Tag 1: Nico (14), Distrikt 11
„Meine Damen und Herren, die ersten Hungerspiele haben begonnen!“
Sechzig Sekunden. So viel Zeit bleibt mir, um die Umgebung zu erfassen, die sich um mich herum erstreckt. So lange muss ich auf meiner Metallplattform stehen bleiben, bis ein Gong den Beginn der Spiele verkündet.
Zuerst bin ich geblendet. Als der Aufzug in die Arena fuhr, konnte ich nur Dunkelheit und grauen Stein erkennen. Das ist nichts gegenüber dem, was sich mir jetzt bietet.
Wir befinden uns wortwörtlich im Nichts. Das Füllhorn glänzt golden und steht inmitten einem Ring aus Tributen, ich kann es von meinem Standpunkt aus gut sehen. Aber was sich zwischen ihm und mir befindet, ist mir ein Rätsel. Alles ist weiß. Den Boden erkenne ich nicht, dichte Nebelschwaden umgeben ihn. Die Sonne strahlt auf mich herab, aber mir ist weder heiß noch kalt. Unsicher blicke ich auf die Waffen und Werkzeuge, die um das Füllhorn herum verstreut sind. Wenn ich sie mir schnappen will, muss ich schnell sein, schneller als die anderen. Aber was ist, wenn der Boden nur Luft ist und mich vollkommen verschluckt? Ich beiße mir auf die Lippe. Darauf muss ich es ankommen lassen. Einfach losrennen. Außerdem wären die Spiele langweilig, wenn gleich zu Anfang die Hälfte der Tribute sterben würde. Das wollen sie nicht.
Darauf vertrauend, konzentriere ich mich auf die Dinge am Füllhorn. Es sind Waffen, Werkzeuge, Nahrungsmittel und Kleidung, alles, was uns in der Arena das Überleben sichern wird. In der Füllhornöffnung erkenne ich Pfeil und Bogen, Dreizack, Wurfmesser, Schwerter, Dolche, zudem mehrere Zelte und ausreichend Nahrung und Kleidung. Um mich herum liegt weniger: Etwas Brot, Lederbeutel, Steinscherben und ein paar kleine Fläschchen, in denen ich Medizin vermute. Wahrscheinlich Jod.
Meine Mentorin aus dem Kapitol hat mir geraten, mich schnellstmöglich vom Füllhorn zu entfernen und mich zu verstecken. „Du bist erst vierzehn“, hat sie gesagt. „Du bist dem nicht gewachsen. Das Füllhorn gehört den achtzehnjährigen Tributen.“ Sie mag recht damit haben, dass ich klein bin, aber schwach bin ich dadurch trotzdem nicht. Sie kommt aus dem Kapitol, was hat sie schon für eine Ahnung vom Leben? Sie weiß nicht, was ich durchgemacht habe. Ich kann für mich selbst entscheiden, und ich weiß, dass ich mir so viel greifen werde, wie ich mitnehmen kann.
Die Kleidung, die ich trage, ist einfach und durchlässig. Ein langärmeliges Oberteil, eine Jacke, eine Hose, Turnschuhe. Zumindest in Tarnfarben, hell- bis dunkelbraun.
Ich lasse meinen Blick durch den Ring aus Tributen schweifen. Manche stehen bereits absprungbereit auf ihren Metallplattformen, andere werfen verschreckte Blicke durch die Gegend und klammern sich an ihrem eigenen Körper fest. Vier Plätze links von mir steht das Mädchen aus Distrikt 4, Maya heißt sie, wenn ich mich recht erinnere, und sie sieht anders aus als alle anderen. Ich brauche ein wenig, bevor ich begreife, woran es liegt: Maya trägt nicht mehr als ihre Unterwäsche, barfuß steht sie auf ihrer Plattform und zittert bereits jetzt in der milden Luft. Ich will gar nicht wissen, wie es ihr heute Nacht ergeht. Falls sie das Gemetzel überlebt.
Einen Moment lang bin ich sprachlos vor Ungerechtigkeit, dann fällt mir das Interview ein und ich verstehe, dass es die Art des Kapitols ist, Rache an Mayas Verwünschungen zu nehmen. In Gedanken streiche ich sie endgültig von der Liste der möglichen Sieger. So wird sie jedenfalls keine Chance haben.
Der Countdown tickt unbeirrt weiter und als ich aufschaue, stelle ich erschrocken fest, dass schon über die Hälfte der Zeit vergangen ist. Langsam sollte ich mich für eine Strategie entscheiden. Aber dann hebe ich den Blick vom Füllhorn und bin ein weiteres Mal sprachlos.
Vor meinen Augen erstreckt sich eine Wüste. Ein Meer aus Sand, so weit das Auge reicht, gelb wie ein Kornfeld. Inmitten der Wüste liegt Schutt, verrostete Eisenstangen und Ziegelsteine, Autoreifen und Ruinen. Eine zerstörte Stadt.
Sie ist so anders als das Nichts um mich herum, dass sie mir sofort tröstlich erscheint. Werde ich dorthin rennen, wenn der Gong ertönt? Doch die Wüste hat ein Ende, links und rechts wird sie von einer meterhohen Mauer abgetrennt, die nach hinten spitz zuläuft. Das ist nur ein Teil der Arena, wird es mir plötzlich bewusst.
Ich drehe mich nach rechts und muss schlucken. Schon wieder etwas anderes. Ein intensives Grün blickt mir entgegen, ein Dschungel, bestehend aus scheinbar kilometerhohen Bäumen und Schlingpflanzen. Vögel sitzen in den Bäumen, und auch andere Tiere, aber welche es genau sind, kann ich nicht erkennen. Der Dschungel wirkt unsicher und verschlossen und wenn ich mich ein wenig auf meiner Plattform nach vorne beuge, meine ich, seinen Untergrund sehen zu können: Sumpfig. Würde ich einsinken, wenn ich ihn beträte? Ich schüttele den Kopf. Erst muss ich mich auf anderes konzentrieren.
Entschlossen drehe ich mich weiter. Das Terrain, das sich rechts hinter dem Füllhorn erstreckt, besteht aus staubigem, festgestampften Boden. Eine freie Fläche mit meterhohen Mauern, die sie einfangen wie in einem Dreieck. Ich will mich schon abwenden, als ich die Löcher in der Erde entdecke. Sie scheinen tief nach unten zu gehen. Höhleneingänge, vermute ich und meine Augen blitzen auf.
Aber schon werde ich wieder abgelenkt. Es ist ein Lichtreflex rechts neben mir, der mich herumfahren lässt. Als meine Augen wieder scharf sehen können, erfassen sie eine makellose Eislandschaft, ein weiterer Abschnitt der Arena. Nein, Halt, nicht makellos – etwa in ihrer Mitte befindet sich ein kraterförmiges Loch, darunter ein Meer, glaube ich. Mein Blick schießt zwischen der Eislandschaft und der Wüste hin und her, die fast genau gegenüberliegen und die verschiedener gar nicht sein können, er wird immer schneller, so schnell, dass ich fast den letzten Abschnitt der Arena übersehen hätte.
Ein Wald. Hohe Eichen, Kiefern. Eichhörnchen, Kaninchen. Und in der Mitte ein Berg, felsig und zerklüftet, grün bewachsen. Ich spanne meine Muskeln an. Dorthin werde ich laufen.
Das ist sie also. Die Arena für die 1. Hungerspiele. Fünf Abschnitte, immer zwei Terrains sind miteinander verknüpft. Wüste und zerstörte Stadt. Dschungel und Sumpf. Freies Feld und Höhle. Eislandschaft und Meer. Wald und Berg.
Die Arena ist ein Stern.
Kaum habe ich das begriffen, reißt mich das Ticken des Gongs aus meinen Gedanken. Mir bleiben nur noch wenige Sekunden. In dem Moment höre ich ein Zischen von rechts. Ich fahre herum und suche die Reihen der Tribute ab. Drei Plätze neben mir steht Ryan, er gestikuliert wild mit den Armen und versucht, mir etwas begreiflich zu machen. Aber was? Er kann nicht meinen, dass ich nicht zum Füllhorn rennen soll, ich habe mir ihn gestern vorgenommen und ihm eingetrichtert, dass das allein meine Entscheidung ist. Aber das ist es gar nicht. Stattdessen formt Ryan nun ein Wort mit seinen Lippen: Sky. Er deutet nach rechts, und zwei Plätze neben ihm steht das kleine Mädchen, zitternd, unentschlossen. Meine Augen ruhen wieder auf Ryan. Pass auf sie auf, scheint er zu sagen. Pass auf sie auf. Pass auf Sky auf. Sorge dafür, dass sie das Gemetzel überlebt.
Mach’s doch selber, will ich sagen, aber ich halte mich zurück, weil es so still ist und ich mir nicht sicher bin, ob es ein Redeverbot gibt und ich sonst in die Luft gesprengt werde. Aber dann begreife ich: Ryan glaubt selbst nicht daran, dass er überlebt, und selbst wenn, könnte er Sky niemals beschützen. Ich nicke langsam. Schließlich sind wir Verbündete. Und schließlich habe ich auch Nina immer geholfen, und ich bin mir sicher, dass sie wollen würde, dass ich das für Sky tue. Wenn ich sie vor den Großaufnahmen in Distrikt 11 sitzen sehe, wo dieser Moment übertragen wird, weiß ich, dass ich das richtige tue.
Noch einmal drehe ich mich zu Ryan um und will ihm zu verstehen geben, dass ich es mache, doch in diesem Moment ertönt der Gong.
Kaum ist der Ton verklungen, sehe ich das kleine Mädchen aus 5 auf mich zulaufen, eine wilde Entschlossenheit ist in ihrem Blick gefangen. Ohne zu zögern sprinte ich ebenfalls los, lasse die Startplattform hinter mir und renne über den weißen Boden, der sich wie Luft anfühlt. Ich spüre den Aufprall meiner Schritte kaum, aber irgendetwas hält mich oben. Ein Trick der Spielmacher, denke ich und beiße mir auf die Lippe. So vom Gong überrascht worden, habe ich zunächst nichts im Visier, bis ich vor mir eine kleine Kiste mit Wurfmessern entdecke und mir schnell so viel greife, wie ich tragen kann. Noch in gebückter Haltung bemerke ich plötzlich einen Schatten über mir. Ich drehe mich mit gezückten Messern um und erhasche einen Blick auf den Jungen, der vor mir steht, ich glaube, es ist der aus Distrikt 6. Ohne lange zu überlegen, steche ich ihm ein Messer erst in die Kuhle oberhalb des Schlüsselbeins, dann in den Oberschenkel, dann in den Bauch. Der Junge geht zu Boden, seine Augen sind vor Entsetzen geweitet. Ich will schon weiter, als ich die Schleuder bemerke, die der Junge in der Hand hält. Seine Finger krampfen im Schmerz darum, noch ist er nicht tot, aber ich durchtrenne seine Sehnen am Handgelenk und sie erschlaffen. Rasch schnappe ich mir die Schleuder, renne ein paar Meter weiter und hebe einen grauen Rucksack auf, der etwa fünf Meter vom Füllhorn entfernt steht. Jetzt ist es an der Zeit, abzuhauen. Die älteren, stärkeren Tribute haben inzwischen das Füllhorn erreicht und drehen sich jetzt bis an die Zähne bewaffnet zu den Verbliebenen um, die dumm genug waren, nicht sofort das Weite zu suchen. Hektisch blicke ich mich um und sehe plötzlich Ryan, der mit einem Mädchen an einem pinkfarbenen Rucksack zerrt. Ihre dunkelroten Haare sind zerzaust und ihr Keuchen kann ich bis hierhin hören. Das muss Cassedy sein, das Mädchen aus Distrikt 10. Kurz denke ich darüber nach, Ryan zur Seite zu springen, aber ich bin zu weit weg. Gerade als ich mich umdrehen will, sehe ich ihn. Seth Helmsley, der brutale achtzehnjährige aus 5, steht mit einer Wurfaxt in der Hand ein paar Schritte hinter den beiden. Und er zielt auf Ryan.
Wilde Wut erfasst mich, schäumt über und schlägt mit Wucht gegen meine Stimmbänder.
„Lauf!“, schreie ich Ryan zu, gerade als Seth loslassen will. Mein Verbündeter schreckt auf, fährt herum und erblickt mit großen Augen Seth, doch als dieser die Axt auf ihn schleudert, wirft er sich geistesgegenwärtig auf den Boden. Bevor Seth zu einer neuen Waffe greifen kann, rappelt Ryan sich auf und stolpert, eine Decke und noch etwas anderes, Undefinierbares in der Hand, in Sicherheit. Cassedy hat inzwischen die Gelegenheit ergriffen. Seths Wurf hat sie nicht im Mindesten erschreckt, stattdessen verschwindet sie jetzt, den pinkfarbenen Rucksack auf dem Rücken, in Richtung zerstörte Stadt. Die Axt lässt sie liegen, ich vermute, dass sie nicht damit umgehen kann und außerdem will sie nicht riskieren, dass Seth ihr hinterherläuft. Sie ist clever, denke ich wütend und werfe ihr blitzschnell ein Messer hinterher, doch es trifft nicht. Jetzt habe ich nur noch drei.
Unentschlossen blicke ich zwischen Cassedy, deren dunkelrote Haare beim Laufen auf- und abwippen, und der Axt, die immer noch am Boden liegt, hin und her und frage mich, ob ich dem Mädchen folgen und sie töten soll, aber die Wüste ist nicht mein bevorzugtes Terrain und wahrscheinlich wird sich das bald von selbst erledigen. Trotzdem lässt mich die Wut nicht los, darüber dass sie sich den Rucksack geklaut hat und verschwunden ist, ohne dass sie von den stärkeren Tributen erwischt worden ist.
Ich drehe mich im Kreis und sondiere die Lage. Seth und seine Meute steht direkt am Füllhorn und sticht auf ein Stück rohes Fleisch ein, das einmal ein Tribut gewesen ist. Einige andere liegen bereits tot am Boden. Diejenigen, die es geschafft haben, sich einige Dinge zu greifen und unbeschädigt davonzukommen, fliehen gerade in alle möglichen Richtungen. Maya, die verhöhnte Rebellin, steht bereits bis zu den Knöcheln im Schnee der Eislandschaft. Ich frage mich, warum sie das tut. Anstatt sich in der Wüste zu verkriechen, verkürzt sie die wenige Zeit, die ihr noch bleibt. Achselzuckend drehe ich den Kopf und meine das Mädchen aus Distrikt 8 zu erkennen, das just in dem Moment den Höhlenabschnitt betritt, kurz darauf folgen ihr zwei Jungen. Einer davon hält etwas in der Hand, von dem ich glaube, dass es ein Blasrohr ist. Heißt er nicht Dexter? Der Junge aus Distrikt 3? Dieser Dexter also kriecht jetzt in einen Höhleneingang und die Erdoberfläche verschluckt ihn.
Während ich ihm nachschaue, regt sich ein Gedanke in mir und wird zum Alarmruf: Sky! Seit der Gong ertönt ist, habe ich sie nicht mehr gesehen. Und wenn sie der Tribut ist, der gerade von Canyon und Seth zerhackt wird?
Doch bevor ich die Gelegenheit bekommen, nachzusehen, spüre ich plötzlich, wie sich zwei Arme um meinen Körper schließen und mir eine eisige Klinge an den Hals gelegt wird. Ich erhasche einen Blick auf die langen, pechschwarzen Haare meines Gegners: Miyu.
„Zu spät“, keucht sie. „Du hättest wegrennen sollen, als dir noch die Zeit blieb. Wie die hier.“
Sie deutet auf zwei Gestalten, der Junge aus 4 und das Mädchen aus 6, die auf den Wald zu rennen. Der Junge hält einen Dreizack in der Hand und trägt Plastikplane und Jacke über der Schulter, aber was mich am meisten ärgert, ist, dass sich Miyu an meine Fersen geheftet hat anstatt an ihre. Zornig versuche ich, mich aus ihrem Griff zu befreien, aber sie ist zu stark. Der Druck an meiner Kehle nimmt zu.
„Nicht abhauen“, sagt sie zu mir. „Ich muss dich leider töten, wenn ich gewinnen will. Willst du mir sagen, wie du heißt? Ich will niemanden umbringen, dessen Name ich nicht kenne.“
Ich presse meine Lippen fest aufeinander und rüttele noch einmal an ihrem Griff, dabei spüre ich, wie das Messer an meinem Hals in die Haut einschneidet. Ein scharfes Brennen erfüllt mein Gesicht. Ich keuche auf.
„Jetzt sag mir deinen Namen, 11!“, ruft Miyu.
Ich habe mir fest vorgenommen, ihr nicht zu antworten, aber in diesem Moment sehe ich sie. „Sky“, flüstere ich.
„Wie bitte?“, fragt Miyu. Ich reagiere nicht. Sky steht einige Meter entfernt. Sie trägt ein Seil und eine Wasserflasche in der rechten Hand. Mit der linken zeigt sie auf mich. Genauer: auf meinen Hosenbund. Und ich begreife. In der Eile habe ich mir die Wurfmesser genau dort hineingesteckt. Sie vergessen. Diesen Fehler mache ich nicht zweimal.
Mit einer blitzartigen Bewegung ziehe ich das erste Messer, das ich zu fassen bekomme, aus dem Hosenbund und steche blind hinter mich. Miyus Aufschrei verrät mir, dass ich getroffen haben muss. Ich befreie mich aus ihrem Griff und stoße ihr meinen Ellenbogen ins Gesicht, dann sprinte ich hinüber zu Sky.
„Was machst du noch hier?“, zische ich. „Du könntest tot sein!“
Aus der Wunde an meinem Hals läuft Blut. Ich drücke meine Hand dagegen, in der Hoffnung, dass es hilft.
„Du wärest fast gestorben, nicht ich“, berichtigt mich Sky.
Wütend packe ich ihr Handgelenk. „Lass uns abhauen.“
Der graue Rucksack hängt nur halb über meiner Schulter und bei der Begegnung mit Miyu ist er noch weiter nach unten gerutscht. Ich streife mir den zweiten Träger über, das Messer behalte ich vorsichtshalber in der Hand.
„Wohin?“, flüstert Sky.
„Wald“, knurre ich und sprinte los. Der Rucksack ist groß und behindert mich ein wenig, aber Sky ist trotzdem nicht schnell genug, um mit mir mithalten zu können.
„Beeil dich“, herrsche ich sie an und sie wird tatsächlich ein wenig schneller, vielleicht aus Angst.
Am Waldrand werfe ich einen letzten Blick hinter mich. Die verletzte Miyu liefert sich gerade einen Schwertkampf mit Jake, bei dem nur er gewinnen kann. Ich muss sie am Oberschenkel getroffen haben, jedenfalls drängt er sie immer weiter zurück und es fällt ihr sichtlich schwer, seine Attacken abzuwehren. Eine kurze Welle der Zufriedenheit keimt in mir auf, aber noch sind wir nicht in Sicherheit.
Ich bin kurz stehen geblieben und habe Sky bedeutet, weiterzulaufen. Jetzt sehe ich sie, etwa fünfzig Meter entfernt ist sie gerade dabei, auf einen Baum zu klettern. Sie ist schnell und ich frage mich gerade, ob ich in der Beziehung mit ihr mithalten kann, als ich den Schrei höre.
Ich fahre herum. Es ist ein Mädchen, das aus Distrikt 2. Sie liegt am Boden. Ein Messer steckt in ihrem Rücken. Und über ihr Seth, Canyon, Camelon und China. Ich drücke mich tiefer ins Gebüsch. Sie dürfen mich nicht entdecken.
Unter dem Bauch des Mädchens lugt ein grellgrüner Rucksack hervor, der mit allem Möglichen gefüllt sein könnte. Die anderen können ihn nicht entdeckt haben, sonst hätten sie ihn ihr abgenommen. Vielleicht sollte ich ihn mir unter den Nagel reißen, denke ich.
„Und noch ein Opfer“, tönt Seth in diesem Moment.
„Ich habe die Kanone nicht gehört“, meint Camelon. „Meint ihr, sie ist noch nicht tot?“
Canyon und Seth wechseln einen bedeutungsvollen Blick.
„Hast du nicht aufgepasst?“, fragt Seth schließlich genervt. „Die Kanone bringen sie am ersten Tag doch erst, wenn die Anfangsgemetzel vorbei sind. Sonst verlieren sie den Überblick.“
„Die hier macht jedenfalls nicht mehr lange“, sagt China und stößt das Mädchen mit dem Fuß an. „Soll ich ihr den Rest geben?“
„Lass nur, die stirbt gleich von allein“, winkt Canyon ab. „Wir vergeuden Zeit. Die anderen können nicht weit gekommen sein. Vielleicht finden wir sie alle heute Nacht.“
„Nicht in einer Million Jahren“, sagt Camelon. „Habt ihr gesehen, wie riesig die Arena ist?“
„Kommt jetzt“, meint Seth und läuft entschlossen los. Die anderen folgen ihm.
Kaum sind sie nicht mehr zu sehen, stürzt ein Mädchen aus dem Gebüsch und beugt sich über die Sterbende. Cara! Ich will ihr zurufen, aber dann fällt mir ein, dass die Meute mich vielleicht noch hören könnte. Cara hat sich über das Mädchen aus Distrikt 2 gebeugt.
„Hope“, flüstert sie. „Hope!“
So heißt sie also. Ich mache einen Schritt aus dem Gebüsch, aber in diesem Moment fängt Cara an zu singen.
Like a comet
Blazing cross the evening sky
Gone too soon
Like a rainbow
Fading in the twinkling of an eye
Gone too soon
Shiny and sparkly
And splendidly bright
Here one day
Gone one night.
„Cara!“, zische ich ihr zu, aber es ist zu spät. Canyon hat sie entdeckt.
„Da ist noch eine!“, grölt er, während er mit gezücktem Schwert auf uns zugelaufen kommt. Ich spanne meine Muskeln an, bereit, sie zu verteidigen, aber was soll ich schon tun? Wenn ich auch nur einen Stein auf sie werfe, verrate ich meinen Standpunkt. Und gegen vier der stärksten Jugendlichen in der Arena habe ich keine Chance. Mir bleibt nichts übrig, als abzuwarten. Ich kann ihr nicht helfen, ohne selbst zu sterben.
Cara hat sich inzwischen panisch auf den Boden geworfen, ist zu Eis erstarrt, anstatt das Weite zu suchen. Noch einmal wage ich nicht, ihren Namen zu sagen, aber was sonst könnte sie retten? Nervös verkrampfe und entspanne ich meine Hände, während ich versuche, an etwas Schönes zu denken. Nina, Nina würde nicht wollen, dass du jetzt stirbst …
Aber Nina ist nicht hier und nicht in dieser Situation. Nur eines weiß ich: Jetzt aus dem Gebüsch zu treten, wäre Selbstmord.
Canyon hat einen Fuß auf Caras Brustkorb gesetzt und wartet genüsslich ein paar Sekunden, bis sie beginnt, wild um sich zu schlagen. In ihren Augen steht die Todesangst.
„Nun gut“, säuselt Canyon. „Dann machen wir es ganz … langsam.“
Er wirft ein Messer in die Luft, fängt es gekonnt auf und stößt es nach unten. Kurz vor Caras Gesicht macht er Halt.
„Wie heißt noch einmal deine Katze?“, fragt er und lächelt boshaft. „Die, die bei der Ernte so einen Aufstand gemacht hat?“
„Carlo“, murmelt sie. Ihre Augen zucken zur Messerspitze und wieder zurück zu Canyons Gesicht, als könnte sie sich nicht entscheiden, was gefährlicher ist.
„Ach, Carlo!“, ruft Canyon. „Fast wie du.“
Er senkt das Messer und ritzt in Großbuchstaben „Carlo“ in ihre Stirn.
In diesem Moment setzen ihre Schreie ein.
Es geht nicht. Ich kann es nicht. Kann nicht hinsehen. Die Wut keimt in mir auf und ich beiße mir so heftig auf die Lippe, dass sie sofort anfängt zu bluten. Immer fester, immer stärker, bis ich das Gefühl habe, sie durchgebissen zu haben. Meine Nägel graben sich in den Handballen. Warum hat sie gesungen? Ich verstehe es nicht. Hope liegt im Sterben, wieso muss Cara jetzt auch sterben, nur für sie? Warum? Was nützt es ihr?
Nach schier endlosen Minuten voller Schmerzen und Schreien dringt eine barsche Stimme zu mir herüber: „Camelon, du schaust nach, ob sich noch andere kleine Mädchen in den Bäumen verstecken und singen.“
Fast muss ich auflachen, es klingt so paradox, dass sie jetzt kommen und uns alle umbringen werden, aber dann wird mir der Ernst der Situation bewusst. Camelon mag der kleinste der vier sein, aber auch er ist erbarmungslos und definitiv zum Töten hier.
Schnell und möglichst leise erhebe ich mich aus meiner gebückten Haltung und husche ein paar Meter weiter, stelle mich hinter eine alte Eiche. Ich habe kaum Zeit, meinen Rucksack vollständig dahinter zu verstecken, als Camelon auch schon mit gezückten Messern durch das Gebüsch streift. Er gibt sich keine Mühe, leise zu sein, und so erlaube ich es mir, kurz durchzuatmen. Dann presse ich mich wieder an den Baum.
Camelon geht direkt an meinem Versteck vorbei, doch er entdeckt mich nicht. Fast schätze ich mich schon in Sicherheit, als ich mit Schrecken erkennen muss, dass er genau auf Skys Baum zuläuft. Hat er etwas gehört? Ich schüttele den Kopf. Das kann nicht sein, Sky ist viel zu leise. Aber Camelon bleibt stehen und blickt nach oben, und da erkenne ich ein blondes Haarbüschel im Baum, das sie verrät. Mir werden nur Sekunden bleiben, bis Camelon die anderen ruft.
Ich handle instinktiv. Das erste, was ich zu fassen bekomme, ist die Schleuder, die ich dem Jungen aus Distrikt 6 abgenommen habe. Ich hebe einen glatten Stein vom Boden auf und lege ihn ein, halte die Schleuder mit meiner linken Hand fest und ziehe mit rechts die Bänder zurück. Schaue hinter der Eiche hervor. Zielen, eine Sekunde, zwei. Dann loslassen. Der Stein schnellt vor und trifft Camelon am Nacken. Er flucht auf, fasst sich an den Nacken, dann dreht er sich suchend in alle Richtungen um. Ich ziehe meinen Kopf zurück, presse mich mit dem Rücken gegen den Baum und warte atemlos.
„He!“, zischt Camelon. „Wer ist da?“
Ich starre auf einen leuchtend roten Pilz am Waldboden.
„Feigling!“, höhnt er jetzt.
Atmen, sage ich mir, weiter atmen, er will dich nur aus deiner Deckung locken.
Nach einer Minute, die sich wie Jahre anfühlt, gibt Camelon die Suche auf und läuft zurück zu den anderen.
„Da war niemand“, berichtet er und reibt sich den Nacken.
Du bist ein schlechter Lügner, denke ich und schiebe die Schleuder zurück in meine Jackentasche.
Bevor ich zu Sky renne, wage ich einen kleinen Blick auf Seth und die anderen. Cara wird von Canyons stämmigem Körper verdeckt, aber ich habe noch keine Kanone gehört, obwohl die Anfangsgemetzel langsam vorbei sein dürften. Immerhin hat sie aufgehört zu schreien.
Hope dagegen liegt mit dem Rücken zu den anderen da, sie scheinen das Mädchen vergessen zu haben. Vielleicht denken sie, dass sie schon tot ist, auch wenn ich selbst von hier aus sehe, wie sich ihre Brust flach hebt und senkt. Aber China hatte recht: Lange wird sie es sicher nicht mehr machen.
Plötzlich stürzt ein Schatten aus dem Gebüsch. Canyon, China, Seth und Camelon fahren herum, er kam von hinten und hat sie überrascht. Es ist der Junge aus 8, wenn ich mich recht erinnere, und er hält eine brutal geschwungene Machete in der Hand. Für einen kurzen Moment glaube ich, er will sie angreifen, doch dann schlingt er einen Arm um Hope, schwingt sie über seine Schulter und rennt mitsamt dem Mädchen und ihrem grellgrünen Rucksack davon. Seth reißt sich aus seiner Starre und beginnt, ihm hinterherzulaufen, doch es ist zu spät – der Junge ist nicht mehr einzuholen.
„Verdammt!“, zischt Seth, trabt zurück und lässt seine Wut an den Sträuchern am Boden aus.
„Sie war ohnehin so gut wie tot“, meint China. „Was soll er mit ihr? Lange wird er sie nicht am Leben halten können, und sie ist nur eine Last für ihn.“
„Überlassen wir sie einfach der Natur“, stimmt Camelon zu.
Doch Seth ist sauer, weil der Junge aus 8 ihn vorgeführt hat und die Ader an seiner Stirn pocht gefährlich. Abhauen, sagt mir mein Instinkt. Und genau das tue ich. So leise wie möglich, damit mich die anderen nicht bemerken, aber dennoch schnell. Bald erreiche ich Skys Baum.
„Bist du noch da?“, raune ich ihr zu. Statt einer Antwort landet Sky neben mir auf dem Boden. Ich erschrecke ein wenig, bemühe mich aber, das nicht allzu offen zu zeigen. Während wir gehen, ich lege eine bestimmte Richtung vor, ohne dass ich weiß, wohin sie führt, beobachte ich Sky von der Seite. Sie sieht ein wenig ängstlich aus von der Begegnung mit Camelon, aber ich kann keine Trauer oder Verzweiflung in ihrem Blick erkennen. Wie viel weiß sie?, spukt es durch meinen Kopf. Wie viel hat sie gesehen?
Schweigend laufen wir eine Stunde, dann zwei, bald höre ich auf, dem Lauf der Zeit folgen zu wollen. Sky beschwert sich nicht, aber ich sehe die Anstrengung auf ihrem Gesicht und weiß, dass sie nicht mehr lange durchhalten wird. Seufzend sehe ich mich nach einem Unterschlupf um. Die Sonne senkt sich gerade über dem Horizont der Arena und färbt den Himmel dunkelrot, lange werden wir nicht mehr etwas sehen können.
„Baum oder Höhle?“, frage ich Sky.
„Baum“, sagt Sky, ohne zu zögern.
Ich schnalze mit der Zunge. „Höhle. Siehst du den Berg dort? Wir sind gleich da. In Bergen gibt es immer eine Menge Höhlen.“
Sky nickt. Ich sehe ihr an, dass sie lieber auf einem Baum schlafen würde, aber sie fügt sich. Für mich ist das eine Erleichterung, denn ich bin mir nicht sicher, ob ich auf einem Baum gut schlafen könnte. Auf der Straße schlafe ich immer in Mulden, irgendwo, wo es geschützt ist. Das kommt einer Höhle viel näher.
Wir erreichen den Berg und beginnen, ihn zu erklimmen. Aber Sky rutscht auf dem glitschigen Moos ab und als ich mich anschicke, ihr zu helfen, sieht sie mich aus großen blauen Augen an.
„Wo sind Cara und Ryan, Nico?“
Ich tue, als wüsste ich nicht, wovon sie spricht, verberge mein Gesicht hinter einer Maske aus Gleichgültigkeit.
„Hast du sie nicht gesehen?“, hakt Sky nach. Irgendwann wirst du es ihr sagen müssen, drängen meine Gedanken. Warum nicht jetzt? Aber die Art, wie sie mich ansieht, so unschuldig und verletzlich, löst Gefühle in mir aus, die ich nicht zurückdrängen kann. Nina … Nein, nicht Nina, Sky!, denke ich wütend. Es geht nicht. Es geht nicht …
In diesem Moment ertönt die Kanone. Während Sky bei jedem Schlag zusammenzuckt, zähle ich langsam mit: Eins, zwei, drei, und noch zwei und dann ein letzter. Sechs. Sechs Tote.
Sofort überschlagen sich die Gedanken in meinem Kopf. Mir kommt der Junge aus 6 in den Sinn, den ich zerstochen habe. Er ist tot, mit Sicherheit. Und Seths Opfer, der am Füllhorn, das muss Kevin gewesen sein. Klein und pummelig, wie er ist, hatte er keine Chance. Miyu ist nach dem Kampf mit Jake wahrscheinlich ebenfalls gestorben, dann Hope und … mit größter Wahrscheinlichkeit auch Cara. Selbst, wenn ich es mir selbst kaum eingestehen will. Und wie soll ich es erst Sky beibringen? Spätestens der Nachthimmel wird es ihr grausam zeigen.
Aber es fehlt immer noch ein Tribut. Ryan? Die dunkle Gewissheit umschwappt mich wie ein endloses Meer, das immer weiter ansteigt. Ist Seth ihm gefolgt? Zuzutrauen wäre es ihm, und dann ist Ryan tot, so viel ist sicher. Aber ich kann die Vorstellung, dass er und Cara mich bereits am ersten Tag verlassen haben, kaum ertragen …
„Weiter!“, sage ich barsch zu Sky und hebe sie auf ihre Füße. Wut ist das einzige, was mich noch auf den Beinen hält, Wut und mein Überlebenswille. Ich denke an das Versprechen, das ich Ryan gegeben habe. Ich muss dafür sorgen, dass Sky überlebt, und wenn auch nur für heute, für morgen, für den nächsten Tag.
„Aber Nico“, jammert Sky. „Warum können wir nicht einfach –“
„Sei leise“, knurre ich und beginne mit dem Aufstieg.
Wir klettern etwa eine halbe Stunde, dann finden wir tatsächlich eine Höhle. Sie ist weder von oben noch von unten direkt zu erkennen und der Eingang ist schmal genug, um ihn tarnen zu können. Vorsichtig spähe ich hinein, es könnte ein Tier darin sein, vielleicht sogar eine Mutation, eine Falle der Spielmacher. Doch die Höhle ist leer und so kriechen Sky und ich hinein.
Es dauert nicht lange, bis sich unsere Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben. Sky schlägt vor, unsere Vorräte auszubreiten, und ich stimme widerwillig zu.
„Du zuerst“, sage ich. Sie nickt und legt ein Seil und eine Wasserflasche in die Mitte der Höhle. Das hatte ich schon gesehen, aber dann zieht sie noch eine zusammengefaltete Plastikplane und ein paar Handschuhe hervor. Ohne dass ich es zugeben will, bin ich von ihrem Geschick beeindruckt.
„Ist Wasser in der Flasche?“, frage ich. Skys Miene hellt sich auf, wir sind den ganzen Tag gelaufen und folglich ziemlich durstig. Aber in der Flasche findet sich kein Tropfen.
„Schade“, murmelt sie. „Und jetzt du.“
Ich hole die drei Wurfmesser aus meinem Hosenbund, dazu die Schleuder und den grauen Rucksack. Die Farbe ist ziemlich günstig zur Tarnung, und groß genug ist er, damit gute Dinge hineinpassen.
„Mach mal auf!“, ruft Sky. Ich nicke und öffne die Riemen des Rucksacks. Er ist solide verarbeitet und scheint ziemlich wetterresistent. Langsam kippe ich den Inhalt auf den Boden. Ein kleines Messer, eine Rolle Draht, Bandagen, zwei Fläschchen mit einer undefinierbaren Flüssigkeit und kleinem Etikett, ein dünner Schlafsack, Handschuhe, eine Packung Streichhölzer, eine Wasserflasche, Trockenobst, Trockenfleisch, eine Nachtsichtbrille. Sofort halte ich die Flasche an meine Lippen und stelle fest, dass sich ein wenig Flüssigkeit darin befindet. Ich trinke gierig, dann reiche ich sie Sky.
Meine Verbündete ist gerade dabei, die Etiketten vorzulesen. „Jod und Antiseptikum. Hm, mit Jod kann man Wasser reinigen, oder? Und Antiseptikum, war das nicht zum Desinfizieren von Wunden?“
„Kann sein.“ Ich zucke mit den Schultern.
„Wo hast du den her?“ Skys Augen leuchten und fixieren den grauen Rucksack. „Davon können wir jahrelang leben!“
„Er lag direkt am Füllhorn“, sage ich.
„Du musst ein großes Risiko eingegangen sein“, murmelt sie. „Zum Glück hat dich niemand gefunden.“
Niemand? Ich denke an den Jungen aus 6 und beiße mir wieder so fest auf die Lippe, bis Sky mir einen Teil von einer Bandage dagegen drückt.
„Lass das“, fauche ich und zucke zurück.
Sie zerschneidet die Bandage mit dem Messer, das sich im Rucksack befand und gibt mir zwei Stücke.
„Nimm das eine für die Lippe und das andere für den Hals“, sagt sie.
„Das ist albern –“
„Wir haben doch genug, Nico.“
Damit hat sie Recht. Ich seufze und presse die Bandage gegen meine Wunden.
In dem Moment, als die Dunkelheit unsere kleine Höhle vollends durchflutet, erklingt die Hymne. Ich krieche nach draußen und blicke in den Nachthimmel. Sky folgt mir, und ich kann es ihr nicht verbieten, sonst wüsste sie, dass etwas nicht stimmt. Düster starre ich auf das Wappen des Kapitols, bis der letzte Ton der Hymne verklingt und die Welt wieder in Dunkelheit hüllt. Aber die Atempause dauert nicht lange. Ich spanne meine Muskeln an und warte darauf, dass die Gesichter der sechs Toten gezeigt werden.
Als erstes erscheint das Mädchen aus 5. Mit ihr hätte ich rechnen müssen, es ist die zwölfjährige, die nach dem Gong direkt auf das Füllhorn zugestürzt ist. Sie hat sich wohl überschätzt. Aber das heißt auch, dass Hope zumindest heute noch am Leben ist, außerdem die beiden kleineren Tribute aus 3. Das Mädchen verschwindet und an ihre Stelle tritt der Junge aus 6. Er ist also tatsächlich tot. Der Junge aus 10 … Cassedy hat es also auch geschafft. Und Miyu, die mit genau diesem Jungen gekämpft hat. Sie ist stärker, als ich gedacht hatte.
Ich senke meinen Blick und beobachte Sky. Es dauert nur fünf Sekunden, bis sich ihre Miene erst in Unglaube, dann in Bestürzung und Schmerz wandelt. Das Herz rutscht mir in die Hose. Wieder schaue ich in den Nachthimmel. Ja. Es ist Cara.
Wie sehr hatte ich gehofft, dass sie doch irgendwie überlebt hat? Ich verschließe meine Gesichtszüge, damit Sky nicht sieht, wie alleine ich mich fühle, und kaue auf dem Inneren meiner Wange. Tränen laufen über Skys Gesicht und lassen sie noch kleiner wirken, als sie ist. Bevor ich es verhindern kann, vergräbt sie ihren Kopf in meiner Schulter und umklammert mich wie ein kleines Kind. Mein Blickfeld verschwimmt sosehr, dass ich die letzten beiden Tribute kaum noch erkennen kann: Es sind Junge und Mädchen aus 12.
Der Himmel verdunkelt sich und die Rufe der Eulen werden wieder laut. In mir fühlt sich alles kalt an, und ich versuche angestrengt, an das einzig Positive zu denken, was die Hymne mit sich gebracht hat: Ich weiß jetzt sicher, dass Ryan den Tag überlebt hat. Nur wo er ist, bleibt mir ein Rätsel. Morgen werde ich ihn suchen, nehme ich mir vor.
Sky hat mich immer noch fest umschlungen. Unsicher lege ich erst einen Arm, dann beide um ihren schluchzenden Körper. Ich frage mich, was Nina denkt, wenn sie das hier sieht. Wird sie mich dafür verurteilen, weil ich noch nie jemand anderen im Arm gehalten habe als sie? Aber Nina und Sky, das sind zwei verschiedene Welten. Die Straße ist nicht die Arena. Mein zuhause ist nicht hier.
Canyon B-less
Status: unverletzt, satt, nicht durstig
Besitz: Schwert, 3 gute Dolche, 3 kleine Dolche, Wurfmesser, 2 Messer, Axt; Rest siehe
Bündnis 1
Terrain (momentan): anfangs Wald, erstes Lager aber im freien Feld
China Darking
Status: unverletzt, satt, nicht durstig
Besitz: Schwert, 2 Degen, 4 gute Dolche, 2 kleine Dolche, Pfeil und Bogen; Rest siehe
Bündnis 1
Terrain (momentan): anfangs Wald, erstes Lager aber im freien Feld
Camelon Calon
Status: unverletzt bis auf leichten Bluterguss am Nacken (Nicos Schleuder), satt, nicht durstig
Besitz: 3 Wurfmesser, 2 Messer, Morgenstern, Axt, 2 Macheten, Ahle, Schleuder; Rest siehe
Bündnis 1
Terrain (momentan): anfangs Wald, erstes Lager aber im freien Feld
Hope Stuarts
Status: tiefe Wunde im linken Schulterblatt (Messer), ein wenig mit Branntwein versorgt zur Schmerzlinderung, sehr durstig, etwas hungrig
Besitz: keine Waffen; Rest siehe
Bündnis 2
Terrain (momentan): Wüste bzw. zerstörte Stadt
Dexter Graham
Status: unverletzt, sehr hungrig, sehr durstig
Besitz: keine Waffen; Rest siehe
Bündnis 3
Terrain (momentan): Höhlen unter dem freien Feld
Luna Moonlight
Status: unverletzt, sehr hungrig, sehr durstig
Besitz: -
Terrain (momentan): Wüste bzw. zerstörte Stadt
Django MC Fadden
Status: unverletzt, satt, nicht durstig
Besitz: Dreizack; Rest siehe
Bündnis 4
Terrain (momentan): Wald bzw. Berg
Maya Couloir
Status: Schnitt über dem rechten Auge, ansonsten unverletzt, satt, nicht durstig, am Erfrieren
Besitz: Steinscherbe
Terrain (momentan): Eislandschaft bzw. Meer
Seth Helmsley
Status: unverletzt, satt, nicht durstig
Besitz: 2 Wurfäxte, 2 Äxte, Schwert, Sense; Rest siehe
Bündnis 1
Terrain (momentan): anfangs Wald, erstes Lager aber im freien Feld
Lily Beaurelle
Status: unverletzt, satt, nicht durstig
Besitz: keine Waffe; Rest siehe
Bündnis 4
Terrain (momentan): Wald bzw. Berg
Kevin Owens
Status: unverletzt, sehr hungrig, sehr durstig
Besitz: Blasrohr (das Dexter für ihn am Füllhorn geholt hat); Rest siehe
Bündnis 3
Terrain (momentan): Höhlen unter dem freien Feld
Miyu Jigoku
Status: ziemlich tiefe Oberschenkelverletzung, Prellung an der Wange, etwas hungrig, etwas durstig
Besitz: Schwert, 2 Wurfmesser, kleines Messer, Trockenobst-Fleisch-Brot-Päckchen, 2 gefüllte Wasserflaschen (davon noch 3 ½ Liter übrig)
Terrain (momentan): Wüste bzw. zerstörte Stadt
Connor Deeps
Status: unverletzt, sehr durstig, etwas hungrig
Besitz: Machete; Rest siehe
Bündnis 2
Terrain (momentan): Wüste bzw. zerstörte Stadt
Anne Emera
Status: unverletzt, sehr durstig, etwas hungrig
Besitz: Dorn, Lederbeutel für Wasser, Feuerstein
Terrain (momentan): Höhlen unter dem freien Feld
Ryan Stanley
Status: Kratzwunde an der Hand von Cassedy, ansonsten unverletzt, nicht durstig, etwas hungrig
Besitz: kleine Decke, leere Wasserflasche (inzwischen aufgefüllt), Trockenobst-Brot-Päckchen
Terrain (momentan): Wald bzw. Berg
Sky Dwadnir
Status: unverletzt, etwas durstig, sehr hungrig
Besitz: keine Waffen; Rest siehe
Bündnis 5
Terrain (momentan): Wald bzw. Berg
Cassedy Blanks
Status: unverletzt, nicht durstig, nicht hungrig
Besitz: pinkfarbener Rucksack mit: Jod, Handschuhe, Lederbeutel für Wasser
Terrain (momentan): Wüste bzw. zerstörte Stadt
Nico Antheb
Status: fast durchgebissene Lippe, Schnitt am Hals, etwas durstig, sehr hungrig
Besitz: 3 Wurfmesser, Schleuder; Rest siehe
Bündnis 5
Terrain (momentan): Wald bzw. Berg
Bündnis 1 (momentan bestehend aus China, Canyon, Camelon und Seth)
Schlammfarbener Rucksack mit: Draht, Netz, Erste-Hilfe-Set, Bandagen, Antiseptikum, Jod, Schlafsack, warme Jacke, Handschuhe, Feuerzeug, gefüllte Wasserflasche, Trockenobst, Fleisch, Brot, 2 Nachtsichtbrillen
Werkzeuge: langer Draht (4), Netze (1), Schlingen (3), Seile (3)
Medizin: Erste-Hilfe-Set (2), Bandagen (3), Antiseptikum (2), Branntwein (3), Jod (3)
Wetterschutz: Gute Zelte (1), Kleine Zelte (2), Plastikplanen (1)
Warmhalten: Schlafsäcke (2), kleine Decken (3), warme Jacken (2), Handschuhe (3), warme Socken (4)
Feuermacher: Feuerzeug (1), Streichhölzer (2), Feuerstein (2)
Wasserflaschen: gefüllt (4), leer (4), Lederbeutel (2)
Essen: Trockenobst, Fleisch und Brot (1), Trockenobst und Brot (3), Brot (2)
Bündnis 2 (momentan bestehend aus Connor und Hope)
Grellgrüner Rucksack mit: Draht, Branntwein, Jod, warme Jacke, Handschuhe, Feuerstein, leere Wasserflasche, Trockenobst
Bündnis 3 (momentan bestehend aus Dexter und Kevin)
Jodfläschchen, Feuerstein, Lederbeutel für Wasser, ein Laib Brot
Bündnis 4 (momentan bestehend aus Django und Lily)
Netz, Bandage, Plastikplane, warme Jacke, ein Laib Brot
Bündnis 5 (momentan bestehend aus Nico und Sky)
Grauer Rucksack mit: kleines Messer, Draht, Bandagen, Antiseptikum, Jod, Schlafsack, Handschuhe, Streichhölzer, halb gefüllte Wasserflasche, Trockenobst, Fleisch, Nachtsichtbrille
Außerdem Seil, Plastikplane, Handschuhe, leere Wasserflasche
Und nun unsere toten Tribute des heutigen Tages. Wir sind bei euch und bei euren Familien und Freunden, die euch immer in Erinnerungen behalten werden.
24. Platz:
Cecil Magandis, Distrikt 12
Todesursache: Stich in den Hals (Degen)
Seine Mörderin: China
Sein Fehler: rannte einfach auf das Füllhorn zu, ohne einen Plan zu haben
Todesort: Füllhorngegend
23. Platz:
Rue Jabeljay, Distrikt 5
Todesursache: Schwerthieb in das Herz
Ihr Mörder: Seth
Ihr Fehler: überschätzte sich und lief direkt zum Füllhorn, um sich die besten Waffen und Nahrungsmittel zu sichern, hatte aber als zwölfjährige keine Chance
Todesort: Füllhorngegend
22. Platz:
Mortimer Hazel, Distrikt 6
Todesursache: Messerstiche in die Kuhle oberhalb des Schlüsselbeins, Oberschenkel und Bauch
Sein Mörder: Nico
Sein Fehler: holte das, was ihm am nächsten lag, eine Schleuder, war aber nicht schnell genug und wurde von Nico entdeckt
Todesort: Füllhorngegend
21. Platz:
Carliena Black, Distrikt 12
Todesursache: auf sie wurde am Füllhorn eingehackt, brutale Stiche am ganzen Körper
Ihre Mörder: Seth, Camelon und Canyon (China war noch bei Cecil)
Ihr Fehler: wagte sich etwas zu weit nach draußen
Todesort: Füllhorngegend
20. Platz:
Jake Ciarro, Distrikt 10
Todesursache: Schwerthieb in den Schädel
Seine Mörderin: Miyu
Sein Fehler: unterschätzte sie, da sie verletzt war, rechnete nicht mit ihrer Kraft
Todesort: Füllhorngegend
19. Platz:
Cara Shines, Distrikt 11
Todesursache: Schnitte am ganzen Körper, letztendlich war die große Wunde am Bauch entscheidend
Ihre Mörder: hauptsächlich Canyon, aber auch die anderen: Seth, Camelon und China
Ihr Fehler: hatte Mitleid und Hope und sang für sie, machte dadurch ihre Mörder auf sich aufmerksam
Todesort: Füllhorngegend
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