lords ziehen. Das wird meine neue Aufgabe. Es ist, als würde sich in meinem Magen ein weiteres Loch auftun, eine weitere Wunde, diesmal jedoch ohne jede Hoffnung auf Heil. Ich bin ein Werwolf, eine Schattenkreatur und ganz sicher nicht mehr ich. Was Draco wohl dazu sagt, Draco, der doch magische Kreaturen immer so sehr verabscheut hat.
    Und dann reißt ein unbeschreiblicher Schmerz mir das Herz aus der Brust. Draco kann gar nichts mehr dazu sagen. Draco ist tot. Weg, verschwunden, nicht mehr da und das für immer.
    Verschwommen erinnere ich mich daran, was sein Vater sagte; Dass er beginnen wolle, damit ich zusehen müsse, wie Draco stirbt...Aber ich habe es nicht gesehen. Denn kurz vorher haben die Schmerzen und die Angst mich in die Schattenwelt gezerrt.
    Und jetzt werde ich ihn nie, nie, nie mehr sehen können…
    Plötzlich geht die Tür auf und eine Hauselfe kommt herein. Als das kleine Wesen sieht, dass ich wach bin, hüpft es besorgt auf mein Bett. Wo bin ich eigentlich?
    „Miss muss liegen bleiben, liegen bleiben, Miss muss unbedingt liegen bleiben, wenn sie wach ist, dass hat Herrin der Nisa gesagt! Und der schwarze Mann hat das auch gesagt, alle sagen liegenbleiben!“
    Mein Kopf dröhnt von der schrillen Piepsstimme der Elfe, doch das ist ja nicht ihre Schuld. Und wer ist der schwarze Mann? „Nisa heißt du?“ Ich bin selbst erschrocken, wie rau meine Stimme klingt. „Wo bin ich?“ „In Malfoy Manor, Miss!“
    Der Name bringt einen stechenden Schmerz mit sich. Malfoy. Ich schließe einen Moment die Augen und versuche ganz ruhig tief durch zu atmen.
    „Nisa. Kannst du mir sagen, was passiert ist? Ich dachte ich...ich würde sterben.“
    Die übergroßen, runden Augen von Nisa weiten sich vor Schreck. Angstvoll presst sie die dünnen Hände auf ihre riesigen Fledermausohren. „Nisa weiß nichts darüber! Nisa darf gar nichts wissen! Nisa weiß überhaupt nichts!“ piepst sie eindringlich.
    „Nisa holt jetzt die Herrin!“ Und damit ist sie auch schon wieder davongetrippelt.
    Ich versuche, mich aufzurichten. Ohne Erfolg. Wellen stechenden Schmerzes jagen durch all meine Glieder, und jetzt spüre ich auch sämtliche Verbände um meinen Körper.
    Als sich die Tür zu meinem Zimmer zum zweiten Mal öffnet, ist es kein Hauself, sondern Narzissa Malfoy.
    „Du bist also wach.“ „Mir brauchen Sie das nicht zu sagen.“ Ich mustere sie eingehend. Eigentlich sieht sie nicht so aus, als hätte sie in letzter Zeit besondere Trauer durchlebt. Andererseits – sie ist eine Malfoy. Man weiß ja nie, was für Zeug denen durch den Kopf geht. „Manchmal sollte man auch offensichtliche Tatsachen feststellen.“
    Ach ja, denke ich mit urpötzlichem Zorn im Blut, und wieso sagst mir dann nicht ist Gesicht, dass dein Sohn tot ist und damit meine Liebe? Heuchlerin!
    Doch antworten tue ich nur: „Und manchmal auch nicht.“
    Und die Fragen, so viele, dass ich sie gar nicht alle aussprechen kann. Also fasse ich das alles in einer einzelnen Frage zusammen. „Können Sie mir sagen, was passiert ist?“
    Wieso bin ich nicht tot?
    Wieso ist Draco nicht hier, wo ich doch lebe?
    Wieso wurde ich gesund gepflegt?
    Was ist geschehen, nachdem ich das Bewusstsein verloren hatte?
    Was passiert jetzt?
    Bin ich jetzt für immer ein Werwolf, ein Monster, eine unkontrollierbare Bestie?
    „Am besten beginne ich direkt da, von wo ab du weg warst.
    Lucius hat Draco nicht getötet. Als...“
    Narzissa redet immer weiter, von Jumps, Obliviate-Zaubern und Gedächtnissen, doch ihre Stimme wird erstickt von meinen rasenden Gedanken. Draco...ist...nicht tot? Er lebt? Ist sogar unverletzt? Und er ist nicht hier. Nicht bei mir.
    „Wieso ist er nicht hier?“ frage ich, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass ich Narzissas Erzählung unhöflich unterbreche.
    Sie schweigt einen Moment. „Mein Sohn hat- Er ist leicht verunsichert, wie er jetzt damit umgehen soll. Natürlich ist das kein Vergleich zu dem, wie du dich fühlen musst, doch auch für ihn ist es kompiziert. Du musst verstehen-“ „Angst“ stoße ich hervor, „Ihr Sohn hat Angst. Draco-“ Meine Stimme kippt, als ich seinen Namen ausspreche. Ich räuspere mich. „Draco hat magische Tierwesen schon immer gefürchtet. Weil er sie nicht kennt. Und weil Tiere nicht darauf achten, was für ein Ansehen die Familie hat oder wer der Vater von sonst wem ist. Draco kann Tierwesen nicht kontrollieren, nicht wie bei fast allen Anderen. Und das macht ihm Angst. Und jetzt bin ich für ihn ein Monster geworden, jetzt hat er Angst“ erwidere ich hitzig.
    Ohne es zu merken oder zu wollen hat sich meine Stimme erhoben.
    „Sie sollten sich noch etwas schonen, Miss von Greenskape. Ihre Lunge wurde leicht beschädigt, also sparen Sie sich den Atem.“
    Ungläubig starre ich auf den zweiten Besucher. Das muss der 'schwarze Mann' sein.
    „Was tun Sie denn hier?“ frage ich in nicht sehr höflichem Ton. (An dieser Stelle ein kleines R.I.P. an Alan Rickman. Raise your wands:()
    Snape tritt näher und stellt einen dampfenden Becher mit irgendwelchem Zeug auf einem Nachttisch ab, dem ich bisher keine Aufmerksamkeit geschenkt hatte.
    „Ich bin einer der Wenigen, die des Wolfsbanntrank auf vernünftige Art und Weise zu Stande bringen. Also habe ich mich entschlossen, Hogwarts für drei Tage zu verlassen und meiner ehemaligen Schülerin ihr weiteres Leben zu erleichtern.“ Kühl wie eh und je. Aber es gibt wichtigeres. Wolfsbanntrank?
    „Wenn dieser Trank schnell genug nach dem Biss verabreicht wird, kann die Verwandlung gemindert werden. Bei richtiger Wirkung sollten sich Sie bei Vollmond in keinen Werwolf verwandeln, sondern ich einen gewöhnlichen Wolf, allerdings werden sie nach wie vor in dem Zustand vergessen, wer Sie sind.“
    Ich lasse mich wieder zurück in die Kissen sinken. Immerhin, die Welt sah schoneinmal düsterer aus.
    Ich werfe einen Blick aus dem Fenster. Draußen strahlt eine heiße Sonne.
    „Wie spät ist es überhaupt?“ „Vormittag“ kommt die knappe Antwort von Snape. „Und wenn Sie das jetzt nicht trinken, hilft es nicht.“
    Ach richtig. Der Wolfsbanntrank. Ich atme tief ein und setze mich dann umsichtig auf.
    Plötzlich bemerke ich, wie hungrig ich eigentlich bin. Mit einem einzigen Zug schlucke ich den gesamten Inhalt des Bechers – was auch gut ist, da das Zeug schmeckt wie flüssiger Sand oder Staub. Ich verziehe das Gesicht. Ekelhaft.
    Für einen Moment habe ich nicht daran gedacht, weshalb ich hier liege, einen widerlichen Trank trinke und weshalb Draco nicht bei mir ist.
    Doch jetzt wird mir schlagartig bewusst, das er zwar lebt, mich nun aber niemals wieder ansehen oder gar berühren wird.

    37
    Als ich am Abend dieses Tages das erste Mal richtig aufstehe, und mich in einem hohen Spiegel mustere, wird mir klar, weshalb Narzissa ursprünglich wollte, dass ich die Verbände weiterhin trage, obwohl ich keine offenen Wunden mehr habe. Bei dem Anblick kommen mir fast die Tränen. Meine blasse Haut wird fast am ganzen Körper von Narben in unterschiedlichsten Stadien verzerrt, die sich auch noch unter der Unterwäsche deutlich abzeichnen. Ich kann von Glück reden, dass keine davon im Gesicht sind. Es gibt Menschen, bei denen gehören hässliche Narben so sehr zum Charakter dazu, dass sie die Betroffenen eigentlich nicht verunstalten. Als bestes Beispiel dient mir natürlich Potter mit seiner Blitznarbe. Doch in meinem Falle ist es einfach nur gruselig. Ich weiß ja nicht, ob das so üblich ist oder nicht, doch ich habe das Gefühl, dass Greyback es etwas übertrieben hat. Kein Wunder, dass Draco nichts mehr von mir wissen will. Eigentlich habe ich jetzt so ziemlich alles verloren, was mir etwas wichtig war. Selbst Jumps meidet mich, seit ich...anders...bin.
    Mit einem stummen Zauber lasse ich den Spiegel zu Staub werden und sehe zu, wie die feinen Splitter vor mir zu Boden schweben. Wie meine Welt. Ein einziger Scherbenhaufen.
    ~
    Auf der Flucht vor den anderen Menschen, die durch Malfoy Manor spazieren, als gehöre es ihnen, gehe ich schnellen Schrittes einen Flur entlang auf dem Weg nach draußen in die junge Nacht, als aus einem der Räume ein seltsames Klirren und Krachen vernehme.
    Misstrauisch den Zauberstab gezückt öffne ich die Tür einen Spalt breit. Als erstes sticht mir das Chaos ins Auge, welches im ganzen Raum verteilt ist.
    Spiegelsplitter, zerschmettertes Holz überall. Und mittendrin sitzt eine zitternde Gestalt, die ich kaum wiedererkenne. Die Beine angezogen, das Gesicht in den Händen vergraben, doch auch so sind die Narben nicht zu übersehen.
    Angewidert weiche ich zurück. Was habe ich gesagt? Ein Monster. Und einmal mehr hatte ich vollkommen recht.


    Es geht auf Mitte Herbst zu, als mein Vater mich bittet, einen Moment in sein Arbeitszimmer mit zu kommen. Das bedeutet nie etwas Gutes. Nie.
    „Der dunkle Lord hat eine Entscheidung getroffen.“ „Das tut er ja so selten.“ Augenblicklich starrt mein Vater mich wütend an. „Jetzt sei still!“ Innerlich verdrehe ich die Augen. Kein Grund, gleich so aus zu rasten.
    „Du wirst mit Greenskape nach Hogwarts zurückkehren. Für wie lange ist noch unklar, doch der dunkle Lord hat beschlossen, dass ihr noch etwas ausgebildet werden sollt. Er kann keine unfähigen Hexen und Zauberer gebrauchen.“
    Doch ich höre schon gar nicht mehr zu. Zurück nach Hogwarts, nach all der Zeit. Aber nicht allein. Plötzlich fällt mir etwas ein, etwas, das mir schon vor dem gesamten Drama regelrecht Übelkeit verursacht hat. „Gilt das mit den Schulsprechern noch?“
    Denn wenn ja, müsste ich einen Raum mit Isa teilen.
    Vater wendet den Blick ab und – nickt.
    Entgeistert starre ich ihn an. „Und das willst du zulassen? Was, wenn die irgendeinen Anfall bekommt!“
    „Strenge dich wenigstens einmal in deinem Leben an, Draco! Greenskape ist nicht einmal ein richtiger Werwolf, und wenn, dann nur an Vollmond!“
    Bei Vaters Worten zucke ich zurück. Ja, natürlich, jetzt bin ich wieder der Dumme.
    Ohne ein weiteres Wort drehe ich mich um und verlasse den Raum.

    38
    Kaum zu glauben! Vater tut so, als hätte es die beste Sache, die er je zustande gebracht hat, nie gegeben! Und was soll ich bitte in Hogwarts? Federn zum Schweben bringen? Ein paar bunte Vögel fliegen lassen?
    Andererseits, mit Snape als Leiter sicher auch ein paar Unverzeihliche…


    Ächzend werfe ich mir meine Tasche über die Schulter und trete näher an den Kamin heran. Ein Kribbeln in meinem Magen spricht von einer unguten Vorahnung.
    Zwei Tage sind vergangen, und zwei Tage hat eigenlich niemand mit mir gesprochen.
    Und schon muss ich nach Hogwarts. Ich kann mich kaum halten vor Freude. Weshalb bin ich so nervös? Wegen den Veränderungen? Weil ich mit Greenskape in einem Raum eigesperrt sein werde? Wegen den vielen Todessern, die Hogwarts bevölkern? Vermutlich wegen allem.
    Widerwillig greife ich mir etwas Flohpulver aus einer kleinen Holzschatulle, lege sie ab und stelle mich in den Kamin.
    Während warme, grüne Flammen um meinem Körper entflammen spreche ich möglichst laut und deutlich den Namen dieser verfluchten Schule aus.
    Einfach das Gefühl allein macht schlechte Laune. Erst schön abgeschoben werden, weil man nicht perfekt ist, das zusammen mit einem Monster und dann interessiert es wieder keinen, wenn man geht.
    In den wenigen winzigen Augenblicken in den andere, fremde Kaminausblicke für mich sichtbar werden und ich im Kreis gewirbelt werde, ärgere ich mich wie wahnsinnig, dass es meine Eltern einfach überhaupt nicht interessiert, dass ich gehe. Sie waren gerade nicht einmal da, als ich abreiste.
    Und schon stolpere ich auf den Kaminvorleger von McGonnagalls Büro. Keine Sekunde später steht Isa neben mir. Nein, nicht Isa. Greenskape.
    Von allem und jedem genervt klopfe ich unwirsch den Staub und die Asche von meinem Anzug. „Mr Malfoy! Miss Greenskape! Wo kommen sie denn her?“
    Na toll. Offenbar weiß man hier nicht einmal um unsere Ankunft. „Na woher wohl“ knurre ich, meine Tasche zur Tür schleppend. „Ich kann Ihnen das erklären“ sagt Greenskape leise. „Lass dir Zeit!“ Aus dem Augenwinkel sehe ich sie leicht zusammenzucken. Das Biest ist so schreckhaft geworden. Dann kracht auch schon die Tür zu.
    ~
    Mit bebenden Fingern starre ich auf die Tür, wo Draco gerade verschwunden ist. Wieso kapiert er nicht, dass ich ihn vor wirklich, wirklich abscheulichen Schmerzen bewahrt habe? Ich habe das doch für ihn gemacht? Und nun? Nun bin ich kaputt. ER macht mich kaputt.
    „Miss Greenskape?“ „Was?“ Ich blinzele ein paar Mal, um potentielle feuchte Augen vorzubeugen, und wende mich wieder McGonnagall zu. „Ihre Erklärung?“ Ach jaah… „Ähh...“ Wo soll ich anfangen? „Ich...Wir..ähm.“ Verwirrt schüttele ich den Kopf. „Wir sind gerade aus Malfoy Manor gekommen. Der d- Ich meine, wir sollten doch noch etwas mehr lernen, neben...neben den… anderen Sachen, die es zu praktizieren gibt.“ McGonnagall mustert mich scharf durch ihre quadratischen Brillengläser. „Interessant. Und Ihre Pflichten als Schulsprecher? Die haben Sie bis jetzt also ganz entspannt zur Seite gelegt?“ Gestresst fahre ich mit der Hand durch die Haare. „Ich hatte einiges anderes am Hals. Also – Sie wussten nicht, dass wir kommen? Das heißt, Sie wissen auch...auch nichts..von…?“ Die alte Professorin blickt mich noch strenger an. „Wovon reden Sie, Miss Greenskape?“ Sie weiß es nicht. Ich muss ihr sagen, was ich bin. Aber mal ganz vernünftig betrachtet: Was kann mir schon passieren? Ich habe doch schon alles verloren.
    „Da in Malfoy Manor...es gab einen…einen Unfall mit...mit… Greyback“ flüstere ich heiser. Über McGonnagalls Reaktion müsste ich lachen – wenn das nicht so traurig wäre.
    „Du meine Güte!“ stößt sie mit spitzer Stimme aus, „Sie wollen doch wohl nicht sagen-“ Ohne weitere Worte schlage ich den Ärmel meines rechten Arms bis zu Schulter zurück, und lege so ein paar Narben frei.

    39
    Es ist seltsam, wieder durch die Korridore von Hogwarts zu gehen. Es ist so vertraut...und doch so anders.
    Die Gänge sind vollkommen leer, einzig und allein bevölkert von tief dringender Stille. Nur in der direkten Nähe von genutzten Klassenzimmern ist hie und da eine leise Antwort zu hören oder ein wütender Professor.
    In den Kerkern ist es jedoch so still, kühl und düster wie früher auch schon. Immerhin.
    Vor dem Kerker, der von je her für die Schulsprecher aus Slytherin gedacht war, zögere ich etwas.
    Draco ist so ein erbärmlicher Feigling. Das ist ja nichts Neues. Aber dass er Angst vor mir hat…
    Ich stoße die Tür auf, ignoriere Draco und mache es mir auf dem noch freien Bett bequem.
    Um mich mit irgendetwas zu beschäftigen vertiefe ich mich in meinem Lieblingsbuch aus Kindheitsjahren, die es kaum gegeben hat.
    Magische Tierwesen&wo sie zu finden sind von Newt Scamander.
    Ich blättere vor zu Seite 58. Werwolf.
    Der Werwolf ist weltweit verbreitet, doch vermutet man, dass er seinen Ursprung in Nordeuropa hat. Menschen verwandeln sich nur dann in Werwölfe, wenn sie von einem gebissen wurden. Ein Heilmittel dagegen ist nicht bekannt, doch die jüngsten Entwicklungen in der Zaubertrankherstellung können die schlimmsten Symptome weitgehend lindern.
    Einmal im Monat, bei Vollmond verwandelt sich der ansonsten normale Zauberer oder Muggel-
    Da hast du es, Draco, ansonsten normal.
    ...oder Muggel in eine mordende Bestie.
    Ups.
    Der Werwolf sucht fast als einziges der phantastischen Geschöpfe zielstrebig und ausschließlich menschliche Beute.
    Super.
    Ohne ein besonderes Ziel blättere ich ein bisschen zurück und stoße auf Seite 36 auf den Letifold. Ich muss grinsen. Dieses Viech soll Draco mal einen Besuch abstatten. Letifolds sind so weit ich weiß auch bekannt als lebende Leichentücher, da er aussieht wie ein schwarzer Umhang von etwa anderthalb Zentimeter Dicke. Wenn er einen Menschen verschlungen hat ist er allerdings etwas dicker.
    Ich stelle mir mit einer ziemlichen Schadenfreude vor, wie das lebende Leichentuch eines Nachts hier rein kriecht und Draco erstickt. Leider gibt es die nur in tropischen Zonen. Schade.
    Ich schüttele über mich selbst den Kopf. Was du dir wüschst bedenke gut, denn es könnte in Erfüllung gehen, flüstert eine innere Stimme. Ach, denke ich, halt die Klappe du bescheuerter Moralpostel. Es wird ja wohl kein Letifold ins Schloss eindringen. Nein, fährt die Stimme in meinem Kopf fort, aber andere Dinge könnten Draco passieren. Ist ja gut, gibt mein Gedanken-Ich zu, Draco bleibt gefälligst am Leben.
    Meine Güte, jetzt führe ich schon Gedanken-Selbstgespräche.
    Wie von selbst wandert mein Blick durch den Raum hinüber zu Draco, der seinerseits auf dem Bett sitzt und ebenfalls in ein Buch schaut.
    Quidditch im Wandel der Zeiten.
    Ein kleines Lächeln, das sich nicht verstecken lässt, schleicht sich in mein Gesicht. Wir haben wohl beide so unsere tief verankerten Vorlieben.
    Auch Dracos Blick hebt sich, seine grauen Augen bohren sich in meine. Für einen wundervollen, sternhimmelschönen Moment wirkt es so, als wäre nie etwas gewesen, nichts passiert, als wären wir in einer heilen Welt, in der es keinen Voldemort, keine Todesser und keine Werwölfe gäbe.
    So, als sei dies ein ganz normales Schuljahr, in dem wir beide zu Schulsprechern wurden und ganz zufrieden zusammen sind.
    Es ist, als würde Draco gleich fragen, ob er die Verwandlungshausaufgaben abschreiben darf. Und ich würde ich damit ärgern, dass, wenn er nichts lernt, er keine vernünftige Arbeit bekommt und irgendwann unter einer Brücke leben müsste. Draco würde mit seinem Reichtum prahlen, mich wegen Jupms nerven, dass ich ihn mal erziehen soll.
    Alles wäre gut.
    Aber dieser Eindruck bleibt nur diesen wundervollen, einen, winzigen und so ewig langen Moment.
    „Denkst du, wenn du in diesem Buch liest, bist du irgendwann kein Monster mehr?“ Die Abneigung, der Hass und die Abscheu klingen aus seinen Worten wie Blut welches aus einer tiefen Wunde quillt. Und das schöne, heile Gefühl von eben ist weg. Ich erwarte Traurigkeit, Angst und Verlorenheit in mir zu spüren, doch in meinem Magen verkrampft sich Wut mit tiefem, ungewolltem Hass.
    Ich kann förmlich spüren, wie Adrenalin durch meine Adern schießt und sich mit meinen Muskeln anfreundet.
    Mein Buch schlägt auf dem Steinboden auf, als ich aufspringe und mich wie eine Raubkatze, bereit zum tödlichen Angriff auf Draco zubewege, der scheinbar doch sehr verschreckt auf seinem Bett kauert, dicht an die Wand gedrängt.
    Die Wut löst ein sehr befriedigendes Machtgefühl in mir aus. Draco hat Angst, Angst. Und zwar vor mir. Aber dieses Mal nicht, weil ich ein Werwolf bin oder ein paar unschöne Narben habe. Sondern weil ich mich wehren kann.
    „Du bist ein Egoist, Draco Malfoy, “ schreie ich fast, „Und ein Feigling dazu! Und weißt du was? Du hast nichts, was irgendwie bedeutend wäre, nichts! Du hast alleine nichts drauf, brauchst immer wen anders, der die unschönen Dinge für dich erledigt, brauchst immer jemanden, der dich anhimmelt, damit du nicht merkst, nicht siehst, nicht spürst wer du bist, und damit meine ich DICH! Ich meine nicht dein Geld, deinen Palast oder deinen tollen Daddy, der dir alles gibt was du willst. Ich meine dich, deine Seele oder dein nicht vorhandenes Herz, nenn es wie du willst! Denk mal nach! Würden Pansy, Crabbe und Goyle und deine ganzen anderen falschen, erkauften Freunde noch im Entferntesten irgendetwas mit dir zu tun haben wollen, wenn du arm wärst, beschissen aussehen würdest, kein Zuhause hättest und deine Eltern einen schlechten Ruf hätten? Hm? Nein! Keiner von denen würde dich auch nur noch einmal ansehen. Und was tust du? Du verdirbst es dir mit den wenigen Menschen, die dich einfach so mögen, weil es gar nicht anders geht, die Menschen, die das Unmögliche schaffen: Deinen idiotischen Charakter kennen und lieben lernen.
    Du hast von jeher alles bekommen, was du haben wolltest, du musstest dir nie irgendetwas lange herbeibitten, alles hast du bekommen, alles. Und doch hattest du nichts, niemanden, der dich hingenommen hat wie du bist. Niemanden, der dich wirklich gesehen hat .
    Dein ganzes, bescheuertes Leben basiert auf Herumschleimerei, Geld, Fassade und Äußerlichkeiten. Und jetzt würde ich es sehr begrüßen, wenn du mich einfach in Ruhe lässt, wo ich doch so schlimm bin, dann rede doch einfach nicht mit mir! Ignorier mich halt! Aber hör verdammt noch einmal auf, dauernd deine versteckte Wut an mir auszulassen! Denn falls du es vergessen hast, ich war diejenige, die dir ein echt schmerzhaftes Schicksal erspart hat!“
    Damit drehe ich mich um, denn mir kommen gerade selbst die Tränen und ich weiß nicht einmal weshalb. Ohne den wie erstarrten Draco anzusehen, hebe ich mein Buch auf, lege mich mit dem Gesicht zur Wand wieder auf mein Bett und tue so, als würde ich den Abschnitt über Kniesel lesen.
    Die Lippen fest zusammen gepresst, damit ja kein Laut hervordringt starre ich die graue Wand an. Der Raum scheint sich zu drehen, mir ist ganz schwindelig vor Wut und Traurigkeit und Schreck vor mir selbst und allem zusammen.

    40
    „Warst du das?“
    Mir stockt der Atem. Hätte ich es nicht gewusst – Ich hätte Dracos Stimme nicht erkannt. Nicht die leiseste Spur von Hohn oder Spott oder Überheblichkeit. Er klingt...traurig.
    „War ich was?“ frage ich zurück. Ich habe Angst, wenn ich noch mehr spreche, bricht meine Stimme.
    „Warst du einer der Menschen, die mich...“ Er zögert. „Die mich...sehen?“
    Meine Worte, Draco verwendet meine Worte.
    Und er spricht in der Vergangenheit. Nein, will ich sagen, dass war ich nicht. Ich bin es. Doch ein kleiner Teufel in mir kann Draco nicht verzeihen. Also sage ich: „Ja.“
    Dann ist es wieder still.
    Doch außer dem Teil von mir, der Draco nicht verzeihen kann, ist da der andere Teil, der ihm verzeihen will.
    Die Wut ist längst wieder verschwunden und lässt mich verletzlicher als vorher zurück.
    „Ich will doch nur wissen warum“ sage ich leise, während, ich versuche, die Tränen zurückzuhalten. „Was habe ich dir getan, Draco? Ich kann ja verstehen, dass du Angst hast, wenn es auf Vollmond zu geht. Aber jetzt… Ich- ich weiß nicht, wieso...Ich… Wäre ich nicht gewesen, wärst du jetzt auch ein Werwolf, Draco.“
    „Ich habe dich nicht gebeten, den Helden zu spielen.“ Seine Stimme klingt wieder kalt wie eh und je. „Nein“ antworte ich, auf einmal wieder ruhig, „Aber ich habe dir trotzdem geholfen, von mir aus. Du musstest mich nicht dazu auffordern. Und ich wollte auch nicht den Helden spielen, wie du es ausdrückst. Da war nur dieser Gedanke in mir, dass du schon genug ertragen musstest, dass du schon genug verloren hattest. Aber dadurch, dass ich dir helfen wollte, habe ich alles verloren, was ich gerade noch hatte.“
    Und weil Draco Malfoy wohl oder übel immer noch Draco Malfoy ist, erhalte ich keine Antwort.

    „Gut. Dann kann bestimmt auch jemand sagen, was man beachten sollte, wenn man beispielsweise einen Goldfisch in einen Puma verwandeln möchte? Irgendwelche Freiwilligen?“
    McGonagalls scharfer Blick wandert über die Reihen von interessenlosen Schülern. „Mr Malfoy! Wie steht es mit Ihnen? Können Sie, anstatt Ihren Zauberstab zu polieren, meine Frage beantworten?“ Draco, eine Reihe vor mir, hebt ruckartig den Kopf. Selbstverständlich hat er es nicht nötig, sich irgendwie am Unterricht zu beteiligen, was ziemlich schade ist, Draco ist an sich nicht dumm. Doch auch ein Malfoy schrumpft unter McGonnagalls Blick. „Ich- Was denken Sie denn“ schnarrt er, „Natürlich kann ich das! Ist doch total einfach! Ein Fisch und- äh-“
    „Man sollte sich auf die Atemwege konzentrieren, “ flüstere ich, um der alten Zeiten Willen. „Man muss sich auf die Atemwege konzentrieren, weil-“
    „Wenn man's nicht tut, hat man am Ende einen Puma mit Kiemen, weshalb er nicht allzu lange leben könnte“ beende ich leise den Satz, und wieder spricht Draco mir nach.
    McGonnagalls Blick ist unbezahlbar.

    Nach dem Unterricht begebe ich mich direkt in die Bibliothek. Ich will niemanden sehen.
    Frustriert wie gereizt grabe ich mich durch einen Stapel an Büchern über Animagi, das neue Thema in Verwandlung, auf das wir uns vorbereiten sollten.
    Irgendwo muss doch stehen, wie das Ministerium die Animagi von normalen Tieren unterscheiden kann!
    Ein Stuhl wird zurückgeschoben, jemand setzt sich zu mir. Doch ich blicke nicht auf.
    „Hilfe gefällig?“
    Ich bin drauf und dran, ein bissiges „Nein!“ als Antwort zu geben, doch mir bleibt die Luft im Hals stecken. Das ist Draco.
    „Keine von dir“ erwidere ich nach ein paar Sekunden unangenehmer Stille.
    „Sieht aber so aus.“
    „Schön“ sage ich schließlich genervt, „Ich geh kurz zur Bank, hole ein paar Galleonen die ich dir dann als Dankeschön geben müsste. Ich kann mir nämlich nur vorstellen, dass du ausgerechnet mir irgendwie helfen willst, entweder wegen Geld, oder du hast eine Wette verloren. Das tut mir ja schrecklich Leid und so für dich, aber ich habe besseres zutun, als mich mit irgendwelchen arroganten Malfoy-Idioten herumzuschlagen, verstanden?“
    Es bleibt einige Minuten still, in denen ich ein paar Seiten lese, ohne den Sinn zu verstehen. Dracos Präsenz ist fast körperlich spürbar.
    „Du denkst, ich bin wie mein Vater.“ Es ist eine verbitterte, fast schon beleidigte Feststellung keine Frage. „Nein“ antworte ich ehrlich – und bin selbst überrascht davon, „Doch ich glaube, dass du auf dem besten Weg bist, haargenau so zu werden.“
    ~
    Ohne ein weiteres Wort stehe ich auf und verlasse die Bibliothek. Sowas muss ich mir nicht bieten lassen.
    Ich bin erleichtert, wie leer und still alle Korridore sind, was natürlich an Snapes neuen Regeln liegt. Gleichzeitig fühle ich mich seltsam gefangen. Früher war Hogwarts ein Ort, an dem sich eigentlich jeder wie zu Hause fühlen konnte. Aber das war, bevor Dumbledore starb.
    Ich halte wieder den Zauberstab in der Hand, bin wieder auf dem Astronomieturm. Ich sehe zum zweiten Mal, wie Snape sich gegen Dumbledore richtet, sehe wieder, wie alles Leben aus dem alten Mann weicht, er stürzt…
    Verwirrt starre ich aus dem Fenster, gegen das nun ein stetiger Regen trommelt. Wo bin ich eigentlich? Sieht aus wie der zweite Stock.
    War ich gerade ehrlich traurig wegen Dumbleodres Tod?
    Das kann nicht sein. Unmöglich. Ich bin wohl einfach etwas müde. Genau, daran wird es liegen.

    41
    „Mr Malfoy, was treiben Sie hier?“ Alamiert fahre ich herum, die Finger in der Tasche schon um meinen Zauberstab geschlossen, doch es ist nur Snape.
    Nur ist gut.
    „Ich, ähh- Ich war bloß ein bisschen in Gedanken. Ist das jetzt auch noch verboten, oder wie?“
    Snape mustert mich kühl. „Sie als Schulsprecher haben einige Pflichten, die es zu erfüllen gibt. Fall Sie überhaupt eine Ahnung haben, was das ist.“
    Verflucht, ich kann das nicht mehr hören! Hallo, irgendwer hier, der noch nicht an mir rumgemeckert hat? Soll ich noch schnell eine Liste schreiben, mit ein paar Stichpunkten, was es an mir noch auszusetzen gibt?
    Dem dunklen Lord bin ich nicht gut genug, Vater verabscheut mich sowieso, Mutter macht mir Vorwürfe wegen Isa, die die Schlimmste ist von allen, weil ich in ihren Augen eh bloß ein verblödeter Nichtsnutz bin, der außer Geld nichts hat, und jetzt noch Snape!
    Weit weg von hier, weg von alldem, von all dem Stress und den Problemen. Das wäre wirklich mal schön.
    „Mr Malfoy!“ reißt Snape mich aus meinem bitteren Gedanken, „Hören Sie mir gefälligst zu, wenn ich mit Ihnen rede! Ich war soeben dabei, Ihnen einige Dinge zu erläutern, die Ihre Aufgabe wären. Doch wenn Sie mir nicht zuhören, ist das Ihre Sache. Wenn Ihnen das nächste Mal auf so nichtsnutzige Art wie heute langweilig ist, schauen Sie einfach in meinem Büro vorbei, dort lässt sich doch sicher eine nette kleine Aufgabe finden. Für jetzt könnten sie die erste Klasse bei ihren Hausarbeiten überwachen. Schönen Tag noch“ beendet Snape seine Rede gegen mich – die zweite in zwei Tagen – und rauscht davon.

    Die Tage schleppen sich langsam und zäh dahin, bald verliere ich das Gefühl dafür, wie lange ich schon hier fest sitze. Es fühlt sich an, als würde ein komlettes Halbjahr verstreichen, dabei sind es bloß drei ½ Wochen.
    Fast beneide ich die Muggelkinder darum, dass sie nicht nach Hogwarts müssen.
    In dem neuen Fach 'Die dunklen Künste' geht es hauptsächlich darum, Erst- und Zweitklässler, die gegen Regeln verstoßen haben, den Crutiatus aufzuhalsen, unterrichtet wird von den Carrows, Bruder und Schwester mit viel Gefallen an den Unverzeilichen. Die Meisten sind schlau genug, das auch zu tun, viele haben sogar Spaß daran. Das sind immer solche Idioten, die keine Väter haben, die Todesser sind. Doch es gibt immer einen Esel, der zu störrisch ist, sich anzupassen. Wie in dem Fall vor einer Woche.

    „Nein. Ich bekomme das sowieso nicht hin.“
    Der Erstklässler, der in Zaubertränke etwas zu laut über eine Bemerkung seines Freunds gelacht hat, beobachtet eingeschüchtert die Auseinandersetzung zwischen Isa und Alecto Carrow. „Du wirst das jetzt machen!“ keift Carrow mit ihrer schrillen Stimme.
    „Wieso? Ich gebe von Anfang an zu, dass dieser Zauber nicht meine Stärke ist.“
    Ich wende den Blick ab und mustere die Tischplatte vor mir. Doch man kann keine Geräusche übersehen.
    Als ich wieder hochschaue, presst sich Isa die Hand an die rote Wange. „Wenn du eben nicht willst, dann...“ Carrowas Blick wandert durch die Reihen – und bleibt an mir hängen. „Malfoy!“ Sie winkt mich nach vorne. Widerwillig stehe ich auf. Es kommt mir so vor, als würden etliche Gewichte an meinen Füßen hängen. Jeder Schritt weiter nach vorn kommt mir ewig vor. Bei Carrow und Isa angekommen stelle ich mich dumm, als wüsste ich nicht, was ich jetzt tun soll.
    „Heute noch!“ raunzt Carrow.
    Etwas hilflos zücke ich meinen Zauberstab.
    Isa starrt mich ungläubig an. Unsicher blicke ich von ihr zu Carrow, die wie ein wütender Pitbull wirkt.
    Ich wende mich wieder Isa zu. „Das wirst du nicht tun“ sagt sie leise. Habe ich eine andere Wahl? Ja, tadelt eine kleine Stimme in meinem Kopf. Weigere dich doch auch! Ein Blick zu Carrow genügt, um mir die Entscheidung abzunehmen.
    Langsam, wie im Traum, hebe ich die Hand und deute mit meinem Zauberstab auf Isa. Ein Wort, beschwöre ich mich, du musst nur ein Wort sagen, ein bisschen Magie wirken lassen, mehr nicht, na komm schon, du Idiot! Mach endlich was! Los, denk daran, was sie letztens zu dir gesagt hat, mach, los, tu es doch einfach!
    Isa schaut mir direkt in die Augen.
    Feigling, denke ich, jeder sollte mal den Helden spielen, also weigere dich einfach!
    Idiot, denke ich, sie ist keine Freundin, Isa mag dich nicht, also was hindert dich daran, sie einfach zu verfluchen?
    Verdammt, entscheide dich!

    42
    „Mach jetzt!“ meckert Carrow weiter, „Dieses Jahr noch! Ansonsten bist du dran!“
    Ich schließe die Augen, um es nicht mitansehen zu müssen. Den Zauberstab immer noch in Isas Richtung, die keine Anstalten macht, sich zu wehren.
    „Crucio“ flüstere ich, ohne weiter darüber nachzudenken.
    Ein dumpfer Aufschlag sagt mir, dass ihre Beine den Dienst versagt haben müssen.
    Als ich dann doch hinsehe, liegt Isa krampfhaft zuckend zu meinen Füßen, die Faust vor den Mund gepresst, das Gesicht zu einer Maske des Schmerzes verzerrt. Wie durch ein Wunder schafft sie es, die Augen zu öffnen und mich anzusehen.
    Ich kann den Blick nicht von ihr abwenden, bis ein lautes Klappern mich aus dem Bann reißt.
    Verwirrt schaue ich mich um. Vereinzelt wird in den Reihen unterdrückt gekichert, wobei sämtliche Blicke auf mir lasten.
    Sogar Isa starrt mich an, überrascht wie misstrauisch.
    Ich könnte mir glatt den Fluch selbst aufhalsen, so dumm bin ich.
    Erst nach zehn Sekunden bemerke ich, dass mir doch tatsächlich der Zauberstab aus der Hand gerutscht ist. Mit heißem Gesicht vor Verlegenheit hebe ich ihn auf, drehe mich um und flüchte aus dem Klassenzimmer in den Kerker für Schulsprecher, wo cih für den Rest des Tages bleibe.

    Bei der Erinnerung an den Tag sinkt der Stand meiner Laune noch weiter. Ich sehe missgelaunt auf die Uhr, es ist kurz vor neun. Noch eine Stunde muss ich in diesem öden Klassenzimmer herumsitzen, und die zweite Klasse bei den Hausaufgaben bewachen.
    Draußen, vor den Fenstern ist es bereits düster.
    Ein paar Winzlinge vor mir heben den Kopf und starren an mir vorbei. Zwei flüstern sogar neugierig. Misstrauisch blicke ich mich um – und entdecke die Eule meiner Mutter, die aufgeplustert gegen den Wind vorm Fenster hockt und mich missbilligend beäugt.
    Merkwürdig. Normalerweise wird die Post erst von den Lehrern durchsucht, die einem dann die genemigten Sachen geben. Imerhin etwas Ablenkung.
    Ich mahne die Schüler noch einmal zu arbeiten, öffne dann das Fenster um den Brief, der am Bein der Eule hängt, los zu machen. Offenbar erwartet Mutter keine Antwort, denn kaum halte ich das Pergament in den Händen, stürtzt sich die Eule wieder in die Nacht.
    Nach einem prüfenden Blick über die Schüler beginne ich zu lesen. Der Brief beginnt schonmal sehr interessant.

    Guten Abend, Draco.
    Sicher wunderst du dich, weshalb du den Brief erst so spät erhälst. Das hat folgenden Grund:
    Der Inhalt ist recht persönlich, sollte nicht in falsche Hände geraten und dein Vater Lucius darf unter gar keinen Umständen davon erfahren.

    Misstrauisch halte ich inne. Mutter schickt mir einen Brief, von dem Vater nichts erfahren darf? Seltsam. Mit gerunzelter Stirn lese ich weiter.

    Ich möchte dich hiermit bitten, die Möglichkeiten zu leben die du hast einmal zu überdenken.
    Ich muss dich wohl nicht daran erinnern, wie knapp du dem Tod entkommen bist, dank deinem Vater. Aber nicht nur du hattest das Glück, weiterleben zu dürfen.
    Ich kenne dich gut genug, um mir darüber im Klaren zu sein, dass du mir oder einer anderen Person gegenüber nie die ehrliche, und gewissenfrei wahre Antwort von dir selbst bezüglich der Frage, die ich zwei Zeilen weiter erläutere, eingestehen würdest. Doch bitte denke einmal nach, ob du dich selbst belügen möchtest. Wähle deine Entscheidung für sich selbst, doch sei ehrlich.
    Hättest du in der Nacht, in der dein Vater dich und Iris-Isabelle rettete, die Schuld größtenteils auf dich genommen, wärest du zum Werwolf geworden. Wenn dies geschehen wäre – würde Iris-Isabelle dich abstoßen?

    Hier endet der Brief, ohne jegliche Form der Verabschiedung oder die eines abgerundeten Endes. Die Frage bleibt offen.
    Mutter hat recht, was mich betrifft. Nie, und wenn es um mein Leben ginge, würde ich einer anderen Person gegenüber gestehen, dass Isa mich vollkommen anders behandeln würde. Dafür bin ich viel zu Stolz. Und was ist mit mir? Bin ich es mir wert, dass ich wenigstens zu mir selbst ehrlich bin?
    „Ich habe doch gesagt, dass ich heute-“ „Klappe! Keine faulen Ausreden jetzt!“ „Fragen Sie Professor Snape! Der wird es bestätigen können!“ „Der Schulleiter hat weitaus Wichtigeres zutun, als sich mit störrischen Schülern zu beschäftigen!“
    Die Tür schlägt auf.
    Alectos Bruder stößt Isa in den Raum. „Und jetzt mach gefälligst, was man dir sagt!“ Damit ist er weg. Was ist denn hier los?
    Die Zweitklässler blicken einander verwirrt an, und auch ich verstehe nichts. Isa begegnet meinem Blick. „Ich muss dir mit den Kleinen hier helfen, weil ich gerade nicht beschäftigt bin. Aber heute-“ Ihr Blick wandert kurz zum Fenster, doch sie schaut rasch wieder weg.
    Was ist heute?
    Plötzlich, als die Kerzen im Raum von hellerem Licht überflutet werden, begreife ich.
    Sofort bin ich hellwach und aufs Höchste alamiert.
    „Hey, ihr da, ihr Winzlinge, ihr geht hier raus, verstanden!“ Ich springe auf. „Ich kann euch das jetzt nicht erklären, aber ihr müsst sofort hier raus. Lasst eure Sachen einfach hier, geht raus, in ein anderes, freies Klassenzimmer, oder sonst wo, wo ihr nicht stört. Achja, einer muss irgendeinen Lehrer holen. Nein – nicht irgendeinen. Einen vernünftigen, das heißt, kein Carrow oder jemand der so drauf ist, macht schon!
    Eins muss man den Kleinen lassen: Obwohl sie keine Ahnung haben weshalb, sind sie begeistert bei der Sache, die Arnbeit stehen und liegen zu lassen.
    Ich blicke wieder auf den Brief . „Schließt die Tür, wenn ihr raus seid“ sage ich noch.
    Zwei Sekunden später höre ich nur noch gedämpft die Stimmen, dann ist es still. So still, als würde selbst der Wind mit einem Schlag die Luft anhalten.
    Langsam drehe ich mich wieder zu Isa um, während ich mich frage, ob mein Herz noch schlägt oder bereits stehen geblieben ist.
    Sie steht da, die Hände ans Fensterglas gedrückt und starrt wie hypnotisiert durch die Wolken den Vollmond an.
    „Isa.“
    Sie wirbelt herum. Als sie mich erkennt, verschwindet das Animalische für einen Moment.
    „Draco! Du musst-“ Sie erstarrt.
    Sicherheitshlaber weiche ich bis ans andere Ende des Klassenzimmers zurück.
    Bei dem was dann geschieht, würde ich mir am liebsten wie ein kleines Kind die Augen zuhalten.
    Isas Augäpfel scheinen sich nach innen zu drehen, bevor sie nocheinmal normal aussehen. Doch dann beginnt die Verwandlung.
    Die Iris dehnt sich aus, bis alles Weiße verschwunden ist, Isas Augen werden dunkel, als würde man schwarze Tinte hineinfließen lassen. Ihr Körper verzerrt sich, die Gliedmaßen verändern ihre Struktur und sie scheint sich zusammenzuziehen. Silbriges, bisweilen auch schwarzes Fell breitet sich aus – und dann ist sie hinter den Tischen aus meinem Blickfeld verschwunden.
    Sie ist kein Werwolf, sage ich mir, nicht wirklich, sie ist nur ein Wolf, ein ganz normaler Wolf, nichts weiter. Keine Bestie, nur ein normales Tier.
    Und sie hat vergessen, wer sie ist.

    43
    Möglichst leise gehe ich Schritt für Schritt wieder nach vorn, jetzt schlägt mein Herz definitiv.
    Nur zwei Meter von mir entfernt kauert ein zierlicher Wolf mit silbrigem Fell und ein wenig schwarz. Die Panik des Tiers ist beinahe körperlich spürbar. Das muss ein wirklich angsteinflößendes Gefühl sein, nicht zu wissen wer und wo man ist.
    Zu meiner Verwunderung wirkt die Wölfin (sagt man das so?) nicht aggressiv, mehr verschreckt. Sie starrt mich aus großen, dunklen Augen an. Zögerlich strecke ich eine Hand aus.
    Die Wölfin – Isa – bleckt knurrend zwei Reihen großer, weißer, scharfer Zähne.
    Erschreckt mache ich einen Satz zurück.
    Angst, sie hat nur Angst vor mir, wahrscheinlich mehr als ich vor ihr.
    „Bin ich so furchteinflößend?“ sage ich leise zu dem Wolf. Als Antwort bekomme ich nur ein weiteres Knurren.
    „Was genau tue ich hier eigentlich?“ frage ich mich laut, während ich mich vorsichtig hinknie, nur zwei Meter von einem Wolf entfernt. Mir ist fast schlecht vor Angst, und trotzdem bleibe ich da.
    Isa ist nur ein Wolf, erinnere ich mich, sie tut dir nicht grundlos irgendetwas an, also entspann dich mal!
    Isa legt den Kopf schief und ich sehe, wie langsam die Angst vergeht, jetzt, wo ich auf einer Augenhöhe mit ihr bin.
    Immernoch misstrauisch, doch auch auf eine seltsam vertraute Art neugierig macht Isa in Wolfsgestalt einen Schritt zu mir. Als ich keine Anstalten mache, sie anzugreifen, noch einen. Und so geht das weiter, bis sie direkt vor mir steht.
    Isa mustert mich interessiert wie ein fremdartiges Ausstellungsstück. Dann, nach langem Zögern, setzt sie sich.
    Vorsichtig, noch langsamer als beim ersten Mal, strecke ich ihr meine Hand entgegen. Wie erwartet macht sie wieder einen Schritt zurück, bleibt jedoch bei mir stehen.
    (Achja, bevor da draußen irgendein schlauer Ober-Tierkenner auf die Idee kommt, rumzugackern, weil von wegen Wölfe vertrauen nieee so schnell einem Menschen und sowieso generell eigentlich gar nicht und Tiere generell überhaupt auch nicht und BLABLABLA…...:
    1. Das ist eine FF, kein Sachbuch
    2. The Magic never ends
    3. Isa ist ja nichtmal 'n richtiger Wolf, sie hat nur kurzzeitig vergessen, dass sie ein Mensch ist, steckt im Wolfskörper fest und sie denkt dass sie ein Wolf ist. Sie ist definitiv nicht mit Wölfen aufgewachsen, kann daher selbstverständlich keine identischen Verhaltensmuster präsentieren. Außerdem hat sie ja auch noch ein paar menschliche Charakterzüge.
    So, ich hoffe mal, alle können damit leben:))
    Plötzlich kracht die Tür auf.
    „Du meine Güte!“
    „Was tun Sie da?“
    „Oh je!“
    „Um Himmels Willen, Mr Malfoy! Was wird das?“
    Während Isa sich knurrend unter einen Tisch verzieht, stehe ich auf und blicke die vier Lehrer und den Zweitklässler an, die in der Tür stehen.
    Professor Slughorn fächelt sich etwas Luft zu, Flitwick scheint einem Herzinfarkt nahe, Snape sieht wie immer ziemlich gleichgültig aus, im Gegensatz zu McGonnagall, die sich mal wieder überaufregt.
    Ich werfe dem Zweitklässler einen bösen Blick zu. „Es war nicht nötig, gleich die halbe Lehrerschaft zu versammeln!“ „Mr Thomson hat vollkommen vernünftig gehandelt, im Gegensatz zu Ihnen, Mr Mafloy!“zetert McGonnagall.
    Der Winzling verschwindet, und ich bin mit den Lehrern allein. Und mit Isa.
    Slughorn wiederholt sein „Du meine Güte“ noch zwei oder drei Mal, als Isa -Wolf neugierig schnuppernd unter dem Tisch hervorlugt.
    „Mr Malfoy!“ Innerlich verdrehe ich die Augen. Wie oft will McGonnagall noch meinem Namen sagen? „Sie hätten ernsthaft verletzt werden können!“
    „Wenn ich Sie kurz korrigieren dürfte, Frau Kollegin“ wendet sich Snape mit leicht spöttischem Unterton an McGonnagall, „Greenskape kann, selbst in ihrem aktuellen Zustand keinen anderen Menschen verwandeln, dafür habe ich persönlich gesorgt.“ „Und überhaupt“ unterbreche ich gereizt „Ist sie nicht gefährlich.“
    „Nich' gefährlich?“ dröhnt Slughorn, „Das müssen Sie mir erstmal erklär'n mein Junge!“
    Ich bin kurz davor, die Lehrer auf recht unhöfliche Art und Weise anzublaffen, verflucht noch einmal leiser zu sein. „Das liegt daran“ sage ich mit bemüht ruhiger Stimme, „Dass, wie Snape bereits erläurtert hat, Isa verdammtnoch einmal kein richtiger Werwolf ist! Professor Snape, meinte ich.
    Deshalb tut sie auch nichts, solange man selbst ihr auch nichts tut.
    Klar soweit?“
    Snapes Stimme strotzt nur so vor Spott, als er wie üblich leise und doch mit so deutlicher Stimme seinen Kommentar abgibt. „Welch eine Ehre, dass wir Anwesenden noch erleben dürfen, wie Mr Malfoy sich für ein Tierwesen einsetzt...“
    Ich merke, wie mir das Blut ins Gesicht schießt. Gottseidank ist es nicht sehr gut erleuchtet im Raum.
    „Isa ist nicht irgendein Tierwesen, wie Sie es ausdrücken, wie lange muss ich das noch erklären?“
    „Ich denke“ sagt McGonnagall spitz, „Dass Sie nun schlafen sollten. Keine Widerrede“ fügt sie hinzu, „Sie sind definitiv übermüdet.“

    44
    Ich liege mit dem Gesicht zur Wand, als die Stimme erklingt und mich aus dem Schlaf reißt.
    „Ich erinnere mich.“
    In einem Kerker ist es schwer zu sagen, ob es Tag oder Nacht ist, doch meine schmerzenden Glieder sagen mir, dass ich sehr lange geschlafen haben muss.
    „An letzte Nacht.“ Ich antworte nicht. Ich schlafe einfach noch. Ganz genau, ich kann Isa jetzt nicht antworten, weil ich sie gar nicht höre und noch Schlafe. Aufschiebung war schon immer der beste Weg, Problemen aus dem Weg zu gehen.
    „Ich habe den Brief gelesen. Du hast ihn fallen lassen. Und dann habe ich ihn gelesen, nachdem...ich wieder ich war.“
    Oh Gott, bitte nicht. Verdammt, es ist kein schönes Gefühl, dass Isa weiß wie meine Mutter mich manchmal zurechtweist. Also stelle ich mich weiterhin schlafend.
    „Sag ihr bitte bei Gelegenheit, dass ich Isa heiße. Iris-Isabelle“, ich kann förmlich hören, wie sie das Gesicht verzieht, „Ist eine andere Person. Ach, und Draco, ich glaube dir kein bisschen, dass du schläfst.“ Du hast keine Beweise.
    „Wenn du trotz meines Geredes nicht aufgewacht bist, musst du echt im Tiefschlaf liegen.“ Korrekt.
    „Ich bin ja der Meinung, du solltest es lieber genießen, dass du ausnahmsweise frei hast.“
    „Ich habe frei?“ Die Frage ist raus, bevor ich genauer nachdenke. Verfluchter Reflex.
    „McGonnagall hat's veranlasst, und Snape interessiert sich nicht sonderlich dafür. Ich glaube mal, die Lehrer wollten uns nur nicht in ihrem Unterricht haben.
    Also, eigentlich hat McGonnagall nur mich freigesprochen, aber Flitwick hat darauf bestanden, dass ich mein 'Trauma' nicht allein verarbeiten soll.“ Isa lacht leise. „Ist das so lustig?“ frage ich widerwillig. Jetzt ist eh zu spät.
    „Recht amüsierend, ja, dass Flitwick dich als meinen Therapeuten anheuert. Ich denke nicht, dass das ein Job ist, der für dich passt.“ „Hm.“
    Isas Blick lastet auf mir, trotzdem drehe ich mich nicht um. Was soll ich jetzt tun? Was soll ich sagen, wie verhalten?
    Ich bin vielleicht intelligent, habe Talent fürs Fliegen, und dass ich reich bin erfüllt noch längst nicht alle meine Vorteile. Keine Frage, ich bin ziemlich genial, nur was kann ich dafür, wenn mir nie jemand gesagt hat, wie man sich in wichtigen, und ich meine wirklich wichtigen, Dingen entscheiden soll? Keine materiellen Dinge, oder Arbeitsangelegenheiten. Nicht etwas für andere entscheiden oder generelle Richtlinien bestimmen.
    Sich bei etwas entscheiden, für sich selbst? Wie soll das gehen, wenn man sowas nie gezeigt bekommen hat? Woher soll ich wissen, was ich sagen soll, wenn niemand mir irgendetwas vorschreibt?
    Und ich dachte, Voldemort wäre kompliziert.
    „Draco? Ich war geh gleich zu Slughorn. Ich… Naja, ich will nicht, dass es noch einmal so eine Situation gibt, wie letzte Nacht. Ich frage ihn, ob ich – oder du, wie du willst – umziehen kann. Dann musst du nicht mehr mit einem W-“ „Nein!“ Abrupt setze ich mich auf.
    Isa kniet auf ihrem Bett mir gegenüber, die Schultern erschrocken hochgezogen, wie um sich zu verstecken. Mit großen, fragenden Augen blickt sie mich an. „Was…?“
    Die Handlung kommt mir seltsam bekannt vor, als ich aufspringe und zum Reden ansetze, nur diesmal aus ganz anderer Sicht als vor einiger Zeit noch.
    „Kapier's endlich mal und hör gefälligst auf, die dauernd für irgendwas die Schuld zu geben!“
    Nebenbei merke ich, dass ich weitaus wütender klinge, als ich mich fühle. Vielleicht bin ich gerade auch einfach nur zu abgelenkt.
    „Macht dir das eigentlich Spaß? Dich dauernd selbst schlechtzureden, immer deine verfluchten Fehler herauszuheben? Weißt du was? Deine Fehler interessieren mich einen Scheiß!
    Aber einer deiner größten Fehler ist, Personen, mit denen du viel zu tun hast, und dich selbst, ganz besonders dich selbst, nach jedem Fehltritt direkt zu verurteilen! Du kannst dich nie entscheiden, ob du das Tun von sonst wem gut oder schlecht findest! In einem Moment liebst du mich, dann mache ich was falsch, weil ich es nicht besser weiß oder nicht kann, dann bin ich für immer und ewig jemand, den du verabscheust. Doch dieses immer und ewig geht nur, bis ich dann mal doch ausnahmsweise was richtig mache. Aber du hast die Fehler von jedem immer im Hinterkopf. Du wägst die guten und die schlechten Dinge, die eine Person tut, wie auf einer Waage gegeneinander auf. Aber verdammt, wenn du jemanden wirklich magst, sollte es dir egal sein, ob der oder die vielleicht aktuell mehr Bescheuertes um sich geworfen als etwas, das dir gefällt.
    Oder mal daran gedacht, dass du nicht immer Schuld bist? Sobald irgendetwas in deinem oder meinem bescheuerten Leben verrutscht, gibst du dir schuld! Verflucht, ist das alles dir noch nicht schon schlimm genug? Mir ist bewusst, dass ich derjenige sein sollte, der etwas mehr Gewissen aufbaut. Aber das wäre wieder nicht ich. Und du, Isa, du hättest sowas von am wenigsten Grund, dauernd bei dir die Schuld zu suchen! Du hast so viele richtige Entscheidungen getroffen, manchmal Sachen, die ich nie hinbekommen hätte, weil sie mir einfach zu umständlich wären, aber du-“
    Was rede ich da eigentlich? Wie bescheuert hört sich das bitte an? Es ist zwar das, was ich denke, aber so ausgesprochen…?
    „Versuch's einfach mal damit, mach alles etwas mehr wie ich. Hör auf, immer allen alles sein zu wollen. Das schaffst du nämlich nicht. Das kannst du nicht. Niemand kann das.“

    45
    Etwas verlegen lasse ich mich auf mein Bett zurücksinken. Ich muss mich angehört haben wie ein kompletter Idiot. Wieso konnte ich mich nicht einfach still und für mich ärgern?
    „Das liegt vielleicht daran, dass ich für alles verantwortlich gemacht werde.“ Isas Stimme ist vollkommen ruhig, doch ich höre ein leichtes Beben heraus. „Ach ja?“ entgegne ich hitzig, „Wofür habe ich dich beispielsweise verantwortlich gemacht?“ „Das weißt du so gut wie ich!“
    Ohne es so wirklich zu wollen, sehe ich sie an. „Falls du das mit dem Werwolf meinst: Ich habe dich für gar nichts dabei verantwortlich gemacht!“ Ich weiß zwar was sie meint, doch wie gesagt, Aufschiebung ist bei unangenehmen Dingen immer noch am besten. Als es still bleibt, wird mir bewusst, dass es schwierig werden könnte, noch länger irgendetwas aus dem Weg zu gehen. „Du sagst, du erinnerst dich“ bringe ich mühsam über die Lippen, „Also, nach dem was gestern passiert ist, kannst du mir gar nichts mehr vorwerfen.“
    „Nein“ antwortet Isa langsam, „Theoretisch nicht. Aber warst nicht du selbst eben noch der Meinung, ich sollte nicht nach einzelnen Taten hin und her überlegen, sondern mich beim Generellen entscheiden, wen ich mag und wen nicht?“
    Ihre Worte sind schmerzhaft. Also hat sie sich entschieden, mich zu hassen.
    Es ist ein wirklich fremdes und seltsames Gefühl, wie sehr ich mir wünsche, dass jemand mich aufrichtig mag. Nein, nicht jemand. Isa.
    „Ich habe Angst, Draco.“
    Verwundert schaue ich auf. Isa blickt mich ratlos an. „Selbst wenn… Also, mal angenommen, du würdest mich wirklich mögen. Was wäre denn, wenn ich dich oder jemand anders angreifen würde bei Vollmond? Dann wäre ich wieder nur das Monster. Oder was, wenn wir diesen verfluchten Krieg wirklich überleben? Wenn… Du weißt schon. Wenn irgendwann doch alles gut ist und wir beide noch leben. Auch wenn er dich und damit mich gerettet hat – würde dein Vater jemals zulassen, dass wir irgendwie zusammen sein könnten? Außerdem, sieh mich doch an! Die ganzen Narben...“
    Schlagartig wird mir etwas bewusst. Ich denke nicht, dass es jetzt an Isa ist, sich zu entscheiden. Ich bin dran.

    46
    Nicht darüber nachdenken, beschließe ich, ist vielleicht bei dieser Sache besser, wenn ich antworte ohne mein Gehirn zu verwenden. Trotzdem brauche ich lange, bis ich mir ein paar Worte zurechtgelegt habe. Ich schaue wieder auf die Decke vor mir.
    „Snape hat gesagt, dass du niemanden verwandeln kannst. Selbst wenn… Nicht dass ich es so toll finden würde aber es ist kein...ist nicht der Weltuntergang.
    Was meinen Vater betrifft...sollte das hier irgendwann vielleicht doch mal vorbei sein und wir immer noch...jedenfalls, dann heirate ich dich eben bevor er mir das verbieten kann. So wenig, wie der sich für mich interessiert… Könnte ich schon schaffen.
    Was deine Narben und so weiter betrifft...wenn's wirklich so schlimm ist, kann ich zur Not auch einfach die Augen zumachen.“
    Okay, vielleicht nicht die taktvollste Art. Ich traue mich kaum, wieder aufzusehen. Entweder Isa heult jetzt gleich wieder rum oder flippt wieder mal aus oder… Nein. Einfach nein. Das ist doch nicht ihr Ernst! Das kann Isa nicht machen, ich glaube es nicht! Wie unhöflich ist das denn bitte?
    Beleidigt schaue ich sie an, wie sie den Kopf zurückgelegt hat, an die Wand gelehnt dasitzt und ... schläft.
    „Das ist nicht dein Ernst, oder? Bitte sag, dass du nur so tust.“ Es bleibt ruhig.
    Leise stehe ich auf, durchquere den Kerker mit wenigen Schritten und setze mich vorsichtig zu ihr.

    47
    ~
    Ich traue mich fast gar nicht, die Augen wieder zu öffnen. Ich wette, dass Draco unglaublich beleidigt ist, wenn er merkt, dass ich eben mal eingeschlafen bin, wodurch ich leider nur einen Teil seines Geplapperes mithören konnte.
    Vermutlich wäre es besser, gleich zuzugeben, dass ich nicht mehr schlafe, doch es ist so schön, einfach seinem leisen Atem dicht bei mir zu lauschen, nichts sonst. Nichts sonst tun, hören, sehen, spüren.
    Dieser eine Moment scheint so viel Wert zu haben, in unserer eigenen, kleinen Welt, in der es niemanden und nichts gibt als uns beide zusammen. Für den Augenblick ist das Leben schön.
    Gerade jetzt fällt mir etwas ein, was ein sehr wunderbarer Mensch mal zu mir gesagt hat, vor sehr langer Zeit: 'Das Leben ist immer schön, auch, wenn wir es gerade nicht sehen können. Und wenn dein Leben gerade mit seinen Ecken und Kanten auf dich einschlägt, denk daran: Irgendwo auf dieser Welt hat dafür jemand anderes einen Regenbogen-Einhorn-Glitzerlichtzauber-Sonnenstrahl anhimmeln-Gänseblümchen-Honigkuchenpferd-Moment. & #039; (Mal so nebenbei, der wunderbare Mensch existiert wirklich, und das hat er, also sie, auch mal wirklich zu mir gesagt. Sie weiß, dass sie gemeint ist. Also...Das hoffe ich zumindest mal, so verpeilt wie sie sein kann:) Sorry, musste einfach mal erwähnt werden.)
    Bei der Erinnerung aus einem scheinbar ganz anderen Leben muss ich lächeln. Eigentlich ist es traurig, doch es war so schön… In den wenigen Sekunden, die ich so tue, als würde ich schlafen, damit ich einfach nur da sein und Draco, der neben mir sitzt, beim Atmen zuhören kann, geht mir unendlich viel durch den Kopf.
    In einer Zeit, bevor das alles angefangen hatte, das ganze Drama, die ganzen Probleme, dieser ganze halbe Weltuntergang, hatte ich eigentlich eine doch sehr schöne Zeit. Sogar eine richtige Kindheit. Gut, zu meinem Vater hatte ich noch nie ein Traum-Verhältnis, doch meine Mutter lebte noch, Voldemort wieder nicht und alles war gut. Ich erinnere mich noch an den Tag, an dem meine damals beste Freundin Jill Dungen kennenlernte, die einmal diese schönen Worte zu mir gesagt haben würde. Ich war gerade einmal fünf und sie sechs. Mein Vater nahm mich damals oft mit ins Ministerium zu seiner Arbeit, da meine Mutter eine lange Zeit schwer krank war und nicht auf mich achten konnte. Den Hauselfen traute er diesen Job nicht zu. So kam ich mit.
    Ich langweilte mich schrecklich dort, eines Tages also, während Vater mit ein paar anderen wichtigen Erwachsenen, die ich damals für absolut alt und doof hielt, ein Gespräch hatte, schlüpfte ich durch die Tür des Konferenzraumes auf den Korridor.
    Ich kam mir ungeheuerlich mutig und abenteuerlich vor, wie ich mit meinen fünf Jahren alleindurch das Zaubereiministerium stiefelte und mich hinter den Wandteppichen vor den Erwachsenen versteckte. Aber ich war klein und dumm, und was hätte anderes passieren können, als dass ich mich verlief?
    Mittlerweile achtete ich kaum noch daran, mich zu verstecken. Vater würde unglaublich wütend sein, das war alles an was ich denken konnte. Bis ich das andere Mädchen sah.
    Sie saß vor einer verschlossenen Tür und ich weiß noch ganz genau, wie sie eine kleine Blume in den Händen hielt, sie dreht und wendete wie das Wunderbarste was ihr je unter die Augen gekommen war. Ich kannte die Blume nicht – in meinem 'Garten' wurden solche unordentlichen Teile gleich entfernt.
    Ich setzte mich einfach zu dem Mädchen. Sie blickte nicht auf und ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, da es hinter sehr langen dunkelbraunen, fast schwarzen und glatten Haaren von der Seite nicht zu erkennen war.
    Ich erinnere mich so gut, weil die Zeit mit dem Mädchen eine, nein, nicht eine, die schönste Zeit meines Lebens war.
    „Was ist das für eine Pflanze?“ fragte ich – ohne eine Begrüßung oder Vorstellung. Nebenbei fand ich den Gedanken sehr amüsant, was mein Vater wohl sagen würde, wenn ich meine Manieren so in der Tasche hielt. Das Mädchen vor mir blickte auf, sah mich an und lächelte breit.
    Dann blickte sie wieder auf die Blume.
    „Schneeglöckchen. Aber die kommen eigentlich immer erst nach dem Schnee, was ein bisschen dumm ist, wenn sie doch Schneeglöckchen heißen. Und klingeln tun sie auch nicht. Aber das sind meine Lieblingsblumen.“
    Nach diesem Tag kam ich immer mit ins Ministerium. Tag für Tag traf ich mich heimlich mit Jill, die ebenfalls fast immer dort war, weil ihre Muggelmutter verstorben war und ihr Vater den ganzen Tag im Ministerium sein musste. Anders als ich hatte Jill schon viel früher angefangen das Ministerium zu erkunden, so kannte sie viele Verstecke.
    Ob in kleinen Hohlräumen hinter Wandteppichen, in unbenutzten Schränken oder unter Schreibtischen – wir fanden immer eine Ort, wo wir in aller Ruhe und Gemütlichkeit über diese dummen und langweiligen Erwachsenen lachen konnten.
    An dem Tag, an dem Jill den verrückten Regenbogen-Einhorn-Glitzerlichtzauber-Sonnenstrahl Anhimmel-Gänseblümchen-Honigkuchenpferd-Moment-S atz zu mir sagte, war ich acht Jahre alt. Ich erinnere mich nur noch, dass ich sehr traurig war, weil mein Vater immer schlechter gelaunt war und manchmal schlug er sogar meine Mutter.
    Der Satz war das letzte, was ich je von Jill gehört habe. Am selben Tag noch fand mein Vater heraus, dass ich mich mit einem Halbblutmädchen in meinem Alter traf, dessen Mutter tot und ihr Vater nicht sonderlich hoch angestellt war. Seit da musste ich immer zu Hause bleiben.

    „An was denkst du gerade?“ Ich öffne die Augen. Draco mustert mich misstrauisch. „An die schönste Zeit meines Lebens“ antworte ich, „Aber du kommst nicht darin vor.“ Er seufzt. „Habe ich auch nicht gedacht. Unsere gemeinsame Zeit findet unter ziemlich ungünstigen Bedingungen statt. Daran“ fasst er mit einer ausladenden Handbewegung zusammen, „Ist nichts schön.“
    „Doch“ rutscht es mir heraus, „Deine Augen.“ Oh Gott, erst diese ganzen Erinnerungen plötzlich und jetzt sowas...
    Ich habe gesprochen ohne nachzudenken. Mein Gehirn muss noch im Halbschlaf sein.
    Mit einem sehr skeptischen Ausdruck hebt Draco die Brauen und mustert mich weiterhin.
    Hastig stehe ich auf. „Ich… Ich denke, ich gehe mal lieber zum Unterricht. Schließlich geht es mir gut.“
    Ich suche mir meinen Hogwartsumhang heraus und beginne, mich möglichst schnell umzuziehen. Das war peinlich.
    Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie Draco verkrampft auf den Boden starrt. Innerlich verletzt es mich schon, wie abstoßend er mich mit meinen Narben ganz offensichtlich findet, wenn er mich nicht einmal vernünftig ansehen kann, nur weil ich gerade meine normalen Sachen gegen den Umhang tausche. Idiot. Aber ein für mich sehr liebenswerter Idiot.
    Ein unterbewusstes Kribbeln im Nacken lässt mich herumfahren.
    Draco Miene lässt mich nicht aus ihm schlau werden.
    Mit unnormal geweiteten Pupillen starrt er mich an, offensichtlich ziemlich irritiert – von was kann ich nicht sagen.
    Langsam steht er auf, den Blick unverwandt auf mich gerichtet. Jetzt steht er direkt vor mir.
    Mein Herz rast so wild wie noch nie in meinem Leben, zumindest kommt es mir so vor. Erneut finden sich unsere Blicke. Langgezogene sechs Sekunden bohren sich meine grünbraunen Augen in Dracos graue, ohne zu blinzeln.
    Irgendetwas Undefinierbares in meinem Unterbewusstsein schreit und hüpft auf und ab, versucht mein taubes Gehirn auf irgendetwas Aufmerksam zu machen. Erbärmlich erfolglos.
    Ich verstehe das nicht. Was geht hier vor? Eben noch traut sich Draco kaum, mich anzusehen, und nun liegen seine Hände an meiner Taille während meine Stirn an seiner liegt und ich befürchte, dass mein Herz nur gerade so noch am Leben ist. Mein Gehirn jedenfalls hat sich schon längst zu Tode getrunken, zu berauscht von diesen grauen Augen. Draco ist so seltsam. Trotz der aktuellem Situation ist sein Ausdruck kühl wie eh und je. So ist er eben.
    Ich spüre etwas Kühles an meiner Seite, auf Höhe der Rippen. Obwohl es fast schmerzt, entwinde ich mich dem Bann von dem tiefen Grau Dracos Augen und schaue nach unten.
    Dracos kühle Finger liegen unter meinem Shirt an meiner Seite.
    Im nächsten Moment schon könnte ich laut auflachen – wäre die gesamte Atmosphäre der Situation nicht auf so seltsam kribbelnde Art und Weise angespannt.
    Draco sieht so erschrocken aus, über das was er getan, bessergesagt nur fast getan – oder noch nicht getan? hat, dass es zu komisch ist. Ich halte ihn fest, als er sich so albern entsetzt über sich selbst zurückziehen will.
    „Alles was du willst“ flüstere ich ohne den Blick von Draco zu lösen.
    Obwohl nur wenige Zentimeter Luft uns trennen ist das unglaublich viel zu viel.
    Doch plötzlich, endlich, nach scheinbar einer Ewigkeit berührt er schließlich meine Lippen mit seinen. Das war sowas von überfällig. Unsere Lippen vereinigen sich und ausnahmsweise ist nichts und niemand da, was uns unterbricht…

    (Heyyyy:) Erstmal muss ich mich natürlich dafür entschuldigen, dass so verdammt wenig kam in den letzten Tagen bei beiden meiner FFs. Also, da ist sie, die Entschuldigung: 'Schulligung.
    Aaaaaaaaaaber ich hatte eeetwas Stresschen, noch unklar ob jetzt geklärt oder nicht, das heißt, ob ich weiterhin zu sehr am Boden bin um vernünftig zu schreiben oder ob's so langsam wieder voran geht. Noch ein kurzer Hinweis für Alle: Sollten sich in diesem Kapitel irgendwelche gestörten leicht unverständlichen und etwas verkümmerte Satz finden, deren Satzbau sich ungefähr 83 Mal versucht hat das Leben zu nehmen und deshalb vollkommen daneben ist: Es ist 01:02 während das hier in die Tasten gehauen wird. Ich weiß auch nicht, aber so in der Nacht ist es am leichtesten für mich Geschichten irgendwie fort zu führen, also von Ideen her und sooo…. Nur bin ich um diese Uhrzeit auch manchmal ETWAS verwirrt und verirrt. ETWAS. Etwas sehr. Also, falls da was komisch ist: Ist nicht meine Schuld sondern die der Uhr, damit das mal klar ist hier XD
    Übrigens, heute ist ein richtiger Feiertag ^^ Und nein, ich meine nicht, dass heute Welttag der Umwelt ist, obwohl ich das natürlich auch gutheiße. Neiiin, heute am 5.6. hat Draco Geburtstag: D Der Liebe wird ...ähhhhhhhh…. Meine mathematischen Fähigkeiten lassen um diese Uhrzeit auch nach. Jedenfalls wurde er am 5.6.1980 geboren, also wird er dieses Jahr 35 oder 36 oder 37 oder sowas in die Richtung. Eyy kommt schon, ihr könnt nicht von mir erwarten, dass ich sowas um 01:08 rechnen kann! Auch wenn Lehrer ja immer so sagen: „Wenn ich in der nächsten Nacht euch wecken würde und euch das fragen würde, müsst ihr das sofort können!“
    Was ja eigentlich voll der Albtraum ist; Stellt euch mal vor, euer Lehrer klettert so im Killeroutfit in der Nacht durch euer Fenstera, weckt euch auf und bedroht euch mit so einer Kettensäge oder so und verlangt irgendeine kranke Rechnung von euch. Und ich habe gerade ernsthaft 7 Versuche gebraucht, das Wort 'kranke' tippfehlerfrei auf die Tastatur zu hämmern….
    Und ich schweif schon wieder vom Thema ab! Ich heute wohl zu viel Jarow geguckt…
    So schnell kommt man vom Geburtstag Draco Malfoys zu Psyhcophaten-Killer-Lehrern die bei euch einbrechen! Man, das wollte ich mir doch angewöhnen! Hm, was mach ich eigentlich noch im Schreibprogramm? Liest eigentlich irgendwer diesen Mist hier? Ich sollte definitiv aufhören, so viel in die Klammern zu setzen……….
    Wie dem auch sei...schlaft gut, oder guten Morgen oder was auch immer man um 01:15 sagt und hoffentlich steigen bei euch keine Lehrer ein..bis irgendwann mal.
    Hoffentlich.
    Vielleicht hat euch aber vorher ein Lehrer entführt, bevor das nächste Kapitel-
    Ok, jetzt hör ich echt auf, CiaO!)

    48
    Als ich die Augen aufschlage, ist Draco längst weg. Ist vielleicht besser so überlege ich. Vermutlich hat er auch nicht halb so lange geschlafen wie ich. Es muss schon nächster Morgen sein. Ich überlege hin und her ob ich es mir leisten kann, einfach weiter zu schlafen, bis mir siedend heiß einfällt, dass ich jetzt direkt die dunkeln Künste habe.
    Hastig suche ich meine Sachen zusammen, ziehe mich um und mache mich auf den Weg zum Unterricht.
    Vor dem Klassenraum hole ich noch einmal tief Luft und überlege, wer heute unterrichtet; Alecto oder Amycus Carrow.
    Als ich mir schließlich ein Herz nehme und die Tür aufstoße muss ich leider feststellen, dass ich das Mieseste vom Miesen abbekommen habe. Beide sind da.
    Ein heißer Schauer von tiefem Hass läuft über meinen Rücken, während ich die beiden untersetzten groben Gestalten einen Moment mustere. Doch viel Zeit zum Hassen bleibt nicht.
    „Grund für Verspätung!“ schnappt Alecto indes ich mich mit gesenktem Kopf zu meinem Platz neben Draco begebe.
    „Mein Bett hat mich nicht gehen lassen.“ Etwas Besseres fällt mir spontan nicht ein, immerhin habe ich deutlich Wichtigeres zu denken. Nämlich die Erinnerungen wegschieben. Diesmal keine Erinnerungen von ganz früher, sondern die von gerade erst letzter Nacht.
    Ich bin ziemlich sicher, dass meine Gesichtsfarbe einem Granatapfel mit bösem Sonnenbrand ähnelt, als ich mich neben Draco auf den Stuhl fallen lasse und es ist nicht ganz wegzudenken, dass ich mich wohl leider einfach in Luft werde auflösen müssen, wenn ich seinem Blick begegne. Was habe ich mir gestern eigentlich dabei gedacht?
    „Ey!“ Irritiert schaue ich auf. „Ich red' mit dir, also pass gefälligst auf, kapiert?“
    ~
    Amycus ist schon wieder am Rumschreien. Ich frage mich ernsthaft, ob beide Carrows einen üblen Fehler an ihren Stimmbändern haben, wodurch sie gar nicht anders können als immer bloß mit erhobener Stimme der weniger feinen Art zu reden.
    Das würde zumindest ihre ununterbrochene lautstarke Schimpferei erklären. Reichlich nervtötend, sicher auch weniger gesund.
    „Ich hab grad gesagt, dass das keine Entschuldigung für dich ist!“ „Nee, sollte es ja auch nicht sein, und falls Sie sich nicht erinnern-woran ich ziemlich stark zweifle-: Sie haben nur nach dem Grund gefragt und nicht um eine Entschuldigung gebeten.“
    Lernt Isa denn eigentlich nie auch nur ansatzweise das kleinste Bisschen dazu? Mittlerweile dürfte selbst sie begriffen haben, dass es recht unklug ist, so mit den Carrows zu sprechen.
    Ein paar wenige, angespannte Sekunden ist es still. Nichts und niemand rührt sich, während die Carrows vor der Klasse stehen und sichtlich kurz davor sind ihre Fassung entgleiten zu lassen.
    Ich schaue vorsichtig zu Isa. Sie starrt angespannt zu Boden.
    „Ich hab mich wohl verhört!“ Innerlich verdrehe ich de Augen. Wie konnten so unfähige Trampel eine Stelle als Professor bekommen?
    „Du bist wohl verrückt geworden! Alecto“ Er lacht, „Hast du sowas schon mal gesehen? Wie oft ham wir die jetzt schon immer erm… äh, hm, erma, ermähnt! Und die hat's immer noch nicht kapiert!“
    Jetzt kichern auch einige andere Schüler, während ich nicht so recht meine Meinung zu der Situation bilden kann.
    „Hast was zu deiner Verteidigung zu sagen?“ „Was wohl?“ Ich drehe mich um. Die Stimme kommt von weiter hinten, weshalb kann ich die Sprecherin nicht erkennen kann. Ich kenne sie, aber wer? „Was sollte ein schmutziges Tier wie sie schon dazu sagen? Wie wäre es mit Aaauuu? Oder was für Geräusche machen Wölfe?“
    Mehr als dass ich es sehe spüre ich, wie Isa neben mir erstarrt. Diese verfluchten Zweitklässler! Vermutlich weiß bereits die gesamte Schülerschaft über Isas Werwolf Dasein bestens Bescheid.
    Möglichst unauffällig versuche ich einen Blick auf die, die das gesagt hat zu erhaschen, doch ich kann sie von vorn nicht sehen.
    Plötzlich bricht offenbar eine ganze Kleingruppe aus Mädchen dort hinten in widerliches Lachen aus. Weshalb tun die Carrows nichts? Sonst sind die doch immer so für Ruhe.
    Ich richte mich wieder nach vorne, wobei ich von der Seite Isa beobachte, ob sie irgendetwas tut. Falscher Verdacht.
    Tu doch irgendwas, flehe ich sie stumm an, komm, mach schon, dir fällt doch sonst auch immer etwas ein!
    Plötzlich sticht mir ins Gedächtnis, wer dahinten am lautesten lacht. Heiße Wut steigt in mir auf.
    Pansy, diese kleine-
    „Ruhe!“
    (Gestern hatte ich ja leider keine Zeit, hier was hochzuladen. Also muss ich noch nachträglich etwas sagen: Gestern hatte, wie ja vermutlich auch viele schon wissen, schon wieder jemand Geburtstag ^^ Aber keiner der Charaktere, sondern ein Schauspieler. Happy Birthday nachträglich für (oder an?) Jason Isaacs, er wurde 53. ER war der Schauspieler von Lucius Malfoy. Mögt ihr Lucius eigentlich? Bei dem sind die Meinungen ja recht verscheiden:))

    49
    Verwundert beobachte ich, wie sich jegliche Schüler aus den Sitzreihen vor mir zuwenden.
    Selbst Isa schaut mich überrascht an. Sogar die Carrows.
    Noch viel verwunderter stelle ich fest, dass ich nicht länger auf meinem Stuhl sitze.
    Oh. Ich war das, der 'Ruhe' gesagt hat.
    „Was?“ macht Alecto Carrow vorne verdutzt. Ich schätze mal, es hat niemand damit gerechnet, dass ich etwas sage.
    Verflucht. Was soll ich jetzt mit der ganzen eher unbewusst freiwillig gewonnenen Aufmerksamkeit anfangen? Mein Kopf ist leer und ich weiß, dass mir erst wirklich etwas einfallen wird, wenn ich erst angefangen habe zu sprechen. Ich lasse mich zurück auf meinen Stuhl fallen.
    „Natürlich“ sage ich leise, mit dem Bewusstsein, dass die gesamte Klasse sowie Lehrer mir die jeweilig vorhandene Aufmerksamkeit schenkt, „Sie könnten Isa jetzt eine Strafarbeit geben oder sie foltern oder… Kurz gesagt: Sie könnten alles machen, wozu es Sie zu strafen beliebt. Theoretisch zumindest...“ Leicht lächelnd lehne ich mich ein Stückchen vor und fixiere auf die Arme gestützt über die Gesichter der anderen Schüler hinweg die Carrows.
    „Dennoch, wäre das so klug? Ich meine ja nur… Wenn ich das so recht in Erinnerung habe, waren Sie das doch, die nicht nur fast einen gesamten zweiten Jahrgang in Gefahr brachten, sondern nebenbei auch noch beide Schulsprecher, als Sie in der letzten Vollmondnacht Isa- Aber muss ich das eigentlich noch erläutern?“ Ich lasse meinen Blick über die wie stumme Schülerschaft gleiten, ehe ich mir selbst antworte. „Nein. Da Sie beide durch Ihre Unachtsamkeit nicht verhindern konnte, dass eine doch sehr private sowie wichtige Angelegenheit durch kleine Kindern herumerzählt wurde. Oder soll ich besser sagen, durch Befehlsmissachtung?“ Vielleicht sollte ich so etwas öfter tun. Wahre Genugtuung durchströmt mich, als ich sehe, wie beide Carrows unter meinen Worten beginnen unruhig zu werden.
    „Ich weiß, dass Professor Snape, unser Schulleiter, höchstpersönlich verordnet hat, dass Sie in einem nahegelegenen Fachraum unterrichten sollten zu der Zeit. Wären Sie wirklich dagewesen, hätten sie mitbekommen, wie unruhig es auf dem Korridor wurde. Aber nein – Sie waren nicht dort. Allein das wäre ein guter Grund für mich sowie Isa Ihre primitiven Missachtungen dem Schulleiter zu melden – ich meine, so als aufrichtige Schulsprecher würden wir bloß unsere gute Pflicht erfüllen. Aber...“
    Ich lehne mich zurück und verschränke entspannt die Arme, in der Gewissheit auf der sicheren Seite zu sein.
    „Eigentlich habe ich das nicht vorgehabt. Unnötige Aufregung um Nichts muss doch nun wirklich nicht sein, was meinen Sie? Und wenn Isa sich einverstanden erklärt, können wir vier auf lange Basis doch sicher gute Freude werden.“
    Selbstsicher grinsend genieße ich folgende Stille. Wunderbar, wenn jeder so an den eigenen Lippen hängt.
    „Angeber“ kommt es leise von rechts. Ich schaue zu Isa. „Und das Schlimmste: Es ist vollkommen berechtigt.“ Sie strahlt über das ganze Gesicht, als sie mich ansieht.

    50
    ~
    Die gesamte restliche Stunde über werden Draco und ich von den Carrows aufs Intensivste ignoriert. Nicht, dass ich das als schlecht empfinden würde – im Gegenteil. Nun sind wir Beide vorerst sicher vor den Strafen der Carrows.
    Trotzdem scheint sich diese Doppelstunde ewig hinzuziehen. Ob es nun daran liegt, dass es um Muggeltötung geht oder daran, dass ich immer wieder angestarrt werde – die Zeit verstreicht ungefähr so schnell, wie ein Flubberwurm auf einen Baum kriechen kann.
    Dummerweise hält es sich mit dem gesamten restlichen Unterricht genauso, und sieben Stunden später bin ich einmal mehr froh, dass die Schulsprecher einen eigenen Raum haben und halbwegs für sich bleiben können.

    „Da überkommt einen ja fast der Wunsch, wieder in Malfoy Manor zu sein“ schimpft Draco, nachdem wir aus der letzten Stunde – Geschichte der Zauberei – gekommen sind. „Da muss wenigstens niemand darüber nachdenken, welchen Einfluss irgendwelche verfluchten Kobolde vor 746 Jahren auf unsere jetzige Gesellschaft haben. Außerdem ist es ja nicht so, als würde das in diesen Zeiten überhaupt keine Rolle spielen!“
    „745“ korrigiere ich.
    „Wie bitte?“ „Die Kobolde“ ich seufze, „Die waren vor 745 Jahren, aber ansonsten gebe ich dir vollkommen recht.“
    Draco schnaubt verächtlich. „Das interessiert mich nicht im Geringsten! Wenn man uns wenigstens vernünftige Lehrer vorsetzen würde...“
    Plötzlich schlägt die Tür auf. Ein Fünftklässler lehnt sich völlig außer Atem an den Rahmen.
    „Schulsprecher“ sagt er atemlos, „Snape schickt mich, ihr sollt….raus kommen… schnell wie möglich, zu der Hütte von .. dem Wildhüter, schnell, sagt er.“
    Ich tausche einen verwirrten Blick mit Draco. Was sollen wir denn da?
    Da man eine gewisse schwarzhaarige Riesennase besser nicht warten lässt, leisten wir der Anforderung folge.
    Schon von weitem ist die recht...spezielle Szenerie zu erkennen.
    Vier oder fünf Erwachsene, vermutlich Lehrer, und der Wildhüter Hagrid, alle sind auf jeweils individuelle Art am Gestikulieren, laute Stimmen schallen zu mir und Draco herüber, während wir über die Wiesen eilen.
    Nun zücken zwei der Gestalten ihre Zauberstäbe und Hagrid fuchtelt mit einem rosa Schirm herum.
    Draco hält offensichtlich dasselbe davon wie ich.
    Was auch immer da los ist, ist egal. Die Tatsache, dass jegliche Beteiligten vollkommen übergeschnappt wirken, spricht für sich.
    „...Nix Verbotenes gemacht! Is' 'ne kleine Feier jetzt etwa au' noch verboten, oder was?“
    „Allerdings! Wenn es um den unerwünschten Nr 1 geht, auf jeden Fall!“ keift Alecto Carrow. Kann die sich eigentlich auch mal nicht einmischen?
    „Du wirst jetzt abgeführt! Gleich sind die Leute vom Ministerium da! Die bringen dich dann nach Askaban!“
    „Neeiiin!“ donnert Hagrid.
    Verwirrt wende ich mich an Draco. „Hast du eine Ahnung, was hier los ist?“ Der blickt verächtlich Richtung der Streitenden. „Hätte ich dir doch bereits mitgeteilt! Die eigentliche Frage ist eher, was wir hiermit zutun ha-“ Dracos Augen weiten sich entsetzt und der Rest des Satzes endet in einem schwachen Wimmern. Er macht ein paar stolpernde Schritte nach hinten, den Blick fest auf etwas hinter mir gerichtet.
    Alarmiert wirbele ich herum, auf alles Mögliche gefasst, doch die Bedrohung ist noch weit entfernt und hat es ganz offensichtlich weder auf mich, noch auf Draco abgesehen.
    Dennoch – Seine Reaktion ist völlig berechtigt. Der wahrscheinlich einzige Grund, weshalb ich nicht auch bereits ein Versteck suche, ist wohl die Überraschung.
    Klar, dass es so einige verrückte Wesen im verbotenen Wald gibt, war schon immer mehr als bloß offensichtlich.
    Doch mit einem wütenden, unkontrolliert um sich schlagenden und „HAGGAR HAGGER“ brüllendem Riesen hätte ich nun wirklich nicht gerechnet.

    51
    „Wer ist das denn?“ „Besser, WAS!“ Auch Draco klingt um einiges höher als sonst.
    Das Wesen, welches ich aus der Entfernung auf etwas über fünf Meter schätze, bewegt sich mit donnernden und bodenerschütternden Schritten in Richtung der Gruppe Zauberer, die um Hagrid versammelt sind. Die ausgesandten Flüche prallen einfach an seiner grau-braunen Haut ab.
    „Um Himmels Willen“ dringt Dracos Stimme zu mir, über all die lauten Rufe und Erschütterungen hinweg, „Das ist doch nicht etwa ein Verwandter von diesem Hagrid!“
    „Ich- ich weiß es nicht! Aber die Idee ist gar nicht mal so-“
    „GRAWP! Grawp! Hier bin ich, mein Junge, hierher!“
    ~
    Starr vor Schreck beobachten ich und Isa die sich vor uns abspielende Szene, die sichtlich eskaliert.
    Hoffentlich werde ich später nicht dafür verurteilt, dass ich nicht zu verhindern versucht habe, dass der Riesen-Idiot sich Hagrid mitsamt seinem dummen Hund geschnappt und auf und davon gemacht hat. Beunruhig sehe ich zu, wie einige am Rande des Geländes stehende Bäume in Flammen aufgehen, nachdem der Wildhüter etliche unkontrollierte Zauber aus seinem seltsamen, geblümten Schirm in alle Richtungen gewirkt hat.
    „Ich wusste gar nicht, wie nützlich so ein rosa Regenschirm sein kann“ sagt Isa atemlos neben mir, „Da sind bestimmt so Teile von einem Zauberstab drin.“
    „Ich könnte wetten, dass das alles andere als legal ist!“ erwidere ich düster. „Außerdem-“
    „Welche Probleme gibt es nun schon wieder?“
    Erschrocken drehe ich mich um. Snape, ein vor Wut schäumender Snape, steht direkt hinter mir. Für wen und in welchem Ausmaß kann ich zwar noch nicht beurteilen, doch ich bin sicher, dass es sehr großen Ärger bedeutet.
    „In mein Büro! Und zwar ALLE hier“ ergänzt der Schulleiter mit einem Blick in Richtung der Lehrer bei der Hütte des ehemaligen Wildhüters.

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    „Ihr alle hattet eine sehr einfache Aufgabe“ zischt Snape über seinen Schreibtisch in Dumbledores ehemaligem Büro. Mit einem unangenehmen Gefühl der Schuld mustere ich das Portrait des scheinbar friedlich schlafenden alten Mannes. Hätte ich doch damals schneller gehandelt! Obwohl ich weiß, dass ich keinesfalls derartige Gedanken hätte haben sollen, keimt in mir der Wusch auf, Dumbledore wäre damals, in der einen Nacht auf dem Astronomieturm, schneller zum Punkt gekommen und hätte das Angebot, mich und meine Familie in Schutz zu nehmen gebracht, bevor die anderen Todesser die Widerstände am Treppenansatz überwunden hatten. Eine solche, einzigartige Möglichkeit, irgendwie vollständig aus der Todessersache herauszukommen, wird sich nie wieder bieten.
    Das schießt mir durch den Kopf, während ich für ein kleinen Moment den Blick über die verschiedenen Portraits schweifen lasse. Schließlich muss ich wieder auf den aktuellen Schulleiter konzentrieren, um nicht zu verpassen, was denn nun eigentlich dort unten auf den Ländereien geschehen ist.
    „Scheinbar“ fährt Snape nach wie vor sehr aufgebracht fort, „Sind selbst die leichtesten Aufgaben für Sie schwierig zu bewältigen! Sechs Zauberer und Hexen gegen einen bloß zur Hälfte ausgebildeten Halbriesen, dennoch haben Sie versagt!“
    „Wenn ich Sie kurz unterbrechen darf“ sagt Isa leise, mit einer selten gehörten Schüchternheit in der Stimme, “Was ist denn nun eigentlich geschehen?“
    Snape richtet seinen kalten schwarzen Augen auf Isa. Rasch senkt sie den Kopf.
    „Dem Wildhüter war sicherlich noch nie sehr zu vertrauen… Doch damit, dass er so weit gehen würde, hat niemand gerechnet. Heute Nachmittag berichtete mir eine vertrauenswürdige Quelle“, einen Moment huscht sein Blick zu mir, „Von unangenehmen Unruhen aus der Hütte. Ich schickte, wie ich glaubte, zuverlässige Magier nach dort unten, die nach dem Rechten sehen sollten.“
    Mit einer an einen Raubvogel erinnernden Bewegung dreht er ruckartig den Kopf zur Seite und fixiert Alecto Carrow. „Vielleicht können Sie uns ja noch einmal für unsere Schulsprecher wiederholen, was Sie dort vorgefunden haben.“
    Carrow nickt langsam. „Sicher, selbstverständlich, Schulleiter.“

    53
    Angesichts des geschehenen Versagens scheint Snape selbst die sonst so stumpfen Carrows einzuschüchtern.
    „Ich- Also… Der...Jaah, der Wildhüter, er, äh, hat eine sehr komische Harry-Potter-Freundschafts-Party verun- uhm, ich meine, veranstaltet.“
    Mutig aber dumm. Etwas zu dumm …
    „Über so etwas kann man echt nur den Kopf schütteln“ bringt Isa es schließlich auf den Punkt, „Ziemlich lächerlich, sowas. Aber, wenn ich fragen darf, was genau habe ich damit zu tun?“ „Oder ich“ ergänze ich.
    Mit fast schon offensichtlichem Genervtsein schwenkt Snape seine lange Hakennase wieder in Richtung von mir und Isa. „Als Schulsprecher liegt selbstverständlich die Pflicht, die anderen Schüler von gewissen Ereignissen zu unterrichten, bei euch. Daher sollten Sie beide idealerweise immer am Ort des Geschehens anwesend sein. Nun denn, wenn dies letztendlich doch noch in Ihren Köpfen angelangt ist, sind Sie entlassen.“

    Ich werfe noch einen vorsichtigen Blick über die Schulter, ehe ich die Bibliothek betrete.
    Es ist noch ruhiger als es früher schon immer war, und das, obwohl nicht gerade wenige Schüler hier arbeiten.
    Mit zügigen Schritten nähere ich mich dem Schreibtisch Madame Pince', der Leiterin der Bibliothek.
    Elende Squib-Liebhaberin, denke ich verächtlich, während ich ein braves Lächeln aufsetze. Obwohl, in dem Alter kann man froh sein, überhaupt noch jemanden zu haben. Allerdings, so wie sie immer wütend wird, wenn man über Filch schlecht redet … Ein echtes Schmunzeln schleicht sich in mein Gesicht.
    „Was gibt es?“, fragt die Biblothekarin ungehalten. Im Normalfall würde ich eine derart unhöfliche Redensart seitens Personals nicht unkommentiert lassen, doch irgendetwas Gewöhnliches gab es in den letzten Monaten so gut wie gar nicht. Also lasse ich die freundliche Maske weiter ihre Arbeit tun.
    „Guten Tag, Madame. Könnten Sie mir vielleicht bei der Suche ein paar bestimmter Bücher behilflich sein? Nun, “, fahre ich fort und hoffe, dass die falsche Verlegenheit nicht zu dick aufgetragen ist, „Selbstverständlich bin ich im Stande, einige der Bücher in diese Richtung eigenständig auszuwählen. Doch … Wissen Sie, es ist gewiss sehr wichtig. Es wäre potentiell durchaus fatal, wenn ich mich vertun würde. Da ich kein Profi bin, wäre es bei mir leider möglich, dass mir ein Fehler unterläuft, daher wollte ich die Auswahl lieber Ihnen überlassen.“
    Pince mustert mich einen Moment scharf durch ihre Brille hindurch. „Um was handelt es sich?“
    Instinktiv senke ich die Stimme, obwohl so oder so niemand in allzu verlässlicher Hörweite ist.

    Erleichtert sehe ich zu, wie die Bibliothekarin davonstöckelt. Ich kann es noch, ich habe nicht verlernt, meine Worte so zu wählen, wie Vater es mir beigebracht hat. Erstaunlich, wie naiv und leichtsinnig viele Menschen auf vorgetäuschte Höflichkeit und Sympathie hereinfallen.
    Ein wenig in Erinnerungen versunken muss ich daran denken, wie Vater, sobald es Besuch gab, immer so unglaublich … freundlich wurde, selbst zu mir. Nur, um mir später mitzuteilen, was ich wieder falsch gemacht hatte. Mieser Heuchler ….
    Genervt schaue ich mich um. Wo bleibt die denn so lange? Es kann ja wohl nicht so schwierig sein, ein paar Bücher herauszusuchen!
    Erstaunlich, wie still alle Anwesenden einfach an den Tischen sitzen und lesen und schreiben.
    Da ich nichts sonst zu tun habe, blicke ich mich weiter um.
    Moment, ist das- Der Schreck klammert sich an meine Knochen, als ich bemerke, dass Isa nicht weit entfernt über einigen Aufzeichnungen sitzt. Sie darf mich nicht sehen, soviel steht fest. Ich habe keine Lust, mir sonst was auszudenken, weshalb ich hier bin. Es wäre ziemlich mies, wenn dann diese Bibliothekarin mit meinen Büchern auftauchen würde.
    Isa fährt sich mit der Hand durch die Haare und sieht ziemlich ratlos aus.
    Was immer du tust, denke ich, schau jetzt nicht zu mir rüber! Mach gefälligst deine Aufgaben!
    Von der anderen Seite ertönt endlich das laute Klackern der Stöckelschuhe Madame Pince'. Wurde auch Zeit. Gerade, als ich die Bücher annehmen will, hebt Isa den Kopf. Ich erstarre, in der Hoffnung, sie würde mich übersehen, wenn ich nur still genug stehenbleibe. Komm schon, flehe ich sie in Gedanken an, schau woanders hin! Ansonsten wird das echt unangenehm für mich, na mach schon!
    Doch meine Sorgen sprudeln unnötig auf. Statt zu mir starrt Isa bloß gelangweilt an die Decke.
    Ohne den Blick von ihr zu lösen, nehme ich Madame Pince endlich alle Bücher ab und verschwinde ohne ein Wort aus der Bibliothek.
    ~
    Gelangweilt wende ich mich wieder dem halbherzig mitgeschriebenen Zeug von Geschichte der Zauberei zu.
    „Wer braucht das eigentlich? Hm? Na siehste, aif dir steht zwar alles geschrieben, aber trotzdem gibst du mir keine Antwort.“ Missmutig starre ich auf das Blatt Pergament als sei es seine Schuld, dass ich ein zum Sterben langweiliges Fach in der Schule habe und kritzele irgendetwas hin.
    „Also ich weiß ja nicht“ erklingt mit einem Mal hinter mir eine fröhliche und recht kindliche Stimme. Erschreckt wirble ich auf meinem Stuhl herum. Hinter mir steht ein Mädchen, etwa so alt wie ich, mit braunen Augen und sehr dunkelbraunen ellenlangen Haaren.
    „Wenn man schon mit Pergament spricht, sollte man wenigstens solche Sachen“, Sie deutet auf meine nicht sehr liebevoll gegebenen Antworten, „Nicht verwechseln.“
    „Wieso?“ Ich überfliege einige der Antworten, „Was ist damit?“ Das Mädchen seufzt demonstrativ. „Da. Laut dir haben Kobolde schon sehr früh damit angefangen, Schwerter in Schweiß zu baden. Da müsste hinkommen, dass Kobolde schon sehr früh angefangen haben, Schwerter zu schweißen. Glaub mir, da liegt ein Unterschied!“
    Verwirrt lese ich meinen Satz noch einmal. „Oh … Ja ... äh, danke.“ Doch das Mädchen hat sich bereits umgedreht und bewegt sich mit leichtem Hüpfschritt davon.
    Das, diese Bewegung erinnert mich an etwas, aber an was … Die wasserfallartige Haarpracht des Mädchens schwingt hin und her, während sie langsam zwischen den Regalen verschwindet.
    Plötzlich schlägt bei mir ein Blitz ein, nein, nicht irgendeiner, der Blitz. Entgeistert starre ich dem Mädchen hinterher.
    „Jill!“

    54
    Eine halbe Millisekunde, nachdem das Mädchen – Jill – sich mit wehenden dunklen Haaren umgedreht hat, glotzt sie mich an wie ein Pferd, das nicht weiß, was von ihm verlangt wird. Doch dann breitet sich ausschlaggebende Erkenntnis auf ihrem Gesicht aus, mit einer Art, über die ich sonst laut gelacht hätte, wäre diese Situation nicht so schicksalhaft dramatisch. Eigentlich zu kitschig, für meinen Geschmack. Aber nur eigentlich. Die tragische Wirkung wird verscheucht durch die bedachte, ziemlich erheiternde Art des Mir-geht-ein-Licht-auf-Ausdrucks in Jills Gesicht. Mit einer ins Lächerliche gezogenen Langsamkeit öffnen sich ihre Lippen, zeitgleich mit den lahm geweiteten Augen und den im Flubberwurmtempo empor wandernden Augenbrauen.
    Atmen nicht vergessen, schießt es mir durch den Kopf, und Jill scheint es genauso zu ergehen.
    Doch unser beider Versuch endet damit, dass wir wegen hysterischem Kichern aus der Bibliothek verwiesen werden.
    Gegen den im Korridor baumelden Wandteppich mit dem Wappen Hogwarts' gelehnt halten wir beide inne, um zu Atem zu kommen.
    Ich kann das einfach nicht fassen! Das ist unmöglich! Wie …? Das kann einfach nicht sein. Das ist wie aus einer schlechten Geschichte, und ich bin ziemlich sicher, dass ich echt bin. Und die Welt in der ich lebe, und Draco und offenbar auch Jill. So wirklich realisieren, dass ich so eben meine unwiderruflich mega super aber sowas von allerbeste Freundin für immer und ewig aus meinen Kindertagen gefunden habe, kann ich nicht. Etliche Tage auf den Gängen im Ministerium schießen mir durch den Kopf.
    Doch etwas, eine Frage, verstellt den Glücksgefühlen und dem Adrenalin den Weg.
    „Wieso hast du mich eigentlich nicht früher bemerkt?“ Verblüfft starre ich in die braunen Augen. Verwirrt versuche ich zu sortieren, wer gerade wessen Gedanken gelesen und ausgesprochen hat. Ich ihre oder sie meine? Ich glaube beide. Moment, kam das nicht schon früher vor, dass wir des öfteren genau dasselbe gesagt hatten? In dem Moment, in dem ich an der Frage arbeite, spricht Jill sie aus. „Daran habe ich eben auch gedacht.“ „Das“, verkündet sie mit einem sachlichen und einfachen Ton, „Nennt man glaube ich echte Freundschaft.“
    Ich glaube, da gibt es ein paar Jahre Freundschaft nachzuholen, auch wenn ich immer noch nicht weiß, weshalb ich Jill erst jetzt, nach so vielen Jahren, wiedererkenne.

    Auf eine unheimliche Art und Weise gut gelaunt schreite ich über die Teppiche in den Korridoren, die meine Schritte zum Glück völlig verschlucken. Weder ich noch Jill haben es uns nehmen lassen, auch nach Ausgangssperre noch zu reden und zu reden und zu erzählen und zu erinnern. Zwar bin ich ein Schulsprecher, dennoch würde ich eher ungern noch einmal in Richtung des Negativen auffallen. Also schleiche ich mich, wie auf geheimer Mission, nach unten in meinen und Dracos Kerker.
    Doch obwohl alles soweit geklärt scheint, nistet sich ein mulmiges Gefühl in mir ein. Wieso, wieso verdammt sind wir erst jetzt aneinander gestoßen? Immerhin hatten wir im ersten Schuljahr sicher mehr Ähnlichkeiten mit den kleinen Kindern, die wir in den besten Zeiten unserer Freundschaft waren. Wieso also haben wir uns damals nicht erkannt? Unangenehmerweise kommt es mir so vor, als hätte ich in diesem Themenbereich etwas vergessen, etwas übersehen, etwas missachtet, auf das ich besser hätte hören sollen. Ich bin ziemlich sicher, dass es etwas in meiner Kindheit war, ein Schlüsselpunkt, der früher für mich nicht bedeutend war – wenigstens nicht im direkten Sinne. Irgendetwas habe ich übersehen. Doch ich weiß nicht was, und es ist zu spät, um jetzt darüber nachzudenken. Auch Schulsprecher werden mal müde.
    Dass ich damit vollkommen Recht habe, bestätigt sich, als ich die Tür zum Schulsprecherkerker aufstoße, und Draco mit auf den Schreibtisch gesunkenem Kopf schlafend vorfinde.
    Oh ja, Bücher sind offenbar sehr bequem. Ich überlege unschlüssig, ob ich ihn wecken oder wenigstens die vielen Bücher, über denen er eingepennt ist, gegen Kissen tauschen soll. Ansonsten jammert er morgen früh wieder über Nacken- und Schulterschmerzen. Wie ein alter Mann. Ein Lächeln huscht mir über das Gesicht, als ich sehe, dass seine glatten Haare entspannt und verirrt von dem sonst so ordentlichen einfach über seiner Sirn liegen. Einfach. Ganz einfach, wie bei jemand ganz normalem. Allerdings wird es weniger einfach, die Bücher wegzuräumen ohne das Draco aufwacht. Vielleicht sollte ich alles auch bloß dabei- Meine Überlegung bricht plötzlich zusammen und ich stutze. Das sind viele Bücher, ziemlich viele sogar. Wofür …? Der ganze Schulkram interessiert ihn doch so oder so nicht, auch, wenn er das nicht sagt.
    Sollte ich vielleicht …? Andererseits geht es mich ja auch nichts an. Wenn Draco ein neues Hobby im Lesen entdeckt hat, sollte ich die Natur besser machen lassen. Doch irgendwie kann ich mir das nur schwer vorstellen. Außerdem bin ich eine Slytherin, grinse ich meinem Gewissen entgegen, wir kennen sowas wie Zurückhaltung in solchen Sachen nicht. Und überhaupt, was sollte Draco denn schon vor mir zu verbergen haben? Also, wenn er schon so offensichtlich über den Büchern einschläft, ist es ihm bestimmt egal, wenn ich sie lese. Ja, bestimmt.
    Auf Zehenspitzen stehle ich mich hinüber zu meinem Blondchen und schaue ihm im wahrsten Sinne der Worte über die Schulter, um ein paar der Absätze zu studieren.
    Eine kleinere Überschrift fällt mir ins Auge. Sofort wird mir klar, dass es Draco eventuell doch etwas ausmacht, wenn jemand anders, insbesondere Ich, diese Sachen liest. Stirnrunzelnd mustere ich das, was ich von oben von seinem Gesicht erkennen kann. Er muss die Bücher heimlich besorgt haben, zumindest verdeckt vor anderen Schülern. Mein Herz zieht sich einen Moment zusammen. So etwas Niedliches hat er glaube ich noch nie gemacht. Naja, dabei finde ich es nicht einmal besonders toll, dass er das liest und das wissen will. Aber es muss ihn vermutlich eine Überwindung und Wagenladungen an Stolz gekostet haben, diese Bücher auszuleihen. Scheint ganz so, als würde sich der kalte, stolze, und übermächtige Malfoyspross wohl doch tatsächlich um mich sorgen.
    Ich weiß nicht, was ich denken oder fühlen soll. Ich bin wütend, dass Draco meint, mir helfen zu müssen, ich bin doch gerührt, dass er sich sorgt, ich bin besorgt, dass es Gründe gibt, Gründe für ihn, diese Bücher zu wälzen, ich bin beleidigt, dass er kein Vertrauen in mich hegt, ich freue mich
    weil Draco sich für mich interessiert. Und Aufregung. Aufregung, ob … der Beweis erst gemeint ist.
    Auch wenn es für andere wie eine kleine Geste scheinen mag, für Draco Malfoy ist so viel Gefühl doch eine beachtliche Leistung.
    (Uff, Krise scheint erstmal überwunden zu sein, geht also vermutlich mit dem Schreiben auch wieder weiter. Ich kündige am besten jetzt schon mal an, dass ich in einer Woche nach Italien fahre, für 12 Tage, und ich nicht weiß, wie viel ich da schaffe. Wird aber wahrscheinlich mehr, als in den letzten Tagen … Wochen …?)

    55
    Behutsam ziehe ich das oberste der Bücher unter Dracos schlafendem Kopf hervor. Das, von dem ich bereits die Überschrift und den kleinen Absatz erkennen konnte, um zu überprüfen, ob meine Vermutung sich verifiziert. Und das tut sie. Fast hektisch überfliege ich die Titel und Klappentexte der anderen Bände. Alle sind zum selben Thema.
    Ein wenig überwältigt lasse ich mich auf meiner Bettkante nieder und starre auf das Buch in meinem Schoß. Ich könnte heulen. Aber Draco wird, allein durch die Tatsache, dass ich diese Bücher überhaupt registriert habe, schon entsetzt genug sein, also lasse ich es.
    Bedächtig, auch darauf bedacht, Draco zumindest noch nicht zu wecken, öffne ich das Buch.
    Interessant ist es, aber da es insbesondere mich so betrifft auch gruselig, das so durchzulesen.
    Tatsächlich habe ich fast ein bisschen Angst vor dem, was da so stehen könnte.
    Ich mustere wieder den Einband. In schöner, dunkler Schrift schwingt sich der Titel über das Leder.

    Wie Sie ihr Leben gemeinsam mit einem Werwolf gestalten – Antworten auf die häufigsten Fragen

    Mein Blick huscht zurück zu den anderen Büchern.

    , Aufklärung der größten Gerüchte rund um das Leben mit einem Werwolf'

    , Weshalb ein Leben mit einem Werwolf unbedenklich ist'

    , Werwölfe sind auch nur wundebare Freunde'

    Draco hat sogar ein Buch mit dem Titel 'Wie Sie einem Werwolf beibringen, sich und Sie zu azeptieren und zu lieben' ausgeliehen.
    Manchmal ist er echt schräg, aber das ist wirklich lieb. Man könnte meinen, das passt gar nicht zu ihm . Einfach zu niedlich.
    Bliebe nur die Frage, wie ich jetzt darauf reagieren soll.
    So tun als hätte ich das nicht bemerkt, damit Draco sich nicht angegriffen fühlt?
    Warten, bis er aufwacht?
    Eine Nacht drüber schlafen und morgen weitersehen?
    Draco sofort wecken und ganz doll lieb haben?
    Draco jedoch nimmt mir die Entscheidung eher weniger freiwillig ab.
    „Hey! Sag mal, was soll das? Gib die sofort zurück!“
    Wie ein erschrecktes Kaninchen sitzt er starr und aufrecht an seinem vorherigen Schlafplatz und starrt mich an. Sein Gesicht spiegelt Wut wieder, doch seine Stimme klingt panisch.

    56
    Widerspruchslos reiche ich ihm tatsächlich einfach so die Bücher zurück. Ich bin im wahrsten Sinne des Wortes noch immer sprachlos. Draco hat die Bücher auf seinen Schoß geladen, mit der Vorderseite nach unten, ganz so, als würde er immer noch hoffen, die Titel von mir aus ungelesen zu machen. Ich weiß gar nicht, wieso er sich so anstellt. Denkt er vielleicht, mir würde das missfallen? Reichlich dämlich von ihm. Andererseits ist es ihm sicherlich ganz schön schwer gefallen, diese Bücher überhaupt auszuleihen.
    „Moment mal“, überlege ich. Okay, so war das nicht geplant. Vermutlich sollte ich mich eigentlich bedanken. Obwohl, das würde Draco sowieso nur noch verlegener machen, also lasse ich es bleiben. Der blickt mich misstrauisch fragend an.
    „Wie kommt es“, fahre ich also rasch fort, „Dass diese Bücher noch in der Bibliothek vorhanden waren? Müssten sie nicht auch eigentlich irgendwie abgeschafft worden sein? Snape und so sind die doch vermutlich viel zu tolerant.“
    „Du vergisst den Unterricht“, erwidert Draco ausdrucklos. Ach, richtig. Muggelkunde und die dunklen Künste könnte zu dem Fach Dummheit zusammengefasst werden. Für die einen bedeutet es die Dummheit der Toleranten und Muggel, für die anderen die Dummheit der Anhänger des dunklen Lords, also, so oder so Dummheit. Und für das eine wie das andere werden Bücher dieser Art nach wie vor benötigt, zur Abschreckung vor Vorzeigewidersprüchlern.
    „Wenn herauskommt, dass du sowas liest … Ich meine, wenn zum Beispiel die Carrows das irgendwie mitbekommen ...“
    Für mich wäre das nicht gut, und für Draco ganz sicherlich noch viel weniger. Er schaut zur Seite, fährt sich mit der Hand durchs Haar und lässt sie dort liegen. „Wird es nicht“, antwortet er schließlich knapp. Ich hake nach, wie er sich da so sicher sein kann, denn so optimistisch ist er nie.
    Erneut wandert sein Blick durch den Raum, Ablenkung suchend vielleicht, einen Ausweg aus dieser aus seiner Sicht unangenehmen Lage oder einfach um mir nicht in die Augen sehen zu müssen. Ein Seufzer weicht über seine Lippen, ehe er seine Antwort vervollständigt.
    „Wenn doch, wird jeder erfahren, wie käuflich das Personal hier ist. Ich habe der werten Bibliothekarin ein wenig Geld zukommen lassen, nachdem sie sich dafür verantwortet hat, das nichts dergleichen nach Außen gelangt“, fügt er boßhaft hinzu, „Das würde sich anhand ihres momentan aufgebauten Geldstandes leicht nachweisen lassen.“
    Wie ich sehe hat er ganze Arbeit geleistet.

    57
    Trotzdem weiß ich nicht so recht, was ich tun oder sagen soll. Offenbar ergeht es Draco nicht anders.
    Plötzlich durchdringt die unangenehme Stille ein leises Klopfen, dann Stille. Unsicher blicke ich zu Draco. Es ist schon recht spät am Abend, wer sollte jetzt noch zu uns kommen.
    „Bitte?“, übernimmt Draco. Die Tür öffnet sich einen Spalt breit und ein Junge, vier oder fünf Jahre jünger als wir, späht verschüchtert herein.
    Er streckt eine Hand aus, in der eine kleine Pergamentrolle liegt. Kaum, dass Draco diese angenommen hat, verschwindet der dunkle Schopf wieder im Gang. Kopfschüttelnd schließe ich die offen gelassene Tür wieder, während sich Draco das Siegel der Rolle bricht und diese entfaltet.
    Es ist nicht schwer zu erkennen, dass das Geschriebene ihm missfällt.
    Erst scheint er zu zögern, es zu lesen, wirft mir einen nachdenklichen Blick zu, tut es dann aber doch. Erst verärgert, dann besorgt und nervös.
    Draco schließt einen Moment die Augen, nimmt sich Zeit, jeglichen Ausdruck aus seinem Gesicht zu bügeln und reicht mir das Pergament. Das Geschriebene ist an mich gerichtet, und sehr kurz.

    Miss van Greenskape,
    da ich über einige Unannehmlichkeiten ihrerseits unterrichtet wurde, bitte ich sie umgehend in mein Büro. Nebensächlich achten Sie bitte darauf, zu dieser späten Stunde niemanden aufzuschrecken.
    Gz. Severus Snape

    Ich schaue auf. Draco blickt mich beinahe vorwurfsvoll an.
    „Darf ich wissen“, fragt er schnippisch, „Was du wieder verbrochen hast?“
    „Ja… Das wüsste ich auch gerne, antworte ich etwas verblüfft. Mir fällt nichts ein, was ich in letzter Zeit großartig falsch gemacht haben könnte. „Ich denke, ich sollte dann wohl gehen, oder?“
    Draco nickt knapp. Da er nicht aussieht, als gäbe es noch irgendetwas zu sagen, mache ich mich nach kurzem Anschweigen auf den Weg zum Büro des Schulleiters.

    58
    Ratlos bleibe ich vor dem Wasserspeier stehen, der den Durchgang zum Büro des Schulleiters bildet. Ich war noch nie dort drin, aber ich bin sicher, dass man ein Passwort benötigt, um weiter zu kommen.
    Mir ist so schon flau im Magen und wenn ich nun noch zu spät komme … Ich räuspere mich nervös und schaue mich suchend um. Vielleicht erwartet Snape mich schon hiervor irgendwo? Doch meine Hoffnung bleibt vergebens, bis ich auf einmal hellhörig werde.
    Tut sich nicht etwas hinter dem Bürodurchgang? Ich glaube, stark gedämpfte, schwere Schritte zu vernehmen, nein, eigentlich bin ich sicher.
    Unsicher trete ich ein Stück zurück. Wenn da gleich jemand rauskommt, will ich nicht direkt davor stehen.
    Snape kann es nicht sein, zu ihm passt die Gewichtigkeit der Schritte nicht. Viel eher zu den Carrows oder … Ich überlege fieberhaft, an was mich die leicht schleifende Gangart erinnert.
    Mit einem leisen Schleifen schiebt sich der Wasserspeier zu Seite. Nervös richte ich noch rasch meinen Schulumhang, schaue dann auf – vor Schreck bleibt mir der Atem in der Kehle stecken.
    Mein Herz stolpert, als müsste es sich erst einmal setzten, nur, um dann so schnell zu schlagen, dass es fast schmerzt. Pulsierende Hitze schießt mir in den Kopf.
    Am liebsten würde ich mich weit, weit weg ganz allein für immer in einem Zimmer einschließen, und nie mehr herauskommen. Außer vielleicht, Draco oder Jill wollten mich sehen – sie würde ich reinlassen.
    „Ach, sehen wir uns auch einmal wieder?“
    Ich schaue zu Boden. Darauf war ich nun absolut gar nicht gefasst. Diese spöttische, gekünstelt säuselnde Stimme … Er grinst, mir wird schlecht.
    „Hallo, Greyback“, presse ich hervor.
    Während er sich sichtlich amüsiert, habe ich eine Scheißangst.
    Seine langen, gelben Fingernägel krallen sich in meine Schulter, als er mich zu sich hinzieht.
    „Lass dich ansehen! Wie gefällt dir denn dein neues … Ich?“
    Hilfe, bitte, irgendwer?
    „Es könnte besser gehen“, erwidere ich knapp, „Ich würde es besser finden, wenn ich meine eigene Gestalt behalten würde. Dauerhaft. Auch an Vollmond.“
    „Nein….“ Wie ich diese übermäßig gespielte Besorgnis hasse. Für Greyback ist es ein Spiel, eine Ablenkung, ich bin die Ablenkung. „Wie traurig … Warum reden wir nicht ein wenig? Ich kann dir sicher … helfen … damit umzugehen ...“
    Ich schüttele den Kopf und mache eine vage Geste in Richtung der Treppe, die sich hinter dem Wasserspeier aufgetan hat.
    „Snape?“ Greyback lacht schnaubend auf. „Mag ja sein, dass ihr einen Termin habt. Aber wer weiß, wann WIR uns denn mal wiedersehen, hm?“
    Er steht immer noch halb im Aufgang zum Büro, weshalb dieser noch geöffnet ist. Das leise Schaben einer sich öffnenden Tür klingt von oben.
    „Also?“, knurrt Greyback. Ich warte einfach ab.
    „Wenn ich fragen darf … Was wird das? Greyback?“ Dieser lässt mich abrupt los.
    „Nichts, Snape … Nur eine kleine Unterhaltung unter ...“ Er grinst fies. „...Verwandten ...“
    Ich beeile mich, nach oben zu kommen. Einmal stolpere ich auf der Treppe. Keinen Gedanken verschwende ich daran, dass ich nun das reichlich unbekannte Büro eines Schulleiters betreten werde.

    59
    Erleichtert lehne ich mich mit dem Rücken gegen die geschlossene Tür.
    „Ich nehme an, Sie können sich denken, weshalb ich Sie habe herrufen lassen. Auch wenn Sie es nicht zugeben mögen.“
    Stumm verneine ich.
    „Sehen Sie mich an wenn ich mit Ihnen rede!“ Widerwillig und mit gemischten Gefühlen schaue ich auf. Auf den großen Schreibtisch gestützt steht Snape mir gegenüber.
    So viel Kälte strahlt aus diesen schwarzen Augen, die doch sonst etwas fast Vertrautes hatten. Immerhin hat er mich auch davor bewahrt, jeden Monat zu einem richtigen Werwolf zu werden. Er sieht seltsam alt aus. „Sind Sie sicher?“ Ich nicke. „Ja.“
    „Nun“, erwidert Snape gedehnt, „Dann werde ich Sie wohl aufklären müssen.“ Ich beiße mir auf die Lippe, als er ansetzt mir zu sagen, was ich verbrochen habe.
    „Stimmt es?“ platze ich heraus. „Was meinen Sie?“ fragt Snape sehr ungehalten.
    „Das mit der Verwandtschaft.“ Ich merke selbst, dass ich viel zu schnell rede. „Greyback- Er hat gesagt, naja, also Sie waren ja auch dabei, dass…. Sind Werwölfe untereinander verwandt?“
    Das Gesicht meines Direktors bleibt unbewegt. „Wenn Sie eine lästige Mücke sticht und Ihnen das nicht bekommt, sind Sie dann verwandt mit der Mücke?“
    Vor Überraschung vergesse ich, mir nervös die Fingernägel in die Hand zu bohren.
    „Was? Ich meine, wie bitte? Ich- Ähm.“ Der Vergleich ist ziemlich … interessant.
    „Also?“ „Ja… Ich meine nein ...“ Irritiert schüttele ich den Kopf. „Nein … aber-“
    „Es gibt kein Aber“ unterbricht mich Snape mit schneidender Stimme. „Wenn Sie mich nun weiter erklären ließen, was Ihr Verhalten betrifft?“
    Verunsichert und aufgewühlt senke ich den Blick.
    Auch wenn ich nicht direkt an soetwas glaube, meine ich, im Gefühl zu haben, dass eine Veränderung auf mich zukommt. Vielleicht nicht direkt, nicht hier und jetzt, aber ziemlich sicher bald.
    „Sie müssen sich bewusst sein, dass Sie in der letzten Zeit des öfteren im negativen Sinne aufgefallen sind, Miss Greenskape.“ Ich nicke abwesend. Wie oft wollen sie mir das noch hinhalten?
    „Ich möchte, dass Sie mir Antworten geben.“
    Einen Moment lang schließe ich die Augen. Wenn jemand anderes als Snape vor mir stünde, jemand hitzigeres und weniger ruhig kühl, müsste ich mir wirklich Sorgen machen. Doch obwohl Snape sicherlich viel Temperament hat und um Gotteswillen verdammt einschüchternd ist, kann man sich bei ihm sicher sein, dass man nicht aus heiterem Himmel angegriffen wird oder derartiges – meistens zumindest.
    „Ja, ich bin mir dem durchaus bewusst, Sir“, antworte ich also mit neu gewonnener Sicherheit. Kühn erwidere ich Snapes frostigen Blick.
    „Das freut mich zu hören. Doch, wenn ich fragen darf, wenn Sie dies so offen zugeben, warum nicht auch all das andere.“ „Dann erklären Sie mir doch einfach, wie genau Sie 'all das andere' definieren, anstatt mir irgendwelche Rätsel zu stellen.“
    Snape richtet sich gerade auf, auch er ist sichtlich genervt. „Wenn Sie es unbedingt so wollen“, zischt er.
    „Die Professoren Carrow haben mich über einige unerfreuliche Dinge unterrichtet. Dass Sie den Unterricht konstant stören ist Ihre Sache – Sie haben Ihren Abschluss zu verantworten. Doch wie Sie laut meinen Kollegen mit den Mitschülern umgehen, ist nicht zu tolerieren. Meinen Sie nicht, dass man sich wenigstens ein wenig zusammenreißen sollte, wenn schon der Schulleiter ein Gespräch wünscht? Und auch, wie respektlos und ungesittet Sie sich den Autoritätspersonen in Ihrem Umfeld verhalten, ist mir zu Ohren gekommen. Doch wahrscheinlich fragen Sie sich noch immer, weshalb Sie hier sind. Immerhin sind genannte Schwierigkeiten bei ohnehin problematischen Menschen durchaus normal. Doch es geht auch um weitaus mehr. Sie-“
    „Einen Moment mal!“ unterbreche ich hastig. „Hören Sie sich eigengtlich selber zu? Sie haben keinerlei Beweise! Woher wollen Sie wissen, dass ich mich wirklich so verhalte? Sie haben bloß die Aussagen zweier durchaus parteiischer Leute. Sie kennen mich doch …“
    „Gut“, zischt Snape aufgebracht, „Dann erzählen Sie doch einmal, wie es Ihrer Meinung nach wirklich ist.“
    Nervös verschränke ich meine Hände hinter dem Rücken. Es ist nie eine gute Idee, Snape zu reizen. Aber vielleicht, nur vielleicht, wenn ich es ganz, ganz vorsichtig angehe, kann ich Snape überzeugen, dass seine Informationen nicht der Wahrheit entsprechen – was diesesmal ja tatsächlich der Fall ist.
    „Wissen Sie“, beginne ich unsicher, „Ich … Ich bin nicht sicher wieso, aber irgendwie … haben die Carrows etwas gegen mich. Mag es der Fakt sein, dass ich ein … ein … Werwolf bin oder sonst etwas … aber es ist so. Und was diese Anschuldigungen betrifft: Ich kann Ihnen versichern, dass nichts davon der Wahrheit entspricht. Ich ignoriere meine Mitschüler. Würde ich das nicht tun und auf sie und ihre Bemerkungen über mich eingehen, gäbe es mit Sicherheit mehr Probleme. Und ansonsten … mache ich nichts, buchstäblich gar nichts. Das versichere ich Ihnen.“
    Ich hasse es, wenn mich sonstige Mitmenschen mit einem derart unbeteiligten Ausdruck einfach nur stumm ansehen und gar nichts tun. Was erwarten Leute, die so gucken? Soll man gehen, sich für irgendetwas entschuldigen? Weiterreden? Abwarten, nichts tun?
    Es gibt nur eine Person, die diesen Ausdruck besser kann als Snape, und das ist Draco. Allerdings ist es bei ihm weniger wichtig, wie korrekt ich mich verhalte. Hier jedoch kommt es wahrscheinlich auf mein Verhalten an.
    „Selbst wenn es so wäre, Miss Greenskape, gibt es, wie gesagt, eine weitere, klärungsbedürftige Angelegenheit.“ In dem Moment wünsche ich mir schon, Snape hätte weiter geschwiegen.
    „Einen Lehrer schlecht zu reden ist bereits mehr als inakzeptabel. Doch … Wie mir die Carrows zugetragen haben, mussten sie mitbekommen, wie Sie einige spitze Worte über den dunklen Lord zur Äußerung gebracht haben.“
    Es ist wie ein Schlag in den Magen, und ich weiß, dass ich, und vielleicht nicht nur ich, ernsthafte Probleme habe.

    60
    ~
    Es sind nun drei Stunden vergangen, seit Isa sich zu Snape aufgemacht hat. Je mehr Sekunden, Minuten, Stunden vergehen, werde ich unruhiger. Es war schon spät als sie ging, und mittlerweile ist längst die Nacht hereingebrochen. Und ich habe noch immer nichts von ihr gehört.
    Die Zeit vertickt, weiterhin stumm und leblos.
    In der ersten Stunde habe ich mir nichts weiter gedacht, doch ein unruhiges Gefühl ließ sich die ganze Zeit über nicht abschütteln, egal, womit ich mich beschäftigte.
    Weitere vier Stunden sind vergangen – und Isa ist noch immer nicht zurück. Die leichten Sorgen werden von Ärger verdrängt. Wieso schafft sie es eigentlich nicht einmal einen Monat, ohne sich irgendwelche Probleme einzuhandeln? Es könnte so leicht sein, wenn sie auch einmal nur nicken und lächeln würde, es wäre so einfach. Aber nein, sie muss sich ja überall Feine machen. Verdammt, ist das ätzend.
    Ich merke, wie die Müdigkeit mich übermannt. Ich versinke in Taubheit und schwarzen Schatten.
    Ich glaube, wenn Isa morgen früh wieder da ist, wird meine Wut nicht verschwunden sein.

    Mit heftigen Kopfschmerzen wache ich auf.
    Alles ist wie in der letzten Nacht. Alles.
    Still, taub und nach wie vor … leer.
    ~
    Ich unterdrücke ein Gähnen. Es kann nicht mehr lange zur Dämmerung dauern. Das ewige Warten macht mich ganz verrückt – obwohl mir bewusst ist, dass Warten höchstwahrscheinlich besser ist als das, was kommen wird. Ich hasse Warten …
    Es ist so düster und kalt hier, dass ich mich jede Sekunde konzentrieren muss, nicht einzuschlafen. Doch das zieht die Zeit nur noch mehr in die Länge. Ich muss schon wieder gähnen. Das war verdammt noch einmal eine ätzende Idee von Snape.
    Anstatt meinen Vater direkt zu benachrichtigen soll ich hier warten. Hier! Wie hirnrissig ist das eigentlich. Außerdem habe ich keine Ahnung, wann mein Vater hier vorbeischauen wird. Wenn ich Pech habe erst bei der nächsten Todesserversammlung. Ein paar von denen sind bereits hier vorbeigekommen, doch niemand hat mich beachtet. Vielleicht – auch wenn ich es mal nicht hoffe - liegen einfach viel zu oft irgendwelche Leute in der Eingangshalle von Malfoy Manor herum, als dass es weiter aufregend wäre. Schon gar nicht irgend so ein Mädchen.
    Nach und nach prasselt immer stärkerer Regen gegen die riesigen Kristallglasscheiben in den hohen Wänden. Ein unglaublich beruhigendes Geräusch – was nicht gerade praktisch ist, wenn man versucht, nicht einzuschlafen. Aber der Mamorboden ist so schön kühl … Und der Regen klingt so schön … Von der Dunkelheit gar nicht zu sprechen …
    Ich gehe eine Weile auf und ab, um die Müdigkeit zu vertreiben. Ich beschließe, mich auf die untersten Stufen einer der breiten Treppen zu setzen. Da schlafe ich bestimmt nicht ein. Bestimmt nicht …

    61
    Laute, tiefe Stimmen brechen durch mein Bewusstsein. Eine hellere Stimme, ruhig und neutral. Etwas hartes, kaltes drückt sich schmerzhaft in meinen Rücken. Wo bin ich eigentlich?
    Ich schlage die Augen auf. In dem dämmerigen Licht nehme ich eine Art .. Geländer wahr. Ein Treppengeländer … irgendetwas war da doch …?
    Rasch setze ich mich auf. Ich bin natürlich nach wie vor in Malfoy Manor.
    Regungslos verharre ich auf meinen Stufen und lausche den Stimmen. Ich höre zwei laute, streitende Männerstimmen und war da nicht noch eine Frauenstimme? Ja, doch, ich höre sie wieder.
    Die Laute verlieren sich im stetig trommelnden Regen und in der Leere der großen Eingangshalle. Durch die Stäbe des Geländers beobachte ich die drei Gestalten. Jetzt bleiben sie stehen, etwa in der Mitte der Halle. Die kleinste der Personen streift ihre Kapuze ab und redet eindringlich und leise auf die beiden Größeren ein. Zu leise, als dass ich es verstehen könnte, dennoch habe ich in der Düsternis keine Zweifel, dass es sich um Mrs Malfoy handelt. Dann ist es sehr wahrscheinlich dass einer der anderen ihr Mann ist. Und der dritte? Oh verdammt.
    Ein Glück, dass ich aufgewacht bin, als sie kamen.
    „Halt!“ Die Stimme von Mrs Malfoy. „Lucius, da ist jemand. An der Treppe.“
    Lucius und mein Vater ziehen ihre Zauberstäbe. Dass sie aber auch immer gleich einen Angriff erwarten … So bedrohlich ist eine einzige Person nun auch wieder nicht.
    Mit schmerzenden Gliedern von der unbequemen Nacht stehe ich auf. „Kein Grund zur Sorge, ich bin es nur.“
    Natürlich lässt mein Vater nicht den Zauberstab sinken, aber immerhin nimmt Lucius mich nicht mehr als Bedrohung wahr und Narzissa sowieso nicht.
    „Was treibst du hier?“ Auch schön, dich zu sehen, denke ich.
    „Snape hat mich per Flohpulver her geschickt. Er meinte, dass ich hier eher auf dich treffe, als … Zuhause.“
    Ich taste meine Taschen ab nach dem Brief für meinen Vater. Was Snape da wohl reingeschrieben hat? Obwohl … eigentlich will ich das gar nicht wissen. Mit misstrauischem Blick nimmt mein Vater den Brief entgegen.
    Dracos Eltern beobachten mich stumm. Bestimmt fragen sie sich, ob ich ihnen etwas von Draco erzählen kann oder ob ich ihn in meine Probleme mit hineinziehe.
    Angespannt warte ich auf eine Reaktion meines Vaters.
    „Du bist auch völlig bescheuert, oder!“, schnauzt er. Hilfesuchend ziehe ich die Schultern hoch. Ich glaube, eigentlich sollte es nicht sein, dass man Angst vor dem eigenen Vater hat. Draco könnte mich wahrscheinlich, was das betrifft, gut verstehen.
    „Womit habe ich das verdient, hm?“ Ich schaue auf den Boden. „Das ist …“
    „Beruhige dich, Andrew“, versucht Narzissa meinen Vater zu besänftigen. Vergebens.
    „Wenn der dunkle Lord das zu hören bekommt… Und du bis Schuld!“
    „Der dunkle Lord wird sich kaum um das Tun einer siebzehnjährigen Schülerin scheren“, sagt Lucius Malfoy mit seiner klassischen, aufgesetzt gelangweilten Stimme.
    „Das musste er schon oft genug“, knurrt mein Vater. Dann wendet er sich wieder mir zu.
    „Ich könnte dich auf der Stelle bestrafen, aber ich kann dein Gesicht gerade nicht ertragen.“ Damit geht er an mir vorbei, die Treppe hoch. In dem Moment schiebt sich die Sonne über den Horizone und taucht die kühle Halle in hellrote Strahlen.
    Ich sinke zurück auf die Treppenstufen und vergrabe das Gesicht in den Händen, wobei mir egal ist, dass Dracos Eltern noch immer nur wenige Meter von mir entfernt stehen.
    Ich hasse ihn, ich hasse ihn, ich hasse ihn!
    Und Draco muss ich über meinen Verbleib vorerst wohl auch noch im Dunkeln lassen.

    62
    „Ich nehme mir mal das Recht, vermuten zu dürfen, dass du meinen Sohn nicht in deine Unannehmlichkeiten mithineiziehst?“, fragt Lucius Malfoy abfällig.
    „Nein“, antworte ich leise. „Draco … Ihm geht es, den Umständen entsprechend, gut.“
    Plötzlich fällt mir etwas ein. „Er, er weiß gar nicht, was los ist, wo ich bin.“ Ich hebe den Kopf und schaue Mrs Malfoy an. „Sie … Könnten Sie ihn vielleicht benachrichtigen? Ich weiß nicht, schreiben oder so? Ich schätze, ich muss wohl noch ein Weilchen hier bleiben.“ Dracos Vater schnauft verächtlich. „So weit kommt es noch, dass wir uns von jemandem wie dir Befehle geben lassen. Endschuldigt mich, ich habe zu erledigen.“
    Narzissa nickt leise. „Selbstverständlich. Ich nehme an, du wurdest angewiesen, hier zu verweilen?“ „Ja.“ „Du warst bereits des öfteren hier – du findest dein Zimmer?“ Ich nicke.
    Sie blickt mich an, und ich habe keine Ahnung, was in ihr vorgeht. Ich stehe mühsam auf, atme tuef durch und mache mich auf den Weg zu 'meinem' Zimmer.
    Auf dem Absatz drehe ich mich nocheinmal um. „Schreiben Sie Draco, dass es mir gut geht, bitte.“

    Der graue Tag vor meinem Fenster sieht kalt aus. Kalt und ungemütlich. Und obwohl das wahrscheinlich mein geringstes Problem ist, habe ich das Gefühl vor Langeweile umzukommen. Das ist fast so schlimm wie das Warten auf das Ungewisse, wobei beides sich sehr nahe kommt. Ich kann nicht einmal sagen, ob ich es vorziehe, hier im Manor zu vergammeln oder in Hogwarts zu versauern. Wenigstens bin ich in Hogwarts nicht alleine, ganz im Gegensatz zu hier.
    Hier bin ich alleine, alleine mit dem Staub, mit der Kälte, der Stille und allein mit der Einsamkeit.
    Und allein mit mir selbst. Das ist wahrscheinlich das Schlimmtste. Man selbst ist das einzige, dem man nicht entfliehen kann. Man ist gefangen in dem eigenen Kopf, in den eigenen Gedanken, für immer. Und wenn man so viele Fehler macht wie ich, und dann noch scheinbare Ewigkeiten für sich allein ist, fängt man irgendwann an, wenn man über alles andere schon nachgedacht hat, soagar nachzudenken über das über was man nachdenkt. Ziemlich verwirrender Gedanke. Aber auch das geschieht nicht, ohne dass man vorher über all die Fehler und Probleme nachgedacht hat, die es sonst so gibt. Warum kann es nicht einfach in der Natur des Menschen liegen, über die schönen Dinge dieser Welt nachzudenken, wenn ihm langweilig ist?
    Das wäre zu einfach. Zu schön, zu gut. Und gute, schöne Dinge liegen mir nicht.

    63
    „Kennst du das, wenn man sich einfach nur fragt, wozu das alles führen soll?“ Die Person vor mir nickt. „Jah… Ich auch … Sagt man zu sowas nicht; 'So ist das Leben?“ Sie nickt wieder. Und schaut mich mitleidig an. „Irgendwie habe ich dieses Gefühl in letzter Zeit irgendwie ständig. Echt ätzend, das kannst du mir glauben. Und überhaupt, wenn hinter allem doch immer bloß ein Warum steht, macht doch alles keinen Sinn. Meinst du, es gibt etwas, das man nicht hinterfragen muss? Gibt es sowas? Das etwas passiert, und es ist genau wie es sein sollte? Ja?“ Die Person nickt heftig. „Was denn? Ach komm“, sage ich verächtlich, „Du meinst Freundschaft und Liebe? Du bist mir echt zu kitschig! Manchmal hasse ich dich echt. Ja ich weiß, dass du das weißt. Aber im Ernst, vielleicht hätten wir etwas weniger Stress, wenn du ein bisschen anders wärst. Irgendwie … schlauer… besser … vernünftiger, richtiger … und du solltest vielleicht weniger Selbstgespräche führen.“ Die Person zieht skeptisch die Augenbrauen hoch. „Nein!“, sage ich energisch, „Ich bin nicht verrückt! Und jetzt halt den Mund! Oder … nein, red weiter. Warte mal!“ Ich muss lachen. „Stell dir mal vor, Draco würde das alles mitbekommen!“ Mein Hals ist rau, und trotzdem lache ich laut weiter. „Der würde mich doch für völlig Banane im Kopf halten! Aber ist auch egal … Er ist in Hogwarts, und ich bin hier … Er in Hogwarts, sie ist in Hogwarts, es ist in Hogwarts … jeder und alles ist in Hogwarts, und ich, nur ich, ich bin hier, und ich bin ganz alleine und wahrscheinlich bald wirklich verrückt. Stell dir vor, ich bin in diesem Zimmer hier eingesperrt!“ Die Person vor mir schüttelt entsetzt den Kopf. „Doch! Und mir ist langweilig! Seit drei Tagen ist mir langweilig. Hast du eine Idee, was ich machen kann? Nein, hast du nicht, sonst hätte ich nämlich eine Idee … Nicht mal Hauselfen besuchen mich! Weißt du, warum ich so alleine bin? Nein, weißt du nicht! Ich auch nicht … Mir ist nicht nur langweilig, ich habe Durst! Weißt du, vielleicht sterbe ich ja mal irgendwann! Das Leben ist so langweilig, aber wenn ich vielleicht tot bin kann meine Seele bestimmt so schön hüpfen und ich kann durch Wände laufen, wie die Geister in Hogwarts! Selbst die Geister sind alle in Hogwarts!“ Ich lasse mich nach hintern fallen und lege meine Wange an den kühlen Boden. „Und dann hüpfe ich und … hüpfe und …“ Ich muss gähnen. Dabei müsste es bald Morgen sein. Vermute ich. Genau kann ich es nicht sagen; Die Fenster sind fest verschlossen, ebenso die Türen. Nur spärliches Licht durchdringt mein Zimmer in Malfoy Manor. Allerdings sagt mein Gefühl, dass etwa drei Tage vergangen sein müssen. Ob es mein Vater war, der mich eingeschlossen hat? Wahrscheinlich.
    Ich setze mich auf und schaue wieder die Person vor mir an.
    „Stell dir nur vor“, sage ich ernsthaft, „Mir ist so langweilig, dass ich mit meinem Spiegelbild rede. Verrückt, was?“ Sie nickt, ich nicke. Ich grinse mein Abbild an. „Ich glaube, in nächster Zeit könnte ich wirklich noch ein bisschen verrückt werden. Verrückter, meine ich. Im Ernst, jetzt bilde ich mir schon ein, Schritte zu hören! Oder angehendes Licht zu sehen und eine Tür sich öffnen zu hören … Vielleicht wünsche ich mir auch einfach so sehr, dass irgendjemand, irgendjemand zu mir kommt. Verrückt, was?“

    64
    „Wie tief kann man nur sinken? Und wie oft willst du mich noch blamieren? Führst du jetzt schon Selbstgespräche?“
    „Verschwende doch keine Zeit mit Reden, du siehst doch, sie redet nur noch mit sich selbst!“ Gehässiges Lachen.
    „Freut mich, dass dich das so amüsiert, Greyback, aber mir missfällt das, trotz all dem anderen, wichtigeren...“
    Starr vor Angst sitze ich da, die Augen geschlossen. Ich muss mich an das Licht erst wieder gewöhnen.
    Habe ich mir echt gewünscht, irgendjemand würde zu mir kommen? Wie dumm von mir. Man sollte vorsichtig sein mit dem, was man sich wünscht. Es könnte wahr werden.
    „Komm schon, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!“
    Ich muss mich beruhigen. Der Gedanke macht sich in meinem Kopf breit und schwappt wie Wellen durch mich wie die Ringe, die sich bilden, wenn man einen Stein ins Wasser wirft. Wenn ich Angst habe, macht es das bloß noch schlimmer, alles wird schlimmer sein. Es war nicht zu vermeiden, dass mein Vater irgendwann kommt. Mit oder ohne Greyback wird kaum eine Rolle spielen.
    Sie merken es, wenn ich Angst habe, und das wird nicht zu meinen Gunsten sein.
    Ich stelle mir Dracos Gesicht vor. Seine gerade Nase, die sturmgrauen Augen und seine kühlen Lippen. Die geraden Falten auf seiner Stirn, wenn ihm etwas missfällt. Das akurat gekämmte, fast weiße Haar. Wie er blinzelt und leicht den Kopf neigt, wenn er genervt ist.
    Ich stehe auf.
    Ich gehe weiter. Dracos gerade Schultern und seine langen Beine. Diese einzigartige Präzision, wenn er sich bewegt.
    Wie aus weiter Ferne spüre ich, wie Greyback meinen Arm packt und mich weiter zerrt.
    Ich stelle mir vor, wie Draco meine Hand drückt. Er ist stärker, als er aussieht, manchmal vielleicht ein wenig zu stark und besitzergreifend. Ein bisschen sehr bestimmt und doch stets ruhig. Genau wie ich gerade. Vielleicht kann ich so ruhig werden wie Draco.
    Irgendwo hinter mir wird eine Tür fest zugestoßen.
    Draco, wie er meinen Namen ruft, manchmal etwas genervt und hektisch, aber genauso auf der Suche nach mir.
    Ich bin weit weg mit meinen Gedanken, doch das hinter mich nicht daran, den Zauberstab zu bemerken, der sich auf mich richtet.
    Auch wenn nicht anwesend, so ist Draco vielleicht doch auf irgendeine andere Art in meiner Nähe, egal, was passiert. Was passiert ist, was passiert und was passieren wird.

    65
    Greyback drückt mich grob auf einen schmalen Stuhl und ich spüre, wie sich hinter meinem Rücken magische Handfesseln um meine Handgelenke schlingen.
    Der Raum, in dem wir uns befinden ist kahl, bloß ein Tisch und eine Kommode stehe schmucklos an der Wand neben der Tür.
    Während mein sogenannter Vater sich im Hintergrund hält, beugt sich Greyback, die Hände auf meinen Knien abgestützt, vor. Ich kann das Animalische fiebrig in seinen Augen glänzen sehen.
    Soweit es geht, weiche ich ihm aus.
    „Ich frage dich hier und jetzt, hast du schlecht von unserem dunklen Lord geredet?“ Ich schüttele den Kopf. Die erdrückende Angts verbietet mir das Sprechen.
    „Ach, nein?“, fragt Greyback spöttisch, „Da kennen wir aber etwas ganz anderes.“
    Erneut zückt er seinen Zauberstab. „Eine Chance kriegst du noch … Also. Willst du deine Antwort ändern?“
    Erneut kann ich nur den Kopf schütteln. Der verwahrloste Werwolf hat mich in seiner einschüchternden, brutalen Art gefangen.
    „Muss das wirklich sein, Greyback? Die letzten Male hast du es auch übertrieben.“ Die letzten Male … Greybacks Grausamkeit scheint bis in die Unendlichkeit zu reichen. Greyback knurrt missmutig, doch er dreht sich nicht zu meinem Vater um. „Du könntest auch Veritaserum nutzen. Es geht schneller und wenn sie doch nichts getan hat, wird sie weniger beschädigt sein und besser im Stande sein, sich unseren Aktivitäten wieder anzuschließen.“
    Ich merke, wie Greyback sich ur mühsam beherrschen kann, nicht auch auf meinen Vater loszugehen.
    „Verdirb mir nicht den Spaß, Greenskape.“ Mein Vater seufzt ergeben. „Es war nur ein Vorschlag, letztlich liegt es in deiner Hand. Wie dem auch sei, ich habe noch einiges zu erledigen. Melde dich, wenn du soweit bist, Greyback.“
    Ich versuche, meinem Vater einen bittenden blick zuzuwerfen, als er den Raum verlässt, doch er dreht sich nicht einmal nach mir um, nicht ansatzweise.
    „Jetzt sind wir also endlich alleine und ungestört“, stellt Greyback zufrieden fest. Ich höre die Gier und den Blutdurst in seiner Stimme, und mir wird schlecht.
    „Vielleicht wirst du jetzt die Wahrheit sagen. Crucio!“
    Ein stechender Schmerz macht sich in mir breit. Ich meine, mir würden die Rippen verdreht und herausgerissen werden, während kalter, schneidender Schmerz durch meinen Kopf geht. Einzig und allein die magischen Fesseln erhalten mich aufrecht, während ich den Kopf zurücklege und schreie, als könnte ich damit dem Schmerz aus mir herausschreien. Ich schreie, bis mir die Luft ausgeht und ich keinen neuen Atem schöpfen kann, weil meine Lungen zerfetzt werden. Schwarze Schatten tanzen vor meinen Augen, während ich um Luft ringe.
    Greybacks Pranke scheint in Flammen zu stehen, als er mir den Mund zuhält.
    „Willst du dass es aufhört? Ich kann es beenden. Du musst mir nur eine kleine Frage beantworten: Hast du den dunklen Lord verraten?“ Ich will Nein sagen, sagen, aber ich kann den Mund nicht öffnen. Ich will den Kopf schütteln, aber ich habe keine Kraft.
    Der heiße Schmerz verebbt. Atemlos schnappe ich nach Luft. Einzig der Gedanke an das, was kommen wird, wenn ich wirklich die Wahrheit sage, gibt mir das letzte bisschen Kraft, weiter leugnen zu wollen, wie sehr ich den dunklen Lord tatsächlich verraten habe.

    66
    „Was jetzt?“, faucht Greyback ungehalten und kommt mir noch näher.
    Mit schwacher Stimme streite ich es nach wie vor ab. In Greybacks wutverzerrtem Gesicht kann ich sehen, dass er mir nicht glaubt.
    Er packt mich an den Haaren, zerrt mich von meinem Stuhl auf und schleudert mich zu Boden. Ich lande ungünstig auf dem Rücken und meinen noch immer gefesselten Armen muss erneut um Atem kämpfen. Wieder richtet Greyback seinen Zauberstab auf mich. Er ist kein guter Zauberer, er kann die Auswirkungen des Crutiatus oder eines sonstigen Zaubers nicht kontrollieren.
    Ungezügelte Magie sticht mit inexistenten Messern auf mich ein. Ganz nebenbei bekomme ich mit, wie Greyback sich durch das Zimmer bewegt, sich und seinen Zauberstab jedoch nicht von mir abwendet.
    Beinahe so schnell wie sie gekommen sind verschwinden meine Schmerzen wieder, mein Peiniger steht direkt über mir. In meinen Krämpfen habe ich mich auf den Bauch gedreht. Greyback stellt einen Fuß auf meinen Rücken und hält mich weiterhin fest zu Boden gedrückt. Als wenn ich sonst die Kraft besäße, mich aufzurichten…
    Ein zweites Mal reißt er an meinen Haaren, diesmal jedoch nur um mich zu zwingen, ihn anzusehen.
    Ohne dass ich es erwarte, beugt sich Greyback zu mir herunter und zwingt mich, etwas von einer mir unbekannten Substanz zu schlucken. Ich wehre mich nicht, zu lange habe ich nichts zu Trinken bekommen.
    Wenn es nicht Greyback wäre, der hier über mir steht, würde ich vermuten, dass es sich um Wasser handelte, da ich nichts geschmeckt habe. Allerdings ist er nun mal Greyback, also tippe ich eher auf Veritaserum.
    Der Werwolf lässt mich los und tritt ein paar Schritte zurück. Ich presse die Stirn auf den kühlen Mamorboden, erleichtert, wie freier atmen zu können.
    Mit einem Mal klären sich meine Gedanken, nichts Abstraktes geht mir mehr durch den Kopf, nur Fakten. Wahrheiten.
    Ich liege hier auf dem Boden, vor Greyback, der mich völlig in seiner Gewalt hat.
    Ich kann nicht ahnen, wie lange ich das noch ertragen muss.
    Ich werde möglicherweise sterben.
    Nicht einmal an Draco kann ich normal denken, eher scheint es mir, als hätte mir jemand einen Steckbrief an die Stirn geheftet, denn das ist das einzige über ihn, das ich sehe, wenn Draco eine Sekunde durch meine Sinne geistert.
    „Ich frage dich noch ein letztes Mal“, lenkt Greyback meine Aufmerksamkeit wieder auf ihn., Ein letztes Mal', das klingt gut. „Du kannst jetzt gar nichts anderes als die Wahrheit sagen.“ Bevor ich darüber nachdenken kann, habe ich bereits „Ja, das habe ich schon gedacht“, gesagt. Greyback grinst böse und zeigt seine gelben Zähne.
    „Hast du in letzter Zeit schlecht über den dunklen Lord geredet, warum wir dich auch hergeholt haben?“
    Ich werde die Wahrheit sagen. Ich werde sie sagen müssen.
    Ich setzte an zum Sprechen, öffne den Mund und bringe nur ein einziges Wort hervor: „Nein.“ Dann wird alles schwarz.

    67
    Mein Nacken tut weh. Vorsichtig strecke ich mich ein wenig. Es ist dunkel, aber nicht so dunkel, als dass ich nichts erkennen könnte. Nach wie vor bin ich in dem kahlen Raum, wo rGeyback die Wahrheit aus mir herausbekommen wollte. Zum Glück bin ich alleine. Plötzlich bemerke ich, dass ich mich wieder frei bewegen kann. Meine Fesseln wurden also auch entfernt.
    Was ist passiert?
    Greyback hat mir das Veritaserum gegeben, und dann? Beunruhigt setze ich mich auf. Ich habe Nein gesagt. Aber ich hätte doch die Wahrheit sagen müssen? Und dennoch habe ich ganz von selbst auf die Frage, ob ich den dunklen Lord verraten hätte, mit Nein geantwortet. Wie ist das möglich?
    Hauptsache ist dennoch, dass die Todesser mir ab jetzt wohl oder übel glauben müssen.
    Fragt sich nur noch, wie lange ich hier schon herumliege. Und ob ich hier raus kann.
    Langsam teste ich, ob ich aufstehen kann. Mir tut alles weh, aber es funktioniert erstaunlich gut, wenn man bedenkt, was ich durchmachen musste.
    Ganz wie erwartet ist die Tür zum Korridor verschlossen. Ich beschließe, einfach zu warten, schließlich wird Voldemort mich wohl kaum einfach hier eingesperrt lassen, selbst, wenn er mich tot sehen wollte, das wäre viel zu nett.
    Nach ein paar Minuten werde ich ungeduldig. Wie ein kleines Kind lege ich mich vor die Tür und schaue durch den Spalt zwischen Tür und Boden – ein Schlüsselloch gibt es nicht.
    Warum dauert alles hier eigentlich so lange?
    ~
    Mit ungesund schnell klopfendem Herzen umklammere ich das Stück Pergament. Seit Snape Schulleiter ist, ist jeglicher Briefkontakt von außerhalb der Schule streng untersagt – und wird nur in seltenen, geprüften Fällen genehmigt.
    Welchen Grund hat es also, dass Snape zulässt, dass mich das Schreiben von Mutter erreicht?
    Es muss schon wirklich sehr wichtig sein. Oder etwas, das Snape ungemein erfreut.
    Beides nicht unbedingt beruhigend für mich. Isa ist jetzt seit zwei Tagen verschwunden, seit sie zu Snape gerufen wurde.
    Erneut spähe ich auf die ordentliche, weiche Schrift meiner Mutter, nur, um schnell wieder wegzusehen.
    Ich bin versucht, den Brief tatsächlich einfach zu ignorieren – und einfach weiterzumachen wie bisher. Das wäre sichtlich einfacher – doch ich kann nicht.
    Draco Malfoy, denke ich verärgert, was ist aus dir geworden, dass du dich nichteinmal traust, einen Brief anzusehen?
    Etwas fahrig falte ich das Pergament auseinander.

    Guten Tag Draco,

    Ich hoffe sehr, dass mein Schreiben dich erreicht und ich hoffe, du bist soweit wohlauf.
    Sicher ist dir nicht entgangen, dass Isa dir bereits länger nicht mehr begnet ist und sich nicht mehr in der Schule aufhält.

    Also ist sie weg, nicht mehr hier. Nicht, dass Hogwarts zu dieser Zeit ein begehrenswerter Ort wäre, doch es beruhigt mich keineswegs, dass sie nicht mehr hier ist. Besorgt überfliege ich die folgenden Zeilen.

    Vielleicht kannst du dir denken, dass sie hierher, ins Manor, geschickt wurde. Ich bin nicht sicher, ob du den Grund dafür kennst. Um sicherzugehen, stelle ich es hier für dich nocheinmal klar:
    Die Professoren Carrow haben scheinbar herausgefunden, dass Isa dem Todesserstatus nicht ganz gerecht sei. Professor Snape handelte schnell, ließ sie zu sich rufen und schickte sie, meinen Erkenntnissen nach, direkt hierher. Ich habe sie nach ihrer Ankunft getroffen.
    Sie sagte mir, ich solle dir ausrichten, dass es ihr gut geht.

    Der letzte Satz beunruhigt mich noch mehr als der Rest. Wenn Isa schon extra beauftragt, mir sagen zu lassen, es ginge ihr gut, kann ich der Aussage erst Recht keinen Glauben schenken.

    Dir muss bewusst sein, dass solche Vermutungen schnell untersucht werden – werden müssen.
    Ich denke, man wird Isa einige Fragen stellen, sie unter Veritaserum erneut befragen oder andere Mittel zur Wahrheit suchen. Wie du dir sicher denken kannst, bin auch ich nicht vollständig darüber informiert, doch so wie es aussah, werden Mr Greenskape und Mr Greyback den Prozess leiten.

    Mr Greyback … das klingt sehr befremdlich.
    Wenn das doch nur das Schlimmste wäre ...

    68
    Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder, Draco.

    Narzissa Malfoy

    Warum hat Mutter mit ihrem Namen unterschrieben? Vielleicht wusste sie, dass jedes Schreiben nach Hogwarts kontrolliert wird. Nein, natürlich wusste sie das …
    Vielleicht sollte ich versuchen, zurückzuschreiben, nach Neuigkeiten fragen, …
    Auf dem Weg zur Eulerei läuft mir ein anderes Mädchen entgegen. Ihr dunkler suchender Blick huscht rastlos durch das Treppenhaus. Schließlich fällt ihr Blick auf mich. Ich bemühe mich, das Mädchen zu ignorieren, so nervig ihr klammernder Blick auch ist.
    Fast meine ich, das Mädchen ihre Schritte verlangsamen zu sehen während sie mich anstarrt. Aber was könnte die schon von mir wollen?
    Gerade bin ich an ihr vorbeigelaufen, erleichtert ihr Gestarre nicht mehr zu sehen, höre ich meinen Namen. Genervt drehe ich mich zu ihr um.
    „Du bist doch Draco Malfoy, oder?“ Ich seufze und blicke sie abwartend an. Das Mädchen tritt näher.
    „Ich heiße Jill Dungen.“ Jills Blick huscht schüchtern hin und her, schaut mir kurz ins Gesicht und wendet sich schnell wieder ab. Schließlich entscheidet sie sich dazu, mit meinem Knie weiterzureden. „Du kennst doch Isa, oder?“ Ich nicke. Natürlich. Diese Jill macht mich nervös. Ständig verlagert sie ihr Gewicht erst auf das eine, dann auf das andere Bein, verknotet unruhig ihre Finger und spielt fahrig an ihren dunklen, hüftlangen Haaren herum.
    Ich frage mich, was einen derart schüchternen Menschen dazu veranlasst, ausgerechnet Draco Malfoy ansprechen zu wollen.
    „Weißt du wo sie ist? Ich habe sie nicht mehr gesehen, seit ein paar Tagen nicht und du kennst sie ja und du weißt vielleicht wo sie ist und was sie macht und...“ Sie zuckt mit den Schultern.
    „Nein, ich weiß nicht, wo sie ist“, antworte ich kalt. Ich wüsste nicht, was das diese Jill Dungen angehen würde. Als ich ihr genau das sage, zappelt sie noch unruhiger herum. Mein Vater würde sich gar nicht erst die Mühe machen, mit diesem Mädchen zu reden.
    „Ich weiß nicht, ob sie dir je von mir erzählt hat, aber früher war ich sowas wie ihre beste Freundin.“ Ich kann mich nicht erinnern, dass Isa je davon geredet hätte, wenn es allerdings stimmt … Prüfend mustere ich Jill. Scheint, als wäre da jemand eine lange Erklärung schuldig.
    ~
    Eine Hand am Geländer gehe ich langsam und mit schweren Schritten die Treppe hinunter.
    Was mich erwartet weiß ich nicht. Was passieren wird weiß ich nicht. Ich weiß nicht einmal, ob ich morgen früh noch leben werde.

    69
    Sobald wir in Sichtweite der Versammlungshalle sind, verschnellert Greyback seinen Schritt, zieht mich hinter ihm her. Was tun wir hier? Führt er mich direkt zum dunklen Lord? Oder gibt es eine Versammlung? Bitte nicht. Alles, nur das nicht. Allerdings, was habe ich denn erwartet, als Greyback mich nach einer scheinbaren Ewigkeit aus meinem Zimmer geholt und durch halb Malfoy Manor geschleift hat? Das einzige, das er zu mir gesagt hat, war, dass ich Glück gehabt hätte. So fühlt es sich aber nicht an, hätte ich fast gesagt, trotzig, wie ein kleines Kind.
    Nein. Glück schmerzt nicht bei jedem Schritt, es raubt auch nicht den Atem, weil man kaum Luft bekommt. Glück lässt nicht zu, dass man sich Blut aus dem Auge wischen muss, weil irgendein Werwolf einen auf Mamorboden schleudert und man eine glücklicherweise kleine Verletzung über dem Auge bekommt. Dabei habe ich es jetzt selbst so gedacht, glücklicherweise. Vielleicht bedeutet Glück auch nur, dass es immer viel schlimmer gehen könnte.
    Viel Zeit, darüber nachzudenken, bleibt mir wahrscheinlich nicht.
    Und trotz allem, was passiert ist, will ich möglichst wenig Schwäche zeigen. Ich kann nicht. Mein letzter Stolz lässt das nicht zu.
    Vielleicht werde ich gleich dem dunklen Lord gegenüber treten, vor versammelter Todesserschaft getötet oder schlimmeres. Und gerade deshalb ignoriere ich die Schmerzen, die noch immer an mir zerren und hebe den Kopf, strecke den Rücken durch und richte meine Schultern gerade und stolz. Ich erinnere mich daran, die Schritte nicht schleifen zu lassen und weder zu hastig noch zu zögerlich zu gehen. Greybacks verächtlicher Blick entgeht mir nicht.
    Er stößt die Rechte der beiden Flügeltüren auf.
    Ich bin bereit.

    70
    ~
    Ich schweige. Hatte ich jemals einen besten Freund? Vielleicht noch Blaise, wenn man es nicht zu genau sieht. Jill scheint zu verstehen, dass ich vielleicht etwas brauche um nach ihrer Geschichte wieder ganz klar im Kopf zu sein, denn sie steht auf und schlendert betont abgelenkt durch die Regale.
    Ich bin froh, dass sie darauf bestanden hat, mir in der Bibliothek alles zu erzählen und nicht irgendwo mitten im Korridor. Hier ist es nichts Besonderes, nachdenklich durch die Gegend zu starren und zu reden, hier falle ich nicht auf.
    Ich denke wieder daran, was Jill mir erzählt hat. Verzweifelt versuche ich mich daran zu erinnern, wie Isa früher aussah. Vielleicht in der zweiten oder dritten Klasse fürs erste. Wieso kann ich mich nicht erinnern? Ich kannte sie doch damals schon, wir waren in einer Klasse.
    Doch eine Vorstellung einer jungen Isa scheint nicht mehr in mich hinein zu passen.
    Isa mit weniger Schmerz in den Augen, oder wie sie lacht. Habe ich sie je lachen sehen? Vielleicht. Aber nicht in den letzten Wochen, da bin ich mir sicher. Isa mit weniger scharfen Gesichtszügen oder weniger Verzweiflung in der Stimme, wenn sie mit mir redet. Eine freimütige Isa, die nicht ständig über die Schulter schaut, nach Bedrohung. Sie, ohne Erinnerung in ihrem Gesicht zu lesen, Erinnerung an Todesser, an den Tod, an alles, das sie verzweifeln lässt.
    Und erst recht kann ich mir keine Isa vorstellen, die als kleines Mädchen lachend durch das Ministerium rennt und sich zusammen mit einer Freundin vor Erwachsenen versteckt.
    Ich wünschte, ich hätte sie gekannt, als sie unverurteilt von der Welt war, wie wir sie heute kennen. Völlig frei, unbeschwert. Mein Vater hätte sie so gehasst. Fast amüsiert mich der Gedanke, wie Vater über kleine Unruhestörer im Ministerium klagt, bis mich der Gedanke plagt, was er in seiner Todesserrolle ihr gegenüber vielleicht schon zu verantworten hat. Auch wenn er uns damals gerettet hat, in den Kerkern von Malfoy Manor. Früher hat er sich bereits ausgezeichnet gut mit Isas Vater Andrew verstanden. Ich schätze, das war noch nie eine gute Kombination.
    Ich schaue mich nach Jill um. Als sie mich bemerkt, kommt sie zurück und setzt sich wieder mir gegenüber.
    Obwohl ich weiß, wie kindlich die Frage klingen wird, richte ich mich wieder an sie: „Isa war sehr glücklich früher, oder?“ Und genau das ist es, was ich jetzt hören will. Dass sie immer so überschwänglich war und so fröhlich, wie ich es nicht geschafft habe mir vorzustellen.
    Jills Blick senkt sich auf den Tisch vor ihr. Fast will ich meine Frage zurücknehmen.
    „Ich weiß nicht, ob ich es gemerkt hätte, wenn sie traurig gewesen wäre. Wahrscheinlich nicht. Isa hatte damals schon immer Probleme, irgendwelche Schwächen einzugestehen. Es könnten die Tage gewesen sein, an denen sie so übermütig war, dass selbst ich Bedenken hatte. Es würde zu ihr passen, schlechte Dinge auf diese Weise zu vertuschen. Oder die Tage, an denen sie meinte, dass sie müde war, weil sie sich in der Nacht mit den Hauselfen gestritten hatte.“ Ganz kurz schaut sie mir in die Augen, ich entdecke Unsicherheit darin.
    „Was ich aber sicher sagen kann …“, sie zögert erneut, „Manchmal hat sie ein geschwollenes Auge gehabt oder Schrammen im Gesicht, am Hals und an den Armen. Mir hat sie gesagt, dass sie ständig aus dem Bett fällt, weil sie immer so lebhaft träumt.“ Auf einmal fängt Jill an zu kichern, das letzte, wonach mir gerade zumute wäre. „Wenn du ihr das nächste Mal begegnest, frag sie, ob sie Seher-Blut hat. Einmal hat sie gesagt, sie wäre in einem Traum von einem Werwolf und einem Bergtroll über einen Berg gejagt worden und ein Drache wäre vom Himmel gefallen und hätte sie gerettet.“
    Erschrocken stelle ich fest, dass ich mich fühle, als müsste ich tatsächlich gleich anfangen zu weinen. Wieso habe ich das nicht gewusst? Warum hat Isa nie mit mir über sowas geredet? Diese Beziehung zwischen uns muss verdammt oberflächlich sein. Scheint, als kenne ich sie doch nicht so gut wie ich gedacht hatte.
    „Hast du ihr das geglaubt?“, frage ich schnell, „Das mit den Träumen?“
    „Manchmal“, antwortet Jill, „Besonders am Anfang. Aber … auch als kleines Kind fallen einem irgendwann Dinge auf, die sich zusammenhängend mit anderen wiederholen. Vielleicht merkt man sowas auch gerade als kleines Kind. Ich weiß es nicht. Was ich aber sicher weiß, ist, dass sie an jedem Tag, wo sie erzählt hat, aus dem Bett gefallen zu sein, nach unseren Touren durch das Ministerium nie zurück wollte. Isa wollte immer noch schnell, das machen und dies, und noch schnell einmal dort hin und da, irgendwie wollte sie immer rauszögern, dass wir beide irgendwann jeweils zu den Arbeitsplätzen unserer Eltern zurückgehen. Ich war mir an solchen Tagen oft ziemlich sicher, dass ihr Vater längst nach ihr suchen ließ, weil es schon so spät war. Am Tag danach war sie manchmal nicht da, oder sie sah noch schlimmer aus.“
    Ich stütze das Kinn auf meine Hände. Ich habe das früher immer anders gehandhabt. Wenn ich eine Auseinandersetzung mit meinem Vater gehabt hatte, war ich in der Zeit danach immer besonders nachgiebig und folgsam. Ich habe nie auch nur daran gedacht, mich vor ihm zu verstecken oder zu fliehen. Ich wusste, das konnte ich nicht. Danach wäre alles vermutlich nur schlimmer gewesen.
    Vielleicht ist das der wirklich grundlegende Unterschied zwischen mir und Isa.
    Ich gebe schneller auf als sie. Im Gegenzug funktioniert meine Methode besser, um weiteren Strafen aus dem Weg zu gehen. Sehr viel besser.
    Ich glaube, mein Vater wusste ganz genau, wie er was bei mir erreichen konnte. Er hingegen … er war für mich immer so … so unberechenbar, mit seinen schwankenden Launen, den immer neuen Erwartungen, Ansprüchen, Forderungen, Wünschen, … Mir kam es vor, als hätte er sich jeden Tag etwas Neues ausgedacht für mich.
    Ich kann nicht umhin, ihn mit Isas Vater zu vergleichen.
    Vater war, soweit ich das beurteilen kann, eher darauf bedacht, nach außen hin alles perfekt aussehen zu lassen, als Andrew. Er ist so ein Heuchler.
    Es waren sehr oft Leute aus dem Ministerium bei uns. Ich weiß nicht, wann genau ich angefangen habe, das bewusst wahrzunehmen, allerdings habe ich mich immer gefragt, weshalb Vater so freundlich wurde, sobald andere Leute bei uns waren. Zu fragen habe ich mich jedoch nicht getraut.
    „Jetzt du.“ Jill reißt mich aus meinen Gedanken. „Was ist mit mir?“ Sie seufzt. „Ich habe dir erzählt, warum ich wissen will, was mit Isa ist. Und du scheinst ziemlich überzeugt, also bist du jetzt dran, zu sagen, warum ich dir das jetzt alles erzählen musste.“
    Nachdenklich blicke ich sie an. Endlich schaut Jill mir auch etwas länger als für einen Augenblick ins Gesicht. „Kann man dir vertrauen?“ Jill ignoriert die Frage. Sie ist überflüssig. „Also gut“, gebe ich schließlich nach. „Aber ich kann nicht garantieren, dass du danach glücklicher bist.“

    71
    ~
    Nur zwei Plätze sind frei. Dies scheint tatsächlich eine offizielle Versammlung zu sein.
    Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Einerseits – es wird wesentlich wichtigere Dinge geben als mich, die es auf einer Versammlung zu besprechen gibt. Das ist definitiv etwas gutes. Doch das schließt nicht aus, dass ich trotzdem zur Sprache komme. Und dann ist es um ein vielfaches schlimmer als ohnehin schon.
    Die beiden leeren Plätze liegen sich fast gegenüber, der eine liegt zwischen zwei Todessern, dessen Namen ich nicht kenne. Der andere zwischen Dracos und meinem Vater. Ich hoffe, dass ich zu den Fremden kann.
    Mit einem schnellen Blick durch den Saal stelle ich fest, dass der dunkle Lord noch nicht vertreten ist.
    Ganz entgegen meiner Hoffnung weist Greyback mir den Platz auf der linken Seite des Tisches zu. Im Vorbeigehen fange ich den teilnahmslosen Blick von Mrs. Malfoy auf. Fragt sie sich, weshalb ich noch hier bin? Lebend? Schließlich weiß sie von Dracos und meinem Verrat. Das wirft in mir wieder die Frage auf, warum das Veritaserum mich hat leugnen lassen, den dunklen Lord verraten zu haben. Wenn ich das wüsste, könnte ich mir das merken und nutzen, wenn dieses Wissen einmal gebraucht wird.
    Unglücklich lasse ich mich auf meinem Stuhl nieder. Wenn ich darüber nachdenke, was mir früher manchmal Sorgen gemacht habe, oder über was ich mich beschwert habe, kommt mir mein altes ich verdammt dumm vor.
    Sollte das alles hier je ein Ende haben, werde ich sicherlich mehr nachdenken, bevor ich mich über irgendetwas beklage.
    Die Sitzordnung hätte ungünstiger für mich nicht ausfallen können. Wenn ich nach vorne schaue, muss ich Greyback ansehen. Zu meiner linken sitzt mein Vater. Ich kann nicht vergessen, wie er bereit war, mich so ohne weiteres zu töten, oder dass er sich nicht einmal umgedreht hat, als er mich Greyback ausgeliefert hat. Auf der anderen Seite müsste ich Mr Malfoy ansehen. Alles an ihm erinnert mich an Draco. Das kann ich nicht ertragen. So bleibt mir nur, den Kopf gesenkt die Tischplatte anzustarren. Doch genau das wollte ich vermeiden, irgendeine Schwäche in meiner Haltung zu zeigen.
    Schließlich tue ich so, als sähe ich mich in der Versammlungshalle um. Als wüsste ich nicht genau, wie es hier aussieht.
    Wie bin ich eigentlich in diese Lage geraten? Gebrandmarkt als Todesserin, als Werwolf verunstaltet, in der Missgunst von mehreren skrupellosen Todessern und dem schwarzen Lord selbst. Im Sommer war doch noch alles in Ordnung. Oder? Nein, eigentlich war bei mir nie irgendetwas je vollkommen in Ordnung. Vielleicht verstehe ich mich deshalb so gut mit Draco, vielleicht ist es das, was uns beide verbindet, vielleicht. Wir beide wären nie im Leben in diese Situation gekommen, hätten unsere Väter sich damals nicht entschlossen, den Todessern beizutreten. Und nun müssen wir beide darunter leiden.
    Vorsichtig betrachte ich Mr Malfoy. Er sitzt viel zu ruhig da, viel zu kontrolliert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Mann freiwillig hier ist. Vielleicht war er früher von dem dunklen Lord überzeugt, aber sicherlich nicht jetzt. Er hat Angst vor ihm, ich weiß es. Wie kann man so dumm sein, so dumm, sich freiwillig dem dunklen Lord anzuschließen, wenn man offensichtlich doch noch etwas Skrupel besitzt.
    Als Mr Malfoy mich bemerkt, wende ich den Blick ab.

    72
    Trotzdem halte ich mich weiterhin aufrecht, um nicht den Schein zu erwecken, Angst zu haben.
    Erst als der dunkle Lord erscheint, senke ich den Blick. Ganz so dumm bin auch ich nicht.
    Bevor er kam, hat bereits niemand gesprochen oder sich irgendwie geregt, doch jetzt, wo er geräuschlos durch die Reihen schreitet, kommt es mir noch ruhiger vor als zuvor.
    Die Stille dröhnt mir in den Ohren. Ich weiß nicht, ob es nur mir so geht oder ob ich mir das einbilde, aber es scheint mir, als könnte alles, was ich tue, ungünstige Aufmerksamkeit auf mich lenken. Ob es nun das zu ruhig sein ist oder zu lautes Atmen, alles fühlt sich riskant an.
    Aus den Augenwinkeln nehme ich wahr, wie sich der dunkle Lord bedächtig an seinem Platz am Kopfende des Tisches niederlässt.
    Angespannt warte ich ab...

    73
    Mit größter Verachtung in der Stimme spricht Voldemort von einigen Mitgliedern, und sagt dann: „Deren fälschlich als Stärken bezeichnete Eigenschaften können wir uns nun zu Nutze machen. Eine Gemeinsamkeit, die diesen Abschaum alle verbindet; Ihre Tollkühnheit, Übermut, Respektlosigkeit. Sie sind die einzigen, die es wagen, meinen Namen auszusprechen, die es wagen, auf so respektlose Weise von mir zu sprechen …Ich bin der dunkle Lord ... Voldemort“, sagt er leise, es ist nur ein Hauch in der Luft, so dünn, so fad, dass ich fast glaube, ich hätte es mir nur eingebildet.
    Mein dunkles Mal zieht unangenehm.
    „Von nun an“, fährt der dunkle Lord fort, „Liegt ein Tabu über diesem Namen, jeder, der ihn aussprechen wird, wird von den Todessern aufgespürt und enttarnt werden können. Sollte sich jemand davor gesichert haben, so werden sämtliche Schutzzauber mit sofortiger Wirkung aufgehoben und entkräftet.“
    Ich schaue in meinen Schoß. Potter nennt ihn immer bei seinem Namen. Der Lord scheint das sehr genau zu wissen.
    Trotz meiner Furcht und meinem Hass gegen alle Todesser, habe ich nicht bloß Angt vor ihnen. Ich habe auch Respekt. Zumindest ihr Anführer weiß, was er tut. Nichts unkontrolliertes scheint je hier zu geschehen. Alles läuft ineinander und funktioniert perfekt.
    Und ich wünschte, es wäre nicht so.
    Zum zweiten Mal an diesem Abend gibt es ein interessantes Thema, dem ich folge.
    Der dunkle Lord fängt an, über die Muggel zu sprechen. Über die jahrelange Unterdrückung der Zauberer durch die Muggel, dass unsere Welt geheim gehalten werden musste, dass wir uns verstecken müssten – und dass sich das ändern soll.
    Voldemort will die Todesser noch weiter verteilt auf der Welt stationieren, auch in England mehr Leute an verschiedenen Orten, durch das ganze Land.
    Er fängt an, Todesser einander und die entsprechenden Gruppen verschiedenen Orten in England zuzuteilen.
    Noch verstehe ich nicht, was das mit den Muggeln zutun hat, aber das wird sich vermutlich noch klären.
    Und dann begreife ich, was das für mich bedeutet gerade, als Voldemort mich einteilt.
    Der Schock, die Überraschung, die Angst, lähmen mich.
    Ich muss weg von hier, ich gehe weg von hier. Weit weg an einen verlasseneren Ort als hier.
    Zusammen mit zwei Todessern, deren Namen mir nichts sagen.
    Und mit Greyback.

    74
    Der Wald ist dunkel und schattig, in die andere Richtung hinter den tiefhängenden grünen Tannenzweigen lichten sich die Bäume auf einem steil abfallenden Hang in eine Art Tal. Ein ganzes Stück weiter glänzt ein See.
    Verträumt denke ich daran zurück, wie ich Draco von den Weasleys aus regelrecht entführt und in einen diesem nicht ganz unähnlichen Wald mitgenommen habe. Niemals hätte ich damals daran gedacht, dass ich eines Tages in eine weitaus schlimmere Lage wie diese geraten würde.
    „Geh uns bloß nicht verloren, Greenskape!“
    Naja, es hätte auch noch schlimmer ausfallen können. Ich lege etwas an Schritt zu, und hole die anderen drei wieder ein.
    Der Mann, der mich gerufen hat, heißt Jackson – seinen Vornamen kenne ich nicht. Ich schätze ihn auf etwa 23 Jahre, und er ist der, mit dem aus unserer 'Gruppe' noch am ehesten zurechtkommen würde.
    Auf den ersten Blick sieht Jackson recht unscheinbar aus, wenn man ihn aus der Ferne und im Vorbeigehen sieht. Aus der Nähe allerdings… Er ist genau die Art von Mensch, dem man in einem einsamen Wald begegnen möchte. Ohne grob oder plump zu wirken hat er breite Schultern und ist sicherlich sehr stark. Das ist wieder etwas, das ich eher weniger gerne überprüfen würde. Am schlimmsten sind seine Augen, von einem fast unnatürlich hellen, eisigen Blau, und er macht keinen Hehl daraus, was er fühlt oder denkt.
    Ich kenne kaum einen Menschen, der so intensiv und deutlich zeigt, was in ihm vorgeht. Jacksons Haltung, Ausdruck, seine zischende, raue Stimme schwanken so heftig und deutlich, wie bei niemandem sonst, den ich kenne, wenn sich irgendetwas in ihm regt.
    Ich weiß, ich hätte nicht so zurückfallen sollen.
    Jackson geht dicht hinter mir, mit gezücktem Zauberstab scheucht er mich vorwärts. Doch ich weiß, dass er nur blufft.
    Nach den zwei Stunden, die ich Jackson nun kenne, weiß ich bereits, dass er nicht der Typ für rohe Gewalt ist, ganz im Gegensatz zu Greyback. Jackson geht es vielmehr darum, Angst zu schüren. Ich glaube, er liebt das Spiel zwischen sich und seinen Opfern; Die Opfer einschüchtern, ihnen dann etwas Raum lassen und sofort wieder umso stärker zurückdrängen.
    Ich glaube nicht, dass Jackson irgendwen einfach aus Lust angreifen würde. Höchstens, wenn es nötig ist.
    Vielleicht ist das der Grund, weshalb ich ihn den anderen beiden als Teampartner vorziehen würde.
    Greyback kenne ich für meinen Geschmack bereits viel zu lange und viel zu gut. Ihm werde ich nach Möglichkeit aus dem Weg gehen – wenn ich die Möglichkeit dazu haben werde.
    Der andere… Mit gesenktem Kopf gehe ich wieder schneller. Besser gesagt, DIE andere … Es mag lächerlich klingen, was es wohl auch ist, aber sie jagt mir Angst ein.
    Ganz anders als bei Jackson kenne ich bloß ihren Vornamen. Jazymyn. Ich finde, schon der Name klingt schon kalt und scharf.
    Im Grunde würde ich sagen, Jazymyn ist das komplette Gegenteil von Jackson. Aber auch Greyback ähnelt sie in keiner Weise.
    Eigentlich ähnelt sie überhaupt nichts und niemandem.
    Sähe ich Jazymyn ein paar Stunden nicht und würde ihr dann wieder über den Weg laufen – Ich wüsste nicht, ob sie es ist.
    Normalerweise kann ich mir Gesichter gut merken, aber ich weiß nicht, was ich mir bei ihr merken soll.
    Jetzt sehe ich nur ihren aschblonden, glatten Zopf von hinten, und bereits jetzt sind mir ihre Züge wieder entwichen. Ich weiß nicht, woran das liegt, aber sie sieht weniger menschlich aus als Greyback, obwohl ich sonst sagen würde, Jazymyn sieht … normal aus.
    Vielleicht kann ich nicht behalten, wie sie aussieht, weil ich keine einzigen Regungen in ihrem Gesicht entdecken kann.
    Bisher habe ich sie auch noch kein einziges Mal sprechen gehört – sie hat nicht einmal genickt oder den Kopf geschüttelt oder sonst irgendetwas getan.
    Ich kann auch nicht beurteilen, ob Jazymyn hübsch ist oder nicht, geschweige denn, wie alt sie sein könnte. Sie tut immer bloß das nötigste, was getan werden muss, und das sofort ohne dem eigentlichen Geschehen auch nur etwas Beachtung zu schenken.
    So viel Gleichgültigkeit habe ich noch nicht einmal bei den Malfoys gesehen.
    (Was sie in dem Wald machen, wo sie hinwollen und wieso, …: Nächstes Kapitel ;))

    75
    Die Malfoys… Draco. Verdammt, daran wollte ich doch nicht denken!
    Frustriert verschränke ich die Arme. Es ist nicht das erste Mal, dass wir ziemlich entfernt voneinander weiterleben, seit wir uns im letzten Sommer … wiedergefunden haben. Aber jetzt bin ich praktisch komplett abgeschnitten von ihm, von dem Rest der Welt, um genau zu sein.
    Genauso schlimm wie die Tatsachen, dass ich Draco in keinster Weise kontaktieren kann, geschweige denn, ihn treffen, sehen, fühlen kann, ist, dass ich dieses Mal nicht einmal weiß, für wie lange das sein wird.
    Es könnten zwei Wochen oder zwei Monate sein.
    Oder zwei Jahre …
    Und was in der Zeit alles passieren kann …
    Es ist, wie einen Berg hinauf zu klettern, von dem ich die Spitze nicht sehen kann, ich kann kein Ende sehen, nicht einschätzen, wie lange ich hier sein werde. Oder woanders. Das ist egal.
    Plötzlich, wo ich über Ziele – oder nicht-Ziele – nachdenken, und über Wege, um sie zu erreichen, muss ich nach all der Zeit wieder an Potter und seine Gefolgschaft denken.
    Hermine – sie war mal meine beste Freundin! Schaudernd ziehe ich die Schultern hoch, während ich ein paar tief hängenden Zweigen ausweiche.
    Wie lange ist das jetzt her … Und da gab es ja noch Jumps… Mein Leben sah so anders aus!
    Auf einmal fält mir ein, was sie mir damals im Fuchsbau erzählt hat: Die Horkruxe! Ich hoffe sehr, sie schaffen es. Auch, wenn ich Potter und Wiesel vermutlich nie mögen werde. Aber zu irgendwas sind diese beiden Jungs vielleicht doch fähig.
    Sie kennen die Spitze ihres Berges, aber nicht den Weg. Und ich?
    Ich weiß nur, dass ich weiterlaufen muss, auch, wenn ich oft auf ein und der selben Stelle festhänge…
    „Das ist es?“, höre ich Jackson hinter mir mit vor Verachtung triefender Stimme rufen.
    Sind wir angekommen? Wo auch immer wir die ganze Zeit hingelaufen sind?
    Ich schaue auf und spähe durch das dichte Tannengrün.
    Jetzt sehe ich es auch: Ein unscheibares, kleines, einfaches Holzhaus steht hier, mitten im Wald. Obwohl, nein, es ist eher eine Hütte und kein Haus.
    Neben Jackson komme ich zum Stehen und betrachte die Hütte. Sie ist wirklich, sehr sehr, sehr klein. Jazymyn steht ein paar Meter weiter und starrt mit verschränkten Armen in das Tal zu unserer Rechten.
    Greyback knurrt irgendetwas undefinierbares und schaut Jackson kurz wütend an. Wüsste ich es nicht besser, würde ich denken, der Werwolf sei beleidigt. Allerdings bezweifle ich stark, dass der zu soetwas fähig ist.
    Trotzdem, wie er in die Hütte stürmt und die Tür hinter ihm zukracht … Mich wundert es, dass die Hütte bei dem Schlag nicht zusammenfällt wie ein Kartenhaus.
    Jazymyn folgt Greyback hinein, ruhiger als er, und noch immer habe ich keine Ahnung, weshalb wir hier sind.
    Vor etwa zwei Stunden musste ich mit den anderen in diesen Wald apparieren, seit dem sind wir bis hierher gelaufen. Warum wir nicht direkt hieher sind, weiß ich nicht, aber ich werde auf keinen Fall fragen. Es ist nichts entscheidendes, dafür irgendetwas riskieren … nein.
    Es gibt wichtigeres.
    Verunsichert schaue ich zu Jackson, der gemächlich um die Hütte herumschlendert und sich umsieht.
    Zögerlich gehe ich ihm nach. Obwohl, was soll er mir schon antun?
    Etwas entschlossener hole ich ihn schließlich ein. Er wirft mir einen seiner kurzen, blauen Blicke zu, beachtet mich sonst nicht weiter.
    Ich klappe den Mund auf, und wieder zu. In dem letzten, halben Jahr war ich schon viel zu oft so verschüchtert, dass ich mich nicht getraut habe, zu sprechen, denke ich wütend. Und es gibt bei weitem Schlimmere als Jackson, verdammt!
    „Ähm“, mache ich schließlich. „Was ist“, sagt Jackson mit fast neutraler Stimme. Das ist gut. Er scheint wenig an mir interessiert, also wird er wohl auch kaum unnötig Energie für mich verschwenden.
    „Äh … Was machen wir hier? Und was ist das für eine Hütte?“
    Wenig verwundert sehe ich zu, wie Jackson mich auslacht. Etwas anderes hätte ich auch nicht erwartet.
    „Hat dir das noch keiner Verraten, Greenskape? Ohh, wie traurig.“
    Genervt verdrehe ich die Augen. Jacson seufzt und blickt mich endlich an.
    „Also gut, Greenskape. Diese Hütte hier gehört Greyback.“
    Überrascht ziehe ich die Augenbrauen hoch. Wer hätte gedacht, dass der Kerl sowas zivilisiertes wie ein Haus sitzt? Nagut, etwas Hausähnliches.
    „Du weißt“, fährt Jackson gelangweilt fort, „Der dunkle Lord will die Muggel, den Abschaum, auf die Zaubererwelt aufmerksam machen. Natürlich kann er uns nicht schicken, schreiend durch die Straßen zu rennen. Das wäre bescheuert, Greenskape. Nein ...“
    Ein beunruhigend begeistertes Glitzern tritt in seine hellen Augen.
    „Nein … Wir müssen es noch im Geheimen machen. Wir werden hie und da Abschaum verwirren, kleine Zeichen senden, bis es milliarden von Meldungen über paranormale Aktivitäten in ihrer kleinen Welt gibt, sie müssen langsam anfangen, an uns zu glauben, in der Angst versinken, die Angst wird sich in Panik verwandeln, wenn es mehr und mehr wird, wenn es zu viel für die kleinen Abschaum-Köpfe wird, dann haben wir sie so weit, dass wir wirklich hinaustreten und uns zeigen können, wie wir sind, und bis dahin werden sie so in Angst sein, dass sie sich widerstandslos beherrschen lassen!“, endet Jackson triumphierend.
    Angewidert wird mir klar, dass ihm das Spaß macht. Das alles. Obwohl … hätte ich mich etwas anders gerechnet?
    „Und warum sind wir dann hier?“, frage ich vorsichtig, bemühmt, mir meine Gedanken nicht anmerken zu lassen. „Hier ist doch niemand – außer uns.“
    Jacksons Augen strahlen noch immer so eigenartig begeistert.
    „Abschaum geht in ihrer freien Zeit in verlassene Gegenden, nur, um hier herumzulaufen. Und solche einsamen Spaziergänger sehen in verlassenen Gegenden wie dieser hier noch viel mehr, als tatsächlich passiert – leichte Beute!“

    76
    Wenn ich vergessen könnte, warum und mit wem ich hier bin, würde mir die Gegend hier vielleicht sogar ganz gut gefallen. Wenn ich könnte…
    Über die Schulter schaue ich in Richtung der kleinen Hütte, die in der Dunkelheit kaum auszumachen ist.
    Obwohl es mittlerwiese wirklich sehr spät – oder besser gesagt früh – ist, bin ich kein bisschen müde, was vielleicht daran liegt, dass ich nicht schlafen will. Oder es liegt an der Angst. Wie auch immer.
    Auf jeden Fall muss ich jetzt irgendetwas anderes tun, als hier draußen herumzusitzen oder in die Hütte zu gehen und zu schlafen.
    Tatsächlich spiele ich mit dem Gedanken, Draco einen Brief zu schreiben. So verrückt das auch klingt.
    Das Schreiben wird ihn ja doch nicht erreichen, schließlich kann ich es gar nicht wegschicken. Aber vielleicht gibt es ja noch andere Arten von Magie, als wir sie kennen, und Draco… Was weiß ich.
    In der Dunkelheit beschwöre ich etwas Pergament und eine Feder.
    Mehr schlecht als Recht mache ich es mir an einen Baum gelehnt bequem,
    und fange an zu schreiben.

    77
    Draco…
    Ich hoffe, es geht dir den Umständen entsprechend gut, ich weiß ja gar nicht, was du gerade machst, wo du bist.
    Bist du noch in Hogwarts? Oder woanders?
    Ich weiß ja selbst nicht, wo ich gerade bin. Vielleicht Schottland, aber dafür ist hier etwas viel Wald. Naja, ich habe ja noch nicht so viel gesehen.
    Die beiden Todesser, mit denen ich hier bin – außer Greyback – sind total merkwürdig. Wenn ich dich das nächste Mal treffe, muss ich dir von denen erzählen.
    Ich glaube kaum, dass ich das hier zusammenfassen könnte.
    Wir sind hier, um Muggel zu jagen. Um Gerüchte zu streuen, über übernatürliche Welten und so – also in der Muggelwelt.
    Völlig bescheuert, ich weiß. Das würde auch weitaus weniger aufwändig gehen – vor allem weniger blutig für die Muggel, schätze ich.
    Ich gebe es ja nicht gerne zu, aber ich habe Angst;
    Wie gesagt, die anderen sind komisch, beide auf ihre Weise gestört und irgendwie unheimlich – und Greyback ist sowieso eine Nummer für sich.
    Aber das weißt du.
    Weißt du, vielleicht war es in Hogwarts gar nicht so schlimm, wie wir dachten. Definitiv besser als das hier …
    Achja, seit ich hier bin, ist mir auch wieder etwas anderes eingefallen, das mich beschäftigt: Ich frage mich noch immer, was mit Jumps passiert ist. Normalerweise verschwindet seine Art nicht einfach so. Wenn ich ihn noch hätte, wäre die Sache mit diesem Brief hier zum Beispiel deutlich einfacher.
    Komisch, dass ich, egal in was für Situationen ich stecke, immer noch über soetwas nachdenken kann…
    Wirklich, ich sollte mir über ganz andere Dinge sorgen machen.
    Zum Beispiel habe ich das Gefühl, dass Greyback vorhat, mich auf Werwolf-Streifzüge mitzunehmen.
    Noch etwas – auch wegen Greyback.
    Weißt du, unsere Gruppe hier hat keine Art Anführer, was ein bisschen komisch ist, aer auf jeden Fall hat Greyback – leider – eine Menge Sagen.
    Und vorhin, als ich mich in seiner Hütte hier umgeschaut habe, hat er noch etwas gesagt, das mich verdammt beunruhigt.
    Ich wusste bisher gar nicht, dass das geht, aber irgendwie hat Greyback einen Zauber über mich gelegt, dass er kontrollieren kann, wenn ich Magie benutze und dass er mitbekommt, sobald ich etwas tue, was ich nicht sollte. Dazu gehört auch, dass ich mich hier alleine nur in einem bestimmten Bereich bewegen kann. Wenn ich nur wüsste, wo genau die Grenzen sind…! Wenigstens hat er mich gewarnt, oder?
    Ich glaube, ich muss jetzt auch rein gehen, bevor mich noch jemand vermisst…
    Isa

    Langsam falte ich den Brief zusammen.
    Vorsichtig, um in der Dunkelheit nicht zu stolpern, stehe ich auf und trete durch die nur noch spärlichen Bäume auf den Abhang zu, hinter dem die Bäume beinahe gänzlich aufhören und das weite Tal sich öffnet.
    Leise zücke ich den Zauberstab, richte ihn auf das Pergament, und lasse es in die Dunkelheit schweben.
    Weit, weit weg.

    78

    Der erste Tag ist der schlimmste, denke ich, als ich vorsichtig nach Geräuschen lausche. Erleichtert stelle ich fest, dass sich nichts zu regen scheint.
    Umsichtig strecke ich mich, um meine angespannten Schultern zu lockern. Ich habe das Gefühl, ich war noch nie so müde wie jetzt.
    Nachdem ich gestern den Brief an Draco geschrieben habe und mich anschließend wieder in die Hütte schlich, habe ich keine Ruhe finden können. Wie auch. Zwar hat es mich tatsächlich etwas befreit, an Draco zu schreiben, aber…
    Wenigstens habe ich einen Raum für mich, wenn auch einen kleinen.

    Greybacks Hütte besteht aus einem Flur und zwei weiteren Türen, von denen ich nicht weiß, wohin sie führen. Schließlich habe ich sie gestern Nacht nicht ausprobiert, sondern mich einfach in dem Zimmer mit der noch offenen Tür hingelegt.
    Unschlüssig bleibe ich im Flur stehen. Was soll ich jetzt machen?
    So leise wie möglich verlasse ich die Hütte und bleibe draußen an dem Abhang ins Tal stehen.
    ~
    Verzweifelt stütze ich den Kopf in die Hände. Ich kann die mitleidigen Blicke von Jill nicht mehr sehen.
    Wie so oft sitzen wir in der Bibliothek, an einem der Tische ganz hinten, wo kaum jemand anders ist.
    Ich versuche, leise zu sprechen, als ich sage: „Ich verstehe das nicht. Ich kenne das so nicht, ich kann das nicht ...“ Niedergeschlagen schaue ich wieder auf. „Ich hatte noch nie so viel Angst um einen Menschen...“, gebe ich verhalten zu.
    „Du weißt doch gar nicht, wo Isa ist“, versucht Jill mich zu beruhigen. „Vielleicht ist es überhaupt nicht so schlimm, wie du-“ „Oder es ist weitaus schlimmer!“, entgegene ich wütend, packe meine Sachen und lasse Jill in der Bibliothek zurück.
    Die ist doch sowieso gestört.

    Im Treppenhaus werde ich von einem jüngeren Schüler aufgehalten.
    „Draco Malfoy?“ „Was gitb es?“, antworte ich gebieterisch. „Professor Snape wünscht, Sie sofort in der Eingangshalle zu sehen!“
    Der Schüler hat mich gesiezt. Wie niedlich…
    Düsterer Stimmung wende ich mich zur Eingangshalle.
    Was will Snape wieder von mir?

    79
    Zu meiner Überraschung wartet zusammen mit Snape auch Professor Sprout auf mich. Während Snapes Miene unergründlich ist wie eh und je, spricht aus Sprouts Gesicht echte Besorgnis und Verwirrung. Leicht irritiert nicke ich den beiden Professoren zu und frage: „Worum geht es?“ „Die Gewächshäuser“, antwortet Sprout mit aufgebrachter Stimme. Ich will gerade fragen, was ich mit den Gewächshäusern zu tun habe, als Snape mich barsch unterbricht. „Folgen Sie uns einfach“, gibt er in genervtem Befehlston von sich. Da ich Snape nicht schon wieder unnötig reizen will, tue ich was er sagt und folge den Lehrern über das Schlossgelände hinunter zu den Gewächshäusern. „Das“, erklärt Sprout immer noch aufgeregt und deutet auf die Tür zu Gewächshaus 5, „Ist über Nacht hier aufgetaucht. Ich weiß nicht, was das ist. Es ist unerklärlich.“ Mit schief gelegtem Kopf betrachtete ich das Gewächshaus. Die Tür steht offen, doch dahinter türmt sich ein unergründliches, undurchdringliches Weiß auf, wie von einem gewaltigen Spinnennetz oder als hätte jemand das Gewächshaus von oben bis unten mit klebriger Watte befüllt. „Können Sie das erklären?“, fragt Snape eisig. „Nein“, antworte ich ehrlich, „Wieso sollte gerade ich das erklären können?“ Snape seufzt, und es fällt mir schwer, es ihm nicht nach zu tun. Was habe ich denn großartig mit Kräuterkunde zu tun? „Sie sind Schulsprecher, wenn ich Sie daran erinnern darf“, sagt er höhnisch, „Und nach allem Personal von Hogwarts sind sie zuständig, sich zu kümmern, wenn es Schwierigkeiten in Hogwarts gibt.“ „Ähm“, mache ich leicht überfordert, „Kann man dieses… Zeug nicht ganz einfach wegzaubern?“ Sprout schüttelt den Kopf. „Jeder Zauber wird zurück geworfen. Und es sieht auch nicht nach etwas aus, das von einer Pflanze produziert wurde.“ Ich versuche wirklich nach zu denken, doch die vielen weißen Fäden sind so dicht und dick, dass man nicht einmal hindurchsehen, geschweige denn durchgehen könnte. „Haben Sie schon versucht durch eines der Fenster, vielleicht weiter hinten am Gewächshaus, einen Blick in das Innere zu bekommen?“, frage ich. Snape schaut mich einen langen Moment mit zusammengepressten Lippen an, und ich frage mich, was ihm durch den Kopf geht. Dann dreht er sich ruckartig um und geht an mir und Sprout vorbei zu dem hinteren Teil des Gewächshauses. Ich bin ziemlich verblüfft, dass Snape auf eine solch simple Idee nicht alleine gekommen ist. Mit einem Zauberstabsschwung von Seiten Snapes öffnet sich eines der Fenster nach außen und gewährt uns einen Blick in das Gewächshaus. Mit meiner Vermutung, dass es weiter hinten nicht ganz so zugewachsen ist, hatte ich Recht. Weitere Spinnweben, so dick wie Arme, ranken sich auch hier durch den Raum, die zur Mitte des Gewächshauses immer dichter werden, bis man nichts mehr erkennen kann. Plötzlich ertönt ein leises Geräusch, das scheinbar aus dem Zentrum des weißen Knäuel zu kommen scheint.
    Tz, Tz, Tz…. Irgendwoher kenne ich dieses Geräusch, und mir fällt es sofort wieder ein, als ich etwas Grünes zwischen den Netzen erkenne. Es ist… Jumps. Isas kleines Haustier. Der Miniaturdrache späht empört zischend zu uns Menschen herüber, als sich ein zweites Geschöpf zeigt. Es sieht genauso aus wie Jumps, nur etwas größer und mit blass violetten Schuppen. Bei Merlins Bart, denke ich, Es gibt also noch mehr von den Dingern.
    Mit stockender Stimme kläre ich die beiden Professoren auf. Snape nickt nur und Professor Sprout verspricht, mit Professor Raue-Pritsche über diese beiden magischen Tierwesen zu sprechen. Als letzter bleibe ich neben dem Gewächshaus und dem nun wieder geschlossenen Fenster stehen.
    Mit Jumps kommt die schmerzliche Erinnerung und die Angst um Isa wieder hoch. Seit sie verschwunden ist, habe ich nichts mehr von ihr gehört.

    80
    -

    Der Muggel hat Angst. Nein, mehr als das. Panik. Schrecken. Entsetzen. Furcht. Verzweiflung. Greyback hält ihn mit einem Arm um den Hals geschlungen fest, währen Jackson und Jazymyn den Rucksack des Muggel durchsuchen. Nicht etwa, weil sie auf die Suche nach etwas wertvollem wären. Nein, nur um weitere Angst zu schüren wie ein Feuer, das den hilflosen Muggel verschlingen wird. Mit Silencio hat Jazymyn den Muggel stumm werden lassen, und nun muss er mitanhören, wie über sein Schicksal verhandelt wird. „Ich könnte ihn einfach in Stücke reißen“, schlägt Greyback mit Genuss in der Stimme vor. „Nein“, widerspricht Jackson, „Die Muggelwelt wird denken, ein Bär oder Wolf“, er grinst Greyback zu, „Hätte ihn getötet. Wir sollten ihn einfach verschwinden und nie wieder auftauchen lassen. Das wird den Muggeln viel mehr Angst einjagen.“ „Nein.“ Überrascht schaue ich auf. Es ist das erste Mal, dass ich Jazymyn sprechen höre. Ihre Stimme ist kalt, emotionslos und rasiermesserscharf. „Wir sollen die Botschaft in die Muggelwelt tragen“, fährt sie fort, „Dass es Magier da draußen gibt.“ Ich kann sehen, wie der Muggel weit die Augen aufreißt. Er zittert am ganzen Körper. „Wir werden ihn ganz einfach mit dem Avada Kedavra töten und ihn hier draußen liegen lassen. Die Muggel werden keine Erklärung für seinen Tod finden. Die Ungewissheit wird ihnen die größte Angst bereiten.“ Greyback knurrt missgelaunt. Ich weiß, dass er den Muggel lieber wie ein Tier geschlachtet und ausgenommen hätte. Doch was Jazymyn sagt, stimmt.
    „Na schön“, stimmt Greyback widerwillig zu, „Töten wir ihn einfach.“ Jackson zückt seinen Zauberstab, doch Greyback hält ihn zurück. „Du wirst es nicht tun“, bestimmt er, „Das überlassen wir jemand anderem.“ Seine Stimme klingt gefährlich süß, wie eine verführerische Falle, die kurz vor dem Zuschnappen ist. „Du hast hier bis her noch entsetzlich wenig geleistet… Isa.“
    Ich erstarre vor Schreck. Bitte, flehe ich stumm, bitte lass nicht mich es tun, bitte nicht, bitte…
    Greyback streckt seinen freien Arm nach mir aus, seine Hand streicht über mein Gesicht und drückt mein Kinn nach oben, um mich zum Aufsehen zu zwingen. Ein diabolisches Grinsen kriecht über das Gesicht des Werwolfs. „Hast du schon einmal diesen unverzeihlichen Fluch benutzt?“, fragt er mit honigsüßer Stimme. Ich öffne den Mund, doch kein Wort kommt über meine trockenen Lippen. „Ich habe dich was gefragt!“, faucht Greyback und lässt das süßliche Gehabe fallen. Ich schüttle den Kopf, und Greybacks lange Nägel scheinen sich in meine Haut zu bohren, als er mich am Nacken packt und dicht zu sich zieht. Ich kann den hektischen Atem des Muggels auf meiner Haut spüren, als Greyback warnend zischt: „Ich warte immer noch auf eine Antwort!“ „Nein“, bringe ich schließlich hervor. „Nein, was?“ „Nein, ich habe noch nie… nie..“ „… eine Person umgebracht?“, beendet Greyback meinen Satz. „Ja“, wispere ich heiser vor Angst. „Dann wirst du das jetzt tun.“ Ich werfe einen Blick zu Jackson und Jazymyn, die Greybacks grausames Spiel beobachten. Jazymyn sieht ausdruckslos aus wie immer, doch Jacksons Augen glänzen, ein stummes Lachen auf dem Gesicht.
    „Ich.. Ich glaube nicht, dass ich das kann. Ich habe keine Ahnung, wie man.. wie man das macht. Bitte. Es würde sowieso nicht funktionieren. Ich, ich,..“, stammle ich, doch Greyback wird ungeduldig. „Du wirst es jetzt versuchen. Und wenn du es nicht schaffst, dann knöpfe ich mir den Muggel vor und erledige es auf meine Art. Und du wirst mir dabei zusehen, und ich werde dich zwingen von seinem Blut zu trinken. Gefällt dir die Vorstellung? Wenn nicht, dann würde ich mir an deiner Stelle jetzt sehr viel Mühe geben, verstanden?“
    Mit aller Kraft zwinge ich mich, den Muggel anzusehen und mir wird schlecht. Seine zum Schweigen verdammten Lippen formen das Wort Bitte. Ich weiß nicht, worum er mich bittet. Eine plötzliche Erinnerung steigt in mir auf, von dunklen Schatten und verschwommenen Visionen von Blut und Schmerz… Ich erinnere mich daran, wie ich von Greyback gebissen wurde und die Zeit danach. Auch wenn Greyback gerade nicht in seiner Wolfsgestalt ist, möchte ich dem Muggel das nicht antun. Er wird so oder so sterben, sage ich mir, und ich habe die Macht darüber, wie er sterben wird. Mit der rechten Hand taste ich nach meinem Zauberstab. „So, so..“, raunt Greyback, „Du entscheidest dich also doch dafür, kein Schlammblut trinken zu müssen?“ Ich antworte nicht. Denn ich weiß etwas, das Greyback nicht weiß. Ich tue das nicht, um mich selbst zu schonen. Ich werde den namenlosen Muggel selbst töten, um ihm Höllenqualen zu ersparen.
    Greyback hat mich noch immer im Nacken gepackt, sodass ich dem Muggel direkt gegenüber stehe. Langsam hebe ich meinen Zauberstab und lege ihn an die Kehle des Muggels. Er hat blaue, fast graue Augen. Automatisch muss ich an Draco denken. Der Muggel sieht mir in die Augen und er scheint fast erleichtert, dass seine Angst bald ein Ende haben wird. Die Momente verstreichen und ich weiß, dass ich es tun muss. Ich atme tief aus und atemlos, kaum hörbar flüstere ich: „Avada Kedavra.“ Es ist unbedeutend, wie laut oder leise ich den Fluch ausspreche. Entscheidend ist, dass es meine Überzeugung ist, dass dieser Muggel so sterben muss, so einen gnädigen Tod bekommt.
    Nur wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt sehe ich, wie das Licht in den Augen des Muggels erlischt.
    Greyback lässt mich los und den Muggel fallen, doch meine eigenen Beine tragen mich auch nicht länger. Mit zitternden Knien lande ich neben dem Muggel im Staub, das Entsetzen noch in meinen Knochen.

    81
    ~

    Seit Isa weg ist, ist es beunruhigend still im Schlafsaal der Schulsprecher. Diese Stille und das Gefühl, entsetzlich allein zu sein, besorgen mir schlaflose Nächte. Die Zeit in der Schule plätschert stumm an mir vorbei, und ich bemerke es kaum. Jeden Tag frage ich mich, wie es weitergehen wird und wo Isa jetzt wohl ist, und was sie tut. Ich versuche, mich nicht zu fragen, ob sie überhaupt noch etwas tut, oder ob sie bereits… tot ist. Unruhig schiebe ich den Gedanken beiseite. Rastlos wie jede Nacht streife ich durch die verwaisten Korridore von Hogwarts. Die dunklen Schatten der Nacht jagen mir schon lange keine Angst mehr ein. Seit Snape Herr von Hogwarts ist, ist das Schloss nachts wie ausgestorben, selbst andere Lehrer oder sogar Geister wagen es nicht mehr, nachts herum zu streifen. Umso besser für mich.
    Silbriges Mondlicht fällt durch eines der großen Fenster und ich bleibe stehen und betrachte den nächtlichen Himmel. Der Mond steht hell und voll hoch am Himmel, heller strahlend als alle Sterne.
    Erst da wird mir bewusst, wie viel Zeit wirklich vergangen ist, welcher Tag heute ist. Wie eine kalte Hand legt sich das Grauen um mein Herz, und auf einmal ist mir sehr kalt. Heute wird Isa zum zweiten Mal ein Wolf. Ich hoffe nur, dass sie in guter Gesellschaft ist, dass irgendjemand auf sie achtet und sie nicht mit sich alleine lässt. Doch ich weiß selbst, wie unwahrscheinlich das ist. Ich stelle mir vor, wie Isa irgendwo alleine orientierungslos durch einen kalten Wald streift, ohne zu wissen, wer sie ist. Oder, schlimmer noch: Sie ist mit Greyback zusammen. Mir schaudert und ich versuche, nicht daran zu denken.
    Bedrückt mache ich mich auf den Weg zurück in meinen Schlafsaal. In jedem schattigen Winkel und in jeder dunklen Ecke warten dunkle Gedanken auf mich, und ich bin seltsam erleichtert, als ich den Schlafsaal erreiche. Ich schließe die Tür hinter mir und entzünde einige Kerzen auf meinem Schreibtisch. Schlaf werde ich in dieser Nacht sowieso keinen finden. Ich werfe einen Blick hinüber zu Isas Bett – und mache vor Schreck einen Satz rückwärts, wobei ich eine der Kerzen umstoße. Hastig lösche ich das kleine Feuer mit meinem Zauberstab, dann wende ich mich wieder der Ursache meines kleinen Schocks zu.
    Isas Hausdrache, Jumps, sitzt dort und schaut mich an. Seine Flügel sind dreckverschmiert und hängen schlaff herunter, und das Tier scheint völlig außer Atem zu sein. „Was ist denn mit dir passiert?“, frage ich, doch natürlich erhalte ich keine Antwort. Vorsichtig trete ich näher. Mit großen Augen beäugt Jumps mich argwöhnisch, regt sich ansonsten aber nicht. „Wie bist du überhaupt hier rein gekommen?“, murmele ich, „Und wieso?“ Auch wenn Jumps wohl kaum sprechen kann, scheint er mich zu verstehen, denn er trippelt ein Stück zur Seite und offenbart ein schmutziges Stück Pergament, welches er offenbar bis eben bewacht hat.
    Schlagartig bin ich hellwach. Das Stück Pergament ist zerknittert, voller Erde und leicht feucht. Als ich es näher betrachte, erkenne ich, dass es beschrieben ist. Auch, wenn das Geschriebene so gut wie unleserlich ist, fängt mein Herz an zu rasen. Aufgeregt schaue ich wieder Jumps an. „Ist das von Isa? Weißt du wo sie ist? Warst du bei ihr? Oder hast du das nur gefunden und zu mir gebracht?“ Abgesehen von einem vorwurfsvollen Blick bekomme ich keine Antwort. Jumps schaut zuerst auf mich, dann auf den Pergamentbogen und wieder auf mich. „Ist ja schon gut“, sage ich und lasse mich auf dem Bett nieder, „Ich lese es ja schon.“
    Mit dem Zauberstab reinige ich das Pergament so gut es geht, bis ich die Schrift deutlich erkennen kann. Es ist wirklich ein Brief von Isa. Aufgeregt fange ich an zu lesen…

    Mit einem klammen Gefühl im Magen lasse ich den Brief sinken. Dass Isa selbst nicht weiß, wo sie ist, ist nicht weiter überraschend. Viel mehr Sorgen bereitet mir die Tatsache, dass sie mit Greyback dort ist, wo auch immer dort ist. Ich schließe die Augen und muss mir vorstellen, wie sie zusammen mit Greyback durch den Wald streift, auf der Suche nach Beute oder… Menschen. Ich hoffe für sie, dass es nicht allzu schlimm ist.
    „Weißt du, wo sie ist?“, frage ich Jumps, obwohl ich keine ernstzunehmende Antwort erwarte. Doch der Hausdrache legt den Kopf schief und schaut mich an, als wolle er sagen: Was denkst du denn.
    „Du hast wohl eine ziemlich gute Verbindung zu ihr, hm?“ Plötzlich kommt mir eine Idee, und hitzig frage ich nach: „Heißt das, du kannst ihr auch eine Antwort von mir überbringen?“ Jumps Blick wird vorwurfsvoll, er lässt ein quakendes Geräusch hören, das an ein Gähnen erinnert und streckt seine matten Flügel einmal und lässt sie dann wieder sinken. „Schon verstanden“, seufze ich, „Du bist weit geflogen und jetzt sehr müde. Aber, wenn du dich ein wenig ausruhst…?“ Jumps keckert zufrieden und rollt sich auf Isas Bett zusammen.
    In der Zeit setze ich mich an den Schreibtisch, suche Pergament und Feder, und beginne zu schreiben.

    82
    ~

    Als ich wieder zu Bewusstsein komme, befinde ich mich irgendwo im Wald. Für einen Moment bin ich verwirrt und weiß nicht, wo ich mich befinde. Obwohl ich auf dem Waldboden liege, fühle ich mich seltsam zittrig und erschöpft, und meine Beine schmerzen, als wäre ich weite Strecken gerannt. Als ich versuche, mich aufzusetzen, wird mir schwindelig, und ich muss mich auf der Erde abstützen. Mein Blick fällt auf meine Hände. Sie sind mit getrocknetem Blut und Erde bedeckt. Sofort fällt mir alles wieder ein, und die Bilder und Erinnerungen von letzter Nacht drängen sich in meinen Kopf, ohne dass ich es verhindern könnte.

    Ich laufe mit dem großen, seltsam starken Wolf mit, denn er ist die einzige Orientierung, die ich habe. Sein Knurren und seine Aggressivität treiben mich weiter an, schneller, weiter, die selbe Angriffslust steigt in mir auf. Vier Beine rennen schneller als zwei, doch nicht so schnell wie die des großen Wolfs. Obwohl ich es bin, die ihm hinterherrennt, versucht mitzuhalten, fühlt es sich an, als wäre ich die Beute, die gejagt wird. Er hetzt mich, treibt mich vorwärts, wir sind auf der Suche, doch was suchen wir? Halt, da war etwas! Die Bäume scheinen an mir vorbei zu fliegen, ich werde immer schneller, dem Geruch hinterher. Es riecht nach… Beute. Ein Mensch! Einsam und allein im Wald. Er schläft. Langweilig, das ist zu uninteressant! Es wird meine Aufgabe, den schlafenden Menschen-Wanderer zu wecken. Es ist leicht, zu einfach! Er rennt, aber er rennt zu langsam. Ich presche an der Beute vorbei, um ihr den Weg abzuschneiden. Der Mensch dreht um und will in die andere Richtung davon, doch ich treibe ihn direkt in die Fänge des großen Wolfes. Mit Klauen und Zähnen stürze ich mich auf die Beute, doch der große Wolf schnappt nach mir und schleudert mich einige Meter von sich. Er will die Beute alleine töten, doch das ist nicht gerecht, sie gehört ebenso mir! Wütend stürze ich mich auf ihn, ich kämpfe, doch für ihn ist es nur ein Spiel. Ich muss warten, bis er die Beute getötet hat, ehe ich mich ebenfalls darauf stürzen kann. Und dann ist da nur noch das Blut und das Fleisch, und die Luft riecht nach der Angst des toten Menschens, und noch mehr Blut…

    Ich zittere so stark, dass ich nicht aufstehen kann. Ein lautes Schluchzen entflieht meiner Kehle, hastig presse ich eine Hand vor den Mund. Greyback wird mich nicht weinen hören. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so schlecht gefühlt. Es kommt mir vor, als müsste ich mich gleich übergeben, mein ganzer Körper juckt und ich würde mir am liebsten den ganzen Schmutz und die Haut und meine Schuld gleich dazu vom Körper kratzen. Ich wollte das alles nicht, denke ich verzweifelt. Ich muss an den Muggel denken, der jetzt tot und auseinandergenommen irgendwo da draußen liegt. Warum müssen Muggel auch so eine Vorliebe fürs Wandern haben? Wissen sie nicht, wie gefährlich das ist?
    Stumme Tränen rinnen über mein Gesicht und ich muss um Atem kämpfen. Wäre das alles doch nur nie passiert. Wäre ich doch kein Werwolf. Kein Todesser.
    Zum ersten Mal keimt der wirkliche Wunsch in mir auf, nicht mehr am Leben zu sein.

    Als ich es schließlich schaffe, mit schwachen Beinen aufzustehen, mache ich mich auf den Weg zurück zu Greybacks Hütte. Der Morgen ist kalt und ich friere so stark, dass mir die Zähne klappern. Zum Glück lässt mein wieder erwachter Orientierungssinn mich nicht im Stich und ich erreiche die Hütte schneller als erwartet.
    Es ist ruhig, niemand scheint wach zu sein oder mich zu erwarten. So leise wie möglich betrete ich die Hütte und suche Schutz in meinem kleinen Zimmer. An einer Wand hängt ein ein zerbrochener, fleckiger Spiegel, und obwohl ich es nicht wirklich sehen will, betrachte ich mein milchiges Spiegelbild. Ich starre in mein Gesicht, ohne zu begreifen, dass das wirklich ich bin. Tiefe Schatten liegen unter meinen blutunterlaufenen Augen und mein eingefallenes Gesicht ist voller kleiner Schnitte und Kratzer, die ich mir vermutlich bei der Hetzjagd durch den Wald eingefangen habe. Mein Pullover ist an der Schulter gerissen, und darunter befindet sich eine größere Wunde. Ich erinnere mich daran, wie Greyback nach mir geschnappt hat und schaudere. Meine langen und normalerweise glatten Haare sind zerzaust und genauso verschmutzt, wie der Rest von mir.
    Urplötzlich werde ich mir der Enge des kleinen Raums bewusst und eine neu aufkeimende Furcht schnürt mir die Luft ab. Abrupt wende ich mich von dem Spiegel ab und renne hinaus, nach draußen, ich brauche frische Luft. Ohne mich darum zu kümmern, wie laut oder leise ich bin, schlage ich die Tür der Hütte hinter mir zu und laufe, bis ich das Gefühl habe, wieder atmen zu können. Du kannst nicht vor dir selbst davonlaufen, denke ich, während mein leerer Blick sich in der Tiefe des Waldes verliert, das wirst du nie wieder los.

    83
    Hinter mir ertönt ein lautes Knacken und ich drehe mich alarmiert um, den Zauberstab bereit zur Verteidigung. Mit hektischem Blick suche ich den Wald ab, doch ich kann nichts entdecken. Mein Herz pocht laut und schnell in meiner Brust, als würde es mich zur Wachsamkeit ermahnen wollen. Auf ein Mal schwebt, leicht wie eine Feder, ein Blatt Pergament direkt vor mir auf den Boden. Mein Blick wandert nach oben und sucht die Baumkronen ab, doch außer einem Blätterrascheln ist nichts mehr zu vernehmen. Angespannt warte ich ab und schaue wieder auf das Blatt Pergament auf dem Boden. Was hat das zu bedeuten? Ist das eine Falle? Aber ich kann nicht widerstehen. Ich lasse den Zauberstab sinken und hebe das Pergament auf.
    Es trifft mich wie ein Schlag in den Magen und mein Zauberstab gleitet mir aus den Fingern, als ich die Schrift sehe. Als ich erkenne, wessen Schrift das ist. Mit bebenden Fingern streiche ich den Brief glatt, denn das ist es, es ist ein Brief. Wie kann das möglich sein? Doch das wie ist mir auch schon egal, als ich die Wörter hungrig mit den Augen verschlinge.

    Isa,
    dein Brief hat mich erreicht, auch wenn ich nicht sicher bin, ob du weißt, wie. Ich glaube, Jumps hat ihn irgendwo gefunden und ihn mir gebracht. Oder hat er dich besucht? Auf jeden Fall hat er mir versprochen, dir meine Antwort zu überbringen, wenn ich ihn ein bisschen schlafen lasse. Du bist vermutlich sehr weit weg von Hogwarts, denn Jumps schien ziemlich erschöpft zu sein, als er bei mir war.

    Mir wird schwindelig, überglücklich presse ich den Brief an mich. Er ist wirklich von Draco. Aber was ist mit Jumps? Er war monatelang verschwunden. Wenn er hier war, warum hat er sich mir dann nicht gezeigt? Doch das schwindelig leichte Glücksgefühl verschwindet nicht, und ich lese weiter.

    Aber wundere dich nicht, wenn er nicht lange bleibt. Glaub es oder nicht, aber Jumps hat eine Freundin gefunden. Die haben sich in einem der Gewächshäuser ein Nest gebaut und Professor Raue-Pritsche sagt, dass die da tatsächlich Eier ausbrüten. Verrückt, oder?
    Ich weiß nicht, wie schnell dich mein Brief erreichen wird, aber in dieser Nacht, wo ich dir schreibe, ist Vollmond. Ich denke an dich, und ich weiß, dass es schrecklich sein muss. Aber du wirst das überleben. Bleib stark, Isa, bitte gib nicht auf. Du kannst das schaffen, und irgendwann wird der ganze Schrecken ein Ende haben. Wer weiß, vielleicht sehen wir uns ja bald schon wieder?
    Wenn ich könnte, würde ich an deiner Stelle sein, damit du das nicht ertragen muss. Glaub mir, alles wird zu Ende gehen.
    Ich liebe dich.
    Draco

    Ohne dass ich es gemerkt hätte, habe ich angefangen zu weinen. Mein Gesicht fühlt sich merkwürdig verzerrt an, und erst da merke ich, dass ich lächele. Ich lache und weine gleichzeitig, während ich auf dem Waldboden knie und den Brief umklammere, als wollte ich ihn umarmen. Ich stelle mir Jumps vor, zusammen mit einer Artgenossin, ich stelle mir vor, wie Draco in unserem Schlafsaal sitzt und mir bei Kerzenlicht diesen Brief schreibt, ich stelle mir vor, wie er nach einer Ewigkeit auf mich zu kommt, ich bilde mir ein, seine Schritte zu hören, fast schon sehe ich ihn vor mir…
    Ich kann nicht aufhören zu weinen und die Tränen brennen auf meiner verletzten Haut und ich wünsche mir, sie würden all das Böse wegbrennen.

    Ein heftiger Schlag gegen meine verletzte Schulter reißt mich aus meiner Traumwelt. Ich bin schneller auf den Beinen als der Schmerz in meinem Arm verebben kann und sehe mir gegenüber Jackson stehen, dessen Ausdruck zwischen Belustigung und Ärger schwankt. „Was treibst du hier draußen?“, fragt er barsch, dann bemerkt er den Brief, den ich immer noch umklammere. „Und was ist das?“ Mit einem Schritt ist er bei mir und reißt ihn mir aus den Händen. Entsetzt starre ich ihn an, dieses kleine Blatt Pergament bedeutet mir im Moment mehr als alles andere. In Jacksons Gesicht überwiegt nun deutlich die Belustigung. „Das ist ja süß“, stellt er amüsiert fest, „Aber jetzt komm verdammt noch mal wieder mit, Greyback hat schon vermutet, dass du abgehauen bist.“
    Abhauen. Das Wort hallt in meinem Kopf wieder wie ein Echo.
    Jackson streckt einen Arm nach mir aus, als würde er mich packen und mit zerren wollen.
    Abhauen.
    Ohne dass ich darüber nachdenken kann, drehe ich mich um und fange an zu rennen.

    84
    Kleine Zweige schlagen mir ins Gesicht und für einen Moment fühle ich mich wieder wie ein Wolf. Mein Herz schlägt in dem selben Rhythmus, in dem meine Füße über den Waldboden trommeln und ich höre, wie das Blut durch meine Adern rauscht. Hinter mir höre ich Jackson einen Fluch ausstoßen und seine schweren Schritte folgen mir. Doch ich blicke mich nicht um, ich sehe schließlich kaum, wo ich hin laufe, alles verschwimmt vor meinen Augen. Rechts von mir schlägt ein roter Fluch in einen Baum und ich spüre, dass ich Vorsprung gewinne. Irgendwo aus der Ferne höre ich Greyback etwas schreien, doch ich verstehe nicht, was er sagt, Jackson scheint ihm zu antworten, doch er ist immer noch hinter mir. Ich renne einen steilen Abhang hinunter und mein Fuß verhakt sich in einer herausragenden Wurzel. Ich schlage mit dem Gesicht auf dem Boden auf und spüre, dass ich mir die Lippe aufgeschlagen habe. Ein heiß glühender Blitz schießt nur knapp über mir vorbei. Diesmal ist er grün.
    Ich lasse mir keine Zeit, springe auf und laufe so schnell ich kann weiter, ich laufe auch noch, als ich merke, dass Jackson mich längst nicht mehr verfolgt, und ich laufe auch noch, als ich so oft gestürzt bin, dass mir alle Muskeln weh tun, und als ich nicht mehr laufen kann, beginne ich zu kriechen und ziehe mich mit letzter Kraft über den Boden, Stückchen für Stückchen bis ich mich keinen Zentimeter weiter bewegen kann und mir schwarz vor Augen wird.

    ~

    Gelangweilt starre ich auf die Pergamentrolle und meinen Federkiel auf dem Schreibtisch, womit ich eigentlich an meinem Zaubertrankaufsatz arbeiten wollte. Doch stattdessen verschwimmen die Worte vor meinen Augen und ich bekomme keinen einzigen Satz zustande, obwohl es in der Bibliothek angenehm still ist und eine schwere Arbeitsatmosphäre in der Luft hängt.
    Ohne Vorwarnung schlägt die Tür mit einem lauten Krachen auf. Wie alle anderen drehe ich mich überrascht nach der Ursache um, und Madame Pince kommt verärgert angestöckelt. Allerdings bleibt der Bibliothekarin der empörte Aufschrei in der Kehle stecken, als sie den kaltgesichtigen Professor Snape erkennt, der mit schnellen, ausholenden Schritten und ohne die Miene zu verziehen zwischen den Regalen hindurch schreitet.
    Als er genau auf mich zusteuert, blicke ich mich um, in der Hoffnung jemanden zu sehen, zu dem Snape noch wollen würde, außer mir. Doch leider will Snape wirklich zu mir. Einige Meter von mir entfernt bleibt er stehen und befiehlt mit schneidender Stimme: „Mr Malfoy, mitkommen.“ Ohne auf eine Antwort oder mich zu warten, dreht er sich wieder um und verlässt die Bibliothek so zügig, wie er sie betreten hat. Hastig stopfe ich alle Sachen in meine Tasche und bemühe mich, mit ihm Schritt zu halten. Wenn der Schulleiter extra persönlich in die Bibliothek kommt, nur um mich abzuholen, dann muss es um etwas Wichtiges gehen…
    Ich mache mir nicht die Mühe, Snape irgendwelche Fragen zu stellen. Ich weiß, dass er sowieso nicht antworten würde. Schließlich kommen wir im Lehrerzimmer an, welches wir vollkommen verwaist vorfinden. Snape scheint dies allerdings keineswegs zu überraschen.
    „Du sollst zu dir nach Hause zurück kehren“, ist alles, was er sagt, ehe er mich wieder allein lässt, zusammen mit einem brennenden Kamin und einer kleinen Schale mit Flohpulver.
    Der Gedanke, ins Malfoy Manor zu gehen, bereitet mir Bauchschmerzen. Es gibt eine Menge Dinge, die ich weitaus lieber täte. Mit einem unguten Gefühl mache ich mich auf den Weg und finde mich nur wenige Sekunden später in der Eingangshalle des Malfoy Manor wieder, wo bereits Vater auf mich wartet. Er hat ein aufgeregt zuckendes Grinsen im Gesicht, was nie ein gutes Zeichen ist. Vorsichtig begrüße ich ihn und frage: „Was gibt es, Vater?“ Er stößt ein nervöses, merkwürdiges Lachen aus. „Der dunkle Lord“, beginnt er mit bedeutungsschwagerer Stimme, „Hat eine Aufgabe für dich.“ Ein schweres Gewicht aus Angst legt sich auf meine Schultern. Als der dunkle Lord das letzte Mal eine Aufgabe für mich hatte, hätte mich das fast zum Mörder gemacht, wäre Snape nicht eingeschritten. „Warum… Ich meine, worum geht es?“ Meine Kehle ist wie zugeschnürt vor Angst. Das bleibt auch vor meinem Vater nicht verborgen, und seine nervöse Freude macht der Verärgerung Platz. „Du solltest Stolz sein!“ Nun schreit er fast, und das ängstliche Zucken in seinem Gesicht wird noch stärker. „Du solltest dich geehrt fühlen, dass der dunkle Lord dir eine Aufgabe zuweist, stolz, weil du den Ruhm deiner Familie weiter ausbauen darfst!“ Ich schweige. Mir fällt nichts ein, das ich sagen könnte, um Vater zu beschwichtigen. Er hebt das Kinn und sieht mich von oben herab an, obwohl wir mittlerweile beinahe gleich groß sind. „Wir haben eine neue Gefangene. Es gibt Informationen, dass sie mit Potter“, er spuckt das Wort förmlich aus, „Bekannt oder befreundet ist. Es ist nun an dir, sie auszufragen und alles heraus zu finden, was sie womöglich über den Aufenthaltsstatus des Unerwünschten Nummer 1 weiß.“ Ich weiß, wie solche Befragungen hier im Malfoy Manor für gewöhnlich ablaufen. Mein Magen verkrampft sich vor Abscheu. „Weshalb… bin ausgerechnet ich dafür eingeteilt worden?“ Vater legt die Stirn in verärgerte Falten. Meine Fragen gefallen ihm nicht. „Sie war auch Schülerin auf Hogwarts, wenn auch ein Jahr jünger als du. Ihr Name ist Luna Lovegood.“ Zu diesem Namen fällt mir kein Gesicht ein, bloß viele Geschichten, dass dieses Mädchen wohl nicht ganz richtig im Kopf sein soll. „Wieso wurde sie aus Hogwarts verschleppt?“ Doch diese Frage ist eine Frage zu viel. „Du sollst nicht so viele Fragen stellen“, zischt mein Vater aufgebracht, „Tu einfach was man dir befiehlt, verstanden?“ Ich nicke und ziehe den Kopf ein. Es kommt mir vor, als würde Vater immer gereizter und aufbrausender, je länger der dunkle Lord bei uns verweilt. Nicht, dass ich ihm das übel nehmen könnte. „Du findest das Mädchen im Kerker“, ergänzt Vater kalt, „Und, Draco: Sei nicht zu nachgiebig und schwach.“

    85

    In den Kerkern ist es kalt und dunkel. Ein Schauder überfährt mich, als ich die Kerkertür hinter mir verschließe. „Lumos“, murmele ich leise, und mein Zauberstab sendet ein kleines, helles Licht durch den gewölbeartigen Raum. „Man gewöhnt sich an die Dunkelheit“, dringt eine weiche Stimme aus den verbliebenen Schatten. Den Zauberstab weit vor mich gestreckt versuche ich, den gesamten Raum auszuleuchten, doch dafür reicht das Licht nicht.
    „Komm ins Licht“, befehle ich und versuche, meine nervöse Stimme fest klingen zu lassen. Ein blasses Mädchen tritt aus den Schatten, mit langen, schmutzig blonden Haaren und einem verträumten Ausdruck auf dem Gesicht. „Sollte nicht eigentlich ich diejenige sein, die Angst vor dir hat, und nicht andersherum?“, fragt sie. „Ich- Was redest du da? Ich habe keine Angst!“, knurre ich. „Nein?“ Jetzt klingt ihre Stimme milde überrascht. „So hörst du dich aber an. Du musst Draco Malfoy sein.“ „Und du bist Luna Lovegood.“ Luna nickt ruhig. Sie steht so gelassen da, als wäre sie nur ein Gast, der bloß einen Tee mit mir trinken möchte, und keine Gefangene.
    Unsicher, wie ich beginnen soll, erkläre ich: „Ich bin hier, um dich wegen Potter auszufragen.“ Luna nickt nachdenklich. „Jaah, das dachte ich mir schon. Aber ich weiß leider nicht, wo er ist.“ „Und woher weiß ich, dass das nicht bloß eine Lüge ist? Wir Todesser haben unsere Methoden, die Wahrheit aus unseren Gefangenen heraus zu bekommen.“ An Lunas immer noch milde lächelndem Gesicht erkenne ich, dass mein Versuch bedrohlich zu klingen gescheitert ist. „Das wurde mir schon gesagt, und ich glaube es auch. Aber ich bin froh, dass sie dich geschickt haben. Vor dir habe ich keine Angst.“ Frustriert umklammere ich meinen Zauberstab fester. „Das solltest du aber“, versuche ich es erneut. Luna schüttelt den Kopf. „Du bist weder böse, noch möchtest du es sein“, stellt sie mit sachlicher Stimme fest, „Das erkenne ich an deiner Aura.“ Überrascht lasse ich den Zauberstab sinken. „An meiner- Was?“ Doch statt einer Antwort sagt Luna: „Ich weiß wirklich nicht, wo Harry ist. Bitte tu mir nichts. Ich will nicht, dass mein Dad um mich trauern muss, er hat doch schon meine Mum verloren.“
    Diese Aussage verblüfft mich noch mehr als ihr Spruch mit der Aura. „Ist das im Moment wirklich deine größte Sorge?“, frage ich ungläubig. „Aber selbstverständlich“; antwortet sie sofort, „Du liebst deine Familie doch auch, nicht wahr?“ „Natürlich“, murmele ich leise, obwohl es mir schwer fällt das zuzugeben. „Mir gefällt es auch nicht, dass sie sich um mich sorgen müssen“, füge ich hinzu und denke daran, dass wir alle, meine Eltern und ich, unter der Macht des dunklen Lords in allgegenwärtiger Gefahr leben müssen. Luna nickt, als wüsste sie genau, was ich meine. Sie ist so seltsam freundlich und strahlt so viel Liebenswürdigkeit aus, dass ich mich schrecklich fühle, weil sie hier im Kerker steckt, und das in meinem Haus. „Tut mir Leid“, flüstere ich kaum hörbar, die Stimme so weit es geht gesenkt, „Dass du das hier durchmachen musst. Ich wollte nie, dass das… so etwas passiert.“ Luna schenkt mir ein Lächeln, dass in der Dunkelheit zu leuchten scheint. „Das macht nichts“, sagt sie, „Es ist ja nicht deine Schuld.“ Verlegen versuche ich es auch mit einem Lächeln. „Weshalb wurdest du eigentlich aus Hogwarts gezogen und hierher gebracht?“, frage ich, um die Stille zu überbrücken. „Du musst wissen, mein Vater ist der Redakteur des Klitterer. Das ist ein Magazin“, ergänzt sie bei meinem irritierten Blick, „Aber es stehen dort nicht so viele Lügen wie im Tagespropheten. Aber genau das war das Problem, verstehst du? Daddy hat die Wahrheit über Harry geschrieben, und dann haben die Todesser mich ihm weggenommen.“ Luna seufzt und wirkt zum ersten Mal richtig traurig. „Das tut mir Leid“, sage ich. Etwas anderes fällt mir nicht ein. „Nun ja“, erwidert Luna langsam, „Du weißt ja, wie das ist, wenn man für das Vergehen des eigenen Vaters herhalten muss, oder?“ „Woher weißt du das?“, frage ich verdutzt. Mit einem unbehaglichen Gefühl denke an die Zeit in meinem sechsten Schuljahr zurück. Ich töte Dumbledore, oder Voldemort meine Eltern und mich, so war der Auftrag. Und alles nur, weil mein Vater im Kampf um eine dämliche Prophezeiung versagt hatte. „Die Todesser, die mich hergebracht haben, haben darüber geredet. Sie haben nicht sehr freundliche Dinge über dich und deinen Vater gesagt.“ Sie blickt mich nachdenklich an. „Aber ich habe ihnen gesagt, dass ihr ja auch wirklich schwere Aufgaben hattet und bestimmt euer Bestes gegeben habt.“
    Hastig ersticke ich mein Lachen. Dann erkläre ich, leiser nun: „Ich fürchte, das ist den Todessern und ganz besonders dem dunklen Lord egal. Es geht um den Erfolg, und wenn wir den nicht haben…“ Luna nickt mitfühlend.
    „Hör zu“, sage ich nach einer kleinen Pause und fahre mit der Hand durch meine Haare, „Ich bin eigentlich nur hier, um dich wegen Potter auszufragen. Ich glaube dir, dass du nicht weißt, wo er ist, aber…“ „Ich erzähle dir gerne, was ich sonst über ihn weiß.“ Erleichtert nicke ich. „Also“, beginnt Luna, „Harry war immer nett zu mir. Anders als sonst alle anderen. Alle finden, dass ich komisch bin. Aber Harry war trotzdem nett zu mir.“ Sie sieht mich einen Moment lang nachdenklich an, ehe sie hinzufügt: „Aber du bist auch nett zu mir.“ Ich weiche ihrem Blick aus. Mein schlechtes Gewissen wird noch stärker. „Das solltest du nicht sagen“, murmele ich verlegen. „Warum nicht?“, fragt Luna, wieder mit der selben, milde überraschten Stimme. „Früher… vor zwei Jahren oder so… hätte ich mich vermutlich auch über dich lustig gemacht“, gebe ich schließlich zu, „Bloß, weil alle anderen es auch tun. Das war für mich immer Grund genug, mich jemand anderem gegenüber gemein zu verhalten.“ „Es ist mir egal, was du früher getan hättest. Jetzt bist du freundlich zu mir.“ Sie schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln. „Menschen ändern sich. Manchmal zum Schlechten“, sie blickt mich an, „Und manchmal zum Guten. Weißt du was? Geh wieder nach oben. Ich sehe doch, dass du frierst. Wenn ich gefragt werde, sage ich jedem der es hören will, dass du mit allen unter Todessern anerkannten Methoden versucht hast, eine Antwort aus mir herauszubekommen, aber dann feststellen musstest, dass ich wirklich nichts Wichtiges weiß. Okay?“ Luna hat Recht damit, dass ich friere. Und weil es hier unten wirklich kalt und finster ist, beschwöre ich eine kleine, in der Luft schwebende Kerze herauf, welche ich mit einer besonders wärmenden Flamme entzünde. Luna streckt ihre Hände der Kerze entgegen und seufzt zufrieden. „Die Flamme wird aus gehen, sobald jemand diesen Raum betritt“, erkläre ich, „Aber du kannst sie jeder Zeit wieder selbst entzünden, indem du einfach meinen Namen sagst. Dann bist du nicht so allein mit der Kälte und der Dunkelheit.“ Luna sieht mich mit ihrem weichen Blick an, dann lächelt sie. „Danke, Draco.“

    „Sie weiß nichts.“
    Ich stehe in den Arbeitszimmer meines Vaters, der mich über seinen Schreibtisch hinweg ansieht. „Geh und frag sie selbst, wenn du mir nicht glaubst. Eigentlich hättest du dabei sein sollen, Vater.“ Ich verschränke die Arme. „Vielleicht könntest du dann eingesehen, dass ich ein würdiger Todesser sein kann, wenn ich will.“
    Ich höre nicht zu, als Vater mich lobt und behauptet, er hätte nie an meinem Können gezweifelt. In Gedanken bin ich immer noch bei dem Gespräch mit Luna. Eigentlich bin ich, seit ich ein Todesser bin, ein besserer Mensch geworden. Zumindest innerlich. Ich darf, ich kann es nicht zeigen, aber alles, was geschieht, tut mir Leid, ebenso alles, was ich je getan habe. Die Zeit würde ich zurück drehen, wenn ich könnte. Doch dafür ist es zu spät. Oder nicht? Ich bin erst siebzehn Jahre alt. Siebzehn Jahre von… wie viele Jahre werden wohl noch kommen? Doch mittlerweile bin ich überzeugt, dass diese siebzehn Jahre nur ein kleiner Teil meines Lebens sein werden, und eine größere, bessere Zeit noch kommen wird. Hoffnung, da ist sie wieder, die verfluchte Hoffnung auf ein besseres Leben.
    „MALFOY!“
    Vater springt auf und ich stolpere fast, so schnell drehe ich mich zur Tür um. Instinktiv weiche ich zurück, bis ich gegen den Schreibtisch stoße. Schwer atmend und so verfilzt und schmutzig wie immer steht Fenrir Greyback in der Tür, das Gesicht zu einem gefährlichen Grinsen verzogen.

    86
    „Greyback! Was… was wird das?“ Doch Greyback hat keinen einzigen Blick für Vater übrig. Hinter ihm betreten zwei weitere Todesser den Raum, eine Frau und ein Mann. Beide halten mit ihren Zauberstäben Vater unter Kontrolle, während Greyback sich mir zuwendet. Der stinkende Werwolf rückt mir so dicht auf die Pelle, dass ich seinen fauligen Atem riechen kann. „Also, Kleiner“, sagt er höhnisch, „Du beantwortest mir nur eine Frage, und wir lassen dich und deinen Daddy zufrieden. Kapiert?“ Hastig nicke ich. Doch leider ist nicht jeder so kooperativ veranlagt wie ich. „Was soll das, Greyback?“, fragt Vater. Da er hinter mir steht, kann ich ihn nicht sehen, doch ich stelle mir vor, wie er bei diesen Worten arrogant das Kinn hebt, in dem Versuch, autoritär zu wirken. „Wie redest du mit meinem Sohn, in meinem Haus! Du bist nicht einmal ein vollwertiger Todesser, Werwolf. Also bilde dir nicht ein-“ „Halt die Klappe, alter Mann“, knurrt Greyback, ohne den Blick von mir abzuwenden, „Hör auf zu labern, oder dein feiner Sohn wird bald nicht mehr so hübsch aussehen.“ Ich schließe die Augen und hoffe inständig, dass Vater schlau genug ist, still zu sein. Doch mein Vater wäre nicht mein Vater, wenn er so schnell zu beeindrucken wäre. „Wie kannst du es wagen-“, versucht er es wieder. In einer einzigen, schnellen Bewegung packt Greyback mich am Kragen meines Umhangs, dreht mich um und schlingt einen Arm um meinen Hals, sodass ich nun Greyback im Rücken habe und meinen Vater ansehen kann. Mit seiner freien Hand fährt Greyback in eine seiner Umhangtaschen und ich rechne damit, dass er seinen Zauberstab zieht, doch stattdessen hält er breites Messer in der Hand. Spielerisch legt er es an mein Gesicht und ich werfe Vater einen flehenden Blick zu. „Bist du jetzt ruhig, Malfoy?“, fragt Greyback mit süßlicher Stimme. Mit angespanntem Kiefer nickt Vater schließlich. Greyback gibt ein hämisches Lachen von sich. „Dein kleiner Sohn ist schlauer als du, alter Mann. Er wusste von Anfang an, dass es klüger ist, mich nicht zu reizen. Und das bleibt auch so, oder?“ Die Klinge seines Messers schneidet langsam in meine Schläfe und wandert bis zu meinem Kinn hinunter. „Oder?“, wiederholt Greyback mit einer Warnung in der Stimme. Ganz vorsichtig nicke ich, und das Messer bohrt sich etwas tiefer in meine Haut. „Gut so“, schnurrt der Werwolf, „Aber vielleicht sollte ich doch wieder etwas öfter bei euch vorbeischauen. Deinem Vater scheint es an Respekt zu mangeln. Also…“ Die Klinge wandert unter meinem linken Ohr am Hals auf meine Kehle zu, und ich wage es kaum zu atmen. Ich spüre ein warmes Rinnsal von Blut über mein Gesicht und meinen Hals laufen. „Ich hoffe für dich, dass deinem Vater diese Lektion nun etwas länger in Erinnerung bleibt. Es ist doch ein Jammer, dass du immer wieder für das Fehlverhalten deines Vaters herhalten musst, nicht wahr, kleiner Malfoy?“ Ich spüre den brennenden Blick meines Vaters auf mir, doch ebenso spüre ich das Messer an meinem Hals. Also nicke ich erneut, was Greyback dazu bringt, laut auf zu lachen. „Oh, ich kann deine Angst riechen, Kleiner. Sehr schön. Aber eigentlich bin ich bloß hier, um dich etwas zu fragen… Wäre dein Vater nicht gewesen, hättest du jetzt nicht diese hübsche Verzierung im Gesicht.“ Seine Stimme schwankt wieder in diese spöttische Süße, die mir mehr Angst macht als jede laut ausgesprochene Warnung. „Dann wirst du jetzt auch sicher ganz ehrlich meine Frage beantworten, nicht wahr?“ Greyback lässt mich los und ich atme erleichtert aus, als er das Messer sinken lässt. Er wirft die glänzende Waffe von einer Hand in die andere, seltsam geschickt und behände, besonders im Vergleich zu seinem üblichen, grobmotorischen Gehabe. Dann beugt er sich zu mir herunter und bringt sein Gesicht so nah an meins, dass ich seinen heißen Atem auf meiner Haut spüre. Diesmal setzt er mir die kalte Spitze seines Messers an die Brust, ehe er endlich seine Frage stellt.
    „Wo. Ist. Sie.“
    Mein Gehirn ist vernebelt vor Angst. Das Messer drückt gegen meine Brust und bohrt sich durch den Stoff meines Hemds. „Wo ist… wer?“ „Du weißt, wen ich meine“, knurrt Greyback. Isa. Natürlich. Aber wieso weiß Greyback nicht wo sie ist? „Ich“, stammele ich, „Ich weiß nicht. Ich dachte, sie ist bei euch.“ „Das war sie, allerdings. Bis sie heute morgen abgehauen ist. Und vorher haben wir“, er zieht etwas aus seinem Umhang, „Das hier bei ihr gefunden.“ Zuerst wird mir heiß und dann eisig kalt. Er hält meinen Brief in der Hand. „Also dachten wir, du wüsstest vielleicht etwas. Aber wenn nicht…“ Die Messerspitze hat nun schmerzhaft meine Haut erreicht. „Ich weiß es wirklich nicht“, beteure ich und kann nicht mehr verstecken, wie viel Angst ich habe. „Das ist mein einziger Brief. Ich habe auch einen von ihr. Aber nur einen. Und da steht auch nichts drin. Bitte. Ihr könnt euch den Brief ansehen, er ist in meinem Zimmer in meiner Schultasche.“
    Greyback tauscht einen Blick mit seinen beiden Komplizen, dann nickt er ihnen zu. Die zwei Todesser verlassen den Raum, während Greyback stehen bleibt. „Jetzt werden wir ja sehen, ob du lügst, Kleiner.“ Heftig schüttele ich den Kopf. „Ich lüge nicht“, verspreche ich mit zitternder Stimme. Greyback richtet sich endlich auf. Ich bin schon erleichtert, als Greyback wieder anfängt, mit seinem Messer zu spielen. Beinahe sanft fährt er den Schnitt in meinem Gesicht nach, der sofort wieder anfängt zu bluten. Ich beiße mir fest auf die Lippe um nicht vor Schmerz aufzustöhnen, doch ich bin klug genug, nicht vor dem Messer zurück zu weichen. „Tut das weh?“, fragt Greyback süßlich, und ich schüttele den Kopf. Im selben Moment noch verfluche ich meinen antrainierten Stolz, denn sofort schneidet die Klinge wieder tiefer in meine Haut. „Immer noch so arrogant?“, fragt Greyback amüsiert, „Nicht zu fassen.“
    „Komm, Greyback“, schaltet sich Vater wieder ein. Auch seine Stimme bebt kaum merklich. „Steck das Messer endlich weg. Wir haben es verstanden. Du hast hier das Sagen.“ Greyback stößt ein bellendes Lachen aus und zeigt seine gelben Zähne. „Auf einmal so gefügig, Malfoy? Schiss vor dem bösen Werwolf? Aber nur keine Angst, in ein paar Wochen ist dein Sohn wieder so hübsch wie früher. Die meisten Leute, die in meine Gewalt kommen, haben nicht so viel Glück. Du solltest deine kleine Freundin mal sehen“, fügt er an mich gewandt hinzu, „Hat sie dir in deinem Brief auch geschrieben, dass sie einen Muggel umgebracht hat?“ Entsetzt schaue ich ihn an. Das kann nicht wahr sein. „Das würde sie nicht tun.“ Greyback lacht noch lauter. „Und ob. Und letzte Vollmondnacht hat sie mir dabei geholfen, einen weiteren Muggel auseinander zu nehmen. Aber ich fürchte, sie hat dabei nicht ganz so viel Spaß wie ich“, stellt er gespielt bedauernd fest, „Als ich sie zuletzt gesehen habe, sah sie nicht so glücklich aus. Ich frage mich, wie das nur kommt…“
    Ich senke den Kopf, damit Greyback nicht die Wut in meinen Augen sehen kann. „Weißt du“, fährt er in geschäftsmäßigem Ton fort, „Eigentlich dachte ich, sie könnte mir nicht entkommen. Ich habe einen Zauber über sie gelegt, damit ich kontrollieren kann, wo sie hingeht und was sie tut. Aber das hilft mir auch nicht mehr, weil sie dummerweise ihren Zauberstab verloren hat. Und jetzt ist sie ohne Zauberstab und ganz alleine da draußen… Meinst du, das wird sie überstehen?“ Ich erinnere mich daran, dass Isa so etwas in ihrem Brief erwähnt hatte. Glücklicherweise bleibt mir eine Antwort erspart, denn in dem Moment kommen die beiden Todesser wieder. Die Frau hat Isas Brief dabei und übergibt ihn Greyback, und der lässt endlich von mir ab.
    Zu dritt beraten die Todesser sich mit gesenkten Stimmen, während ich bloß dastehe und mich am Schreibtisch abstütze. Mir ist schwindelig. Ob das an dem pulsierendem Schnitt in meinem Gesicht liegt oder an der Angst, erst Angst um mich und dann um Isa, kann ich nicht sagen. Wenn sie jetzt wirklich ohne Zauberstab da draußen ist, dann hat sie ein riesiges Problem. Plötzlich steigt verzweifelte Wut in mir auf. Was hat sie sich dabei gedacht, wegzulaufen? Ich habe ihr doch geschrieben, dass sie das durchstehen wird. Aber so…
    Augenblicklich fühle ich mich schlecht, weil ich so etwas denke. Wäre ich so lange mit Greyback zusammen, würde ich vermutlich auch abhauen. Diese paar Minuten mit ihm reichen mir jetzt schon. Gerade, wo ich über den Werwolf nachdenke, richtet er wieder das Wort an mich.
    „Scheint so“, beginnt er, diesmal mit echtem Bedauern in der Stimme, „Als gäbe es tatsächlich nichts, wofür ich dich noch bestrafen müsste. Aber...“, und seine Stimme wird gefährlich leise, „Ich werde das Mädchen finden. Ich werde sie aufspüren und dann werde ich sie jagen, so wie ich es für gewöhnlich mit meiner Beute tue. Und wenn ich sie dann wieder in die Finger bekomme, werde ich sie auf meine Art für ihr Weglaufen bestrafen. Also sei dir mal nicht zu sicher, ob du deine kleine Freundin noch einmal in einem Stück sehen wirst.“

    87
    ~

    Das leise Plätschern von Wasser, zwitschernde Vögel, Zweige die im Wind rauschen.
    Als ich wach werde, steht die Sonne hoch am Himmel und wirft goldene Sprenkel aus Licht durch das dichte Blätterdach. Ich bleibe liegen und blicke in den Himmel, lasse mich von der Sonne wärmen und blenden. Doch ich kann nicht lange so tun, als wäre alles in Ordnung. Ich meine, irgendwo aus der Ferne eine Stimme zu hören und setze mich so schnell auf, dass mir sofort wieder schwindelig wird. Langsam scheint mein Körper zu erwachen, denn eine Menge Schmerzen machen sich bemerkbar. Ächzend wie eine alte Frau stehe ich auf. Ich muss mich an einem Baum abstützen und brauche einen Moment, bis ich wieder klar sehen kann. Direkt vor mir liegt ein klarer Fluss, und ich befinde mich offensichtlich mitten im Wald. Voller Unbehagen sehe ich mich um. Es ist so ein hübscher kleiner Ort, dass meine Angst sich so fehl am Platz fühlt, und ich vernehme auch keine Stimmen mehr. Ich muss Menschen finden, überlege ich, dann kann ich auch so tun, als wäre ich ein Muggel, der beim Wandern einen Unfall hatte. Und dann muss ich raus aus diesem verfluchten Wald finden. Vielleicht eine neue Stadt finden, irgendwo hin, wo Greyback und auch sonst niemand mich findet.
    Doch als ich an mir herunter sehe, merke ich, dass ich so nicht unter Menschen gehen kann. Ich bin immer noch voller Blut und Erde und Schnitte. Ein, zwei Mal mit dem Zauberstab schnipsen, und dieses Problem sollte erledigt sein. Doch als ich nach meinem Zauberstab taste, kann ich ihn nicht finden. Hektisch suche ich erst alle meine Taschen ab, und dann den Waldboden um mich herum. Es überkommt mich heiß und kalt, als ich realisiere, dass mein Zauberstab nicht da ist. Ich muss ihn verloren haben. Bei der Flucht? Oder schon vorher? Ich spüre meinen eigenen Herzschlag in den Adern und Panik steigt in meinen Kopf. Verzweifelt laufe ich den Weg ein Stück zurück, und wieder zurück. Als der Zauberstab auch nach einer gefühlten Ewigkeit nicht zu finden ist, breche ich am Flussufer zusammen und fange an zu weinen. Was soll ich denn jetzt tun? Ich bin völlig auf mich allein gestellt. Und vermutlich sucht Greyback schon nach mir, vielleicht steht er direkt hinter mir… Ich muss so heftig schluchzen, dass ich keine Luft mehr bekomme. Ich bin meilenweit von Zivilisation entfernt, schutzlos und ohne Zauberstab, mit einem aggressiven Werwolf auf den Fersen, der mir vermutlich Schlimmeres antun wird, als mich bloß zu töten, sobald er mich findet. Durch meinen von Panik vernebelten Geist dringt eine helle Stimme, die mir sagt, dass ich einen klaren Kopf brauche. So klar wie das Wasser im Fluss zu meiner Linken. Meine Kopf fühlt sich an wie bitterer, zäher Honig. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen.
    Leere. Leere und Angst. Das sind die beiden einzigen Sachen, die ich wahrnehme. Und eine helle, wache Stimme, die mir sagt, dass ich sofort aufhören muss. Ich brauche einen Plan. Und für einen Plan braucht man einen kühlen Kopf. Also tue ich verzweifelt das, was die Stimme mir befiehlt und springe atemlos in den Fluss.
    Das kalte Wasser verwandelt meine Knochen in Eis und die plötzliche Stille dröhnt in meinen Ohren. Der Fluss ist tiefer, als ich erwartet habe, tiefer und kälter. Doch das ist gut so. Ich bleibe so lange unter Wasser, wie ich kann. Als ich wieder auftauche, brennt die Luft auf meiner Haut noch kälter als das Wasser und ich schnappe nach Luft. Ich sehe dabei zu, wie das getrocknete Blut sich von meiner Haut löst und in der Strömung verschwindet, und fühle mich seltsam leicht.

    Wenig später stelle ich fest, dass es vielleicht nicht die klügste Entscheidung war, vollkommen bekleidet baden zu gehen. Meine Kleidung braucht eine Ewigkeit, um zu trocknen und ich friere so stark, dass meine Fingerspitzen blau werden. Doch wenigstens ist nun alles an mir wieder sauber. Alles, bis auf mein Inneres.
    Doch was viel wichtiger ist: Ich kann wieder klar denken, mein Gehirn fühlt sich nicht mehr an wie Honig. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, weiß ich, dass es nicht zu schwer sein sollte, in dieser Gegend Menschen zu finden. Schließlich wurden wir als Todesser absichtlich in einem Gebiet platziert, in dem sich besonders viele Muggel herumtreiben. Sobald ich halbwegs freundliche Muggel gefunden habe, werde ich denen irgendeine mitleidserregende Geschichte erzählen, ich hätte all meine Sachen in einem Sturm verloren oder ähnliches. Wenn ich Glück habe, bringen die mich dann hier raus, in die nächstgelegene Stadt. Was ich dann tun werde, weiß ich noch nicht. Hauptsache weg…

    Tatsächlich dauert es nicht lange, bis ich auf einen Wanderweg stoße. Ziellos folge ich dem Weg in die Richtung, die meiner Erinnerung nach von Greybacks Hütte weg führt. Immer wieder werfe ich einen Blick über die Schulter. Da war doch etwas…? Das Gefühl, verfolgt zu werden, verlässt mich nicht. Vielleicht wird es mich nie wieder verlassen.
    Als die Sonne bereits tief am Himmel steht, habe ich endlich Glück. Die erste junge Frau, die mich entdeckt, schlägt sich die Hand vor den Mund und flüstert: „Mon dieu!“ Vermutlich sehe ich immer noch fürchterlich aus, auch sauber gewaschen. Manche Dinge lassen sich nicht abwaschen.
    Es sind drei junge Frauen, um die zwanzig. Erst versuchen sie, Französisch mit mir zu sprechen, danach funktioniert es in sehr holprigem Englisch. Ich tische ihnen die Geschichte auf, dass ich zelten war, aber mit viel Pech meine Sachen verloren habe. Die Jüngste der drei unterstützt meine Geschichte noch, indem sie fragt: „Verloren in das… böse Wetter vor zwei Wochen?“ Und ich nicke, obwohl ich mich nicht an ein Unwetter erinnern kann. Allerdings weiß ich auch kaum, wie lange ich überhaupt mit den Todessern hier war.
    Die drei Frauen sind sehr aufgeschlossen und sind sofort bereit, mich bei ihnen aufzunehmen. Obwohl ich mehr als dankbar bin, dass sie mir helfen, macht mich die aufgescheuchte Art der Frauen sehr nervös. Sie erinnern mich an aufgescheuchte Schmetterlinge, und sie reden etwas viel. Sie heißen Antonia, Vanessa und Valerie, sind drei Freundinnen die zusammen zelten gehen wollten und kommen aus Frankreich. Antonia zeigt mir Bilder ihrem zweijährigen Sohn, der im Moment bei seinem Vater wohnt, Vanessa erzählt mir von ihrer gerade beginnenden Sängerkarriere und Valerie erklärt, dass sie in ihrer Freizeit am liebsten Ballett tanzt.
    Als ich mich an die flatterhafte Art der jungen Frauen gewöhnt habe, beginne ich, mich wohl zu fühlen. Sie reden und lachen so viel und so laut, dass sie meine Angst übertönen. Sie wissen nichts von der Gefahr. Sie sind naiv. Aber glücklich und zufrieden. Und das finde ich beneidenswert.
    Als der Abend hereinbricht, helfe ich ihnen, ihr Zelt aufzubauen. Für sie ist es selbstverständlich, dass ich bei ihnen bleibe. Wir schlagen unser Lager in Sichtweite eines Flussufers auf, der vermutlich der selbe Fluss ist, an dem ich heute Morgen aufgewacht bin. Sie bitten mich, Wasser am Fluss zu holen, um es abzukochen und dann zu trinken. Ich bin beeindruckt, wie sie mit Muggelmethoden ein Lagerfeuer entzünden, als wäre es die einfachste Sache der Welt. Gut gelaunt wie immer erzählen sie mir, dass sie auch einen Campingkocher besitzen, ein Lagerfeuer aber netter finden.
    Der Reißverschluss des Zeltes schließt sich mit einem surrenden Geräusch. Eingewickelt und Decken und dicht an dicht mit den freundlichen Franzosen, schlafe ich schließlich mit einem wohligen Gefühl ein.

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    Schweißgebadet schrecke ich auf. Mein Herz rast wie verrückt und ich zittere. Es ist stockfinster, die Französinnen schlafen tief und fest. Dem gleichmäßigen Atem der Drei zu lauschen, beruhigt mein pochendes Herz langsam, und ich will mich gerade wieder in meine Decken kuscheln, als von draußen, wie aus weiter Ferne, Wolfsgeheul ertönt. Schlagartig bin ich hellwach. Das kann nicht sein, versuch ich mich zu beruhigen, das ist nicht Greyback. Es ist nicht Vollmond. Du bist in Sicherheit.

    Als ich am nächsten Morgen von dem Heulen erzähle, lachen Antonia, Valerie und Vanessa und erklären, dass es hier so gut wie gar keine wilden Tiere gibt. „Du hast nur träumen“, versichert Antonia.
    Gemeinsam bauen wir das Zelt wieder ein, packen unsere Sachen und ziehen weiter. Während des Wanderns singt Vanessa Lieder auf Französisch, die ich nicht verstehe. Ihre Stimme erinnert mich an Alkohol, süß und voller Feuer und sie verschafft mir ein angenehm warmes Gefühl. Antonia schießt die ganze Zeit Fotos mit einer teuer aussehenden Kamera. Fotos von dem Wald und von Valerie, Vanessa und mir. Die Bilder will sie ihrem Sohn und ihrem Mann zeigen, wenn sie wieder zu Hause ist. Die Drei reden und erzählen so viel, dass es sie gar nicht zu stören scheint, dass ich überhaupt nichts von mir erzähle. Wir wandern den Weg am Fluss entlang weiter, durch die wunderschöne Natur.
    Am Abend spüre ich das weite Laufen in meinen Beinen und ich bin todmüde, aber zum ersten Mal seit Langen fast friedlich. Nur das unheimliche Gefühl, verfolgt zu werden, lässt mich nicht los. Manchmal spüre ich fast Greybacks heißen Atem im Nacken, als würde er direkt hinter mir stehen, und zwei, drei Mal bilde ich mir ein, sein bellendes Lachen aus der Ferne zu hören.
    Aber alles ist gut. Ich bin in Sicherheit.
    Als die Dunkelheit der Nacht durch den Wald kriecht, entzündet Valerie ein neues Lagerfeuer. In einem Kreis setzen wir uns um die wärmenden Flammen, und Vanessa fängt wieder an zu singen, mit einer Stimme, die ebenso knistert wie das Feuer. „Oh non!“, ruft Antonia plötzlich, „Ich vergesse Wasser holen.“ Sie schlägt sich die Hand vor die Stirn und will aufstehen, doch ich springe noch vor ihr auf. „Ich gehe und hole das Wasser“, sage ich freundlich. Mit leeren Wasserflaschen bewaffnet suche ich nach dem Weg hinunter zum Fluss.
    Als ich mit vollen Flaschen wieder zum Zelt zurückkehre, hat Vanessa aufgehört zu Singen. Offenbar sind die Drei bereits im Zelt verschwunden. Ich stelle die Flaschen ab und frage laut: „Kochen wir das Wasser jetzt gleich noch, oder erst morgen?“ Als ich nicht sofort eine Antwort erhalte, frage ich: „Habt ihr mich gehört?“ Ich strecke meinen Kopf ins Zelt. „Ich habe gerade gefragt, ob-“ Es läuft mir eiskalt und feuerheiß den Rücken hinunter.
    „Nein“, flüstere ich, „Nein, nein, nein, nein…“

    89
    Ich hätte es wissen müssen. Wie konnte ich ihnen das bloß antun. Es ist alles meine Schuld.
    Diese Gedanken rasen glühend durch meinen Kopf, während ich starr vor Schreck die drei Körper ansehe. Ordentlich aufgereiht liegen sie da, Antonia, Vanessa und Valerie. Die Augen weit aufgerissen, reglos, stumm. Alle drei sind tot. Doch das ist nicht das Einzige. Greyback schickt mir ein Zeichen, dass er uns schon die ganze Zeit beobachtet hat. Bei Antonia ist es der Bauch. Ein tiefer Schnitt zieht sich quer über ihren Unterleib. Bei Vanessa ist die Kehle durchgeschnitten. Valeries Füße und Beine sind voller Blut. Ich denke an Antonias Kind, das sie nun nie wieder sehen wird und an Vanessa, die jetzt nie Sängerin werden kann und daran, dass Valerie nie wieder Balett tanzen wird.
    Ich stolpere wieder hinaus in die kalte Dunkelheit. Ohne es zu bemerken, habe ich angefangen zu weinen. Ich starre zu Boden und sehe zu, wie meine Tränen herab fallen. Und da bemerke ich es: Das Feuer ist erloschen.
    Als ich wieder aufsehe, steht er nur drei Meter von mir entfernt. Greybacks Augen scheinen in der Nacht zu glühen. Obwohl es dunkel ist, erkenne ich sein bösartiges Grinsen. „Hast du mich vermisst?“ Erst da begreife ich, dass es keine Einbildungen waren. Die ganze Zeit über war er da. Sein animalisches Lachen aus der Ferne. Keine Einbildung, sondern echt. Er hat bloß seine Psychospielchen mit mir getrieben.
    Er steht bloß da und macht keine Anstalten, mich zu ergreifen. Ich mache einen Schritt rückwärts. Dann noch einen. Greyback rührt sich immer noch nicht. Schließlich drehe ich mich um und fange an zu rennen. Es ist so dunkel, dass ich kaum die Hand vor Augen sehe. Immer wieder stürze ich, fange mir noch mehr Verletzungen ein. Doch es bleibt still. Keine schweren Schritte verfolgen mich. Atemlos bleibe ich stehen. Ich weiß nicht mehr, aus welcher Richtung ich gekommen bin. Einen Moment lang starre ich panisch ich die Dunkelheit. Dann drehe ich mich um und fange wieder an zu rennen. Doch ich komme nicht weit. Greyback steht so plötzlich vor mir, dass ich gegen ihn laufe. Mit einer Hand schlägt er mich weg und ich falle direkt auf den Rücken. Ich krümme mich vor Schmerz am Boden und versuche, etwas Luft zu schnappen. Greyback ist nicht mehr da. Langsamer jetzt stolpere ich durch den Wald, die Hände fast blind vor mir ausgestreckt. Und auf einmal steht er wieder da. Ganz ruhig. Ich taumele weiter in die andere Richtung, doch egal wohin ich mich wende, hinter jedem Baum wartet Greyback auf mich. Völlig orientierungslos drehe ich mich im Kreis. Als Greyback das nächste Mal vor mir steht, halte ich an. Ich erwarte, dass er jetzt auf mich zukommt, mich gefangen nimmt und tötet. Doch das tut er nicht. Wieder wartet er nur. Ich weiß, dass es irrational ist, dass ich keine Chance habe und Greyback mich früher oder später fassen wird, doch ich wage einen letzten Versuch, eine letzte Flucht.
    Wenn du dich vor einem aggressiven Hund fürchtest, dann sollte das Letzte, was du tust, Wegrennen sein. Denn der Hund wird dich jagen.
    Genau das ist es, was Greyback tut: Er beginnt, mich zu jagen. Die Erde scheint unter seinen schweren Stiefeln zu zittern und ich spüre, wie er näher kommt. Zweige peitschen mir ins Gesicht und meine Lunge schmerzt von der vielen, kalten Luft. Doch ich muss, muss, muss weiter laufen, immer weiter.
    Als ich das Rauschen des Flusses höre, bleibe ich abrupt stehen. Es kommt mir lauter und stärker vor, als zuvor. Vielleicht ist der Fluss hier noch tiefer und breiter. In der Dunkelheit kann ich das nicht erkennen.
    Hinter mir ist es still. Zu still. Gefährlich still.
    Urplötzlich und mit einem Krachen, als würde ein Baum umfallen, stößt ein sehr großes und schweres Etwas gegen meinen Körper. Im nächsten Moment ist alles, was ich weiß, dass ich nicht atmen kann, und alles, was ich fühle, ist Kälte. Eine Kraft, die größer ist als ich, hält meinen Kopf unter Wasser. Ich trete um mich und gebe mir alle Mühe, mich frei zu kämpfen. Doch von meiner Kraft ist so gut wie nichts mehr übrig. Meine Bewegungen erlahmen. Mein Kopf pocht, und das Pochen wird ebenfalls immer langsamer. Gerade, als mir schwarz vor Augen wird, zieht Greyback mich an den Haaren aus dem Wasser. Sein gelbes Grinsen blitzt vor meinen Augen auf und mir bleibt nur eine Sekunde, um nach Luft zu schnappen, ehe er mich wieder unter Wasser zwingt. Dieses Mal kämpfe ich nicht. Ich gebe von Anfang an auf. Ich hoffe sogar darauf, dass die Schwärze meinen Geist übermannt und der Albtraum hier ein Ende findet. Für immer. Doch in allerletzter Sekunde zieht Greyback mich wieder an die Luft, und mein verzweifelter Körper schnappt reflexartig nach Luft. Die Zeit, die ich unter Wasser überstehen kann, wird immer kürzer. Immer häufiger lässt Greyback mich nach Luft schnappen, eher er mich sofort wieder in die Wellen drückt.
    Bis auf das letzte Mal. Er drückt mich so tief unter Wasser, dass ich auf den Grund gepresst werde. Ich habe das wage Gefühl, dass er nun einen Fuß auf meinem Rücken abstellt, um mich unter Wasser zu halten. Der Druck auf meinem Körper wird immer größer, der Druck von außen und von innen. Meine Lunge fühlt sich an, als könnte sie jeden Moment bersten.
    Vielleicht wird er es jetzt beenden. Ich will es beenden. Bitte lass es ein Ende haben.
    Rasender Schmerz füllt meine Lungen, als ich die Luft nicht länger anhalten kann. Jetzt ist es gleich vorbei, denke ich. Oder hoffe ich es? Wasser füllt meinen Mund und meine Lunge.
    Und dann, endlich, überrollt die Schwärze mich endgültig.

    90
    ~

    Ich halte den Kopf gesenkt und versuche mir nicht anmerken zu lassen, dass mir fast die Augen zufallen. Seit Tagen habe ich kaum geschlafen. Nicht zum ersten Mal frage ich mich, warum die Todessersitzungen fast immer mitten in der Nacht stattfinden. Einzig und allein die bedrohliche Stimme des dunklen Lords hält mich wach. Ich habe das Gefühl, ich sitze schon seit Stunden auf diesem unbequemen Stuhl und lausche irgendwelchen Neuigkeiten, die mich glücklicherweise nicht weiter betreffen. „… ist ein weiterer Gefangener bei uns. Wurmschwanz!“, donnert Voldemort und ich zucke zusammen. „Hol ihn hierher. Es wird Zeit für eine weitere Befragung.“ Vorsichtig hebe ich den Blick so weit, dass ich erkennen kann, welchen armen Tropf Wurmschwanz dieses Mal anschleppen muss. Hastig schaue ich wieder auf meine Hände, als ich erkenne, dass es sich um Garrick Ollivander handelt. Der Zauberstabmacher ist schon so lange Gast bei uns, dass es mich wundert, dass er überhaupt noch lebt. Als ich das erste Mal auf ihn traf, mit elf Jahren, fand ich den Mann unheimlich mit seinen blassen Augen. Heute tut er mir Leid. Der bloße Anblick seiner verfilzten Haaren und dem ausgemergeltes Gesicht füllt mich mit Schrecken. In seiner Haut möchte ich wirklich nicht stecken.
    Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Voldemort sich erhebt und gemächlich um die Tafel schreitet. Ich ziehe den Kopf ein, als er direkt hinter mir ist und halte den Atem an, bis er weiter geht.
    „So viele Fragen, die du mir nicht zufriedenstellend beantwortet hast… Auch nach der langen Zeit nicht, die ich dir gnädigerweise zum Nachdenken gelassen habe. Meinst du nicht, so ein Verhalten verdient eine gerechte Strafe?“ Ollivander flüstert etwas, doch es ist zu leise, als dass ich es verstehen könnte. Vielleicht bittet er um Gnade, denn Voldemort erwidert: „Oh, aber ich bin gnädig, alter Mann. In meiner Gnade habe ich dich am Leben gelassen. Der Tod ist die schlimmste aller Strafen.“ Bei diesen Worten kriecht ein kalter Schauer über meine Haut. Ich habe so viel von Voldemorts, Gnade‘ gesehen, dass ich mir grauenhaftere Dinge als den Tod vorstellen kann. Und das, obwohl ich früher immer große Angst vor dem Tod hatte.
    „Wenn du klug bist“, fährt der dunkle Lord fort, „Nimmst du deine Strafe als… Ansporn, noch etwas gründlicher zu überlegen, ob du nicht bessere Antworten für mich bereit hast. Wenn das nicht der Fall sein wird… werde ich mir etwas Neues für dich ausdenken müssen. Aber für jetzt…“ Von Neuem beginnt er, um seine Todesser herum zu gehen. Hastig senke ich den Kopf noch etwas tiefer. Als Voldemort weiter spricht, klingt leise freudige Erwartung aus seiner Stimme. „… wird es wohl wieder der Crutiatus-Fluch werden.“ Ich höre, wie er beinahe direkt hinter mir stehen bleibt. „Gibt es… irgendwelche Freiwilligen?“ Weiter links von mir ertönt ein Schrei. „ICH, mein Lord! Ich werde dem alten Mann zeigen, was passiert, wenn man dem dunklen Lord nicht gebührend dient! Oh bitte, lasst mich es tun!“ Bellatrix. Natürlich. Meine wahnsinnige Tante vergöttert den Crutiatus-Fluch; besonders dann, wenn sie ihn selbst ausführen darf.
    „Ich bewundere deine Ambition, Bellatrix“, antwortet der dunkel Lord ohne einen Hauch Bewunderung in der Stimme, „Aber du beherrschst dein Werk bereits perfekt. Ich würde gerne jemanden auswählen, der noch nicht so viel Übung hat. Wie wäre es mit dir…“ Die kurzzeitige Stille liegt tonnenschwer in der Luft. „… Draco?“ Wie eingefroren starre ich auf die umbrabraune Tischplatte vor mir. Ich kann hören, wie der dunkle Lord neben meinen Stuhl tritt. Langsam, so langsam wie möglich hebe ich den Kopf und wende mich dem dunklen Lord zu, jedoch ohne ihm ins Gesicht zu blicken. „I- Ich, Herr?“ „Es wird Zeit“, erklärt Voldemort mit bedeutungsvoller Stimme, „Dass du ein wenig Übung darin bekommst.“
    Der Stuhl scharrt laut über den Boden, als ich mich erhebe. Vor dem dunklen Lord stehend beuge ich den Kopf wieder tiefer, sodass es fast schon an eine Verneigung grenzt. Widerwillig gehe ich um den Tisch herum auf den Zauberstabmacher zu. Ohne zu blinzeln schaut der alte Mann mich an, während ich mit gezogenem Zauberstab vor ihm stehe. „Oh, ich erinnere mich an diesen Zauberstab“, verkündet er mit einer Stimme, die so dünn ist wie ein Band, das kurz vor dem Reißen steht. „Ach ja?“, frage ich und versuche, überheblich zu klingen. Der alte Mann nickt. „Ich erinnere mich an jeden einzelnen Stab, den ich in meinem gesamten Leben verkauft habe.“ Mit einer zittrigen Hand deutet er ungefähr in die Richtung meines Zauberstabs. „Weißdorn und Einhornhaar, exakt zehn Zoll lang und federnd, ja, sehr flexibel. Der Zauberstab sucht sich den Zauberer, ja, ja.“ Ich werfe einen nervösen Blick in die Richtung des dunklen Lords. Seine aufkommende Ungeduld liegt in der Luft wie ein Donnergrollen.
    Fest entschlossen umklammere ich meinen Zauberstab. Ich muss es einfach tun. Der Alte wird das schon überleben. „Crucio!“, spreche ich den Fluch mit energischer Stimme. Ollivander krümmt sich, als hätte ihn ein massiver Schlag in den Magen getroffen, doch er bricht nicht zusammen. Er stößt auch keinen markerschütternden Schrei aus, wie es die Opfer von Bellatrix Flüchen immer tun. Unruhig erhasche ich einen Blick zu den Todessern, die schweigend abwarten. Doch die Ruhe währt nur einen Wimpernschlag lang. „Du kannst es nicht“, kreischt Bellatrix, „Du musst es so meinen, du musst es wollen, du dummer Junge. Wenn du es nicht kannst, erledige ich es für an deiner Stelle, dich erledige ich gleich noch dazu! Ich kann es dir sicher beibringen, oh, ich werde dir zeigen, wie man es macht, du musst es lieben lernen, anderen Schmerz zuzufügen, und ich werde dir deine Opfer aussuchen… Vielleicht lasse ich dich es an dem Greenskape-Mädchen üben, würde dir das nicht gefallen?“ Bellas schrilles Lachen hallt durch den Saal. Wut steigt in mir auf und ich schließe die Augen, während sie weiter spricht. „Ich würde nur zu gerne hören, wie sie schreit, und sehen, wie du diese Schreie verursacht… Das dreckige Halbblut hat es nicht anders verdient!“ Als ich die Augen wieder öffne, sind die Blicke derer, die es wagen, hoch zu schauen, auf mich und Bellatrix gerichtet. Selbst der dunkle Lord scheint interessiert. Sie warten darauf, dass ich etwas tue. Sie wollen meine Reaktion sehen. Ich drehe mich um und schaue Bellatrix direkt an. Ich habe keine Angst mehr. Stattdessen kochen in mir Zorn und Feindseligkeit. Die Augen zu Schlitzen verengt richte ich meinen Zauberstab pfeilschnell auf das immer noch lachende Gesicht meiner Tante. Dieses Mal kommt mir der Fluch so leicht über die Lippen, als würde ich ihn jeden Tag aussprechen. Der Knall aus meinem Zauberstab lässt mich zusammen zucken, doch die Befriedigung ist größer als der Schreck. Bellatrix liegt, von ihrem Platz gefegt, auf dem Boden, doch ich habe den Zauberstab bereits wieder gesenkt. Ausdruckslos warte ich, bis sie aufsteht. „Du wagst es?“, keift sie, „Du wagst es?“ „Ich wage es. Ich habe getan, was du mir gesagt hast. Ich habe es so gemeint.“ Die verrückte Hexe zückt ihren Zauberstab und ich wappne mich für den Schmerz, doch urplötzlich hebt Voldemort die Hand. „Es genügt, Bella.“ Sie sieht so enttäuscht ist, dass ich beinahe lachen muss. „Herr?“ Der dunkle Lord bedeutet ihr, sich zu setzen. Wie ein schmollendes Kind die Unterlippe vorgeschoben, lässt Bellatrix sich auf ihren Platz fallen. Voldemort wendet sich mir zu. „Setz dich“, befiehlt er auch mir. Jetzt trage ich den Kopf hoch erhoben. Ich weiche keinem der Blicke aus, während ich meinen Platz einnehme. Es ist das erste Mal, dass ich stolz darauf bin, den Crutiatus-Fluch gebraucht zu haben.

    91
    ~

    Hustend spucke ich das Wasser wieder aus. Mein gesamtes Inneres brennt und ich übergebe mich so lange, bis absolut nichts mehr in mir drin ist. Selbst Atmen fällt mir schwer, die Luft in meinen Lungen fühlt sich an wie Sand. Mit fest geschlossenen Augen presse ich mein Gesicht auf den modrigen Waldboden und versuche bloß, nicht schon wieder zu würgen. Ich werde nie wieder davonlaufen. So viel steht fest. Jetzt habe ich bereits fünf Menschen auf meinem Gewissen, auch wenn ich nur einen davon selbst getötet habe. Ich weine nicht. Dazu fehlt mir die Kraft. Stattdessen liege ich nur da und verfluche meinen Körper, der tapfer versucht, mich am Leben zu halten.
    Greyback stößt mich mit einem Fuß an, wie um zu schauen, ob ich tot bin. Ich rege mich nicht. Selbst wenn ich wollte, ich könnte es nicht. Ich nehme wahr, wie Greyback umher geht. Ich kann seine ungleichmäßigen, schweren Schritte fühlen. Selbst die Erde scheint vor dem groben Werwolf zu erzittern.
    Ich weiß nicht, wie lange ich liegen bleibe und so tue, als wäre ich tot. Irgendwann packt Greyback mich an der Schulter und dreht mich auf den Rücken. Ich wehre mich nicht. Über mir sehe ich die Sichel des zunehmenden Mondes, die zwischen den Bäumen hindurch scheint. Doch das silbrige Licht wird von Greyback verdeckt, der sich über mich beugt. „Siehst du das?“, knurrt er und hält mir ein Messer unter die Nase. Die Klinge glänzt nicht, entweder sie ist rostig oder mit Blut bedeckt. Ich tippe auf Letzteres. „Rate mal, wessen Blut das ist.“ Ich weiß, dass er eine richtige Antwort von mir haben will, also erwidere ich tonlos: „Die Franzosen.“ Greyback wirft den Kopf zurück und stößt ein lautes Lachen aus. „Da muss ich dich leider enttäuschen. Es ist das Blut des Malfoy-Jungen.“ Seine Worte schlagen ein tiefes Loch in mein Herz. „Was hast du getan?“, flüstere ich. Wie hypnotisiert hängt mein Blick an der breiten Klinge des Messers. Es ist nicht viel Blut, versuche ich mir einzureden, Draco geht es gut. Es kann ihm nichts passiert sein.
    „Ohh…“, antwortet Greyback gedehnt, „Ich musste den Malfoys einen kleinen Besuch abstatten, nachdem du abgehauen bist und ihn ausfragen. Leider waren die Malfoys nicht sehr kooperativ und ich musste ihnen eine kleine Lektion erteilen. Wärst du nicht weg, wäre das“, er wedelt mit dem Messer vor meinem Gesicht herum, „Nie passiert.“ „Aber“, hake ich atemlos nach, „was ist mit ihm passiert? Wie… was genau hast du…“ „Das“, erwidert Greyback genüsslich, „Überlasse ich deiner Fantasie.“ Zum wiederholten Mal wird mir schlecht. In meiner Fantasie kann ich mir sehr gut eine Menge Dinge vorstellen, die Greyback mit diesem Messer angerichtet haben könnte. Diese Ungewissheit ist das Schlimmste, das er mir hätte antun können. Wenn Greyback Draco umgebracht hat, dann sind es jetzt sechs. Sechs Menschenleben auf meinem Gewissen.
    Abrupt springt Greyback auf, steckt das Messer weg und wendet sich ab. „Mitkommen“, befiehlt er. Ohne sich nach mir umzusehen, stiefelt er in die Dunkelheit davon. Ich frage mich, was er tun würde, wenn ich einfach hier liegen bleibe. Womöglich würde er mich auch einfach zum Sterben zurücklassen, obwohl das eher unwahrscheinlich ist. Also rappele ich mich trotz der Schmerzen auf und folge ihm durch die Nacht. Welche andere Wahl hätte ich denn?
    Als Greyback merkt, dass ich ihm freiwillig folge, fragt er: „Abhauen ist nicht mehr, hm?“ Ich kann das fiese Grinsen in seiner Stimme hören. „Nein“, antworte ich heiser. „Das will ich hoffen“, knurrt Greyback. Das Grinsen ist verschwunden. „Dein Theater hat uns ein paar Tage gekostet. Ich wollte schon viel früher damit anfangen… Nochmal so eine nervige Nummer und du kommst nicht so leicht davon.“ Dass ich fast Ertrinken nicht als, leicht davonkommen‘ bezeichnen würde, verschweige ich. „Es wird Zeit“, fährt Greyback fort, „Dass du lernst, wie es im Untergrund läuft.“ Mir schwant Übles. „Welcher Untergrund?“, frage ich verhalten. Greybacks prompte Antwort zeigt mir, dass er nur auf meine Frage gewartet hat. „Der dunkle Lord hat mich, sagen wir, um einen kleinen Gefallen gebeten. Vielleicht weißt du, dass er damit begonnen hat, Riesen um sich zu scharen. Das waren aber nicht die einzigen… Wesen, die er in seiner Armee will. Also bin ich dabei, meine eigene Armee zu erschaffen. Und du“, er wirft einen stechenden Blick über die Schulter, „Wirst mir dabei helfen.“

    Wie sich herausstellt, ist der Untergrund ein großes Netz an Tunneln direkt unter dem Herzen Londons. Durch einen versteckten, magischen Eingang bring Greyback mich eine metallene Leiter hinunter, die in einen muffigen, schlecht beleuchteten Gang führt. Zunächst ist es wie ausgestorben, und nur Greybacks und meine Schritte hallen wieder. Es gibt keine Fenster oder Sonstiges, nur diesen schmalen, modrigen Korridor. Ein beklemmendes Gefühl packt mich und die Wände scheinen mit jedem Schritt etwas näher zu rücken. Nach ein paar Abbiegungen stoßen wir auf eine schwere Metalltür, welche Greyback mit der Schulter auf stemmen muss. Ein beißender Gestank schlägt mir entgegen, es riecht nach zu vielen Menschen auf zu engem Raum. Tatsächlich befinden sich in dem Gang hinter der Tür, der ein wenig breiter ist als der Erste, eine Menge Menschen. Sie stehen in kleinen Grüppchen herum, sitzen oder liegen sogar auf dem Boden. Es sind Frauen und Männer jeden Alters und ohne bestimmtes Muster, doch sie alle sehen auf eine gemeinsame Weise mitgenommen aus. Die meisten sind sehr dünn, tragen schmutzige Kleidung und haben ungewaschenes Haar, ganz zu schweigen von den Verletzungen. Viele haben ein blaues Auge oder blaue Flecken an den Armen, drei oder vier haben bandagierte Körperteile. Sobald die verwahrlosten Menschen Greyback erblicken, weichen sie bis an die Wand zurück und die Gespräche brechen ab. Ohne langsamer zu werden, schreitet Greyback durch den Gang, ungeachtet der vielen Personen. Wer ihm nicht schnell genug ausweicht, wird beiseite gestoßen. Ein schlafender Mann liegt quer auf dem Boden und ich sehe, wie Greyback ihm auf die Finger tritt. Ich gebe mir größte Mühe, mitzuhalten.
    Die Menschen beäugen mich misstrauisch, ich spüre ihre Blicke, doch sobald ich jemandem in die Augen sehe, weichen sie meinem Blick aus. Ich bin eine Fremde, dazu noch eine Fremde, die dem Werwolf Greyback hinterherläuft, der offensichtlich sehr gefürchtet wird.
    Ich senke den Blick und versuche, niemanden anzusehen. Ab und zu tauchen weitere Türen auf oder Abzweigungen, wo der Gang in verschiedene Richtungen geht. Bald habe ich in den immer gleichen Gängen die Orientierung verloren, doch Greyback scheint genau zu wissen, wohin er geht. Schließlich bleibt er an einer Tür stehen, die sich für mich nicht von den anderen unterscheidet, und öffnet sie. Ich folge ihm in den unbeleuchteten Raum und die Tür schlägt hinter mir zu. Nur ein kleiner Lichtspalt fällt unter dem Türschlitz durch. Ich weiß, dass ich eigentlich Angst verspüren sollte, weil ich alleine mit Greyback irgendwo in der Dunkelheit eingesperrt bin, doch als ich in mich hinein horche und nach Gefühlen suche, empfinde ich… nichts. „Das, was du eben gesehen hast“, ertönt Greybacks Stimme wie aus dem nichts, „Die Menschen. Vermutlich kann dein kleiner Kopf sich das schon denken… Sie alle gehören mir. Es sind Werwölfe. Jeder Einzelne von ihnen. Mindestens die Hälfte von denen habe ich persönlich zum Wolf gemacht. Alle anderen...“, er lacht, „Wurden auf meinen Befehl hin verwandelt. Ich behalte sie alle hier, lasse sie ausbilden, zum Kämpfen und zum Jagen… Ich lasse sie gegeneinander antreten. Sowohl als Mensch, als auch als Wolf. Aber du…“ Ich höre, wie er in der Dunkelheit umher geht. Wie ein hungriger Hai zieht er seine Kreise um mich. „Du hast dabei keine Chance. Das sind Werwölfe. Echte Werwölfe, nicht dieser billige Abklatsch eines gewöhnlichen Wolfes zu dem du dank des verfluchten Wolfbanntranks geworden bist. Trotzdem will ich dich eine Weile hier behalten. Aber da du nicht als richtiger Werwolf taugst, wirst du dich eine Zeit lang um unsere Welpen kümmern. Aber vorerst bleibst du noch hier drin, du solltest die Möglichkeit nutzen und dich… ausruhen.“
    Greyback verlässt den Raum und ich bleibe alleine in der Finsternis zurück. Ich würde gerne darüber nachdenken, was er gesagt hat, was er mit den, Welpen‘ meinte, und wie lange ich wohl hier bleiben muss. Doch ich bin viel zu müde und erschöpft. Ich rolle mich auf dem kalten, harten Boden zusammen und schließe die Augen.

    92
    ~

    Das Gefühl der Zufriedenheit ist längst verflogen. Weitesgehend vermeide ich es, mein Zimmer zu verlassen. Einerseits aus Angst vor Bellatrix, die sich vermutlich immer noch rächen will, und andererseits, weil sie mich wieder an Isa erinnert hat. Greyback hat mich gewarnt, dass ich sie womöglich nicht mehr in einem Stück sehen wiedersehen werde. Ich hoffe, dass Greyback sie noch nicht gefunden hat und auch nicht finden würde – selbst wenn das bedeuten würde, dass ich sie nicht mehr wiedersehen würde. Wenigstens versuche ich, mir das einzureden, dabei will ich im Moment nichts mehr, als sie zu sehen. Wie lange ist es jetzt her, dass wir getrennt wurden? Schließlich ist es bereits Mitte Dezember. Es kommt mir vor, als wäre es im Malfoy Manor genauso kalt wie draußen. Noch während ich bedrückt aus dem Fenster schaue, fallen erste Schneeflocken und bittersüße Gefühle steigen in mir auf. Ich liebe Schnee. Zumindest tat ich das früher, als Schnee bloß Schnee war und mich nicht an die wahre Kälte in meinem Leben erinnert hat.
    Auf dem Korridor ertönen Schritte. Mein nervöser Blick wandert durch den Raum und bleiben an der Tür hängen. Die Schritte stoppen direkt davor, doch anstatt dass die Tür sich öffnet, wird ein Brief unter der Tür durch geschoben.
    Der Brief ist knapp, hat keinen Absender und beginnt ohne Anrede.

    Am 24. Dezember werden wir für zwei Tage zu euch kommen. Das heißt, du wirst sie wiedersehen… oder das, was dann von ihr übrig ist. Falls etwas übrig bleibt. Nicht jeder überlebt den Untergrund und niemand übersteht ihn vollkommen unversehrt. Du willst sicher sehen, was aus deinem hübschen Mädchen geworden ist? Oder lieber doch nicht? Denn so hübsch ist sie nicht mehr, das ist sicher. Sie wird sich sicher freuen, dich zu sehen… oder auch nicht. Auf ein nettes Wiedersehen…

    Ich presse eine Hand auf den Magen. Nie hätte ich erwartet, dass Greyback mir eine Nachricht schreiben würde. Ich wusste nicht einmal, dass der stinkende Hund überhaupt schreiben kann. Er hat Isa also gefunden und sie in den Untergrund gebracht – was auch immer der Untergrund ist. Isa lebt. Doch laut Greyback ist sie in schlechter Verfassung. Was er wohl damit meint, dass sie nicht mehr so hübsch ist wie früher?
    Eins steht fest: Es wird das düsterste Weihnachten werden, das ich je erlebt habe.
    Aber zuerst muss ich herausfinden, was der Untergrund ist.

    Behutsam klopfe ich an die Tür aus Ebenholz, welche zu dem Arbeitszimmer meines Vaters führt. Auf ein widerwilliges „Herein!“ betrete ich den Raum. Hohe Regale mit wertvollen Büchern und teuren, teilweise schwarzmagischen Artefakten zieren die Wände. Vater sitzt wie üblich hinter seinem schweren Schreibtisch. Seufzend legt er die Feder aus seiner Hand. „Was gibt es, Draco?“ Schweigend schiebe ich die Nachricht über den Tisch zu ihm herüber. Als Vater wieder aufsieht, frage ich: „Was ist der Untergrund?“ Einen Moment sieht mein Vater mich mit vereistem Ausdruck an, ehe er sagt: „Es ist nicht nötig, dass du das weißt, Draco. Verschwende deine Zeit nicht mit solchen Nichtigkeiten.“ Wütend trete ich näher, stütze meine Hände auf dem Schreibtisch ab und beuge mich vor. „Was. Ist. Der. Untergrund.“ Vater sieht mich leicht perplex an – so etwas ist er nicht von mir gewohnt. Er hat Recht, früher hätte ich mich so etwas nie getraut und seine Antwort einfach akzeptiert. Doch so bin ich nicht mehr.
    Vater stößt ein ergebenes Seufzen aus. „Der… Untergrund, ja. Das ist eine Art Organisation, die Greyback gehört. Im Grunde besteht der Untergrund aus einem großen Netz an Tunneln unter London. Greyback hortet dort eine… Gruppe… Gemeinschaft… Armee an Werwölfen. Er lässt sie ausbilden zum Kämpfen und Jagen.“ Er zögert, bevor er weiter spricht. „Nicht Wenige dort unten kommen dank den brutalen Kämpfen und der schlechten Hygiene und Versorgung um. Aber ich glaube nicht, dass Greyback Isa sterben lassen würde, dazu bräuchte er den Befehl vom dunklen Lord. Wenn andere Halbblüter sterben ist das egal, aber da Isa eine vollwertige Todesserin ist…“
    Ich höre Vater nicht weiter zu, sondern verlasse, ohne mich zu entschuldigen, den Raum.

    93
    ~

    Als ich von dem Licht geweckt werde, weiß ich nicht, wie lange ich geschlafen habe. Greyback steht in der Tür und bellt mich an, ich solle mich beeilen.
    Immer noch müde und mit schmerzenden Glieder rappele ich mich auf um ihm zu folgen. Ich kann mich hier unten nicht auf mein Zeitgefühl verlassen. Ich weiß nicht, ob wir Tag oder Nacht, Morgen oder Abend haben. Vor einer anderen Tür machen wir halt. „Sorg einfach dafür, dass die halbwegs ruhig bleiben“, knurrt Greyback bloß als Erklärung, ehe er mich durch die Tür schiebt und mich wieder alleine lässt. Dieser Raum ist so groß wie ein Klassenzimmer und es stehen sogar Tische und Stühle darin. Doch ebenfalls liegen auf dem Boden abgenutzte Matratzen und sogar zwei oder drei schmutzige Kuscheltiere. Grauen macht sich in mir breit, als ich begreife was Greyback meinte, als er Welpen sagte.
    Etwa ein Dutzend Kinder befinden sich in dem Raum. Eine kleine Gruppe scheint zu spielen, doch alle anderen Kleinen sehen todunglücklich aus. Sie sitzen zusammengedrängt auf den Matratzen oder Stühlen und verhalten sich definitiv nicht so, wie sich Kinder normalerweise verhalten sollten. Ein enges Seil aus Trauer scheint sich um mein Herz zu schlingen, während ich begreife, dass all diese Kinder gebissen und von ihren Familien weggerissen und hier eingesperrt wurden. Ich schätze, die Kinder sind zwischen fünf und zwölf Jahren. Ein paar wenige blicken auf, als ich den Raum betrete, aber wenden schnell wieder den Blick ab. Ich mache ein paar zögernde Schritte, da entdecke ich ein Mädchen, das hier vermutlich zu den ältesten gehört, aber eigentlich auch bloß elf oder zwölf Jahre alt ist. Es sitzt zusammengekauert unter einem der Tische, die Arme um den Körper geschlungen. Sie weint.
    „Hey“, sage ich vorsichtig und hocke mich zu ihr unter den Tisch. Ist alles okay?, will ich schon fragen, aber dann kommt mir das dumm vor. Also versuche ich es stattdessen mit: „Ich bin Isa. Wie heißt du?“ „Mallory“, flüstert das Mädchen. Mit großen, dunkelbraunen Augen schaut sie mich an. Ihr buschig abstehendes Haar und ihre Haut sind fast so dunkel wie ihre Augen. Bei den Tränen, die auf ihren Wangen schimmern, muss ich schlucken. Die armen Kinder. „Wieso weinst du denn?“, frage ich behutsam. Mallorys ohnehin schon große Augen weiten sich vor Schreck. „Bitte nicht“, haucht sie, „Es tut mir leid.“ Hastig wischt sie sich mit ihren kleinen Händen die Tränen weg. „Was tut dir Leid?“ Ich versuche Freundlichkeit und Wärme auszustrahlen, aber ich weiß nicht, ob mir das gelingt, denn Mallorys Lippen beginnen wieder zu zittern. Tapfer blinzelt sie und versucht, die Tränen zurückzuhalten. „Dass ich wieder geweint habe“, kommt die geflüsterte Antwort. „Dafür musst du dich doch nicht entschuldigen“, sage ich leicht verwirrt. Aber Mallory wispert voller Angst: „Der große Mann hat gesagt, wenn ich nicht aufhöre zu weinen bringt er meine Eltern um.“ Das Trauerseil zieht sich noch etwas enger um meine Brust. „Er hat gesagt, alle anderen Kinder bekommen Angst wenn ich weine. Und dann nerven sie. Und er bringt sie alle um.“ Ein Bild taucht in meinem Kopf auf, wie Greyback kleine Kinder bedroht. Ich kann es mir nur zu gut vorstellen. „Wenn ich da bin, darfst du weinen. Aber es wäre mir trotzdem lieber, wenn du es nicht tätest. Ich möchte nicht, dass du so traurig bist. Willst du mir vielleicht erzählen, warum du weinst?“ Mallory schnieft leise. „Ich bin erst seit letztem... Monat hier. Alle anderen Kinder sind schon lange hier. Und ich habe so große Angst. Ich will kein Wolf sein. Ich will nach Hause.“ Ich ziehe Mallory in meinen Arm und streiche ihr beruhigend über den Rücken. „Keine Sorge“, flüstere ich ihr ins Ohr, „Es wird alles gut.“ Auf einmal steigt kochende Wut in mir auf. Das sind Kinder, will ich schreien, Kinder, verdammt! „Mallory“, sage ich, und sehe dem Mädchen fest in die Augen, „Ich verrate dir ein Geheimnis. Aber du darfst es niemandem verraten. Ganz besonders nicht dem großen Mann, verstanden?“ Malorry nickt ehrfürchtig. Leise, so leise dass ich mich selbst kaum höre, hauche ich in ihr Ohr: „Ich werde dafür sorgen, dass ihr hier raus kommt. Egal wie. Versprochen.“

    Nach einer Weile, die ich mit den Kindern verbracht habe, öffnet sich die Tür. Doch es ist nicht Greyback; stattdessen steht ein deutlich jüngerer Mann in der Tür, vielleicht zwei oder drei Jahre älter als ich. Anders als alle anderen Menschen, die ich hier unten gesehen habe, sieht er nicht verwahrlost aus. Im Gegenteil: Er sieht vielmehr verboten gut aus. Seine Haut ist braun gebrannt, wie bei einer Person, die bei jedem Wetter draußen ist. Seine blaugrünen Augen leuchten fast schon zu hell in seinem bronzefarbenen Gesicht, und die schwarzbraunen, leicht lockigen Haare trägt er zerzaust. Seine Schultern sind ebenso breit wie die von Greyback. Gedanken, die absolut nicht an diesen Ort passen, schleichen sich in meinen Kopf und ich ertappe mich dabei, wie ich den Fremden sowohl mit Greyback als auch mit Draco vergleiche – eine sehr seltsame Mischung. Doch trotz allem bin auch ich immer noch ein Mädchen, fast eine junge Frau, die es bemerkt, wenn jemand gut aussieht.
    „Ähm, hallo“, begrüße ich den Fremden leicht verwirrt. „So überrascht?“, fragt er mit einem Grinsen, das genauso wenig hierher gehören zu scheint wie sein gutes Aussehen. „Hat Greyback dir nichts von deiner Verstärkung erzählt?“ „Nein, das hat er nicht“, erwidere ich vorsichtig. Was für eine Verstärkung?
    „Ich bin auch ab und zu hier, um auf die Kinder aufzupassen.“ Mit großen Schritten durchquert er den Raum und streckt mir überschwänglich seine Hand entgegen. Etwas perplex erwidere ich den Händedruck. „Ich bin Sed“, stellt er sich vor, ohne meine Hand los zu lassen. „Wie war dein Name noch gleich? Greyback hat es mir schon gesagt, aber…“ Bei seinem lauten Lachen zucke ich fast zusammen, auch die Kinder werfen Sed verwirrte Blicke zu. Hier wird nicht gelacht. Sed tippt sich an den Kopf. „Hab‘s schon wieder vergessen. Aber das wirst du mir wohl verzeihen, oder?“
    Er zwinkert mir zu. Für einen Moment starre ich ihn nur mit offenem Mund an, ehe ich meinen Namen murmele und mich vorstelle. Hat der mir gerade echt zugezwinkert? Irritiert wende ich den Blick ab. Dieser Sed ist ja verdammt gut drauf. Das ist echt… unheimlich. Sed setzt sich auf einen der Tische und lässt die Beine baumeln. „Du bist wohl nicht so gesprächig, kann das sein?“ Ich zucke bloß mit den Schultern. Tatsächlich habe ich nicht gerade große Lust, mich mit dem viel zu gut gelaunten Sed zu unterhalten. „Jaah“, fährt dieser fort, „Sowas in die Richtung hat Greyback auch schon erwähnt. Er meinte, ich soll gut aufpassen, dass du nicht weg läufst.“ Wieder lacht er, während ich nur auf meine Schuhe starre. „Man, man, man“, sagt er gedehnt, „Du bist echt vor Greyback abgehauen? Ehrlich mal, ich weiß nicht, ob ich das dumm oder mutig finden soll. Darf ich was fragen? Was hast du dir dabei gedacht?“ Seine Stimme klingt tadelnd, als wäre er enttäuscht von mir. „Das würde ich echt gerne nachvollziehen können“, fügt er hinzu.
    „Nein, das würdest du nicht“, rutscht es mir heraus und ich bin überrascht von der Schärfe in meiner Stimme. „Hey“, sagt Sed und hebt abwehrend die Hände, „Es war doch nur eine Frage.“ „Tja“, erwidere ich gereizt, „Für mich war es aber mehr als eine Frage. Für mich war es die reinste Hölle.“ Endlich hat Sed aufgehört zu grinsen. Mit ernstem Ausdruck beugt er sich dicht zu mir und raunt vertrauensvoll: „Es stimmt schon, Greyback kann sehr… heftig sein.“ Automatisch lehne ich mich ein Stück zurück, doch das motiviert Sed nur dazu, noch näher zu kommen. Mit seinen hellen Augen fixiert er mich. Als er seine nächste Frage stellt, klingt er schon vorsichtiger. Er senkt die Stimme und schaut mich, ohne zu blinzeln, an. „Was…“, beginnt er langsam, „hat Greyback mit dir angestellt, als er dich wieder geschnappt hat?“ Begierde strahlt aus seinen zu hellen Augen, von denen ich mich nicht losreißen kann. „Er“, stammele ich, „Er hat… versucht… nicht versucht, sondern eher mich glauben lassen, er würde mich ertränken.“ Bei der Erinnerung scheint sich mein Herz zu verkrampfen, doch Sed nickt und murmelt: „Faszinierend.“ Meinen entsetzten Blick scheint er nicht zu bemerken, stattdessen springt er auf und beginnt, sich mit den Kindern zu unterhalten.

    94
    Die Zeit im Untergrund vergeht, ohne dass ich es bemerke. In unregelmäßigen Abständen werde ich zu den Kindern geschickt, um dann wieder eine Weile in meinem Raum eingesperrt zu werden. Ich weiß nicht, wann Tag, und wann Nacht ist, oder ob bereits fünf oder erst drei Tage vergangen sind. Bis auf wenige Ausnahmen ist Sed bei jeder Schicht bei den Kindern anwesend. Jedes Mal unterhält er sich mit mir, als kannten wir uns schon seit Jahren.
    Bei einer solchen Schicht fragt er urplötzlich: „Bist du eigentlich ein richtiger Werwolf?“ Unbehaglich weiche ich seinem Blick aus. Ich habe keine Ahnung, wann der nächste Vollmond kommt. „Ja und nein“, murmele ich schließlich, „Ich verwandele mich jeden Vollmond, so wie alle anderen. Aber ich habe so schnell, nachdem ich gebissen wurde, den Wolfsbanntrank zugeführt bekommen, dass ich mich nur in einen gewöhnlichen Wolf verwandele. Wieso fragst du?“ Sed zuckt mit den Schultern und verzieht das Gesicht zu seinem üblichen Grinsen. „Ich finde das interessant. Schließlich bin ich selber kein Werwolf.“ Überrascht hebe ich den Kopf. „Nicht? Wieso bist du dann hier?“, hake ich nach. „Greyback hat so seine Gruppe an Leuten hier, die sich nicht jeden Monat in Bestien verwandelt, damit am nächsten Morgen verwirrte Personen wieder eingesammelt werden können, weißt du?“ Stirnrunzelnd frage ich: „Aber… machst du das freiwillig? Bist du…“ Mein Blick wandert an seinem linken Arm hinunter, doch Sed lacht bloß. Wie üblich. „Nein, ich bin kein Todesser. Ich will mir nur ein paar einfache Galleonen verdienen. Das ist zumindest“, und wieder lehnt er sich vertrauensvoll zu mir herüber, „Was ich den Leuten hier normalerweise erzähle.“ „Achja?“ Skepsis macht sich in mir breit. „Und was ist dann der wahre Grund?“ Er sieht mich an mit einem Blick, der irgendwie triumphierend scheint, bevor er langsam sagt: „Nach Allem, das Greyback dir angetan hat, würdest du ihn bestimmt gerne tot sehen, oder?“
    Erschrocken schnappe ich nach Luft. „Ich…“ „Also“, fährt Sed fort, „Ich würde ihn liebend gern tot sehen. Noch viel lieber aber wäre es mir, wenn ich ihn selbst töten kann.“ Mit großen Augen starre ich ihn an. Meint er das ernst? Es kommt mir vor wie eine Falle. „Wieso-“, setze ich an. Zum ersten Mal überhaupt verfinstert sich Seds Miene. „Meine Mutter war ein Werwolf“, beginnt er zu erzählen, „Kurz vor ihrem Tod hat sie mir erzählt, wer sie zum Werwolf gemacht hat, und wer“, er macht eine Pause, „wer mein Vater ist.“ Mein erster Gedanke ist, dass Seds Mutter sehr hübsch gewesen sein muss, wenn Greyback sein Vater ist und Sed trotzdem so gut aussieht. Dann erst wird mir der Ausmaß dieser Worte bewusst. „Oh Merlin“, flüstere ich. „Aber er weiß es nicht“, fügt Sed hinzu, „Greyback wusste nie, dass er einen Sohn hat. Er weiß nicht, dass ich sein Sohn bin. Verflucht“, stößt er aus, „Ich will gar nicht wissen, was dieser Hund meiner Mutter angetan hat, sodass sie schwanger wurde.“ Ein böser Schatten schleicht sich in seine Augen. „Ich kann mir gut vorstellen“, sagt er und blickt mich fest an, „Dass du mir dabei helfen willst, Greyback zu töten.“ Langsam nickte ich. Ein Schauer kriecht über meinen Rücken und meine Arme. Ich habe den einen Muggel getötet, doch einen Mord zu planen fühlt sich ganz anders an. Sed hat mittlerweile wieder ein Grinsen im Gesicht. „Wusste ich es doch. Aber, bevor ich den Mord plane, gibt es noch etwas anderes zu erledigen.“ Er macht eine vage Bewegung in Richtung der Kinder. „Ich will sie hier raus bringen. Aber das ist nicht so einfach. Es gibt hier zu viele Augen und Ohren, aber nur einen Tag, an dem es funktionieren könnte.“ Sed senkt die Stimme. „Vollmond. Greyback will die Welpen an Vollmond bewachen. Ein bisschen mit ihnen… spielen. Jeder hier wird sich in einen verstandlosen Wolf verwandeln. Nur einer nicht.“ Er hebt das Kinn, wie in einer trotzigen Geste. „Ich. Ich könnte es mit einem knappen Dutzend Welpen aufnehmen, aber nicht mit Greyback. Er muss abgelenkt sein. Irgendwo anders. Und da kommst du ins Spiel.“
    „Ich will die Kinder auch befreien“, erwidere ich leise, „Aber… ich kann es nicht mit Greyback aufnehmen. Nicht als Mensch, und schon gar nicht als Wolf.“ Meine Stimme bebt als ich zugebe: „Ich habe solche Angst vor ihm. Wenn er herausfindet, dass ich so etwas plane, dann, dann… Ich weiß es nicht. Er wird mich nicht töten. Er wird mir Schlimmeres antun. Bitte. Das weißt du selbst.“ Sed streicht mir die Haare hinter die Ohren. Seine rechte Hand ruht in meinem Nacken und er zieht mich dicht zu sich heran. Er ist mir so nah, dass ich die blauen Sprenkel in seinen grünen Augen zählen könnte. „Ich weiß“, murmelt er mit rauer Stimme, „Überlass mir das Planen. Greyback wird keine Ahnung haben, dass du etwas damit zu tun hast, versprochen. Tu es für die Kinder.“ Seds weiche Lippen streichen über meine, wie ein hauchzarter Wind. „Tu es für mich.“
    Ich drehe den Kopf weg. Ein scharfes Gefühl zieht sich durch meinen Körper und ich rede mir ein, dass Sed gerade nicht versucht hat, mich zu küssen. Er ist bloß… körperbezogen und weiß, was er tun muss. Und wer sagt denn, dass so eine Methode nicht funktioniert?
    Krampfhaft dränge ich das Bild von Dracos vorwurfsvollen, grauen Augen aus meinem Kopf und drehe ich mich wieder zu Sed um, der immer noch auf eine Antwort von mir wartet. „Okay“, gebe ich schließlich mein Einverständnis. „Ich helfe dir. Ich helfe den Kindern, meine ich. Aber wenn du dein Versprechen brichst und Greyback herausfindet, dass ich das tue, dann werde ich dich höchstpersönlich kalt machen, noch bevor du eine Chance hast, Greyback umzubringen!“ Sed schmunzelt schamlos. „Genau das wollte ich von dir hören, Isa. Die Kinder werden es dir danken. Genauso wie ich.“ Als er sich zum wiederholten Male zu mir beugt, lege ich entschlossen eine Hand auf seine Brust. „Ich sagte, ich helfe den Kindern. Und das werde ich auch nicht zurücknehmen. Du brauchst nicht weiter versuchen, mich dazu zu verführen.“ Ohne Sed noch einmal anzusehen, stehe ich auf und setze mich zu Mallory, die mal wieder alleine ist. Ich werde Sed helfen, die Kinder zu befreien, mehr nicht. Ich vertraue seiner aufgesetzten Persönlichkeit so weit, dass er mich nicht an Greyback verraten wird, und nicht weiter.

    95
    Bei der nächsten Schicht weiche ich Sed nach Möglichkeit aus und tue auf sehr beschäftigt mit den Kindern. Doch als ich ich mir halbwegs sicher bin, dass es zwischen uns nicht irgendwie komisch geworden bin, frage ich Sed, welches Datum wir haben.
    „Wir haben den fünften Dezember, wieso?“ Ich bin bestürzt, dass es erst Dezember ist. Für so wenige Monate ist wirklich sehr viel passiert. „Nur so“, murmele ich, „Wann ist… Du weißt schon, Vollmond?“ „In fünf Tagen“, antwortet Sed ruhig. „Ich schätze, ich sollte dir meinen Plan erklären. Die Zeit drängt.“ Ungewöhnlich ernst erklärt Sed mir, wie es für gewöhnlich hier abläuft, wenn Greyback zugegen ist.
    „Gegen Abend scheucht er alle seine… Arbeiter nach draußen und verteilt Anweisungen, wer wo hin geht. Die Welpen lässt er meistens hier und kommt dann selbst her um sie zu trainieren. Er kommt kurz, bevor sich alle verwandeln. In der Zeit verbarrikadiere ich mich normalerweise in einem der wenigen Schlafräume hier und warte, bis die Nacht vorbei ist. Am nächsten Morgen ist es dann meine Aufgabe, die Welpen wieder zusammen zu flicken. Aber dieses Mal, in fünf Tagen, wird alles anders. Denn Greyback wird nicht hier bei den Welpen sein. Ich aber werde sie mir alle schnappen und weg bringen. Am nächsten Tag wird es so aussehen, als hätte Bruce alles vermasselt und die Tür nicht richtig verschlossen.“
    „Wer ist Bruce?“, frage ich verwirrt. „Der gehört auch zu der Gruppe der nicht-Werwölfe. Wenn Greyback woanders unterwegs ist, ist Bruce dafür zuständig, die Welpen hier einzuschließen.“ Als hätte Sed meinen bloß gedachten Einwand schon gehört, fügt er hinzu: „Keine Sorge, Bruce ist total überflüssig. Er findet Greyback und alles was er tut super.“ Ich presse die Lippen aufeinander und nicke. Es ist mir egal, was Bruce für ein Mensch ist. Dass Greyback ihn wegen unserer Sache bestrafen wird gefällt mir nicht. Aber die Kinder sind mir wichtiger als irgend so ein komischer Bruce. Im Kopf gehe ich noch einmal durch, was Sed gesagt hat. Dann frage ich: „Und wie genau willst du Greyback dazu bringen, nicht mit den… Welpen zu… spielen?“
    Sed legt seine Hände auf meine Schultern und blickt mich durchdringend an. Nicht zum ersten Mal denke ich, dass seine Augen zu hell für seine honigfarbene Haut sind. Wieder denke ich an Draco, dessen Augen perfekt zu ihm passen. Verwirrt verbanne ich diesen Gedanken aus meinem Kopf, ich muss mich darauf konzentrieren, was Sed sagt.
    „An dieser Stelle kommst du ins Spiel“, erklärt er mit fester Stimme. „Ich weiß, dass Greyback dir nicht zutraut, zu kämpfen. Weder als Wolf, noch als Mensch. Ansonsten wärst du nicht hier, bloß um die Kinder zu betreuen. Und daher…“ Er macht eine Pause und stößt hörbar Luft aus. „… wirst du ihn überraschen und ihm am Tag vor der Vollmondnacht sagen, dass du kämpfen lernen willst. Ich bin vollkommen überzeugt, dass er sich dann liebend gern als Werwolf um dich kümmern wird. Bruce wird wieder die Welpen bewachen. Ich werde ihn überwältigen und bringe die Kleinen hier raus. So weit verstanden?“
    Bei dem Gedanken, wieder als Wolf mit Greyback zusammen zu sein, muss ich schlucken. „Was, wenn er mich umbringt?“, platze ich heraus, „Aus Versehen. Während wir kämpfen.“ Sed lässt seine Hände von meinen Schultern gleiten und greift stattdessen nach meinen Händen. „Das wird er nicht.“ Ein seltsam triumphales Leuchten scheint aus seinen Augen. „Ich kenne sein Geheimnis.“ „Welches Geheimnis?“ Sed sieht sich um, ob auch wirklich keines der Kinder uns zuhört, doch wie immer ignorieren uns die Kleinen. Dann flüstert er verschwörerisch: „Greybacks menschliche Seite und der Wolf in ihm sind so eng verschmolzen, dass der Wolf immer da ist, wenn er ein Mensch ist. Doch genauso hat er als Wolf noch seinen eigenen, menschlichen Verstand. Er ist der einzige Werwolf, der nach der Verwandlung noch weiß, wer er ist. Deswegen wird er dich nicht töten. Dafür gefällt es ihm zu sehr, dich als sein Spielzeug zu haben, das er terrorisieren kann. Klar, in seiner Wolfsgestalt verliert er manchmal beim Geschmack von Blut die Beherrschung. Aber er wird dich nicht töten. So viel ist sicher.“ Selbst wenn Sed die Wahrheit sagt, würde diese Aktion für mich noch mehr Schmerzen bedeuten. Mehr Blut. Mehr Narben.
    Mein Blick wandert hinüber zu den Kindern. Zum ersten Mal sehe ich Mallory mit einem anderen Mädchen spielen. Sie lächelt sogar ein wenig. „Ich mache es.“ Halt suchend schlinge ich die Arme um meinen eigenen Körper. Nichts wird mich auf diese Nacht vorbereiten können.

    „Heute es ist soweit.“
    Ich nicke nur. Eigentlich dachte ich, dass ich noch etwas Zeit habe, doch offensichtlich habe ich mich verschätzt. „Das wird dann wohl unsere letzte Schicht hier“, stelle ich fest. Sed nickt. „Sobald du wieder in deinem Raum bist, wird Greyback dir einen Besuch abstatten. Und dann sieh zu, dass er auch bei dir bleibt.“ „Das wird nicht sehr schwierig sein“, erwidere ich finster, „Ich bin mir sicher, dass Greyback mich liebend gern fertig machen will. Viel Glück nachher“, füge ich noch hinzu.
    Ich werde von einem fremden Werwolf nach einiger Zeit wieder in mein schwarzes Zimmer gebracht. Unbeaufsichtigt darf ich mich hier nicht bewegen. Als ich alleine in der Dunkelheit eingesperrt werde und das Schloss der Tür klickt, beginnt mein Herz zu rasen und will sich gar nicht mehr beruhigen, dabei ist Greyback noch nicht einmal hier. Schon seit einer kleinen Weile habe ich den Werwolf nicht zu Gesicht bekommen. Vermutlich hat er selbst auch viel zu tun. Angespannt warte ich auf ihn. Die bloße Angst, Greybacks Gesicht wiederzusehen, ist beinahe so groß wie die Angst vor den folgenden Schmerzen. Der Geist vergisst schnell, wie Schmerzen sich anfühlen, doch nie wird das Gesicht vergessen, welches eben diese Schmerzen verursacht hat. Mit geschlossenen Augen stehe ich da, während ich alle Gedanken aus meinem Kopf vertreibe und mich nur auf meinen Plan konzentriere. Sobald Greyback diesen Raum betritt, werde ich sagen, dass ich kämpfen will. Dass dieser Ort meinen Kampfgeist hat erwachen lassen. Und dass ich weiß, dass er mir das nicht zutraut, ich ihm aber das Gegenteil beweisen werde. Ich bin fest überzeugt, dass Greyback auf den Vorschlag eingehen wird.
    Ich höre, wie sich der Schlüssel im Schloss dreht und die Tür mit einem Knarren aufgeht.
    Langsam öffne ich die Augen.


    (Würdet ihr Sed vertrauen?)

    96
    ~

    Bereits seit Stunden hocke ich in der hintersten Ecke der malfoyschen Bibliothek auf einem der Lehnstühle und verschlinge ein Buch nach dem anderen – so wie die letzten Tage auch. Obwohl es draußen schon Nacht wird und mir die Bücher schwere Übelkeit bereiten – besonders die detaillierten Zeichnungen und Skizzen – kann ich nicht damit aufhören. Es sind Bücher über Werwolfkämpfe, von denen es vor 388 Jahren noch gar nicht so wenige gab: Manche fanden statt, um die Oberschicht der Zauberergemeinde zu unterhalten, Andere wurden durch Rivalitäten zwischen richtigen Werwolf-Rudeln ausgelöst. Offenbar ging es dabei stets sehr rau und brutal zu und ein Kampf wurde erst für beendet erklärt, wenn genug Blut geflossen oder der Tod gekommen war.
    Ich starre auf die leicht vergilbten Seiten vor mir und die Wörter verschwimmen vor meinen erschöpften Augen, als würde Wasser über die Schrift laufen. Ich ertappe mich dabei, wie ich den selben Abschnitt schon zum sechsten Mal lese, ohne dass auch nur ein Wort meinen Verstand erreicht. Ich zwinge mich zur Konzentration und lese den Absatz ein siebtes Mal.

    Manche der gewaltigen Kämpfe dienten auch nur dem Zweck der Abstumpfung. Viele der betroffenen Personen (Werwölfe) konnten sich nicht damit abfinden, für immer verunstaltet zu sein. Manche der Überlebenden, die zu ihren Erfahrungen befragt wurden, gaben an, dass sie hofften, während der Kämpfe zu sterben. Den Tod im Ring zu finden war zu der Zeit eine Art letzter Glanz in dem armseligen Leben der Werwölfe. Andere berichteten, dass die regelmäßige Gewalt und Schmerzen dazu führte, dass der Geist abstumpfte und die Personen bald nur noch ihren verletzten Körper wahr zu nehmen schienen und so die Qual im Geiste verschwand.

    Ich frage mich, ob Isa es genau so empfindet. Greyback teilte in seinem Schreiben mit, dass es Isa vielleicht auch nichts mehr bedeuten würde, mich zu sehen. Ich lege das Buch beiseite und versenke den Blick in den Flammen der brennenden Kerzen um mich herum. Ob der Schmerz sie so stark betäubt? Ob die ewige Qual so groß ist, dass sie ihren Geist verliert oder sogar freiwillig erstickt? Ich hoffe es nicht. Isa hatte immer so eine hartnäckige Kämpfernatur, dass es oft schon nervig war. Greyback kann sie nicht brechen. Er darf es nicht. Er darf es einfach nicht. Mit einem Mal steigt Ungeduld in mir auf, sie schwappt in meinen Kopf wie eine große Welle. Es ist nicht mehr lange bis zum 24. Dezember – wenn Isa wirklich so kaputt sein wird, wie Greyback es prophezeit hat, werde ich sie in den Arm nehmen und so lange fest halten und nicht gehen lassen, bis sich all ihre zersplitterten Teile wieder zusammenfügen – und ich werde jeden töten der versucht, sie mir wieder wegzunehmen.

    ~

    Im ersten Augenblick denke ich, dass ich eine Ritterrüstung trage, so eine, wie sie in Hogwarts überall herumstehen. Doch ich fühle mich dadurch nicht geschützt oder stark, ganz im Gegenteil: Die Rüstung macht mich steif und unbeweglich. Angestrengt will ich aufstehen, doch ich schaffe es nicht. Zu viel Gewicht liegt zu schwer auf mir. Erst als ich die Augen aufschlage, verstehe ich, dass die vermeintliche Rüstung mein eigener Körper ist, der wie gelähmt am Boden liegt. Ein angstvoller Gedanke bahnt sich den Weg in meinen Kopf: Was ist, wenn ich wirklich gelähmt bin?
    Mühsam spanne die Muskeln in meiner Hand an und krümme meine Finger. Eine Welle aus Erleichterung spült den Gedanken weg. Ich bin nicht gelähmt. Probeweise spanne ich alle Muskeln in meinem Körper an, und, siehe da, es funktioniert. Behutsam richte ich mich auf. Sofort dreht sich alles in meinem Kopf. Tief atme ich ein und aus, schließe die Augen und öffne sie wieder. Das Bild vor mir wird klarer. Verwundert starre ich auf meine Hände. Es ist nicht nur die Tatsache, dass meine blasse Haut von roten Flecken übersät ist – ich bin überrascht, dass ich überhaupt Hände habe. Aber wieso? Ist es nicht normal, dass man Hände hat? Wo bin ich überhaupt? Ich betrachte weiterhin meine Finger und die seltsame Farbe und denke an Erdbeeren, Rost und… Blut. Was habe ich getan?
    Wie schon beim letzten Mal brechen die Erinnerungen wie ein einstürzendes Haus über mir zusammen. Erschrocken schnappe ich nach Luft.
    „Dauert das bei dir immer so lange?“, fragt eine spottende Stimme. Alarmiert springe ich auf, auf der Suche nach der Stimme. Augenblicklich schreit mein Körper auf vor Schmerz, die Flammen in meinen Muskeln lassen mich taumeln. Hilfesuchend lehne ich mich gegen die kalte Wand, was eine Wohltat für meine Haut ist. Stöhnend lege ich meine Stirn an die Wand und warte, bis der Schwindel wieder nachlässt. Dann versuche ich es noch einmal und wende mich, vorsichtiger diesmal, dem Ausgang der Stimme zu. Unnatürliches Licht fällt durch die weit geöffnete Tür und lässt Greyback wie eine muskulöse Silhouette aussehen. Einen Moment kann ich ihn nur anstarren, während verwaschene Bilder ohne Ordnung durch meinen Kopf rasen. Ich bin verwirrt, manche der Bilder ergeben keinen Sinn für mich. Während ich den älteren Werwolf ansehe fällt mir auf, dass er sich mit der Schulter am Türrahmen abstützt und nur ein Bein richtig belastet. Mein Blick wandert zurück zu meinen Händen und dem zinnoberroten Blut. Langsam dämmert es mir: Das ist nicht mein Blut.
    „Das habe ich dir tatsächlich nicht zugetraut.“ Greyback lacht sein hasserfülltes Lachen. „Scheint so, als hätte ich mich getäuscht. Es war deine Entscheidung und du wolltest kämpfen. Also werde ich dich von nun an nicht mehr zu den Kindern, sondern zu den Kämpfen schicken. Wir werden ja sehen, wie du dich dort schlagen wirst…“ Er spuckt mir die Drohung regelrecht vor die Füße, ehe er sich abwendet und die Tür sich mit einem lauten Schlag schließt.
    Geschockt lasse ich mich an der Wand zu Boden rutschen. Ich habe es geschafft. Ich habe Greyback – als Wolf – bei dem Kampf übel mitgespielt. Natürlich hat er mich stärker verletzt, so gewaltig wie er bin ich nicht. Aber trotzdem habe ich ihn verwundet, zurückgeschlagen, ihm Schmerzen bereitet. Doch ich fühle mich alles andere als gut, selbst dann nicht, als ich an die Kinder denke, die mittlerweile hoffentlich woanders sind. Ich habe bloß Greybacks Drohung im Kopf. Er wird mich mit den anderen Menschen hier hier kämpfen lassen. Ich erinnere mich grob an Geschichte der Zauberei, wo wir einmal über Werwolfkämpfe gesprochen haben: Tag für Tag, den ganzen Monat lang, haben Werwölfe als Menschen trainiert um sich und andere dann an Vollmond zu zerfleischen. Ein ersticktes Schluchzen bahnt sich durch meine Kehle und ich verstecke das Gesicht in den Händen. Das werde ich niemals überstehen. Ich gebe mir selbst zwei Wochen, spätestens dann wird es zu Ende sein mit mir.

    97
    ~

    Natürlich ist nichts von weihnachtlicher Stimmung zu spüren, als ich am 24. Dezember durch die Korridore von Malfoy Manor streife. Wie ein Fisch in einem Glas ziehe ich immer gleiche Kreise durch das Anwesen, stets auf der Hut. Ich möchte niemanden sehen, nicht meine Eltern und auch sonst keinen Menschen. Es gibt nur eine Person, die ich erwarte. Ich pendle zwischen der Bibliothek, meinem Zimmer und der Eingangshalle hin und her, Stunde um Stunde verbringe ich voller Ungeduld.
    Es ist bereits Nachmittag, als ich vom Treppenhaus Stimmen aus der Eingangshalle vernehme. Mit schnellen Schritten nehme ich die letzten Stufen, beuge mich über die Brüstung und schaue auf die Halle herunter.
    Als ich die vier Personen erkenne, will ich die letzte Treppe hinunter, doch auf einmal steht meine Mutter vor mir. Mit einer sanften Hand und einem Kopfschütteln hält sie mich zurück. Unzufrieden bleibe ich stehen und beobachte die Szene von oben.
    Vater und Andrew van Greenskape stehen nebeneinander und blicken die beiden anderen Gestalten abwartend an. Greyback macht sich keine Mühe, leise zu sprechen, und seine Stimme wandert durch die Halle zu mir nach oben. Vorsichtig fahre ich mit den Fingern über mein Gesicht, wo Greyback mich mit dem Messer verletzt hatte. Glücklicherweise ist von den Schnitten nichts mehr zu sehen. „Ey, Malfoy“, begrüßt der Werwolf meinen Vater mit seiner üblichen, charmanten Art. „Ich bin immer wieder neu überrascht, wie luxöriös ihr es hier habt.“ „Luxuriös“, verbessert Vater wie von allein, doch Greyback scheint ihn gar nicht wahrzunehmen. Er blickt sich sich scheinbar interessiert um. „Edel und teuer. Ganz nach deinem Geschmack, hm?“ Doch Greyback scheint nicht gefunden zu haben, wonach er sucht, denn immer noch schaut er nach links und rechts und schließlich auch nach oben. Selbst von hier oben erkenne ich, wie sein Blick an mir hängen bleibt. Ein gelbes Grinsen ziert sein hässliches Grinsen, als er sagt: „Dein Sohn scheint mich ja bereits zu erwarten, Malfoy. Obwohl, vermutlich wartet er nicht auf mich…“ „Wo wir gerade davon sprechen“, schaltet sich nun auch Andrew ein, „Ich habe meine Tochter auch lange nicht mehr gesehen.“ Wütend umklammere ich das Geländer, sodass meine Knöchel noch weißer als sonst hervortreten. Als würde es diesen verdammten Heuchler interessieren, was mit seiner Tochter passiert. Wenn ich mich recht erinnere, hatte er kein Problem damit, Isa zu töten. Mein Blick wandert von Greyback zu der vierten Person in der Eingangshalle. Einige Meter hinter Greyback steht sie mit gesenktem Kopf und sieht sehr verloren aus, als wäre ihr auf dem Weg die Kraft ausgegangen oder sie hätte vergessen, wo sie eigentlich hin wollte.
    „Also…“, fährt Andrew fort, aber Greyback unterbricht ihn mit einem gebellten: „Komm schon, wo bleibst du?“ Ohne richtige Reaktion setzt Isa sich in Bewegung, wie einstudiert setzt sie einen Fuß vor den anderen und bleibt einen halben Schritt hinter Greyback stehen. An ihrem Platz angekommen senkt sie wieder den Kopf. Eigentlich könnte man meinen, sie würde den hübschen Marmorboden interessant finden, doch wenn man genauer hinschaut, sieht es eher so aus, als würde sie sich vor Greyback klein machen.
    Andrew macht einen zaghaften Schritt nach vorne, traut sich aber nicht näher an Greyback heran. Der stößt Isa an. „Los, sieh deinen Vater an.“ Isa hebt wie eine Puppe den Kopf, und obwohl sie in die Richtung ihres Vater blickt, scheint sie ihn nicht wirklich wahrzunehmen. Prompt macht Andrew wieder zwei Schritte rückwärts, und Vater räuspert sich unbehaglich. Dann ist es still, bis Andrew fragt: „Was hast du mit ihr gemacht, Greyback?“ Etwas in seiner Stimme sorgt dafür, dass eine Gänsehaut über meine Arme kriecht. Ich brauche einen Moment, bis ich erkenne, dass er entsetzt klingt. Aber so schlimm kann es doch nicht sein, oder? Was könnte mit Isa geschehen sein, dass sogar ihr Vater – der sie vor ein paar Monaten noch töten wollte – entsetzt ist?
    Greybacks Lachen schallt laut in der Stille. „Oh, ich glaube, der Untergrund gefällt ihr nicht besonders. Vermutlich steht sie mehr auf diese Marmorfußböden und Edelholz.“ „Ebenholz“, murmelt mein Vater. „Halt die Klappe, Malfoy“, stöhnt Greyback, „Das ist doch alles das Gleiche. Wenn ihr uns jetzt entschuldigen würdet“, fügt er spöttisch hinzu, „Wir müssen dem kleinen Malfoy noch einen Besuch abstatten. Komm“, fügt er barsch an Isa gewandt hinzu. Reglos sehe ich zu, wie meine Mutter sich zu meinem Vater hinunter in die Eingangshalle begibt. Ich hingegen bleibe stehen und warte auf Greyback und Isa. Mit den Blicken folge ich ihnen, während sie die breite Treppe hinauf kommen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mir das bloß einbilde, aber es kommt mir vor, als hätte Isa sich sogar Greybacks Schritten angepasst.
    Wieder bleibt Isa einige Schritte hinter Greyback stehen, und ich muss mich zwingen, nicht zurück zu weichen, als er sich vorbeugt und mir zuraunt: „Ich hoffe, dir gefällt, was du siehst.“ Dann zerrt er Isa neben sich und befiehlt: „Du sollst ihn ansehen.“ Wie schon zuvor hebt Isa auf Kommando den Kopf und schaut in meine Richtung. Schockiert trete ich zurück, bis ich an das Treppengeländer stoße. Ich bekomme mit, wie Greyback lacht, doch ich habe nur Augen für Isa.
    Das Problem sind nicht die Schnitte auf ihrer Haut oder die blauen Flecken und Prellungen, und auch nicht die Würgemale an ihrem Hals oder die Tatsache, dass sie abgemagerter ist als ich sie je gesehen habe. Es ist der Ausdruck in ihren Augen, der mich und vermutlich auch Andrew so schockiert hat. Es kommt mir vor, als blickte ich einer Leiche ins Gesicht, so ausdruckslos sind ihre Züge. Ihr Gesicht ist leer wie ein unbeschriebenes Blatt. Isa sieht mich an, doch ihr Blick scheint durch mich hindurch zu gehen. Vorsichtig strecke ich eine Hand nach ihr aus, ich weiß nicht, was ich erwarte, vielleicht will ich auch nur sehen, ob ihre Haut noch warm ist. Doch in dem Moment, in dem meine Fingerspitzen sie erreichen, packt sie mich plötzlich am Handgelenk. Ihre Finger schließen sich um meinen Arm wie ein Schraubstock und drehen ihn so ruckartig um, dass ein ziehender Schmerz durch meinen gesamten Arm und die Schulter geht. Erschrocken ziehe ich mich zurück. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Greyback sich stark amüsiert, doch ich konzentriere mich auf Isas Gesicht – vergeblich. Keine Regung ist zu erkennen. „Was hast du denn erwartet?“, fragt Greyback mit vor Belustigung triefender Stimme, „Das Mädchen habe ich zwei Wochen kämpfen lassen. Sie ist stärker, als sie aussieht und ein mageres Opfer wie dich hätte sie im Handumdrehen am Boden. Aber dazu hat sie meine Anweisung nicht. Trotzdem“, er schüttelt den Kopf, „Ich an deiner Stelle würde lieber die Finger von ihr lassen. Ich fürchte, sie mag keine Berührungen, weißt du?“ Immer noch lachend wendet Greyback sich ab und stolziert mit Isa im Schlepptau davon.
    Wie vom Blitz getroffen stehe ich da und blicke ihnen hinterher.

    98
    Müde lasse ich mich in meinen Sessel sinken, streife meine Jacke ab und öffne die obersten beiden Knöpfe meines Hemds. Mit einem Seufzer fahre ich mir durch die ordentlich frisierten Haare und seufze gleich noch ein weiteres Mal. Den Rest des Tages habe ich genauso verbracht wie den Morgen und den Mittag: indem ich ziellos durch das ganze Haus gelaufen und nach Möglichkeit jeder Person ausgewichen bin. Einmal wäre ich fast in eine Unterhaltung zwischen Greyback und Isas Vater geplatzt, bei der Greyback irgendetwas von verschwundenen Kindern erzählt hat. Überhaupt schien es Greyback zu gefallen, ebenso wie ich das Anwesen zu erkunden, denn auf ihn bin ich öfter gestoßen, wobei ich jedes Mal, wenn ich ihn gesehen hatte, sofort wieder umgedreht bin. Ich glaube, ich habe den Werwolf noch nie so munter und gut gelaunt erlebt. Wo er Isa gelassen hat, weiß ich nicht. Eigentlich wollte ich ihr doch helfen; auch wenn Helfen für gewöhnlich nicht meine Stärke ist. Aber wenn sie jeden außer Greyback umbringen will, der ihr zu nah kommt, wird daraus vermutlich nichts.
    Plötzlich fühle ich mich so einsam wie nie, und mir wird zum ersten Mal klar und eiskalt bewusst, wie sehr ich Isa vermisse. Ich habe sie in Erinnerung als eine starke Persönlichkeit, ich weiß, dass sie lustig ist und frech und schnell eifersüchtig wird, wenn es um Personen geht, die ihr nahe stehen. All das scheint weggewischt, wie ausradiert.
    Ein einzelnes, leises Klopfen an der Tür unterbricht meine Gedanken. Widerwillig erhebe ich mich aus meinem Sessel. Wer will mich denn so spät noch sehen? Es muss schon nach Mitternacht sein.
    Lautlos öffne ich die Tür – und weiche sofort ein Stück zurück. Das spärliche Mond- und Sternenlicht, das durch mein Fenster dringt, taucht Isas helle Haare und ihr blasses Gesicht in einen dünnen Silbermantel. Ich bin froh, dass in der Dunkelheit nicht ganz zu sehen ist, wie übel ihr Gesicht zugerichtet ist. Obwohl es dunkel ist, realisiere ich plötzlich, dass Isas Gesicht nicht mehr so vollkommen ausdruckslos ist wie es heute Nachmittag der Fall war. Leise Verwirrung schwimmt in ihren Augen, während sie mich schweigend mustert. Ihr Blick wandert über mein Gesicht, bleibt an meinen Augen hängen und wandert weiter, wie auf der Suche nach etwas Vertrautem. Es kommt mir vor, als tasteten hauchzarte Fingerkuppen mein Gesicht ab, führen über meine Wangen, meine Stirn und meinen Mund. Schließlich schaut Isa mir wieder in die Augen.
    „Sag etwas“, flüstert sie, und es klingt wie eine Bitte. „Ich habe dich vermisst“, erwidere ich, genau so leise wie sie. Isa blickt mich an, als hätte ich ihr ein Geschenk gemacht. „Willst du“, ich zögere, „rein kommen?“ Sie wirft einen Blick über die Schulter, dann nickt sie. Schweigend lasse ich sie eintreten und schließe leise die Tür. Mit lautlosen Schritten geht sie an mir vorbei zum Fenster. „Ich dachte nicht, dass ich die Sterne noch einmal wiedersehen würde“, sagt Isa mit erschreckend sachlicher Stimme, während sie den nächtlichen Himmel betrachtet. Etwas unbeholfen bleibe ich in der Mitte des Raumes stehen und frage: „Willst du darüber… mir erzählen was… also, nur wenn du möchtest.“ Früher hätte Isa vielleicht über mein Gestottere gelacht, heute dreht sie sich nicht einmal um. „Greyback hat erst vor zwei Wochen angefangen, mich zu den Kämpfen zu schicken“, berichtet sie mit tonloser Stimme. „Viele von den… Menschen sind schon seit Ewigkeiten im Untergrund. Manche von ihnen wollten sterben, wenn sie kämpfen. Manche wollten töten. Die Meisten wollten beides.“ „Und was wolltest du?“, frage ich sanft. „Aufgeben“, antwortet Isa simpel, „Nicht mehr aufstehen. Nicht mehr kämpfen. Nicht mehr sein.“ Ich spüre, dass da noch etwas ist, das sie sagen will, also bleibe ich stumm. „Ich wollte nicht zu einer weiteren Waffe in Greybacks Armee werden, die auf seinen Befehl hin schießt“, sagt sie schließlich. Dann fügt sie hinzu: „Aber dafür ist es zu spät. Jetzt… will ich gar nichts mehr.“ „Es ist nicht-“, setze ich an, doch Isa schneidet mir das Wort ab. „Zu spät? Doch, das ist es.“ Endlich dreht sie sich zu mir um. „Ich weiß, dass ich vorhin meinen Vater getroffen habe. Ich weiß, dass ich ihn hasse. Aber es hat sich nicht so angefühlt. Ich hatte den Drang, dir den Arm zu brechen, weil ich nicht dich gesehen habe, sondern nur eine weitere Bedrohung. Ich will nichts mehr. Und was willst du, Draco Malfoy?“ Wie sie meinen Namen ausspricht. Als wäre ich ein Fremder. „Ich will meine Isa wieder haben“, antworte ich leise. „Bitte“, füge ich hinzu und mache einen Schritt in Isas Richtung, „Ich weiß, dass du noch irgendwo da bist. Allein die Tatsache, dass du hier her gekommen bist, beweist das.“ Isa verschränkt die Arme wie ein Schild vor dem Körper. „Ich muss in zwei Tagen wieder… dort hin zurückkehren. Es ist besser, jetzt alles aufzugeben, als zu warten. Ich bin nur gekommen, um… um mich zu verabschieden. Ich werde nicht mehr wiederkommen, Draco Malfoy.“ Isa bewegt sich in Richtung der Tür, doch ich bin schneller als sie. Mit entschlossener Miene baue ich mich vor der Tür auf. „Vergiss es. So schnell lasse ich dich nicht gehen.“ Einen Meter von mir entfernt bleibt Isa stehen. „Geh zur Seite. Ich komme so oder so an dir vorbei. Aber das willst du nicht wirklich.“ „Das willst du nicht wirklich“, verbessere ich sie, „Ich bewege mich kein Stück. Du wirst mich schon zusammenschlagen müssen, wenn du hier raus willst.“
    „Und du wirst deinen Zauberstab brauchen, um mich davon abzuhalten.“
    „Ich würde dich nie mit Magie angreifen, solange du unbewaffnet bist.“
    Unruhig tritt Isa von einem Fuß auf den anderen, ehe sie ein missgelauntes Knurren von sich gibt, sich abwendet und in meinem Zimmer beginnt, auf und ab zu tigern. „Du willst mich nicht verletzen“, sage ich leise. Mit dem Rücken zu mir bleibt Isa auf der anderen Seite des Raums stehen.
    Unschlüssig mache ich eine Pause, bevor ich mit behutsamer Stimme erkläre: „Ich komme jetzt zu dir. Ist das… in Ordnung?“ Ich warte auf ihr Nicken, ehe ich mich in Bewegung setze. „Sag mir, wie ich dir helfen kann“, bitte ich sie so eindringlich, dass es fast wie ein Flehen klingt. Isa weicht meinem Blick aus.
    „Ich kann nicht mehr unterscheiden, wer mein Feind ist und wer nicht. Das einzige Gefühl, das übrig geblieben ist nach dieser ganzen Zeit ist die Angst. Ich weiß, dass Greyback dich in der Zeit, in der ich weg war, besucht hat. Er hat mir das Messer mit deinem Blut gezeigt. Aber trotzdem… du hast keine Ahnung, wie brutal er sein kann.“ Ich nicke. „Du hast Recht. Ich habe keine Ahnung. Vertrau mir, ich würde dir nie weh tun. Ich weiß, dass ich das früher oft getan habe. Aber nicht länger. Der Teufel persönlich könnte mir befehlen, dich zu verletzen, und ich würde es dennoch nicht tun.“ Als ich keine Antwort bekomme, sage ich: „Bitte sieh mich an.“ Langsam hebt Isa den Kopf und schaut mich an. Ihre blauen Augen sehen gleichzeitig verletzt und gefährlich aus wie zersprungenes Glas. „Ich weiß, dass du mir nicht vertrauen kannst. Und ich will dich auch nicht um dein Vertrauen bitten, denn die Personen, die um Vertrauen bitten müssen, sind oft diejenigen, denen man am wenigsten vertrauen kann. Aber bitte lass mich dir zeigen, dass ich es ernst meine.“ Zögerlich hebe ich die Hand. „Darf ich?“ Wieder nickt Isa. Sie schließt die Augen und zieht die Schultern hoch, als erwartete sie einen Schlag. Doch stattdessen fahre ich vorsichtig mit den Fingerspitzen über ihr Gesicht, ziehe ihre Konturen nach und streiche über die Male an ihrem Hals.
    „Greyback hat mir eine Nachricht zukommen lassen“, erzähle ich mit ruhiger Stimme, „in der er mir berichtet hat, wo du bist. Außerdem schrieb er, du wärst mit Sicherheit nicht mehr so hübsch wie früher. Aber das ist nicht die Wahrheit. Du bist genau so schön wie immer und du wirst es immer sein. Egal wie kaputt dein Gesicht und dein Körper ist, egal wie zerstört dein Geist ist, ich werde dich immer schön finden.“
    Als Antwort greift Isa nach meinen Händen und hält sie fest. Ihre Finger erkunden meine Haut, bis sie schließlich loslässt und mit scheuer Stimme sagt: „Du musst das nicht tun.“ „Aber ich möchte es.“

    99
    Plötzlich wendet Isa den Blick ab und seufzt. „Ich sollte vermutlich gehen“, murmelt sie, „Es ist spät, und du willst vermutlich schlafen.“
    „Halt!“, rutscht es mir vielleicht etwas zu laut heraus.
    Isa zuckt zusammen und mir bleibt nicht verborgen, wie sie für einen Moment die Hände zu Fäusten ballt.
    „Entschuldige“, flüstere ich, selbst erschrocken. „Ich meinte nur… Du musst nicht gehen. Du kannst auch hier bleiben. Ich meine, ähm… Du, also, nur wenn du möchtest. Es ist ja so, vielleicht, äh, möchtest du nicht so alleine sein. Also, was ich eigentlich sagen will, du kannst auch, nur wenn du willst, hier bleiben. Also hier schlafen. Meine ich. Mein Bett ist ja breit genug. Wir müssen uns nicht einmal berühren. Oder so. Oh Merlin. Das klingt komisch. Ich meine-“
    „Ich würde gerne bei dir schlafen… wenn dir das nicht unangenehm ist.“ Isas eigentlich vertraute Stimme klingt fremd mit so viel Schüchternheit darin.
    „Nein“, versichere ich ihr, „Natürlich nicht. Ich bin froh, wenn ich dich in meiner Nähe habe. Also… gut. Du bist bestimmt müde. Soll ich die Vorhänge zu machen oder auflassen?“
    „Lass sie auf!“, antwortet sie blitzartig.
    „Okay?“, erwidere ich leicht verwirrt.
    Isa lässt den Kopf hängen. „Tut mir Leid“, entschuldigt sie sich kleinlaut, „Da… im Untergrund… wurde ich zum Schlafen immer in so einen komplett unbeleuchteten Raum gesperrt und… Aber mach die Vorhänge ruhig zu.“
    „Schon gut“, sage ich beschwichtigend, „Du musst mir das nicht erklären. Ich finde es mit offenen Vorhängen auch schöner.“
    Ohne mir die Mühe zu machen, mich umzuziehen, lege ich mich auf die eine Seite den Bettes, so dicht wie nur möglich an den Rand. Ich beobachte, wie Isa zuerst beinahe andächtig über den Stoff streicht, ehe sie sich auf dem Bett niederlässt.
    „So einen gemütlichen Schlafplatz hatte ich schon lange nicht mehr“, murmelt sie.
    „Dann wurde es aber mal wieder Zeit“, erwidere ich trocken.
    „Draco?“
    „Hm?“
    „Streck deine Hand aus.“
    Über diesen Befehl muss ich schmunzeln, tue aber was sie sagt. In der Mitte zwischen uns legt Isa ihre Hand auf meine. Sie will mich nicht festhalten, nicht wirklich, aber sie muss wissen, dass ich da bin.
    „Eines Tages werde ich dir alles erzählen, was passiert ist“, wispert Isa, „Ich habe interessante Menschen getroffen und hübsche Orte gesehen und schöne Geschichten gehört. Aber ich kann noch nicht darüber reden, weil es manchen der Personen Unglück gebracht hat, dass sie mich getroffen haben. Und weil ich schreckliche Sachen getan habe. Aber auch eine Gute. Aber all das ist mit Schlechtem verbunden und deshalb will ich nicht darüber nachdenken. Noch nicht.“
    „Nimm dir die Zeit, die du brauchst.“
    Eine lange Weile liegen wir da und niemand sagt ein Wort. Ich spüre, wie Isas Hand auf meiner liegt und sie sich ab und zu bewegt. Mit einem Mal steigt die feste Überzeugung in meinen Kopf, dass ich alles dafür tun werde, damit wir mehr Zeit bekommen. So viel, wie wir eben brauchen.
    Aus der Stille heraus sagt Isa plötzlich: „Danke.“
    Ich antworte nicht und frage auch nicht, wofür sie sich bedankt. Isa weiß so oder so, dass ich sie verstehe.

    100
    Am nächsten Morgen erwache ich mit dem Morgengrauen. Eisblumen zieren mein Fenster, durch das die Dämmerung kühles Licht schickt. Leise setze ich mich auf und betrachte Isa, die noch tief schläft. Ein unglücklicher Schleier liegt über ihrem liebenswürdigen Gesicht. Ein Schleier, den ich nur zu gerne zur Seite schieben würde.
    Umsichtig stehe ich auf, ziehe mir frische Kleidung an und richte mein Haar. Lächelnd bemerke ich, dass Isa schläft wie ein Stein. Doch mir vergeht das Lächeln, als mir durch den Kopf geht, dass sie vermutlich unter Schlafmangel leidet.
    Ich mache es mir in meinem smaragd- und mintgrünen Sessel gemütlich und betrachte das zunehmend stärker werdende Schneegestöber vor meinem Fenster. Geduldig und ohne einen Laut von mir zu geben, warte ich so lange, bis Isa aufwacht. Um jeden Preis will ich vermeiden, dass sie alleine ist, wenn ihre hübschen Augen sich wieder öffnen.
    Als Isa erwacht, ist das allerdings alles andere als hübsch. Mit einem Ruck sitzt sie kerzengerade im Bett, die Augen weit aufgerissen und nach Luft schnappend, als würde sie ertrinken.
    „Albtraum?“, frage ich und setze ein, wie ich hoffe, aufmunterndes Lächeln auf.
    „Wasser“, murmelt Isa nur, und ich frage nicht weiter nach. Weiterhin lächele ich, um meine Sorge um sie zu verstecken, während sie sich seltsam vorsichtig streckt und ganz langsam aufsteht. Isa sieht alt aus. Sie bewegt sich, als hätte sie einen Berg an Jahren auf dem Rücken. Oder ein paar Steine aus Schmerz. Da kommt mir eine Idee: „Willst du vielleicht mein Badezimmer benutzen? Ich weiß ja nicht, wie es im… Untergrund so mit Hygiene und warmem Wasser aussieht.“ Isa betrachtet ihre Hände. „Danke.“ Ich deute auf die Tür, die zu meinem persönlichen Badezimmer führt, und Isa nickt. Als sie schon die Hand auf der Klinke hat, springe ich auf. „Warte.“ Ich schnappe meinen Zauberstab vom Schreibtisch und reiche ihn Isa. Ganz bewusst halte ich ihn nicht am Griff, sondern an der Spitze, damit Isa sich nicht bedroht fühlt. „Dann kannst du deine Kleidung gleich mit reinigen.“ Sie blickt mich nur an, mit ihren zerbrochenen Augen, dessen hellblaue Farbe mich an einen zugefrorenen See erinnern. Ein Stich in meiner Brust erinnert mich daran, dass ich ihre Augenfarbe früher eher mit dem Blau eines Sommerhimmels verglichen habe. Natürlich habe ich das nie ausgesprochen. „Das ist keine Falle“, verspreche ich.
    „Du übergibst mir deinen Zauberstab?“, fragt sie. Ihr Misstrauen versetzt mir einen weiteren Stich. „Einfach so?“ „Einfach so.“ Zögerlich streckt Isa ihre Hand nach dem Stab aus. Ihre Finger zittern, als sie sich um das dunkle Holz schließen. Sie mustert den Zauberstab in ihrer Hand wie ein fremdartiges Tier. „Danke“, murmelt sie, und dann noch einmal: „Danke. Danke.“ Sie dreht sich um und ich warte, bis sich die Badezimmertür hinter ihr schließt. Wenig später ist das Rauschen von Wasser vernehmbar.
    Warten. Ich werde so lange da sein und warten, bis Isa wieder da ist und mich eingeholt hat, auf diesem komischen Pfad, den wir überleben müssen.
    Als Isa wieder aus dem Bad kommt, ist mein erster Gedanke, dass sie nie schöner ausgesehen hat. Von dem warmen Wasser sind ihre Wangen rot geworden, ihre langen, tropfenden Haare sind verknotet, aber nicht mehr so strähnig. Man könnte sagen, sie sieht nicht mehr ganz so leblos aus wie vorher. Wortlos gibt sie mir meinen Zauberstab zurück. Dabei weicht sie meinem Blick aus. Während ich eingehend ihr Gesicht mustere, fällt mir ein, wie sehr die Verletzung in meinem Gesicht gebrannt hat, jedes Mal, wenn er mit Wasser in Berührung kam. „Tun die weh?“, frage ich und deute auf Isas Gesicht. „Die Schnitte, meine ich.“ Sie zuckt erst mit den Schultern, dann nickt sie einmal. Unschlüssig schwankt mein Blick zwischen meinem Zauberstab, der nun wieder in meiner Hand ist, und ihrem Gesicht.
    Sanft führe ich Isa zu meinem Bett. „Setz dich“, weise ich sie an, „Und bleib am Besten ganz ruhig.“
    Mit großen Augen blickt sie mich an, als ich meinen Zauberstab hebe. Tatsächlich wehrt sie sich nicht, während ich vorsichtig über die Verletzungen in ihrem Gesicht streiche. „Früher konntest du keine Heilzauber“, stellt sie fest. „Stimmt“, erwidere ich, „Mutter hat es mir beigebracht. Sie meinte, es wäre ganz nützlich.“ „Da hat sie auch Recht“, stellt Isa fest. Ich lasse den Zauberstab wieder sinken, und Isa erhebt sich. „Ich habe dich vermisst“, kommt es mir ungeplant über die Lippen. Isa legt Kopf schräg und betrachtet mein Gesicht eingehend. „Ich glaube“, erwidert sie stockend, „Ich habe dich auch vermisst. Sehr sogar“, fügt sie nachdenklich hinzu.
    Plötzlich weicht sie vor mir zurück und flüstert: „Tut mir Leid. Ich kann dir nicht… Ich habe dir überhaupt nichts zu bieten.“ Isa schlingt die Arme um sich und schaut mich mit geweiteten Augen an, während ich nur mit offenem Mund dastehe. „Du hast das nicht verdient“, wispert sie, „Ich bin viel zu kaputt. Ich werde nie wieder so sein wie früher. Du verschwendest nur deine Zeit.“
    „Was redest du denn da? Bist du verrückt?“
    „Ich werde nie wieder, die Alte‘. Und das kann ich dir nicht antun.“ Kopfschüttelnd mache ich einen Schritt auf sie zu. „Ich will nicht die alte Isa wieder haben. Es ist mir egal, wie du früher warst. Es ist mir egal, wie du jetzt bist. Ich will nur dich. Egal, was das bedeutet. Ich werde dich nicht zwingen, bei mir zu bleiben. Aber wenn du jetzt gehst…“ Meine Stimme zerfällt in der Luft, und ich muss mich neu sammeln. „Wenn du jetzt gehst, dann verletzt du damit nicht nur dich selbst.“ Ich mache einen weiteren Schritt. „Dann verletzt du auch mich. Es bleibt bei dir. Ich will dich nicht zwingen. Aber ich kann dich bitten. Also. Bitte bleib. Bei mir. Und bei dir. Ich will nicht zusehen müssen, wie du zerfällst wie eine vertrocknete Blume. Und dabei nur eine Ruine übrigbleibt.“ Ich mache einen letzten Schritt und bleibe so dicht vor ihr stehen, dass nur noch ein sehr dünnes Buch zwischen uns passen würde. Isa weicht nicht zurück.
    „Ich werde nicht überleben“, haucht sie, „Nicht, wenn ich dorthin zurück muss.“
    „Dann werde ich dafür sorgen, dass das nicht passiert. Ich werde dich mit bloßen Händen verteidigen wie ein Drache seinen Schatz, wenn es sein muss“, schwöre ich entschlossen. Grimmig balle ich die Hände zu Fäusten. „Niemals hätte ich von mir selbst gedacht, dass ich so etwas einmal empfinden würde. Aber du willst nicht hören, was ich diesem Hund antun will, dafür, was er mit dir angestellt hat. Ich werde dich vielleicht nicht für immer vor Greyback beschützen können. Aber ich werde das tun, was ich kann. Und jetzt“, füge ich aus einem weiteren Impuls hinzu, „Will ich dich umarmen, weil ich dich viel zu lange nicht gesehen habe und Ewigkeiten darauf gewartet habe, dich wieder zu haben, und es ist mir egal, ob du mir deswegen beide Arme brichst.“
    Ich überbrücke den letzten Abstand zwischen uns und lege, so fest ich kann, die Arme um sie.
    Endlich. Endlich. Endlich.

    (Oh, das ist Kapitel 100. Lol.)

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