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Das größere Wohl

Voldemort ist auf dem Vormarsch. Doch er ist nicht der einzige, der Pläne für eine neue Weltordnung hat. Der Idee des "Größeren Wohls" folgen auch Jahre nach Grindelwalds Tod etliche Hexen und Zauberer, welche die Aufregung um Voldemort nutzen, um unbemerkt im Untergrund zu agieren.
Die junge Frau May Manefield steht zwischen einer Mutter, die das Dunkle Mal trägt, einem Vater, der mit Leidenschaft im Orden des Phönix kämpft und ihren eigenen, irdischen Bedürfnissen: Schule, die Wiedervereinigung mit ihrem Bruder und natürlich die große Liebe. Allerdings legen ihr dabei sowohl Voldemort als auch das "Größere Wohl" eine Reihe von Hindernissen in den Weg...

PS: Da die Vorstellung des "Größeren Wohls" viele Parallelen zu der Thematik des wirklich sehenswerten! Anime 'Death Note' aufweist, lassen sich einige Einflüssen wieder erkennen.
Viel Spaß

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    Die Gassen der Londoner Innenstadt waren nachts immer gefährliches Terrain. Die meisten Leute, die man spät abends hier antraf, waren entweder Drogendealer oder Gangmitglieder. Welcher Fraktion sie auch angehörten, alle trugen leicht sichtbare Waffen und einen finsteren Gesichtsausdruck . Für gewöhnlich verirrte sich deshalb auch nie jemand in diese Gassen, der nicht nach Ärger oder Drogen suchte. In dieser Nacht jedoch konnte man zwei Gestalten beobachten, die weder hinter dem einen noch hinter dem anderen her waren. Sie waren beide groß und in merkwürdige Kleidung gehüllt. Die kleinere Person trug einen langen, giftgrünen Umhang mit weiter Kapuze, die sie tief ins Gesicht gezogen hatte. In der rechten Hand knüllte sie einen großen lila Hut. Die zweite Person war in einen schwarzen Umhang gehüllt, der um ihre energisch voranschreitenden Beine wirbelte. Vor einem heruntergekommenen Hauseingang machten die beiden Halt, sahen sich kurz und prüfend um, und traten schließlich ein. Hinter der Tür befand sich ein kleines Zimmer, in dem nicht mehr stand als ein alter Holztisch mit zwei Stühlen und einer erloschenen Kerze auf der angelaufenen Platte. Die erste Person, eine Frau, zog einen langen, dünnen Stab aus der Innentasche ihres Umhangs und richtete ihn auf die Kerze, die augenblicklich entflammte und den Raum in ein ungemütlich flackerndes Licht tauchte.
    „Setz dich.“, sagte sie zu ihrem Begleiter, der widerwillig auf einem der Stühle platz nahm.
    Die Frau zog sich den anderen Stuhl heran und setzte sich ans gegenüberliegende Ende des Tisches. Danach herrschte einige Momente Stille. Während die Frau aufrecht, mit gefalteten Händen dasaß, als bereite sie sich auf eine Ansprache vor, hatte ihr Begleiter, ein Mann, sich weit in seinem Stuhl zurück gelehnt und ließ mit einigem Geschick einen Federkiel über seine Finger rollen.
    „Ich dachte ich müsste dein hässliches Gesicht nach unserer Scheidung nie wieder sehen, Cynthia.“, sagte der Mann mit tiefer, hämischer Stimme.
    In der Tat war Cynthia keine schöne Frau. Ihr Gesicht war aufgedunsen und wurde von einer großen, unförmigen Knollennase dominiert. Die tiefliegenden Augenbrauen drückten auf ihre eisblauen Augen und ließen die ohnehin sehr hohe Stirn noch massiger wirken. Cynthias ehemaliger Gatte hingegen, war unglaublich gut aussehend. Er hatte grau-meliertes Haar und ein schlankes Gesicht. Über den hohen Wangenknochen und der geraden, spitzen Nase funkelten zwei wache, smaragdgrüne Augen, um die sich im Laufe der Jahre unzählige, feine Lachfalten gegraben hatten.
    Ohne auf die Worte ihres Ex-Mannes einzugehen, ergriff Cynthia das Wort.
    „Bevor ich gehe, möchte ich dir noch eine Wahl lassen.“
    Der Mann hörte auf mit dem Kiel zu spielen und sah sie prüfend an.
    „Welche?“
    „Die zwischen deinen Kindern.“
    Der Angesprochene lachte kurz und heiser auf.
    „Meine Kinder, Cynthia? Du bist ihre Mutter.“
    Cynthia lächelte und entblößte eine Reihe stumpfer, gelber Zähne.
    „Ich weiß, deshalb stelle ich ja auch die Forderungen. Also, mein lieber Chayton, welches willst du?“
    Chaytons Gesicht nahm einen nachdenklichen Ausdruck an. Nicht wie der von jemandem, der in einer moralischen Zwickmühle steckte; eher wie der von jemandem, der einem politischen Dilemma gegenüberstand. Nach kurzer Zeit sagte er entschlossen:
    „Ich nehme May.“
    Cynthias Miene verhärtete sich, was Chayton zu amüsieren schien, denn er warf ihr ein hämisches Grinsen zu.
    „Damit hast du nicht gerechnet, was? Dachtest Papi würde sich für seinen kleinen Sohnemann entscheiden.“
    „Warum willst du sie?“ fragte Cynthia scharf.
    „Das lass mal meine Sorge sein.“
    Nach einigen Überlegungen schien Cynthia zu einem Schluss gekommen zu sein.
    „Na schön, du kannst sie haben. Ich will sie ohnehin nicht. Sie ist schon zu verkorkst durch deine Erziehung. Viel zu, ihre Lippen pressten sich zu einem blutleeren Strich zusammen ehe sie das letzte Wort ausspuckte, rebellisch.“
    „Sie ist begabt und das weißt du.“
    Cynthia ignorierte ihren Mann erneut. „Du kannst sie morgen früh abholen. Ich verspreche dir, danach siehst du mein hässliches Gesicht nie wieder.“
    Chayton lächelte zufrieden, auch wenn es diesmal eine Spur gezwungener wirkte.

    2
    Mit rauschendem Branden brach das Wasser an den steilen Berghängen, und das Kreischen der aufgeregten Möwen, die vergeblich versuchten einen Fisch aus den unruhigen Wellen zu ziehen, vermischte sich mit den tosenden Geräuschen der ruhelosen See. Irgendwo aus dem nahegelegenen Wald röhrte ein brünstiger Elch der strahlenden Sonne entgegen, die langsam hinter einem Wolkenschleier hervorbrach.
    May Manefield schenkte diesem Naturschauspiel jedoch keine Beachtung. Hastigen Schrittes ging sie die lange Küstenstraße entlang, die sie zum Strandhaus ihres Vaters führte. In Schweden konnten die Sommer kühl und windig werden, weshalb sie den Kragen ihrer Jeansjacke etwas enger zog. Ihr aufrechter Gang und sportlicher Körperbau verrieten, dass sie eine selbstbewusste, junge Frau war, die auf sich achtete. Die gebräunte, sommersprossige Haut war gepflegt, ebenso ihre langen Haare, die ihr unentwegt ins Gesicht flatterten. In einiger Ferne konnte sie das Strandhaus erkennen. Klein war es; und einsam. Ringsherum befand sich nichts als unberührte Natur. Oft verlieh es May ein Gefühl von Freiheit, immer öfter aber das des Alleinseins. Und an manchen Tagen, so wie heute, scherte sie sich einen feuchten Dreck darum.
    Chayton Manefield war gerade dabei Kaffee zu kochen, als es an der Tür klopfte und die Stimme seiner Tochter dahinter erklang: „Nachtarocken“
    Ohne aufzublicken öffnete er ihr mit einem Schwenk seines Zauberstabes die Tür.
    Schnaubend und so viel Lärm wie möglich verursachend, betrat May das Zimmer.
    „Sieh mich an.“ verlangte sie wütend.
    Vollkommen entspannt wandte er sich ihr zu. Jedes Mal, wenn sie in das Gesicht ihres Vaters blickte, konnte sie sich ausmalen, wie sie als 30 Jahre älterer Mann aussehen würde. Sie hatte den indianischen Touch durch und durch von ihm geerbt. Bis auf die hohe Stirn, wegen derer sie als Kind oft gehänselt worden war, die sie inzwischen aber unter einem fransigen Pony verbarg – die kam von ihrer Mutter. Ebenso die Augen, die einst so blass gewesen waren, wie die nebligen Wolken, die jetzt am hellblauen Himmel dahintrieben.
    „Hat sich die Prinzessin wieder beruhigt?“
    May konnte den provokanten Unterton in seiner Stimme deutlich hören. Früher wäre sie sicherlich auch darauf eingegangen, in der Hoffnung ihre Wut könnte die Aufmerksamkeit ihres Vaters auf sich ziehen. Nach fünf Jahren des ständigen Zusammenlebens auf engstem Raum, hatte sie jedoch erkannt, dass dieses Vorgehen zwecklos und kräftezehrend war. Daher war sie zu einer neuen Methode übergegangen: Ignoranz. Sie verlor kein Fünkchen ihres Stolzes und das einzige was sie tun musste war abwarten. Also hängte sie ihre Jacke an den Kleiderhaken im Flur und ging von dort aus direkt in ihr Zimmer ohne Chayton auch nur eines Blickes zu würdigen.
    Der dunkle Raum war kahl und wenig einladend. Die einzige Dekoration, die man hier finden konnte, war ein kleiner, unscheinbarer Bilderrahmen, der auf dem Nachttisch stand. Das Foto zeigte May, ihren kleinen Bruder Mo und ihre Eltern vor den Rocky Mountains. Das Gesicht ihrer Mutter hatte sie im Alter von 14 Jahren mit einem Brandzauber unkenntlich gemacht, nachdem sie erfahren hatte, dass Cynthia sich den Todessern angeschlossen hatte. Mo hatte ihr damals davon berichtet. Heimlich und darauf bedacht, dass ihre Eltern nichts erfuhren, hatten die Geschwister nach ihrer Trennung immer wieder Wege gefunden miteinander zu kommunizieren, ohne dass es Chayton oder Cynthia aufgefallen wäre. Heute war Mo's elfter Geburtstag – und wie sie es seit fünf Jahren jedes Jahr am achten Juli zu tun pflegte, hatte May auch diesmal wieder den Versuch gewagt ihren Vater dazu zu überreden Mo zu ihnen zu holen. Chayton hatte darauf wie jedes Mal geantwortet, mit einer Frage: „Warum?“
    Weil sie ein verdammter Todesser ist, lag es May jedes Mal auf den Lippen, doch sie hütete sich, ihr Wissen über diese Information preiszugeben. Um ehrlich zu sein, wusste sie nicht einmal, ob Chayton es selbst wusste. Gründe für eine Scheidung hatte es genug gegeben, dafür hätte er nicht erst herausfinden müssen, dass seine Frau sich Lord Voldemort angeschlossen hatte. Die Diskussion über Mo's Verbleib war jedenfalls wie immer ausgegangen: Sie hatten sich beide angeschrien und May war wütend raus gestürmt.
    Ein Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken.
    „Ja?“
    Chayton kam herein. Er hielt zwei Tassen dampfenden Kaffees in den Händen, in seinem Mund – der zu einem verwegenen Lächeln verzogen war - steckte eine brennende Zigarette, eine zweite, unangesteckte war hinter sein Ohr geklemmt. May seufzte und nahm ihm eine Tasse Kaffee und die gedrehte Zigarette ab; das war nun mal seine Vorstellung von dem perfekten Friedensangebot.
    „Trink lieber schnell, wir brechen gleich auf.“, sagte Chayton.
    „Wohin?“, fragte May milde interessiert und nahm einen Schluck Kaffee, der wie sie feststellte eher einer Tasse Feuerwhiskey ähnelte gemischt mit einem kleinen Löffel Kaffeepulver. Sie war es schon gewohnt, dass sie nie länger als ein paar Monate am selben Ort blieben. Sie vermutete stark, dass das etwas mit den fragwürdigen Geschäften zu tun hatte, die ihr Vater machte. Sie hatte sich irgendwann dazu entschieden, nicht wissen zu wollen, was genau Chayton für krumme Dinger drehte, doch es schien zu funktionieren. Immerhin hatten sie genug Geld, nicht viel, aber es reichte um sich kleinere Häuschen wie dieses zu leisten. Zudem schien das Ministerium nie zu wissen, wo sie sich aufhielten, dafür gingen sämtliche Arten von Sabberhexen und zwielichtige Gestalten wie Mundunges Fletcher ein und aus.
    „London.“

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    May war so überrascht, dass sie sich prompt an ihrem „Kaffee“ verschluckte und heftig zu husten begann. London? Sie war mit Chayton schon an die entlegensten Orte dieser Welt gereist, von ihnen fortgegangen, nur um ein halbes Jahr später zurückzukehren. Doch London, dort wo sie aufgewachsen war, hatte Chayton immer gemieden. Es war ein regelrechtes Tabuthema, wenn sie zusammen saßen. In den letzten fünf Jahren hatte Chayton kein einziges Wort über die ehemalige Heimat verloren und jetzt, nach so langer Zeit wollte er ausgerechnet dorthin reisen.
    Während sie sich ihre Zigarette angesteckte – das war auf diesen Schock dringend nötig – sagte May: „Wasch willscht du in London?“
    „Nur ein paar Freunde besuchen. Das könntest du auch tun. Wie hieß noch mal dieses schwarze Mädchen? Angelica? Ihr schreibt doch immer noch Briefe.“
    „Ihr Name ist Angelina. Wer sind denn deine Freunde?“, fragte May skeptisch.
    „Sirius Black.“
    May verschluckte sich erneut, diesmal jedoch nicht an ihrem Trinken, sondern an dem Zigarettenrauch, den sie gerade genüsslich inhaliert hatte, was den Hustenanfall wesentlich unangenehmer und heftiger machte als den zuvor. Ihr Vater, ehemaliger Ravenclaw, war mit Black zu Schulzeiten eng befreundet gewesen. Er redete nicht oft über Black, doch wenn, dann tat er es mit einer Leidenschaft, die er sonst nur an den Tag legte, wenn es darum ging, das Ministerium in den Dreck zu ziehen. Seit seinem Jugendalter, war er dem Zaubereiministerium ein Dorn im Auge. Illegaler Handel und offene Briefe, in denen er das Regime anprangerte, waren nur ein Bruchteil von dem, was ihr Vater tat um sich „Dem System“ zu widersetzen. Grundsätzlich teilte May seine Meinung, denn sie bestand darin, dass alle magischen und nicht-magischen Geschöpfe, frei und gleichgesinnt auf dieser Erde leben sollten; die Beharrlichkeit mit der Chayton seine Einstellung vertrat, konnte allerdings sehr anstrengend sein und er hatte kein Problem damit, Menschen, die seine Meinung nicht bedingungslos teilten, auf der Strecke zu lassen. Er lebte für die Rebellion. May selbst hatte vor einigen Jahren mehrere Artikel und Briefe über die Elfenrechte in Alternativzeitschriften veröffentlicht um ihrem Vater zu gefallen. Nicht, dass sie nicht hinter dem stand, was sie schrieb, doch die treibende Kraft dahinter war immer Chayton gewesen.
    „Na schön“, sagte May, nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, „und was gedenkst du mit Sirius Black zu tun?“
    „Ich hab dir doch vom Orden erzählt? Wie wir früher schon gegen Voldemort gekämpft haben.“
    „Oh ja, meine Gute-Nacht-Geschichten von damals.“, erinnerte sich May trocken und nahm noch einen Schluck aus ihrer Tasse um den bitteren Tabakgeschmack in ihrem Mund durch einen etwas weniger bitteren Alkoholgeschmack zu ersetzen.
    „Dumbledore hat ihn wieder ins Leben gerufen.“, erklärte Chayton mit einem seligen Lächeln. <Das ist wohl die Erfüllung seiner Träume<, dachte May beobachtete ihren Vater, wie er energisch an seiner Zigarette zog. Die Hetze gegen das Ministerium war für ihn sicher ein netter Zeitvertreib gewesen, doch jetzt da Lord Voldemort wieder auferstanden war, gab es einen größeren Feind, einen mächtigeren, einen gefährlicheren.

    4
    May's Eingeweide verkrampften sich bei dem Gedanken daran, dass ihre Mutter, in diesem Moment zusammen mit den gefürchtetsten Schwarzen Magier dieses Jahrhunderts in einem Raum saß und Mordpläne gegen die gesamte Bevölkerung schmiedete – womöglich mit Mo an ihrer Seite. Als May merkte, dass Chayton sie argwöhnisch musterte, schüttelte sie den Kopf, um sich wieder auf ihr Gespräch zu konzentrieren.
    „An was hast du gerade gedacht?“, fragte er misstrauisch.
    „Schuhe.“, entgegnete May hastig.
    „Ach wirklich, Schuhe?“ Sein Tonfall verriet, dass er ihr nicht mal dann geglaubt hätte, wenn sie auf die Bibel geschworen hätte.
    „Tjaah..weißt du“, sagte May trotzdem und sah hinunter auf ihre abgetretenen Turnschuhe, „ich bin eine Frau, da kommt so was manchmal vor.“
    Mit fester Hand drückte Chayton seine Zigarette an der Wand aus, die schon etliche kleine, runde Brandflecken aufwies.
    „Vor allem bist du aber verdammt noch mal meine Tochter, und als solche erwarte ich von dir, dass du mit Herz und Seele hinter dem Orden des Phoenix stehst und nicht an Schuhe oder Mo denkst, wenn man dir eine Neuigkeit wie diese überbringt.“
    May erwiderte den scharfen Blick ihres Vater nicht minder bissig, fühlte sich aber kalt erwischt.
    „Wann geht's los?“, sagte sie kühl.
    „Ich habe heute um 20 Uhr noch...einen Termin. Mal sehen“, murmelte er und warf einen Blick auf seine Armbanduhr, „jetzt ist es elf...wir haben noch etwa 930 Meilen vor uns...das heißt wenn wir wenig Pausen machen...ca. Acht Stunden..und..ja..Um 12 brechen wir auf.“, verkündete er schließlich.
    „Du packst jetzt am besten schon mal.“, fuhr er fort. Der Ärger in seiner Stimme war verflogen. May wusste, dass er sich gerne mit Zeiten, Zahlen und Rechnungen beschäftigte. Was andere auf die Palme brachte, beruhigte ihn aus unerfindlichen Gründen. May musste jedes Mal schmunzeln, wenn sie daran dachte, wie ihr Vater, der doch sonst immer so cool war, völlig hibbelig im Astrologieunterricht saß, weil er die Antwortet vor allen anderen wusste.
    „Du weißt ja, nimm nicht mehr mit als du tragen kannst.“, fügte er noch hinzu und wandte sich zum Gehen, an der Tür drehte er sich jedoch noch einmal um.
    „Oh und komm danach in die Küche. Ich will mit dir noch etwas bereden.“ May nickte und schloss die Tür hinter ihm. Danach öffnete sie die winzige Kommode, die dem Bett gegenüber stand und zog eine Drachenledertasche daraus hervor, kaum größer als ein Turnbeutel. Sie hatte sie zum 15. Geburtstag von Angelina gesandt bekommen, da ihre Mutter bei einem teuren Modeunternehmen arbeitete. May öffnete die Tasche und legte behutsam den Bilderrahmen hinein, sowie eine Flasche Wasser, frische Unterwäsche, eine Packung Tabak inklusive Drehpapier und einen Pinienzapfen, den sie vor ein paar Wochen im Wald aufgelesen hatte. Er war nichts Besonderes, aber nach vielen Jahren des Herumreisens hatte May eine beachtliche Sammlung mit Andenken aus aller Welt zusammengestellt. Die meisten von ihnen waren unscheinbar wie der Pinienzapfen doch hin und wieder konnte man etwas durchaus Auffälliges und wertvolles darunter finden. In Ägypten hatten sie beispielsweise mal die Pyramiden besichtigt (für lau, nachdem Chayton ein eingehendes Gespräch über kapitalistische Fremdenführer mit dem Leiter der Touristenattraktion geführt hatte) und May hatte einen toten, als heilig geltenden Skarabäuskäfer in seinem kleinen Glasgefäß mitgehen lassen. Später versicherte ihr Mundungus, dass allein die Goldgravuren, die in das Glas eingelassen waren mindestens 200 Galleonen wert waren und der Käfer noch einmal das Dreifache; und nachdem er May zu keinem Handel überreden konnte, verriet er ihr, dass sie bei einem ehrlichen Käufer sogar 1500 Galleonen hätte verlangen können.
    May sah sich noch einmal im Zimmer um, die meisten Klamotten würde sie hierlassen, ebenso sie Bettwäsche und alles was zu spärlich für die Handtasche war, denn ein Schrumpfzauber, würde keine acht Stunden anhalten. Als sie sichergestellt hatte, nichts vergessen zu haben, ging sie ins Bad, um die wichtigsten Hygieneartikel mitzunehmen und anschließend in die Küche, wo Chayton vorschlug, sich nach draußen zu setzen. Im Garten, der einen wundervollen Blick aufs Meer bot, waren ein Klapptisch und zwei Stühle aufgestellt.

    5
    „Ich habe ja schon erwähnt, dass ich in London einige Dinger erledigen musste.“, sagte Chayton, nachdem er eine Weile aufs Meer hinaus geschaut hatte.
    „Daher werde ich dem Treffen des Ordens heute Abend nicht beiwohnen können. Ich möchte, dass du statt meiner hin gehst.“ May nickte, so weit so gut.
    „Werde ich denn auch ein vollwertiges Mitglied des Ordens werden.“
    „Das liegt leider nicht in meiner Hand.“, erklärte Chayton zähneknirschend.
    „Wenn es nach Sirius und mir ginge sofort. Dumbledore hat zwar zugestimmt, dass du heute dabei bist, aber er wirkte nicht sonderlich glücklich darüber. Klär das mit ihm.“ May nickte erneut – und dann, ganz plötzlich schoss ihr eine Idee durch den Kopf, die sich innerhalb von Sekunden zu einem Entschluss entwickelte; ein Entschluss, der ihrem Vater ganz und gar nicht gefallen würde, daher formulierte sie ihn so klar und sicher wie möglich: „Ich will meinen Abschluss machen. Auf Hogwarts.“
    Nun war es an Chayton in Husten auszubrechen. „Schule?“
    Sein Gesicht nahm den überheblichen Ausdruck an, den er immer machte, wenn jemand nicht seiner Meinung war.
    „ Du willst in die Schule? Das ist was für Ministeriums-Schweine und Streber.“
    „Nur weil du die Schule mit 16 abgebrochen hast, heißt das noch lange nicht, dass niemand einen Abschluss braucht. Ich will meine UTZ's.“
    „Na schön, sagen wir du bleibst ein Jahr in London. Wer bezahlt das?“
    Es ging ihm nicht wirklich darum, mit ihr eine mögliche Lösung zu diskutieren, May spürte, dass er ihr die Idee ausreden wollte, indem er sie mit Problemen konfrontierte und verunsicherte.
    „Du sagst doch immer: Geld ist eine Möglichkeit, keine Notwendigkeit. Hogwarts ist ein Internat, das heißt meine Lebenskosten werden sich auf ein Minimum beschränken.“
    „Meinetwegen, aber was ist mit deinen Noten? Du warst nie auf einer Schule und wenn du durchfällst, ..“
    „Das glaube ich nicht. Es sei denn du gibst zu, dass du ein schlechter Lehrer warst. Schließlich ist ein Schüler immer nur so gut wie,..“
    „Deine Arbeit über die Elfen?“
    „Habe ich schon seit einem Jahr aufgegeben. Und sollte ich doch mal wieder den Drang verspüren, bietet mir die Schulbibliothek doch die besten Möglichkeiten.“

    6
    Nathan saß auf dem Boden seines Zimmers und versuchte ein Puzzle zu lösen, das ausschließlich aus weißen Teilen bestand. Cynthia beobachtete ihn dabei zufrieden. Sie hatte ihn aus demselben Waisenhaus geholt, in dem sie auch Mo und May gefunden hatte: St. Athene in Edinburgh. Das Haus nahm seit 200 Jahren nur hochbegabte Kinder auf. Hin und wieder fanden sich unter ihnen auch Kinder mit Begabungen, die über reine Kognition hinaus gingen-Zauberer. Zu ihnen gehörte ihrer Zeit Cynthias Großmutter Anora, die schließlich Leiterin des Hauses wurde und nur noch Hochbegabte aufnahm, die die Fähigkeit hatten zu zaubern.
    Anora gehörte zu den genialsten Köpfen, die je im Waisenhaus aufgenommen wurden und als sie bemerkte, dass sie zu Dingen fähig war, die selbst ihr Denken überschritten, fasste sie einen Entschluss: Sie wollte die perfekte Welt erschaffen. Ihr Entschluss verfestigte sich, als sie auf Gellert Grindelwald traf, ihn schätzen und lieben lernte, und der ihr schon bald seine Vorstellung vom „größeren Wohl“ darlegte. Gemeinsam mit einem Jungen namens Albus Dumbledore entwickelten sie Pläne zur Herrschaft der Zauberer über die Muggel. Zu dritt wollten sie diese Welt regieren, in der es keine Kriege, keine Kriminalität und keine Missgunst geben sollte.
    Doch Gellert war schnell der Meinung, dass dies nur erreicht werden könne, indem man sich den dunklen Künsten verschrieb. Dass die schwarze Magie allen Idealen widersprach, die sie erschaffen wollten, war ihm egal und so löste sich die Gruppe auf. Anora beging Selbstmord, nachdem sie erfuhr, wie Gellert sein, ihr Ziel einer perfekten Welt erreichen wollte.
    Cynthia schnaubte verachtend. Anora war ein Feigling gewesen. Gellert hatte als einziger erkannt, dass man für „das größere“ Wohl Opfer bringen musste. Nur die schwarze Magie war in der Lage Muggel und Zauberer, die sich dem „größeren Wohl“ widersetzten, effektiv auszulöschen. Aus diesem Grund hatte sie sich den Todessern angeschlossen, der größten schwarzmagischen Vereinigung, die die Welt je gesehen hatte. Zwar missfiel ihr das Ziel, das Voldemort und seine Anhänger verfolgten, doch sie waren nur Mittel zum Zweck. In einer perfekten Welt gab es keinen Platz für sie und Cynthia würde sie, sobald es ging, auslöschen.
    Allerdings hatte Cynthia schon früh bemerkt, dass sie auf Grund unzureichenden Fähigkeiten nicht dazu berufen war, diese Welt zu schaffen und zu regieren. Andere mussten ihre Pläne ausführen, andere, die ihr gehorchten und denen sie ihre Ideale beibringen konnte, andere die sowohl magisch als auch kognitiv überdurchschnittlich begabt waren. Genies.
    May war das erste Kind, das sie aus St. Athene adoptierte. Ein Versuchskaninchen. Ein Versuchskaninchen, das Chayton aus ihrem Labor gestohlen hatte.

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