Prolog
*Meggy*
„Freitag, 03. Juni 2015, ich habe es endlich geschafft!“, schrieb ich überglücklich in mein Tagebuch. Es war zwar nur ein alter Fetzen Überreste von Leder, wie mein Stiefvater es immer so schön beschrieb, doch es ist ebenso das einzige, was von meinen Eltern zurückgelassen wurde, bevor sie beide starben
obwohl
So konnte man es eigentlich nicht sagen... Meine Mutter starb kurz nach meiner Geburt. Sie war während der Schwangerschaft krank geworden: Grippe. Und zwar nicht die harmlose Sorte. Als die Wehen meiner Geburt einsetzten hatte sie auf einmal einen starken Fieberanfall. Ihre Körpertemperatur stieg gefährlich hoch und spätestens da war klar, dass diese Krankheit ihre letzte sein würde. Mit einem Kaiserschnitt wurde ich aus dem halbtoten Körper meiner eigenen Mutter geborgen und sogleich aber auch in die Arme des tollsten und fürsorglichsten Vaters gelegt, den ich mir je hätte wünschen können. Allerdings ist hier keineswegs von demselben Mann die Rede, der heute als mein Erziehungsberechtigter durchgeht. Mein leiblicher Vater verschwand vor vier Jahren spurlos auf einem Einsatz in der Karibik. (Mein Vater war Einsatzleiter beim Militär.) Dies war auch einer der Gründe, warum ich unbedingt dorthin wollte. Nein, nicht um nach ihm zu suchen. Das wäre vollkommen sinnlos, da sein Einsatzflugzeug den Kontakt zur Hauptzentrale verloren hatte. Ergo wusste niemand wo sie genau abgestürzt sein mussten, da niemand die Koordinaten des Aufenthalts von Vater und seinem Team kannte. Es war noch nicht mal sicher, ob das Flugzeug abgestürzt ist oder nicht. Und anfangs (damals war ich 11 gewesen) hatte mich diese Ungewissheit auch noch sehr fertig gemacht. Doch nach vier Jahren lernt man damit umzugehen
einigermaßen
Natürlich war ich nicht die komplette Zeit, in der mein Vater im Dienst war, auf mich allein gestellt. Meine Großeltern lebten zu dieser Zeit noch. Aber, als wollte mir das Schicksal einen Tritt ins Gesicht verpassen, starben unmittelbar kurze Zeit nach dem Höchstwahrscheinlichen-aber-nicht-ganz-sicheren-Ab sturz auch sie. Es war eine schreckliche Zeit für mich. Auf einmal war ich, ohne irgendeine Art der Vorwarnung, verwaist gewesen. Ich war es nicht gewohnt, dieses Alleinsein. Weswegen ich mich zuerst auch sehr freute, als ich erfuhr, einen Stiefvater zu bekommen. Als das Ganze aber darauf hinauslief, dass ich schon mit 12 selbst dafür sorgen musste, dass ich etwas zu Essen und etwas zum Anziehen hatte, verging meine Freude schlagartig. Wenn ich Einwände gegen die Anordnungen meines Stiefvaters hatte, redete er sie mir auf seine ganz eigene Art und Weise wieder aus
wenn du verstehst, was ich damit meine
Jedenfalls bekam ich monatlich 10 Euro und dann musste ich selber sehen, wie ich damit auskam. Ich musste für alles, wirklich ALLES, selbst sorgen. Essen, Trinken, Kleidung und für Spielzeuge oder Ähnliches erst recht. Ich habe bewusst keine Schulsachen aufgezählt. Und nein, nicht etwa weil mein Stiefvater das bezahlte, träum weiter. Sondern weil ich seit dem Tod meiner Familie nicht mehr zur Schule ging. Das Geld war einfach nicht da, beziehungsweise eigentlich schon. Mein Stiefvater hatte Haufenweise von dem Zeug. Man könnte ihn wirklich als reich bezeichnen (nicht Millionär oder sowas, aber schon mehr als 100.000 auf dem Konto).
Er war nie vergleichbar mit dem Vater, den ich einst hatte. Er interessierte sich nur für das Geld, was ich ihm vom Babysitten oder Schneeschaufeln und all solchen Dingen, brachte. Er kassierte es ein und ich hatte nichts mehr davon, überhaupt gar nichts, niada, niènte.
Sobald ich dann 15 wurde nutzte ich das, durch das Älterwerden neu erworbene, unauffällige Aussehen, um mich aus dem Staub zu machen. Ich durchsuchte alle Unterlagen meines Stiefvaters und fand letztendlich das, wonach ich gesucht hatte. Ich konnte froh sein, dass er so unglaublich vergesslich und unordentlich war. So schnell ich konnte kritzelte ich seine Kreditkartennummer auf ein Stück Papier, ging so wie ich war aus dem Haus (also ohne Koffer), nur mit einem Brot und einer 2-Liter-Flasche Wasser in einer Umhängetasche, die gerade groß genug war. Panisch zog ich die bereits vor einer Woche gestohlene Kreditkarte aus meiner Jackentasche, obwohl es für Panik eigentlich keinen Grund gab.
Bis jetzt.
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