3
Prolog – aus Kupferpfotes Sicht
Ich höre ihr warmes, kleines Herz pochen. Vorsichtig, mit der Leichtigkeit einer Feder, schleiche ich über die trockenen Blätter, die von dem großen Blätterdach über mir herabgefallen sind. Der Boden wird mit einem Tüpfelmuster bedeckt, das aus Schatten, Licht und den grünen Farben der Blattgrüne besteht. Dort, unter der großen Eiche… gleich habe ich sie. Ich spanne meine Muskeln an und springe. Lande. Präzise auf der Beute. Ein schneller Biss in den Nacken und die braune Wühlmaus erschlafft in meinen Pfoten. Stolz vergrabe ich die Beute, um sie später mitzunehmen.
Ein Rascheln. Sofort schießen meine Ohren nach hinten. Noch ein Beutetier? Verwirrt prüfe ich die Luft. Was für ein Geruch ist das? Ich habe keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn ich werde blitzschnell von einem schwarzen Blitz auf den Boden geworfen. Knurrend schlage ich auf die Nase meines Angreifers ein, aber der duckt sich blitzschnell unter mir durch. Wütend drehe ich mich um.
„Schattenpfote! Was fällt dir ein, mich einfach so anzuspringen?“ Verärgert lecke ich über mein staubiges Brustfell. „Du musst es so sehen…“ Schattenpfote kommt mit einem überlegenen Gesichtsausdruck auf mich zu. „Du magst die beste Jägerin von uns sein, aber was passiert, wenn dich jemand angreift? Du bist so klein, dass du dich nicht wehren könntest.“ Beleidigt drehe ich mich um. „Ach ja?“ „Ja.“ Schattenpfote dreht sich mit einem Satz um und verschwindet im Gebüsch. „Ich gehe noch ein bisschen jagen!“, jaule ich ihm noch hinterher.
Das kann auch nicht schaden. Warum lasse ich mich eigentlich von diesem blöden Fellball ärgern? Seufzend prüfe ich die Luft. Der süße Geruch der Blattgrüne strömt auf mich ein. Blätter, Moos und Beute. Aber… ich erkenne noch einen Geruch. Er ist scharf, ein bisschen sauer und erinnert mich an Krähenfraß. Diesmal ist es nicht Schattenpfote. Und auch kein anderer Geruch, den ich erkannt hätte. Vorsichtig folge ich der Duftspur, die immer deutlicher wird. Die Duftspur führt durch einen Brombeerstrauch, an deren zweigen vereinzelte Fellbüschel hängen. Eindeutig Katze. Wollte der Eindringling seine Duftspur verwischen? Ich mache einen Bogen um den Strauch und erblicke zwei Pelze zwischen den Bäumen, die sich auch sofort zu mir umdrehen.
Augenblicklich fahre ich meine Krallen aus und plustere meinen Pelz so groß wie möglich auf. Es sind ein Kater und eine Kätzin, beide für die Blattfrische ziemlich mager. Der Kater ist groß und kräftig, mit dunkel getigertem Pelz. Die Kätzin ist etwas kleiner, mit einem hellbraun getigerten, glatten Fell. Ich trete fauchend einen Schritt vor. „Verschwindet, das ist unser Territorium!“ Dem etwas verwirrten Blick der Kätzin nach kann ich entschließen, dass sie nicht weiß was ich meine. Der Kater mustert mich kurz mit einem düsteren Blick, in dem purer Hass liegt. Als habe er einen bestimmten Grund.
„Eichel, angreifen“, knurrt er. Seine Stimme durchschneidet die warme Luft wie ein eiskalter Blitz, bestimmt und boshaft. Nein, diese Katzen sind nicht einfach nur Streuner, die die Duftmarkierungen übersehen haben. Diese Katzen sind aus einem bestimmten Grund hier. Sofort rennt die Kätzin, die Eichel genannt wurde, auf mich zu. Sie ist größer und kräftiger als ich. Aber auch etwas langsamer, was mir einen Vorteil verschafft. Als sie mit ihrer Pfote nach meinem Kopf schlägt, gleite ich so schnell wie möglich unter ihr durch. Doch ich habe unterschätzt, wie kräftig sie ist. Mit einem Schlag versetzt sie mir einen Kratzer, nicht tief genug, um mich ernsthaft zu verletzen. Dennoch taumele ich kurz.
„Töte sie, Eichel“, knurrt der Kater. Sofort schleudert mich die Kätzin durch die Luft. Mein Schädel surrt wie ein Bienenschwarm, als ich gegen den Stamm einer großen Birke pralle. Gegen diese Katze kann ich unmöglich gewinnen. Und wenn doch, würde der dunkel getigerte Kater sofort einschreiten und dem ein Ende machen. Schattenpfote hatte doch Recht! Ich muss sie überlisten, das ist meine einzige Chance. Mir fällt schnell nichts Besseres ein und so bleibe ich am Fuß des Baumes liegen, gegen den ich geschleudert wurde. Sie steht vor mir. Bereit meinen Nacken zu packen. Und ich schieße hoch. Stoße sie zurück, indem ich ihr mit der Kralle über ihr Auge fahre. Eigentlich wollte ich ihre Schnauze treffen, doch in der kurzen Zeit, wo ich schnell reagieren musste, verzielte ich. Jedenfalls taumelt die Kätzin nach hinten, sichtlich etwas erschrocken.
Schnell rappele ich mich auf und renne tiefer in den Wald hinein, sofort in Richtung Lager. Ihre Pfoten trommeln hinter mir auf dem Boden, aber das Geräusch wird immer leiser und verstummt schließlich ganz. Aber der dunkle Kater mit dem Hassblick sah nicht so aus, als würde er das als Ende betrachten. Er sah darin einen Anfang. Und das jagt mir einen eiskalten Schauer über den Rücken.
4
Aus Eichels Sicht
Frustriert peitsche ich mit dem Schweif, als ich die Katze aus dem Blickfeld verlor. Das kann doch nicht sein!
Dunkelwasser kommt mit geplustertem Fell und, ebenfalls, peitschendem Schwanz auf mich zu. Mit einem kräftigen Schlag schleudert er mich gegen einen Baum. Unter Schmerzen stehe ich auf. Dunkelwasser bäumt sich vor mir auf, ich ducke mich unter einem weiteren Schlag weg. „Warum hast du sie entkommen lassen?“, grollt er. Wütend funkele ich ihn an. „Warum ist das plötzlich meine Schuld! Ich wusste nicht dass sie mich so angreift! Hättest du mir je diese Technik beigebracht, hätte ich-“, fauche ich, werde jedoch von meinem Vater unterbrochen, der mich zu Boden drückt. „Du hättest aufpassen sollen!“, faucht er mir ins Gesicht. Knurrend schlage ich mit den Hinterbeinen auf seinen Bauch ein, bis er von mir ablässt. Ich will mich auf ihn werfen, werde aber weggeschleudert. „Siehst du? Du passt nicht auf!“, keift Dunkelwasser mich an. Seine wasserblauen Augen glühen zornig.
Wir kämpfen eine Weile, bis der stechende Geruch von einem Donnerweg uns umhüllt. Hinter Dunkelwasser erkenne ich den schwarzen Donnerweg. In der Nähe höre ich ein Grollen. Bevor ich selbst verstehe, was ich tue, ramme ich meinen Kopf gegen Dunkelwassers Brustkorb, sodass ich ihn auf den Donnerweg werfen kann. Ein lautes Grollen, dumpfer Schlag, sich entfernendes Rauschen und dann… Stille.
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