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Eine zweite Chance

„Ein Neuanfang – eine zweite Chance. Wir beginnen von vorn.“ | Vergessen ist unmöglich, Verzeihung schwer. Sandherz ist sich im Klaren darüber, dass seine Taten unverzeihlich sind. Wird er es trotzdem schaffen, eine zweite Chance zu bekommen? Kann er mit Nachtschweif zusammen einen Neuanfang wagen?

//Mein Beitrag zu Sonnenflugs Schreibwettbewerb "Forgotten Storys" im Januar. Link: https://www.testedich.de/quiz49/quiz/1499697797/Warrior-Cats-forgotten-stories //

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    „Ein Neuanfang – eine zweite Chance. Bitte!“
    Der Schnee knirschte leise unter den Pfoten des zerzausten Katers, der mit langsamen Schritten näher kam. Sein Atem ging stoßweise, jeder Muskel seines Körpers war angespannt, obwohl da keine Gefahr war. Nur eine schlanke, schwarze Katze, die mit dem Rücken zu ihm saß und verächtlich schnaubte.
    Die kahlen Bäume streckten um ihn herum ihre knorrigen Äste zum Himmel, standen da wie Mahnmale aus Holz, warfen im Licht der untergehenden Sonne lange Schatten auf den Boden. Sie knarzten und knackten leise, als wollten sie den stämmigen Kater von der Kätzin verscheuchen.
    Trotzdem näherte er sich ihr weiter. Ein Zweig knackte verräterisch unter seinen Pfoten, und obwohl er sich ja nicht anschleichen wollte, zuckte er zusammen und wartete auf eine Reaktion der Kätzin.
    „Verschwinde“, knurrte sie kurz darauf eisig in die unheimliche Stille hinein, die sich über den Wald zu legen schien, je weiter die Sonne am Horizont versank. „Das wäre besser für uns alle.“ Obwohl sie eindeutig wütend war, hörte er eine Spur Trauer aus ihrer Stimme heraus.
    „Nachtschweif, vertraue mir doch. Dieses Mal werde ich alles richtig machen!“, erwiderte der Kater bedrückt, in einem schwachen Versuch, sie zu überzeugen.
    „Wieso sollte ich dir vertrauen? Ich habe dir schon mal vertraut, und sieh nur, wie es ausgegangen ist.“ Ihre Stimme war kalt und voller Wut, doch der Kater hörte die Trauer heraus, er hörte heraus, wie verletzt diese Katze war. „Glutstreif ist tot. Nur wegen dir, Sandherz.“ Sie spuckte seinen Namen abfällig aus. „Man sollte dich lieber Schlangenherz nennen.“
    „Hör mir doch zu, Nachtschweif!“, versuchte Sandherz verzweifelt, die dunkle Kätzin zu erweichen. Doch sie würdigte ihn nicht mal eines Blickes, hielt ihr Gesicht stur von ihm abgewandt. Nachtschweif blieb stumm, doch man hörte förmlich die Funken der Wut, die ihn ihr brannte.
    Der sandfarbene Kater tigerte unruhig auf und ab, fuhr die Krallen immer wieder ein und aus, grub sie in die kalte, gefrorene Erde. Ab und zu huschten seine himmelblauen Augen zu Nachtschweif.
    „Setz dich hin“, befahl die elegante Kätzin eisig. „Du benimmst dich wie ein zappeliger Schüler.“
    Sandherz schluckte, setzte sich aber.
    „Mit einem Unterschied…“
    Er spitzte mit klopfendem Herzen die Ohren, als sie sich langsam zu ihm herumdrehte. Ihre grünen Seelenspiegel funkelten bedrohlich.
    „Du bist kein zappeliger Schüler. Du bist ein Mörder, du bist ein Betrüger, ein Schlangenherz bist du, ein Haufen Krähenmist, ja, das bist du!“, schrie sie ihn zornig an. „Du hast mich erst betrogen, hast dich auf dieses dumme Hauskätzchen eingelassen, und dann auf einmal willst du mich zurück, hm? Und dafür tötest du auch noch!“ Sie stand auf, trat näher, das Fell gesträubt, die Krallen ausgefahren, die Ohren angelegt und die Augen zu schmalen Schlitzen verengt. Bedrohlich umrundete sie Sandherz einmal. Als sie wieder stehen blieb, war ihr Gesicht dem seinen sehr nah, und sie bleckte die Zähne. „Los, sag was!“
    Der Körper des Sandfarbenen versteifte sich. Er wagte nicht, zurückzuweichen, aus Angst, dann ihre Krallen an seiner Kehle zu spüren. „Es tut mir leid“, murmelte er leise.
    „Sag das lauter!“, fauchte Nachtschweif.
    „Es tut mir leid“, miaute Sandherz daraufhin mit festerer Stimme. „Es tut dir leid!“
    „Ja, natürlich tut es mir leid!“, bekräftigte der Blauäugige angespannt.
    „Ha, es tut dir leid“, spuckte die Kätzin ihm in das Gesicht. „Es tut dir leid… Und das ist alles, was du zu sagen hast? Dass es dir leid tut!“ Gegen Ende hin wurde ihre Stimme immer lauter, und Sandherz hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten, sich irgendwo verkrochen, um dem Wutanfall seiner ehemaligen Gefährtin zu entfliehen.
    „Oh, es tut ihm leid, dass er mich mit einer anderen betrogen hat!“, jaulte Nachtschweif hysterisch durch den Wald, als würde sie mit anderen Katzen sprechen – wobei die zwei relativ weit vom Lager entfernt waren. „Es tut ihm leid, dass er Glutstreif umgebracht hat!“ Verächtlich fauchend holte sie aus und schlug mit einer Pfote kräftig gegen Sandherz‘ rechte Wange. Blut sickerte aus der Wunde und tropfte langsam zu Boden.
    Der Kater blieb stumm. Er wusste, sie hatte Recht. Er wusste, er war der Böse. Er war der Mörder.
    „Es tut ihm doch alles so furchtbar leid!“, kreischte Nachtschweif zornig und reckte ihren Kopf gen Himmel. „Ach, SternenClan, so verzeih ihm doch! Immerhin hat er sich entschuldigt, mich und den ganzen Clan verraten zu haben!“, schnaubte sie verbittert. „Es tut ihm doch soo leid…“ Ihre Stimme nahm einen auffallend gekünstelten, flehentlichen Ton an. „So verzeiht ihm doch, oh Kriegerahnen!“
    Automatisch zog Sandherz den Kopf ein. Noch nie hatte er die sonst so freundliche Kriegerin derart wütend und außer Kontrolle erlebt. Ihre Stimme bebte und in ihren Augen sammelten sich Tränen.
    „Mehr hast du nicht zu sagen, als ‚Tut mir leid‘! Mehr nicht? Mehr nicht!“, schrie sie ihm zornig und enttäuscht zugleich ins Gesicht. Heiße Tränenflüssigkeit sickerte aus ihren sonst so glänzenden, doch nun matten, grünen Augen und floss ihre Wangen herunter, tropfte langsam zu Boden.
    Sandherz hob seine Pfote, wollte ihr die Tränen aus dem Gesicht wischen. „Ein letzter Versuch, eine neue Chance, bitte!“
    Doch sie sprang hastig weg und machte einen Buckel. „Fass mich nicht an, du Mörder!“
    Er wich vorsichtig zurück. Was sollte er denn tun? Wie konnte er sie besänftigen? Konnte er sie überhaupt besänftigen?
    „Du hast mir ewige Liebe geschworen“, murmelte Nachtschweif mit zitternder Stimme, „und dass du immer das Beste für mich tun willst.“ Sie schluckte, schniefte und setzte sich erneut mit dem Rücken zu ihm.
    Das stimmte. Was war Sandherz nur für ein Mäusehirn gewesen? Wieso war er nicht bei Nachtschweif geblieben? Er liebte sie doch! Wieso hatte er sich nur auf dieses Hauskätzchen eingelassen? Sie war hübsch, doch er hatte vor der Schildpattkätzin Maychin noch nie eine derart naive und flohhirnige Katze getroffen. Wieso hatte er ignoriert, welche Schmerzen er Nachtschweif hinzugefügt hatte?
    Nachtschweif seufzte. „Sonnenstern weiß es nicht und wird auch nie wissen, dass ich dein Fell zwischen Glutstreifs Krallen fand. Aber du wirst immer wissen, dass das der schlimmste Tag meines Lebens war.“
    Sie hatte nicht verraten, dass er Glutstreif aus Neid umgebracht hatte. Und sie auch nichts von seiner Beziehung mit Maychin verraten. Sie war doch so eine herzensgute Kätzin, wie hatte er das nur vergessen können? Wie hatte er nicht bemerken können, dass sie nur mit Glutstreif zusammen gewesen war, weil sie ihn vermisste?
    Glutstreif… Glutstreif war nie ein schlechter Krieger gewesen. Er war immer darauf bedacht gewesen, dem Clan zu dienen. Und diesen hatte er umgebracht? Aus Neid, weil er Nachtschweif doch trotzdem liebte? Aus Furcht, dass er von Sandherz‘ Affäre mit Maychin berichten könnte, nur weil Nachtschweif sich ihrem neuen Gefährten anvertraut hatte? Wie verblendet hatte er nur sein müssen, um nicht zu erkennen, dass das alles seine Schuld war?
    Und plötzlich begriff er es. Dass er alles falsch gemacht hatte. Dass er die Liebe seines Lebens weggegeben hatte, dass er einer unschuldigen Katze das Leben genommen hatte, nur weil Sandherz sich nicht seinen eigenen Fehler hatte eingestehen wollen. Diese Erkenntnis traf ihn wie einen Schlag und nahm ihm für einen kurzen Moment die Luft.
    „Was ich getan habe, ist unverzeihlich“, hauchte er entsetzt.
    „Ach, auch schon begriffen?“, fauchte Nachtschweif kalt.
    „Ich habe alles falsch gemacht. Ich habe dich so sehr verletzt…“, sagte der kräftige Kater langsam und betroffen.
    Ein leises Schniefen kam von der schwarzen Kätzin.
    „Ich bin solch ein Schlangenherz gewesen“, nuschelte er mit erstickter Stimme, „und trotzdem hast du mich nie verraten.“
    „Ich konnte nicht“, schluchzte Nachtschweif, „ich liebe dich doch immer noch, irgendwo in einem Teil meines Herzens.“
    „Wie soll ich das jemals wieder gut machen?“ Mit entgeistert aufgerissenen Augen starrte Sandherz auf den Boden. „Ich… bin ein Mörder…“, krächzte er tonlos. „Ich verdiene keine zweite Chance. Du solltest mich lieber sofort töten.“ Wie in Trance starrte er auf den schneebedeckten Boden und beobachte, wie kleine Atemwölcken aus seinem Maul kamen.
    Er bemerkte nicht, wie Nachtschweif näher kam und ihn anstupste. „Du bekommst aber doch eine zweite Chance. Eine letzte Chance.“
    Er sah auf. Ihre Blicke trafen sich. „Sicher? Kannst du mir wirklich verzeihen?“
    „Ich kann nicht vergessen“, schniefte Nachtschweif bedrückt, „aber ich kann verzeihen. Wir wagen einen Neuanfang. Alles auf Null. Maychin war nie. Glutstreif fiel einem Fuchs zum Opfer. Wie waren nie Gefährten.“
    Sandherz starrte sie an. „Keine Gefährten mehr? Wie kommt das denn im Clan an?“
    „Das ist unser Neuanfang.“ Sie stupste ihre Nase gegen seine Schnauze. „Dem Clan soll das egal sein. Aber du, du musst mich erneut erobern. So wie früher. Als wir noch Schüler waren. Frei von Sorgen“, miaute Nachtschweif sanft. „Vertraust du mir?“, fragte sie, während sie ihm lange und tief in die blauen Augen schaute.
    Sandherz schluckte. Sein ganzer Körper zitterte. Nachtschweif verzieh ihm? Einfach so? „Womit habe ich das verdient?“,
    „Noch mit gar nichts. Du wirst mich erneut erobern müssen, wie ich bereits sagte. Also, vertraust du mir, Sandherz?“
    „Ja, Nachtschweif. Ich vertraue dir“, antwortete er fest, aber trotzdem angespannt.
    Nachtschweifs Stimme bebte, als sie ihren Blick zum Lager wandte und leise miaute: „Dann ziehen wir’s durch. Ein Neuanfang - eine zweite Chance. Wir beginnen von vorn. Möge der SternenClan unsere Pfoten auf den richtigen Weg leiten.“
    Sandherz wandte den Blick ab und richtete seine Augen stattdessen zum Himmel. Es war nun gänzlich Nacht geworden, vereinzelt konnte er bereits Sterne am Silbervlies erkennen. Bedrückt wartete er auf ein Zeichen seiner Kriegerahnen, schnippte unruhig mit dem Schweif. Ein trauriger Schatten legte sich über seine blauen Seelenspiegel. Konnte man ihm wirklich eine neue Chance geben? Billigte der SternenClan es, dass Nachtschweif ihm, trotz seines -aus seiner Sicht- unverzeihlichen Verhaltens, einen Neuanfang anbot?
    Er strengte die Augen an. Aus dem Augenwinkel nahm er eine Sterneschnuppe war. Ein Zeichen? Er hielt die Luft an, als plötzlich ein Stern erlosch und zur gleichen Zeit ein neuer Stern aufblinkte.
    Erleichterung durchströmte ihn. Schnell warf einen Blick zu Nachtschweif. Auch sie hatte ihren Kopf zum Nachthimmel gerichtet, in ihren wunderschönen grünen Augen spiegelte sich das Silbervlies wider.
    Und Sandherz war sich gewiss, dass er diese Chance nicht vertun würde.


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    AN: I am not throwing away my shot!
    Der musste sein ^^
    Dieser OS ist für meine momentanen Verhältnisse doch recht kurz geraten, ich bitte dies zu entschuldigen. Obwohl *hust* vielleicht liest ihn dann ja mal jemand, nicht wie Oneshots mit bösen 2000 Wörtern >:3
    Just kidding. Über Rückmeldung freue ich mich immer!

    PS: Bild ist selbstgemalt

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