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Die Macht der Namen

Die zwei Schwestern Saria und Lou sind durch einen seltsamen Zufall im mittelalterlichen Japan gelandet. Obwohl sie sich bemühen, sich an das dortige Leben anzupassen, so fallen sie allein schon durch ihr Äußeres auf. Nicht nur die Menschen sind fasziniert von den beiden, auch die Youkai können sich der faszinierenden Wirkung entziehen. Besonders Saria, die von ihrer Lehrmeisterin Kaede den Namen Ayumi erhielt, gibt viele Rätsel auf. Als Naraku von ihr hört, versucht er die junge Frau in seine Gewalt zu bringen. Erstaunlicherweise ist es Sesshoumaru, der alles tut, um genau das zu verhindern. Ob es ihr gelingt, das Eis um sein Herz zu schmelzen und hat ihre Liebe überhaupt eine Hoffnung? (AN: Meine erste Fanfiction in diesem Fandom, habt bitte also ein wenig Nachsicht mit mir...)

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    Kapitel 1: Das personifizierte Rätsel
    Sarias Sicht:
    Wachsam lauschte ich auf verdächtige Geräusche, während ich durch das Wäldchen zu der Hütte lief, die mir und meiner kleinen Schwester Lou seit knapp zwei Jahren als Unterschlupf diente. Seitdem wir durch Zufall in der Vergangenheit Japans gelandet waren hatte ich einige Begegnungen mit Dämonen gehabt. Erstaunlicherweise schien ich sie eher zu faszinieren, als das sie mich töten und fressen wollten. Manchmal hatte es durchaus Vorteile eine große Klappe zu haben und anders zu sein als der Durchschnitt. Auch das Lou und ich anders aussahen weckte die Aufmerksamkeit dieser Wesen. Ich hatte keine Angst vor den Youkai, respektieren tat ich sie umso mehr. Wenn sie mich töten wollten könnte ich sie wohl kaum davon abhalten, denn ich kämpfte nicht. Meine einzigen Waffen, wenn man es so nennen wollte, waren mein Verstand und meine scharfe Zunge. Wie immer spürte ich, dass aus dem Dunkel heraus ich beobachtet wurde. Doch sie waren nicht feindselig gestimmt.
    Warum sie mich bisher verschont hatten, war mir ein Rätsel. Kaede dagegen schien der Meinung zu sein, dass ich eine alte Seele hätte und das durchaus zu spüren war. Vielleicht war die Tatsache, dass ich mich nicht einschüchtern ließ ein weiterer Grund, warum sie Lou und mich in Ruhe ließen. Grundsätzlich brachte ich jedem Lebewesen Respekt entgegen und versuchte es nicht vorschnell zu verurteilen. Ob es das war, was die Dämonen so überraschte? Was es auch immer war, ich sollte dankbar dafür sein. Entschlossen konzentrierte ich mich darauf, einen weiteren Bogen zu schlagen ehe ich mich der Hütte von hinten näherte. Aus dem Augenwinkel erhaschte ich den Blick auf etwas, das verdächtig aussah wie silbernes Haar. Na wunderbar. Dieses Mal war es der Drachen-Youkai. Er schien sich besonders für mich zu interessieren. Seine Faszination hatte immer mehr zugenommen, erst Recht, als er merkte, dass ich es liebte zu diskutieren und tiefgehende Gespräche zu führen. Zumal ich mich traute, anderer Meinung zu sein und zu dieser auch zu stehen. Eigentlich mochte ich ihn, denn er war bisher immer freundlich zu Lou und mir gewesen. Mehr noch, er hatte mich bisher immer beschützt, wenn es brenzlig wurde. An diesem Abend aber war ich zu erschöpft, als das ich stundenlang mit ihm diskutieren könnte. Es hatte mich ausgelaugt, die Patienten zu versorgen und ihnen Hoffnung zu geben. Kaede hatte mich schließlich nachhause geschickt, als ich kurz vor Schwäche in Ohnmacht fiel. Irgendwie schaffte ich es nie, mich davon abzuhalten, zu viel von dem Schmerz der Verletzten auf mich zu nehmen. Entnervt blieb ich stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich bin einem Gespräch grundsätzlich zwar nicht abgeneigt, Osamu-sama, aber heute möchte ich einfach nur Nachhause und vergessen, wie brutal diese Welt ist.“
    Ein sanftes Lachen erklang und er trat aus den Schatten. Selbst für einen Dämon war er wunderschön, wenn er auch mit diesen Hörnern und dem kleinen Schuppenmal am Hals sehr exotisch wirkte. Dennoch schlug mein Herz nicht höher bei seinem Anblick. Wenn man regelmäßig mit ihm zu tun hatte, verlor man irgendwann die Furcht vor ihm – zumindest wenn man seine Zuneigung besaß. Anmutig deutete er eine Verbeugung an, woraufhin meine Mundwinkel zu zucken begannen. Aufmerksam betrachtete er mich, wobei seine Augenbrauen hochfuhren als er die gekürzten Haare bemerkte. Im Sommer war mir einfach zu heiß und deshalb hatte ich sie unter Protesten von meinen Freunden stutzen lassen, so dass sie mir bis zum Kinn reichten. Bedauern funkelte in den eisblauen Augen auf. Schneller als ich blinzeln konnte stand er vor mir und zwirbelte wehmütig eine Haarsträhne zwischen seinen Fingern. Nun begann ich mich doch leicht unwohl zu fühlen. Er war viel größer als ich und maß meinen Haaren ebenso wie die anderen Dorfbewohner zu viel Bedeutung bei. Es war doch nur gewöhnliches dunkelblondes Haar. Je nach Lichteinfall wirkte es fast schwarz oder hatte einen leichten Goldstich. Die Friseure in meiner Epoche hatten immer gestritten, was für eine Farbe es hatte. Das gleiche Problem hatte ich mit meiner Augenfarbe. Mal wirkten sie braungrün, dann fast schwarz (besonders wenn ich wütend war) – es war einfach nervig. Dagegen hatte es meine kleine Schwester mit ihrem Aussehen wirklich einfacher. Allerdings stachen wir beide unter den schwarzhaarigen Menschen hervor. Wie hätte es auch anders sein können. Lou hatte blonde lange Haare und grünblaue Augen. Für eine Dreizehnjährige war sie außergewöhnlich hübsch und genauso wie ich mit einem frechen Mundwerk gestraft.
    „Wieso seid Ihr zu so später Stunde alleine unterwegs Ayumi-chan? Nicht alle Youkai hegen eine Vorliebe für Euch und wollen Euch um jeden Preis vor den Gefahren dieser Welt beschützen.“ Ayumi. Kaede hatte mir damals diesen Namen gegeben, als ich aus meiner Ohnmacht erwachte und mich nicht an meinen eigentlichen Namen erinnern konnte. Der Weltenwechsel war nicht durch den Brunnen erfolgt, so wie bei Kagome, mit der ich mich angefreundet hatte, sondern durch einen verfluchten Spiegel in einem Antiquariat. Lou war mir gefolgt und auf mir gelandet. Ich dagegen hatte mir ordentlich den Kopf angestoßen. Die dritte Gehirnerschütterung in meinem Leben. Doch als endlich die Erinnerungen zurückkehrten, wurde mir bewusst, wie gefährlich es sein könnte, wenn irgendjemand die Wahrheit erfuhr. Meine Eltern hatten mich Sarafina genannt, weil ich ein leidenschaftliches Herz und ein höllisches Temperament mein Eigen nannte, auch wenn ich mich die meiste Zeit ruhig und freundlich verhielt. Zumindest bis ich herausgefordert oder meine Geschwister bedroht wurden. Meine Schwester nannte mich nur noch wenn wir unter uns waren zu werden Sarafina oder Saria. Genauso hielt ich es umgekehrt. Niemand brauchte zu wissen, dass Lou nur die Abkürzung für Lucinda war. Bisher hatten wir unser Geheimnis bewahren können. Ruhig begegnete ich Osamus Blick, während ich spürte, dass hinter mir ein anderer Dämon auftauchte. Nur konnte ich mich nicht einfach umdrehen. Meine Haut begann zu kribbeln. Wer auch immer mich beobachtete, hatte es zuvor noch nicht getan. Es musste ein Youkai sein, der diesem Ort selten einen Besuch abstattete. Sonst würde ich diese Aura wiedererkennen. Innerlich wurde ich unruhig. Osamu beugte sich besorgt vor und musterte mich eingehend. „Ihr seht mit Verlaub schrecklich aus. Ist irgendetwas vorgefallen, was ich wissen müsste?“
    Schnaubend befreite ich die Haarsträhne aus seinem Griff. Er ließ es widerwillig zu, wandte aber keinen Moment den Blick von mir ab.
    „Danke, so etwas hört eine Frau gerne! Ich bin lediglich müde und habe mich überarbeitet, das ist alles. Bin ich jetzt entlassen oder wollt Ihr mich noch länger von meinem Bett fernhalten?“ Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem reuigen Lächeln und er fuhr zart über meinen Kiefer ehe er die Hand sinken ließ. Erstaunlicherweise ließ er mich die Grenzen bestimmen und drängte sich mir selten auf. Er schien immer zu spüren, wann ich Abstand brauchte und gab ihn mir. Das Warum entzog sich meinem Wissen. Mit niemandem hatte ich über ihn gesprochen. Es gab keinen Grund, unnötige Aufregung zu verursachen. Wahrscheinlich bildete ich es mir ein und mein Verdacht entsprach nicht einmal ansatzweise der Wahrheit. „Das würde ich nie wagen. Dafür seid Ihr mir zu übellaunig, wenn Ihr zu wenig geschlafen habt. Ich würde Euch gerne begleiten, damit Ihr sicher ankommt. Heute sind erstaunlich viele Youkai unterwegs. Nicht allen von ihnen ist zu trauen.“ Mahnend hob er einen Finger als ich aus Prinzip widersprechen wollte. „Ihr habt ein zu gutes Herz, Ayumi. Eure Augen sehen in jedem Lebewesen etwas Gutes.“
    Widerspenstig fixierte ich ihn und funkelte ihn erbost an. So wie er es betonte, war es falsch, andere freundlich und wohlwollend zu betrachten. Natürlich hatte die Welt auch ihre grausamen Seiten, aber wenn ich eines in meinem Leben gelernt hatte, das es nur unnötiges Leid mit sich brachte, Grausamkeit mit Grausamkeit zu vergelten.
    „Ach und was ist falsch daran! Ihr werft mir vor, ein Herz zu haben, das fähig ist, das Leben zu lieben, auch wenn es mich durchaus grausam behandelt hat. Habt Ihr schon mal darüber nachgedacht, dass es auch eine Möglichkeit ist, zu überleben und nicht vor Verzweiflung wahnsinnig zu werden? Jeder mag da seine Strategien haben und das ist eine von meinen. Und wenn Ihr darauf besteht mich zu begleiten, bitte! Ihr würdet es ohnehin tun, auch wenn ich versuchen würde, es Euch zu verbieten.“ Grummelnd ließ ich ihn stehen und stürmte davon. Ich hasste diese Art der Diskussionen, da ich sie immer wieder mit Kaede während der Arbeit führte. Das mir nun Osamu vorwarf, ein Herz zu besitzen, gefiel mir nicht. Er war nicht der Erste und würde garantiert nicht der Letzte sein der mir das zum Vorwurf machte, so viel war sicher - aber diese Worte riefen jedes Mal Erinnerungen wach, die ich gerne vollständig vergessen würde. Oft gelang es mir. Es gab in meiner Vergangenheit immer wieder Jahre, wo mir komplett die Erinnerungen fehlten. Aber ich wusste, dass damals schmerzhafte Dinge passiert waren. Angeblich hatte ich damals eine sehr schlimme Depression gehabt und nur im Tod einen Ausweg gesehen. Doch ich wusste es nicht mehr. Da war nur Leere und Schmerz. Energisch stieß ich schließlich die Tür auf und warf sie hinter mir geräuschvoll zu. Lous Augenbrauen schossen bei meinem Anblick besorgt in die Höhe. Die Dreizehnjährige erhob sich von ihrem Lager und schloss mich behutsam in die Arme. Aufatmend sog ich den vertrauten Duft von Lavendel ein. Endlich konnte ich mich entspannen. Es war immer ein Balanceakt, im Dorf zu sein, wenn Lou nicht mit mir kommen konnte. Normalerweise begleitete sie mich, aber sie hatte sich mal wieder eine Erkältung eingefangen. Dummerweise konnte ich nicht tagelang zuhause bleiben, zumal ich von dem Geld das ich verdiente, unseren Medizinvorrat aufstockte und Lebensmittel kaufte. Es gefiel mir nicht sonderlich, sie hier alleine zu lassen. „Saria! Du siehst ja schlimmer aus als ich mich fühle!“ Ich lachte leise auf. Charmant wie immer, auch wenn ihre Worte zweifellos zutrafen. Das konnte vorkommen, wenn man aus einer leicht verrückten aber liebenswürdigen Familie stammte. Zufrieden musterte ich sie. Sie war eindeutig auf dem Weg der Besserung.
    „Wie charmant, Kätzchen. Ich liebe dich auch.“ Vorsichtig drängte ich sie, sich wieder hinzulegen und bereitete einen Tee zu. Ohne Lou würde ich wahrlich einsam und verloren sein. Sie gab mir Kraft weiterzumachen und nach Wegen zu suchen, wieder zurückzukehren. Denn leider wies uns der Brunnen ab. Er schien zu merken, dass wir keine Japaner im eigentlichen Sinne waren. Ob er auch wusste, dass wir zur Hälfte Deutsche und Engländer waren? Was für eine lächerliche Frage. Fakt war doch, das unsere Suche nach einem magischen Spiegel, der uns wieder zurück in unsere Zeit bringen könnte, immer wieder im Sande verlief. Dennoch würde ich niemals aufgeben. Eine Mountaindealer gab niemals auf, besonders wenn es um ihre Familie ging. Schließlich hatte unsere Mutter Sarafina ebenfalls nie aufgegeben, zurück in ihre Welt zu kommen, nachdem sie während eines Beltaine-Fests entführt worden war.
    „Sind Kagome und Sango eigentlich wieder da?“ Leise kicherte ich und goss vorsichtig den heißen Tee in die bereitgestellten Schalen. Wie ich war Lou einfach zu neugierig. Aber vor allem war sie von Sango fasziniert. Ich konnte es verstehen und die Dämonenjägerin war wirklich eine treue Freundin. Besser sogar als Kagome. Das wiederum lag an dem großen Altersunterschied und das wir selten einen gemeinsamen Nenner fanden. Immerhin würde ich bald dreiundzwanzig Jahre alt werden. „Nein, sie jagen immer noch den Splittern hinterher. Außerdem scheint ein gewisser Naraku sich bei ihnen unbeliebt zu machen. Mal ganz davon abgesehen, das Inuyasha ab und zu sich wie eine Zicke verhält – insbesondere wenn er seinem Halbbruder begegnet. Dafür das Kagome ihn als Mistkerl beschimpft scheint sie sehr romantische Gefühle für ihn zu hegen. Ich bin gespannt wann die beiden die wahre Natur ihrer Gefühle füreinander erkennen und wie sie damit umgehen. Auch wenn der Altersunterschied hier nicht unbedingt ins Gewicht fällt.“
    „Schade. Es muss schön sein, so viel von Japan zu sehen.“ Kleine Schwärmerin. Schmunzelnd reichte ich ihr ein Schälchen. „Danke. Aber sag mal Saria, ich dachte du magst Inuyasha? Wie kommst du eigentlich darauf, das die beiden einander lieben?“ Vielsagend sah ich sie an und sie lief bis zu den Ohrenspitzen rot an. Wenig später segelte ein Kissen durch die Luft. Kichernd wich ich dem Geschoss aus. Wie so oft hatte sie die falschen Schlüsse gezogen. Ihre nächsten Worte bestätigten diese Feststellung: „Du hast sie gefragt und dafür gesorgt, das sie alles ausplaudert! Hast du sie etwa betrunken gemacht? Schwesterherz, das hätte ich nicht von dir erwartet. Aber wahrscheinlich war das die einzige Möglichkeit.“ Was hatte unsere Familie nur mit einem unschuldigen Kind angerichtet, das es so verdorben und schlecht von mir dachte? Gelassen lehnte ich mich zurück und genoß den Tee. Die Wahrheit war, das ich eigentlich über eine gute Menschenkenntnis verfügte und mir andere durchaus vertrauten. Ich musste keine Verhöre unter Alkoholeinfluss führen um zu erfahren, was ich wissen wollte, wenn ich Freunde wie Kaede, Shippo, Sango und Miroku hatte, die es liebten zu tratschen – besonders über Inuyasha und Kagome. Einfach nur herrlich!
    „Tsts, was denkst du nur wieder von mir. Als würde ich je so etwas Verwerfliches tun um meine Freunde zu verkuppeln oder die Wahrheit herauszufinden. Das habe ich nicht nötig.“ Verhalten prustete sie, ehe sie ihren Tee austrank und sich bequemer hinlegte. „Bevor du etwas in diese Richtung sagst, ich bin nicht arrogant, lediglich mit einem gesunden Selbstbewusstsein ausgestattet.“ Genau dieses Selbstbewusstsein hatte ich mir hart erkämpfen müssen und ich würde es mir nicht wieder nehmen lassen. Erst Recht nicht von kleinen Schwestern oder nörgligen Halbdämonen. Zu meiner Freude lachte sie nun offen. Leider begann sie kurz darauf wieder zu husten. Schnell schnappte ich mir den Hustensaft, den ich unter der Anleitung Kaedes zubereitet hatte und verabreichte ihr die vorgeschriebene Dosis. Solange ich mich um sie kümmerte, konnte ich meine eigenen Beschwerden sehr gut verdrängen. „Besser, Kätzchen? Hast du irgendwo noch Schmerzen?“
    „Kein Grund zur Sorge, Saria. Es geht mir definitiv besser. Aber solltest du dich nicht ein wenig hinlegen? Du bist so blass um die Nase und deine Hände zittern.“ Argh! Kleine Schwestern waren solche Nervensägen, wenn sie einen gut genug kannten um zu merken, wie es wirklich um Gemüts- und Gesundheitslage stand. Stöhnend rieb ich mir die Schläfen. Das war so unpraktisch. Außer ihr bekam es vor allem Sango mit, wenn es mir nicht gut ging und ich log, um sie zu beruhigen. „Sarafina! Bitte leg dich hin, ehe du umkippst! Himmel, wann hast du das letzte Mal vernünftig gegessen und ausreichend geschlafen! Doch hoffentlich nicht vor deinem Aufbruch vor vier Tagen, als du ins Dorf gelaufen bist um neues Leinen zu erwerben. Das ist weder gesund noch klug und sieht dir gar nicht ähnlich.“ Grummelnd löschte ich das Feuer, räumte die kleine Hütte soweit auf, dass unsere Mutter erstaunt die Augenbrauen hochziehen würde, hätte sie es gesehen ehe ich mich schlafen legte.

    Osamu POV:
    Von allen Youkai die sich ab und an in diesem Wald herumtrieben, hätte ich nicht erwartet, gerade diesen dabei zu erwischen, wie er die beiden Schwestern belauschte und in den folgenden Tagen eindringlich beobachtete. Der Herr des Westens hatte Menschen bislang verabscheut und wenn er ihnen überhaupt Beachtung schenkte. Doch er schien seine Haltung langsam zu ändern, war doch ein Menschenkind in seiner Obhut. Sein Interesse an Saria, die ich zu ihren eigenen Schutz weiterhin Ayumi nannte, war so auffällig, das selbst Jaken, der geistig etwas zurückgeblieben war, es bemerkte. Ich konnte nur hoffen, dass die Schwestern es schafften, sich aus den Kämpfen und Kriegen herauszuhalten. Vor 65 Jahren hatte es die Mutter der Mädchen nicht geschafft. Sarafina hatte ihrer ältesten Tochter zu ihrem eigenen Schutz ihren Namen gegeben, weshalb diese Reise hierher überhaupt erst möglich geworden war. Lou dagegen war eher unbeabsichtigt in diese Epoche geraten. Das Portal hätte eigentlich nur ihre Schwester hierher bringen dürfen, aber offensichtlich war es nicht schnell genug verschlossen worden. Die Schwestern hingen sehr aneinander, was sehr deutlich wurde, wenn man Zeit mit ihnen verbrachte. Dennoch war es vor allem die Ältere der beiden, die diese faszinierende Wirkung auf Mensch und Youkai ausübte. Allein deshalb würden die Dämonen Saria nicht so schnell umbringen. Lou war da ein ganz anderes Thema.
    Hoffentlich wurde sie ihr nicht zum Verhängnis. Denn die Frauen dieser Familie liebten leidenschaftlich und bedingungslos. Saria brauchte Lou viel mehr, als sie sich offen eingestand und ihre Liebe zueinander machte die Jüngere der beiden zur perfekten Zielscheibe. Naraku durfte niemals etwas von den Schwestern erfahren, insbesondere nicht von der tiefen Verbundenheit zwischen ihnen. Er würde sie nur gegeneinander ausspielen. Lautlos trat ich hinter den Hunde-Youkai und wartete darauf, das er mich endlich bemerkte. Doch es schien, als würde die Faszination, die Saria auf ihn ausübte, seine Sinne trüben. Kein gutes Zeichen. „Sesshoumaru. Es ist lange her.“ Blitzschnell fuhr er herum und starrte mich überrascht an. Ich lächelte nur. Seinem Vater wäre eine solche Unaufmerksamkeit selbst dann nicht passiert, wenn es eine Frau dieser besonderen Familie gewesen war, die sein Herz stahl. Liebe machte nicht nur Menschen verwundbar. „Deine Sinne waren schon mal schärfer, alter Freund. Was ist es nur, was deine Aufmerksamkeit so sehr fordert, das du deiner Umgebung nicht mehr die nötige Beachtung schenkst? Immerhin hast du ein Menschenkind an deiner Seite, das deinen Schutz bedarf.“
    Kaum merklich erwärmte sich der Ausdruck der goldenen Augen, die auf mein Gesicht gerichtet waren. Es kam fast einem Lächeln gleich, bedachte man sein gewohntes unterkühltes Verhalten. Manche hätten ihn vielleicht als mundfaul bezeichnet, weil er so selten sprach. In Wahrheit sah er oft nicht die Notwendigkeit dazu. Oft erweckte er den Eindruck, als wäre ihm alles gleichgültig. Dummerweise kannte ich ihn seit seiner Geburt. Wäre seinen Eltern etwas zugestoßen bevor er vollmündig wurde, hätte ich mich seiner angenommen. Es war nicht dazugekommen. Seine schöne aber ebenso eiskalte Mutter lebte noch immer. Die Grausamkeit, die ihr innewohnte, hatte mich nie angezogen. Jedes Mal wenn ich ihr begegnete, versuchte sie mich zu verführen. Ich hegte kein Interesse an ihr. Sie war die Frau meines besten und bedauerlicherweise verstorbenen Freundes. Nie hatte sie verstanden, warum es mich eher zu Sarafina, Sarias Mutter, hinzog. Ihr fehlte die nötige Güte und Gnade. „Osamu.“
    Goldene Augen betrachteten mich aufmerksam und ich gestattete mir, das sich das Lächeln vertiefte und mehr Wärme bekam.
    „Ihr scheint sehr vertraut mit diesen beiden Schwestern zu sein. Wer sind sie? Sie riechen zwar wie Menschen, haben aber ein ungewöhnliches Aussehen.“ Neugierde. Wenn das nicht einmal ein Fortschritt war. Ruhig verschränkte ich die Arme vor der Brust. Ihre Mutter würde es mir nicht danken, wenn ich diesem Jungspund alles erzählte. Zumal es gerade ihre geheimnisvolle Aura war, die das Mädchen am Leben erhielt. Es wäre falsch alle Rätsel bereits jetzt aufzulösen. Auf der Wiese erklang mehrstimmiges Gelächter als Rin, Lou und Saria fröhlich Fangen spielten. In solchen Momenten schien der Schmerz und die Sehnsucht, die sich oft in den Augen der beiden Schwestern spiegelten, zu verschwinden.
    „Sie sind die Töchter einer alten Freundin, Sesshoumaru. Wenn du mehr über sie wissen willst, wirst du sie selbst fragen müssen. Ich hänge an meinem Leben. Ayana wird mich umbringen, wenn ich ohne ihre Erlaubnis etwas über ihre beiden Mädchen verrate.“
    Ein leises Knurren entrang sich dem Jungen und ich grinste wissend. Nun würde er alles daran setzen selbst die Wahrheit herauszufinden und wenn mich nicht alles täuschte währenddessen erkennen, das niemand lange mit Saria zusammenleben konnte, ohne sie zu lieben. Aber ich würde mich hüten ihn zu warnen. Nein, diese Erfahrung würde er schön selbst machen. „Ayumi ist nicht der richtige Name der jungen Frau. Ihre Schwester nennt sie Saria wenn sie unter sich sind. Ich werde herausfinden was es mit diesen beiden Sterblichen auf sich hat Osamu! Verlasst Euch darauf!“


    2
    Kapitel 2: Die Macht der Namen
    70 Jahre zuvor (Osamu):
    Zitternd sah die junge Frau auf den riesigen Krater, in dessen Mitte sie stand. Ihre aufgerissenen Augen verrieten mehr noch als das ungläubige Keuchen, das sie niemals damit gerechnet hätte, das ein Name solchen Schaden anrichten konnte. Aber wie ich sie bereits gewarnt hatte, war sie keine gewöhnliche Sterbliche. Sie trug eine alte Elfenseele in sich, auch wenn das Siegel stark genug war, um zu verhindern, das diese über sie Kontrolle gewann. Nur in den Momenten, in den sie den wahren Namen der Seele aussprach, wurde ihr verletzliches menschliches Ich gänzlich verdrängt. Genau das war eben passiert. Weder die Menschen noch die Youkai hatten das schreckliche Inferno überlebt. Denn sie hatte sowohl ihren eigenen als auch den Elfennamen in einem Atemzug genannt. Der einzige Grund, warum ich überlebt hatte, war, dass ich zum Zeitpunkt der Katastrophe mich außerhalb ihrer Reichweite aufgehalten hatte. Nun hatte ich ihre wahre Macht gesehen. Von den unglückseligen Opfern war nicht einmal Asche übrig geblieben. Vorsichtig kniete ich mich in einiger Entfernung auf den Boden und legte behutsam meine Zwillingskatanas ab. So erschüttert sie war konnte es durchaus sein, das sie mich andernfalls als Gefahr betrachtete und angriff. Von dem hilflosen kleinen Mädchen war nichts mehr übrig. Vor mir stand eine mächtige Kriegerin und Magierin. Sie war eine schreckliche Gegnerin und in ihrem gegenwärtigen Zustand unberechenbar. Während Menschen sie fürchteten und als Hexe verteufelten, wurden die Youkai unweigerlich von dieser unwiderstehlichen Kombination zerbrechlicher Schönheit und tödlicher Gefahr angezogen. Es gab kein Zurück mehr für sie. Nicht mehr. « Ayana. Sieh mich an. »
    Zögernd hob sie den Blick von ihren bebenden Händen und versuchte mich zu fokussieren. Nach einigen Anläufen gelang es ihr auch. Wenn ein Mensch eine versiegelte Seele in sich trug, konnte das Veränderungen mit sich bringen, die das Gleichgewicht der Kräfte gefährdeten. Woher ich das wusste? Ayana war nicht die Erste ihrer Art, die ihren Weg in diese Zeit fand. Sie hatte viel mit ihren Vorgängern gemeinsam und doch spürte ich, das mit jeder weiteren Generation die Kräfte anstiegen und bedrohliche Ausmaße annahmen. Ihre Kinder würden mächtiger sein als sie, sofern man rechtzeitig mit ihrer Ausbildung begann.
    « Es ist vorbei, meine Kleine. Niemand kann dir mehr wehtun. Du bist stark genug um aus eigener Kraft in deine Welt und deine Zeit zurückzukehren. » Verwirrung verdüsterte das zarte anziehende Antlitz. « Deine Träume waren seit jeher zukunftsweisend für dich. Ob es dir bewusst ist oder nicht, so weilt ein Teil deines Wesens in jener Welt, in der die uralte Seele, die du in dir trägt, geboren wurde. Diese Trennung schwächt dich auf Dauer und macht dich angreifbar. Es ist höchste Zeit, dass du dich daran erinnerst, wer du einmal warst. »
    Eine solche Trennung, wie die junge Frau vor mir es erlebte, war kräftezehrend. Das, was heute geschehen war, würde sich herumsprechen. Nirgendwo wäre sie mehr sicher. Sowohl Youkai als auch Menschen würden sie jagen und zu töten versuchen. Wenn sie wieder in Panik geriet und ihre größte Gabe einsetzte, würde es ihr Leben kosten. Sie war von dieser Epoche gezeichnet worden und ihre Macht ginge eines Tages auf ihre weiblichen Nachkommen über. Damit sich diese Visionen, mehr noch, ihr Schicksal erfüllen konnte, musste sie verschwinden, ehe die Sonne ihren höchsten Stand erreichte. Andernfalls wäre alles zu spät.
    « Dann - ist es vorbei? Ich kann nicht länger zurückkehren? »
    Ich lächelte über die Wehmut in ihrer Stimme. Sie hatte ihr Herz an die wilde Schönheit meiner Heimat verloren. Fortzugehen fiel ihr dementsprechend schwer. Langsam drehte sie sich um ihre eigene Achse, betrachtete alles noch einmal ganz genau. Von heute an würde sie zu einer Legende werden. Ihre Name nur ein Wispern im Wind, aus Furcht, sie könnte es hören und alles vernichten. « Eines Tages wirst du zurückkehren, Ayana. Bis dahin solltest du deine Zeit nutzen um zu genesen und dich mit deiner Familie zu beschäftigen. Vergiss uns nicht. »
    Tränen glitzerten an ihren langen Wimpern und sie schluckte hart. Nach einem kurzen Zögern warf sie sich in meine ausgebreiteten Arme. Liebevoll drückte ich sie an mich und lauschte dem beruhigenden Klang ihres menschlichen Herzens. Tief in meiner Seele wusste ich, das ich sie wiedersehen würde. Wie sie selbst würden auch ihre Töchter hierher kommen und einen einsamen Weg wählen müssen, um eines Tages wieder zu ihrer Familie zurückzukehren.
    Für keine von ihnen gab es eine Wahl. Denn ihnen war die >Macht der Namen< gegeben und nur mit dieser konnten sie aus eigener Kraft die Grenzen der Welten und der Zeit durchschreiten. « Das werde ich nicht! Osamu, pass bitte auf dich auf. »
    Ein letztes Mal umarmte ich sie fest, ehe ich sie schweren Herzens gehen ließ. Grüßend hob sie eine Hand ehe sie leise einen ebenso mächtigen Namen wie ihren eigenen murmelte: «Shirokièl». Gleißendes Licht und ein Wirbel aus mächtiger Energie hüllte die zierliche Gestalt ein. Das Letzte, was ich von ihr sah, ehe ich ihr fünf Jahre später begegnete und ihre älteste Tochter Saria kennenlernte, war ihr warmes liebevolles Lächeln.

    3
    Kapitel 3: Der Preis der inneren Stärke
    Sesshoumaru POV:
    Aufmerksam beobachtete ich die junge Frau, die Rins Prellungen versorgte und die Kleine dabei erfolgreich ablenkte, so dass der Schmerz nicht überwältigend war. Man merkte relativ schnell, das sie Erfahrungen im Umgang mit Kindern hatte und das Mädchen hatte mich in den vergangenen Tagen angebettelt, Ayumi und Lou mitzunehmen. Früher hätte ich nie darüber nachgedacht. Aber ich weiß auch, das Rin sich manchmal einsam fühlt und Jaken ist mehr als nur unfähig sich angemessen um sie zu kümmern. Manchmal frage ich mich, warum ich diese Kröte überhaupt noch an meiner Seite dulde. Als Beschützer eignet er sich wahrlich nicht und charakterlich ist er noch schwächer als mein unnützer Bruder. Ayumi und Lou dagegen kümmern sich wirklich liebevoll um das Kind ohne dafür irgendeine Form von Gegenleistung zu erwarten. Erstaunlich, denn die meisten Menschen die ich kenne, sind gierig, verdorben, bösartig und heuchlerisch. Doch diese beiden sind anders. Nicht nur im Wesen sondern auch im Aussehen. Sie wecken nicht nur das Interesse ihrer Mitmenschen sondern auch das von Youkai.
    Was mich jedoch wirklich erstaunte, war, dass besonders die Ältere der Schwestern sich nicht vor Youkai fürchtete. Oh, sie behandelte sie durchaus mit Respekt, aber wenn sie Angst hatte, verbarg sie diese meisterhaft. So seltsam es auch schien, sie faszinierte mich. Sie bot mir jederzeit Paroli und hatte auch keine Skrupel, mir mit schockierender Direktheit ihre Meinung zu sagen. Jaken fürchtete sich teilweise vor ihr. Allein deshalb würde es sich lohnen, sie einfach mitzunehmen. Scharf musterte ich sie. Es war alle Mal besser, die junge Frau mitzunehmen und ihre kleine Schwester in der Obhut der alten Miko zu lassen. Vielleicht würde ich so auch endlich die Antworten erhalten, die ich haben wollte. Nun galt es den richtigen Zeitpunkt abzupassen. Ich war nicht bereit, sie weiterhin in dieser Hütte zu lassen, die ihr keinen wirklichen Schutz bot. Gerade kehrte Lou aus dem Dorf zurück. Ihre Augen funkelten freudig. Misstrauisch beobachtete ich, wie sie sich den beiden näherte. Hoffentlich durchkreuzten ihre Neuigkeiten nicht meine Pläne. Es würde mir gar nicht gefallen. „Ayumi? Inuyasha und seine Freunde sind wieder da!“
    Knurrend richtete ich mich auf. Mein unnützer Bruder, der nicht einmal in der Lage war, sein Rudel anständig zu beschützen und sich nicht zwischen zwei Frauen entscheiden konnte! Nur zu gerne hätte ich ihn in der Luft zerrissen. Schließlich war seine Mutter der Grund, weshalb mein Vater meine Mutter und mich verlassen hatte. Statt dankbar für sein Youkai-Erbe zu sein, benahm er sich wie ein verzogenes Kind und plärrte, wenn ihm etwas nicht gefiel. Mehr noch, er schien sich mit Banalitäten wie Gefühlen aufhalten und bestimmen zu lassen. Es war einem halben Daiyoukai nicht würdig. Warum also hatte mein Vater mir dieses nutzlose Schwert überlassen? Es war einfach nicht gerecht. Zumal sein jüngster Sohn nicht mit seinem Geschenk umgehen konnte.
    Als ob sie das Knurren gehört hatte, wirbelte Ayumi zu mir herum und fixierte mich finster. Ihre seltsamen Augen verdunkelten sich zu einem lodernden Schwarz. Sie war sauer und ich genoß den Umstand mehr, als ich jemals zugeben würde. In solchen Momenten wie diesen zerbröckelte ihre sanftmütige ruhige Fassade und ihr wirkliches leidenschaftliches Feuer offenbarte sich mit verführerischerer Intensität. Dieses Feuer zog mich an, verlockte das Biest in mir, sie einfach zu nehmen und als Besitz zu kennzeichnen. Noch mehr reizte mich allerdings der Umstand, das sie unberührt war. Ihre Erfahrungen mit Männern waren wenig bis gar nicht vorhanden. Sie war unschuldig und es war ihre scharfe Zunge, die sie bisher vor den Zudringlichkeiten anderer Männer bewahrt hatte.
    Nur würde diese Taktik bei mir nicht funktionieren. Ich ließ mich von ihr nicht abschrecken oder auf Distanz halten. Diese Leidenschaft musste allein mir gehören, dafür würde ich sorgen. Zu ihrem Glück beherrschte sie die Gabe des Gedankenlesens nicht. Ihre Ahnungslosigkeit diesbezüglich war...rührend. Stattdessen kam sie mit großen Schritten und sehr wütend auf mich zu. Sie blieb nur wenige Armlängen von mir entfernt stehen und stemmte die Hände in ihre Hüften. Was für ein verlockender Anblick. Innerlich leckte ich mir voller Vorfreude die Lippen. Es würde eine vergnügliche Zeit werden, sie zu zähmen. Mein Entschluss sie mitzunehmen verfestigte sich. „Er ist mein Freund und Euer Bruder! Warum könnt Ihr Euch nicht einfach zurückhalten und ihn in Ruhe lassen? Niemand zwingt Euch dazu, dieselbe Luft zu atmen wie er!“
    Herrlich, wie sie sich aufregte. Ihr Duft bekam dann eine berauschende Note, die das Biest ungeduldig an seinen Ketten zerren ließ. Am liebsten hätte ich sie jetzt unter mir und würde mich tief in ihr vergraben. Sie würde die Meine werden und kein Widerstand ihrerseits konnte daran etwas ändern. Ausdruckslos blickte ich auf sie herab und genoß ihr reizvolles Temperament, das nun in schillerndsten Farben ausbrach. Da sie keine Angst vor mir hatte scheute sie sich auch nicht davor mit mir zu schimpfen. Nun, diese Leidenschaft würde in Zukunft anderen Dingen dienlich sein. Ich hatte fest vor sie so sehr zu fordern, das sie keine Kraft mehr zu Widerworten hatte. Und wenn sie mir doch Widerstand leistete, dann hinter verschlossenen Türen. Gelassen lauschte ich ihrem Wutausbruch und beobachtete, wie sie immer ruhiger wurde, je mehr Pulver sie verfeuerte. Ein bezaubernder kleiner Vulkan.
    „Nun, du könntest mich effektiv davon abhalten meinem nutzlosen Bruder die Kehle zu zerfetzen, wenn du mir einen Preis nennst, der mich mehr reizen würde.“ Die zweideutige Provokation ließ sie erröten und unweigerlich stockte ihr kurz der Atem. Mit einem leichten Lächeln stieß ich mich vom Baum ab und fing ihr starkes aber ebenso filigranes Kinn mit einer Kralle ein. Zufrieden beobachtete ich ihre vielsagende Reaktion auf diese unerwartete Nähe. Sie mochte es sich nicht eingestehen, aber sie fühlte sich zu mir hingezogen. Sehr bald würde sie mir gehören. „Ich wäre ein Handel mit dir nicht abgeneigt, kleine Wildkatze. Aber dafür müsstest du mir schon den richtigen Anreiz geben.“
    Unwillig presste sie die Lippen aufeinander und wich meinem Blick aus. Mein Lächeln vertiefte sich wissend. Oh, sie fühlte sich in Versuchung geführt, aber sie war zu störrisch, um einfach nachzugeben. Abwarten. Seitdem ich sie das erste Mal gesehen hatte gab es für sie kein Entkommen mehr. Spätestens jetzt hatte sie ihr Schicksal besiegelt. Ihre Wärme war ebenso verlockend wie ihre zierliche Gestalt. Bestimmt zog ich sie fest in meine Arme. Dorthin gehörte sie und ich war nicht bereit, sie so schnell wieder freizugeben. Ob aus Furcht oder Überraschung begann ihr Herz schneller zu schlagen und sie legte ihre kleinen filigranen Hände auf meine Brust. Versuchte vergeblich mich wegzustoßen.
    „Vergesst es! Ich bin nicht gewillt das Spielzeug von irgendjemandem zu sein, erst Recht nicht von einem Youkai, der mehr als einmal versucht hat meine Freunde umzubringen. Lasst mich endlich los!“ Erbittert versuchte sie sich zu befreien. Ruhig beobachtete ich sie dabei und bewegte mich nicht. Sie konnte es nicht mit mir aufnehmen, auch wenn ich es sie versuchen ließ. Ich würde auf die eine oder andere Weise bekommen, was ich von ihr wollte. Schließlich hielt sie frustriert inne. „Argh! Was genau wollt Ihr von mir? Es kann nicht nur Sex sein, den könntet Ihr von jeder anderen Frau haben. Also, warum ich? Zumal Ihr meinesgleichen zu verachten scheint. Rin war bisher die einzige Ausnahme.“
    Nachdenklich zeichnete ich die Kieferlinie nach, die so viel über sie verriet. Verletzlichkeit und innere Stärke in perfekter Harmonie vereint. Ich war mir nicht sicher, ob es ratsam wäre, ihr alles zu verraten. Noch schien sie zu sehr an Inuyasha und seinem hirnlose Gefolge zu hängen. Unwahrscheinlich, dass sie dann meine wahren Beweggründe glaubte. Vielmehr würde der Umgang mit dieser Plage sie überzeugen, dass ich ihr Böses wollte. Nun, ich hatte genügend Zeit zur Verfügung um ihre Meinung zu ändern. Letzten Endes war meine Geduld weitaus besser ausgeprägt als ihre. Deshalb würde ich gewinnen. Ihre Neugierde würde sie in meine Arme treiben. Ich musste nur die passende Falle aufstellen und geduldig warten. Ein Entkommen gab es für sie nicht, auch wenn sie das törichterweise zu glauben schien. „Du solltest keine Fragen stellen, wenn du für die Wahrheit nicht bereit bist. Aber in einem hast du Recht: Es geht mir bei dir nicht nur um Sex.“ Abrupt ließ ich sie los, denn der Gestank meines Halbbruders näherte sich und im Schlepptau war ihre kleine Schwester, die mein Tun die ganze Zeit misstrauisch verfolgt hatte. Allerdings war das Mädchen klug genug, sich nicht einzumischen oder den Versuch einer Rettung zu unternehmen. Wenn ich wirklich gewollt hätte und meinem Biest die Kontrolle übergäbe, wäre ich längst mit Ayumi unterwegs zu meinem Schloss. Das wäre das, was die junge Frau wahrscheinlich erwartet hatte, weshalb ich davon absah. Zumindest jetzt. Für den Moment hatte ich bekommen, was ich wollte. „Rin! Wir gehen!“ Ich wandte mich zum Gehen ohne dem Hanyou überhaupt Beachtung zu schenken und in dem Wissen, dass Rin mir sofort folgen würde. Zu meinem Ärger starrte mir Ayumi jedoch nicht hinterher, sondern ging kommentarlos zu ihrer Schwester. Nun, sie würde ihre Meinung schon noch ändern, dafür würde ich sorgen. Aber zuerst musste ich herausfinden, wer Ayana gewesen war. Immerhin schien es, als sei sie die Mutter der beiden. Offensichtlich wusste Osamu mehr, als er bereit gewesen war mir zu erzählen. Ich lächelte in mich hinein. Als ob mich dass aufhalten würde herauszufinden, was es mit den drei auf sich hatte.

    Sango POV:
    Es war beeindruckend wie schnell Ayumi Inuyasha von der Verfolgung seines Bruders abhalten konnte und ihn zurück ins Dorf hatte zerren können. Normalerweise gelang das nur Kagome wenn sie „Sitz!“ sagte. Aber vielleicht hatte sie es noch nie mit dem Argument >Er ist es nicht wert, das du ihn überhaupt beachtest< versucht. Aufmerksam beobachtete ich meine Freundin, die gerade mit einer unbewegten Miene einem erneuten Streit zwischen Kagome und Inuyasha lauschte. Sie schien in Gedanken ganz woanders zu sein. Vielleicht wirklich bei Sesshoumaru. Immerhin war sie in seinen Armen gewesen, ehe der Daiyoukai sie losließ. Bisher hatte ich sie nicht darauf angesprochen. Aber ich machte mir Sorgen um sie. Je länger wir wegblieben, desto mehr Youkai schienen sich für sie zu interessieren. Ihre Augen bekamen einen schmerzerfüllten Ausdruck und sie stand abrupt auf. Was hatte er zu ihr gesagt, das es sie so sehr verletzte? Denn es konnte keinen anderen Grund für ihren Schmerz geben. Vorsichtig folgte ich ihr und hielt Miroku mit einem Kopfschütteln ab etwas zu sagen. Ihm gegenüber würde sie sich wohl kaum offenbaren. Schweigend aber mit eiligen Schritten verließ sie das Haus und trat hinaus in die Nacht. Legte zitternd ihre Arme um sich. So stark sie normalerweise wirkte, ich wusste, dass sie unglaublich verletzlich war. Sie versuchte vor allem für ihre Schwester stark zu sein, auch wenn sie sich nicht so fühlte. Behutsam legte ich ihr eine Hand auf die Schulter. Kaum merklich zuckte sie zusammen. „Ayumi?“
    Sie wandte den Blick mir zu. Das Sternenlicht spiegelte sich in ihren Augen und ich verstand sehr wohl, warum sich selbst ein Dämon zu ihr hingezogen fühlen konnte. Auch wenn es ihr nicht bewusst zu sein schien, so war sie doch eine ungewöhnliche Schönheit. Besonders ihr Wesen zog einen in den Bann. In der Nacht wurde die Aura des Geheimnisvollen, die sie immer zu umgeben schien überwältigend stark. Ich hatte selten jemanden erlebt, der so viele widersprüchliche Seiten in sich vereinte. Nachdenklich betrachtete sie mich und strich eine kurze Haarsträhne hinter ihr Ohr. Leicht klimperten die silbernen Ohrringe bei dieser Geste. „Sango. Warum bist du nicht bei den anderen?“ Abwartend neigte sie leicht den Kopf. Ruhig trat ich neben sie und blickte wie sie zuvor in die Ferne. Für mich war sie die ältere Schwester, die ich nie hatte und ich beneidete Lou ein wenig um sie. Erstaunlicherweise stellte Ayumi die Bedürfnisse ihrer Familie und ihrer Freunde über ihre eigenen. Eine Eigenschaft, die mich genauso faszinierte wie ihre Liebe zum Leben. „Vielleicht deshalb, weil ich mir Sorgen um dich mache. Du hast kaum etwas gegessen, warst ungewöhnlich still und in dich gekehrt.“ Zögernd wandte ich mich ihr zu. „Was wollte Sesshoumaru von dir? Er hielt dich in den Armen und schien dich erst dann freigeben zu wollen, als wir in Sichtweite kamen. Hat er dich in irgendeiner Weise verletzt?“
    Sie schüttelte leicht den Kopf und rieb sich seufzend den Nacken. „Mich verletzt? Nicht mehr als jeder andere in meinem Leben. Aber er verwirrt mich mit seinem Verhalten. Ich hätte damit gerechnet, dass er mich angreift, schließlich hat er es bei euch oft genug getan und nachdem ich ihn beschimpft habe, wäre das eine logische Reaktion gewesen. Stattdessen hat er mir gegenüber zweideutige Anspielungen gemacht und mich besitzergreifend beobachtet. Jeden anderen Mann hätte mein Temperamentausbruch entweder erschreckt oder provoziert mich zu verletzen. Er spielt ein Spiel, dessen Regeln ich nicht kenne und auch nicht kennen will. Anscheinend will er mehr als nur Sex von mir.“
    Überrascht betrachtete ich sie. Mit einer derartigen Offenbarung hatte ich wahrlich nicht gerechnet. Bisher war Sesshoumaru ein eiskalter Bastard gewesen, der versuchte, uns zu töten. Mehr als einmal wäre es ihm fast gelungen. Bis auf Rin mochte er keine Menschen. Umso verständlicher war Ayumis Verwirrung in Bezug auf ihn. Außerdem kannte ich ihr leidenschaftliches Temperament zur Genüge. Sowohl Inuyasha als auch Miroku hatten sich die eine oder andere Ohrfeige eingefangen, wenn sie aus ihrer Sicht über die Stränge schlugen. Sie besaß eine höllische Kraft, wenn man sie zu sehr provozierte. Was wohl auch der Grund für ihre eiserne Selbstbeherrschung war. Aber was wollte der Daiyoukai von meiner Freundin? Was war nur dieses rätselhafte Mehr? Mir würde so eine Begegnung auch den Appetit verderben und mich lange beschäftigen. Ihre Miene gab nichts von ihren Gedanken preis, eine Fähigkeit, um die ich sie beneidete. Diese Selbstbeherrschung, die sie an den Tag legte, war beeindruckend. Wie konnte sie nur so ruhig sein? Statt zu toben, wurde sie immer stiller und zurückhaltender. Ein wiederkehrendes Muster, wenn man Lou glauben konnte. Ayumi machte die Sachen mit sich selbst aus. Ganz selten suchte sie den Rat anderer. Sie war eine Einzelgängerin, aber nicht von Natur aus. Irgendetwas in der Vergangenheit hatte sie gelehrt, niemandem wirklich zu vertrauen. Selbst mit Lou, die ihr näherstand als sonst jemanden besprach sie nicht alles. Sie hatte Angst davor sich gänzlich zu öffnen und ihre Verletzlichkeit zu zeigen. „Hast du eine Vermutung, was dieses >mehr< sein könnte? Hat er irgendwelche Andeutungen diesbezüglich gemacht?“
    Ein verächtliches Lächeln kräuselte ihre Lippen und ein harter Glanz, der mich erschreckte, trat in ihre Augen, die bei den gegenwärtigen Lichtverhältnissen pechschwarz wirkten. „Oh ja. Er schien geradezu begierig auf einen Handel mit mir zu sein. Wenn es nur Sex wäre, denn er wollte, könnte ich ihn einfach vergessen und diese unselige Geschichte verdrängen. Dummerweise scheint er ein echtes Interesse an mir als Person zu haben und damit habe ich ein Problem. Ich lasse niemanden außer Lou wirklich an mich heran und ich vertraue Sesshoumaru nicht. Er ist ein kaltblütiger Spieler und hat keine Skrupel wenn es ums Töten geht. Ich werde für eine Weile auf Reisen gehen um ihm nicht hier zu begegnen. Denn er wird zurückkehren und ich befürchte, dass er mich dann gegen meinen Willen mitnimmt.“
    „Warum vertraust du niemanden? Selbst bei Lou bist du nicht gänzlich offen. Was ist in der Vergangenheit passiert, das du dich verschließt?“
    Gespannt wartete ich auf ihre Antwort. Sie seufzte und verschränkte die Arme vor der Brust. Starrte mit zusammengepressten Lippen in die Ferne. Als sie schließlich ihr Schweigen brach, war ihre Stimme emotionslos. „Menschen sind grausam, wenn jemand anders ist als sie und sie selbst nicht über die nötige Reife verfügen, diese Person trotzdem zu akzeptieren. Sie haben mich einmal soweit gebrochen, dass ich fast freiwillig mein Leben beendet hätte. Letzten Endes waren es meine Sturheit und mein Widerwillen ihnen weiterhin diese Macht zuzugestehen, die mich gerettet haben. Niemals wieder werde ich jemanden so viel Macht geben, dass er mich dazu bringt, aus lauter Verzweiflung Selbstmord begehen zu wollen. Es gibt Menschen, die mich gerade deshalb lieben, weil ich anders bin.“ Langsam drehte sie sich zum Haus um. „Es hat mich Jahre gekostet, meine Seele zumindest ansatzweise zu heilen und wieder an Selbstbewusstsein zu gewinnen. Das werde ich mir nie wieder nehmen lassen. Ich bin anders als alle anderen und stolz darauf. Wenn das bedeutet, dass ich einsam meinen eigenen Weg gehen muss, dann soll es so sein. Denn mit Einsamkeit kann ich umgehen. Ich fürchte den Tod nicht, Sango. Ich fürchte das Leben und was es aus mir macht.“ Entsetzt starrte ich ihr hinterher, als sie wieder zu den anderen zurückkehrte. Was hatte man ihr angetan, dass sie dermaßen zerbrochen war? So wie ich sie einschätzte, musste viel passieren, damit sie mit Selbstmordgedanken liebäugelte. Dass sie es doch noch geschafft hatte, aus diesem schrecklichen Tief aufzutauchen und wieder an Stärke zu gewinnen sagte einiges über ihren Charakter aus. Sie mochte mittlerweile wieder lachen, aber ich schätzte, dass die Narben, die sie aus dieser Vergangenheit davongetragen hatten, sie daran hinderte, anderen vollständig zu vertrauen. Wahrscheinlich hatte sie sich für die Einsamkeit bewusst entschieden, weil diese sie davor beschützte, erneut so tief verletzt zu werden. Auch wenn dieser Schutz trügerisch und gefährlich war. Ich konnte verstehen, warum sie niemanden an sich heranließ. Sie versteckte sich hinter verschiedenen Masken, hatte gelernt zu schauspielern um zu überleben. Die ganze Zeit Stärke zu zeigen musste ihr viel Kraft abverlangen. Wer stand ihr bei, wenn sie zusammenbrach, weil sie zu lange stark war? Ließ sie überhaupt jemanden in solchen Momenten an sich heran? Unwahrscheinlich, dafür war sie zu sehr auf Unabhängigkeit und Distanz bedacht. Höchstens Lou hätte eine Chance.

    4
    Kapitel 4: Spuren der Vergangenheit

    Der kleine Schrein war so unauffällig, das jeder Reisende wohl vorbeigegangen wäre ohne ihn zu bemerken. Es sei denn, der Betreffende kannte sein Geheimnis. Shirokiél betrachtete ihn nachdenklich und seufzte leise. Hätte Sarafina Ayana sich nach der Geburt ihrer erstgeborenen Tochter nicht entschieden, dieser Welt endgültig den Rücken zu kehren, sobald sie Vorkehrungen zu Sarias Schutz getroffen hatte, befände er sich selbst jetzt nicht in dieser unangenehmen Situation. Irgendwie musste er den Schrein und das Gefäß ihrer Macht zerstören, ehe beides in die Hände eines Youkais oder eines Menschen fiel. Allerdings wäre es besser gewesen, wenn die junge Frau, die seit zwei Jahren hier lebte, an seiner Seite war. Denn dann hätte die Macht sich einfach in ihrer rechtmäßigen Erbin festsetzen können. Normalerweise hätte er darauf gewartet, dass sie durch Osamus Leitung den Weg hierher fand, aber lief ihm die Zeit weg. Naraku hatte bereits von Saria erfahren und die Suche nach ihr eingeleitet. Folglich würde er sich auch auf die Suche nach ihrer Familie machen und unweigerlich auf den Namen Ayana stoßen, der ihn zwangsläufig hierher führen musste. Ayana hatte mit Osamus und seiner, Shirokiéls, Hilfe ihren Tod glaubhaft vorgetäuscht. Dieser Schrein trug ihren Namen. Sarias Leben schwebte in größerer Gefahr als sie ahnte, denn sobald sie dreiundzwanzig wurde, erwachte ihre Kraft. Schon jetzt spürte er die Veränderungen im Energiegefüge und den steten Anstieg von kleinen Machtschüben. Es würde nicht mehr lange dauern und die junge Frau würde zu dem werden, was sie war. Eine Magierin, die Worte wie eine Waffe benutzen konnte. Nur war sie im Unterschied zu ihrer Mutter völlig unwissend was ihr Erbe anging. Shirokiél hoffte, dass Osamu sein Versprechen hielt und ihr rechtzeitig alles verriet. Ansonsten könnte ihr Grab hier in der Vergangenheit liegen. Beunruhigt erinnerte er sich an Sarafinas Gesichtsausdruck als sie erfahren hatte, dass ihre älteste Tochter dieselbe Macht in sich trug wie sie einst. Sie wusste, dass sie Saria nur dann wiedersehen würde, wenn diese ihre tödlichste Gabe beherrschte und ihr Schicksal akzeptierte. Im Augenblick war die junge Frau von diesem Zustand allerdings weit entfernt. Solange sie nicht lernte, ihre Macht und die uralte Kraft ihrer Seele abzuschirmen, würden die Youkai sie überall aufspüren können. Es war gefährlich sie ohne einen Beschützer in Japan herumstreunen zu lassen. Nicht einmal der Hanyou, mit dem sie sich angefreundet hatte, würde sie vor dem Unheil bewahren können, sobald ihre Macht gänzlich erwachte. Osamu durfte sie nicht aus den Augen verlieren. Andernfalls könnte es ihr Tod bedeuten.
    Die Menschen mochten Ayana vergessen haben. Die Dämonen nicht. Eine solche Macht hinterließ Spuren. Sie weckte Neid, Begierde, Furcht, Hass und Zorn. Saria würde höllisch aufpassen müssen, wem sie vertraute.
    Ayana hatte damals den Fehler begangen, sich zu verlieben.
    Es wäre beinahe ihr Ende gewesen. Schon damals waren die Zeiten für eine Magierin, deren tödlichste Macht Worte und Namen waren, gefährlich. Und nun, knapp fünfundsechzig Jahre später, war die gegenwärtige Erbin hier. Schlimmer noch, inmitten eines Krieges zwischen Youkai und Menschen, sowie die elendigen Kämpfe um die Juwelensplitter. Es würde sich als Herausforderung herausstellen, Saria am Leben zu erhalten. Besonders dann, wenn die Wahrheit ans Licht kam von wem sie abstammte. Ihre Mutter hatte ihr wahrlich ein schweres Erbe hinterlassen. Es spielte keine Rolle, das Saria unschuldig an diesem Massaker war und als unschuldiges Kind keinen Anteil an den Taten der ehemaligen Söldnerin hatte. Jeder, der auf Rache aus war, würde einen Grund und einen Weg finden, ihr das Leben zur Hölle zu machen. Es gab kein Entkommen, es sei denn, sie lernte innerhalb weniger Stunden ihre Macht perfekt kontrolliert einzusetzen und abzuschirmen. Das wäre ein Wunder und von denen wurde leider keines dieser besonderen Familie zuteil.
    Vorsichtig zeichnete Shirokiél den japanischen Namen ihrer Mutter nach. Er war so treffend gewählt worden. Genau das Gleiche bei Saria, die als Ayumi durch Japan zog. Während die ältere Sarafina eine grausame und tödliche Kämpferin gewesen war, die damals praktisch nur dafür gelebt und als Söldnerin sich teilweise verdingt hatte, ging ihre Tochter ihren eigenen Weg, wobei sie die Einsamkeit und Stille auch zu schätzen lernte. Die eiserne Willensstärke hatte sich die junge Frau über Jahre hinweg angeeignet, sie war es auch, die sie bisher am Leben erhielt. Mochte sie auch zerbrechlich wirken und einen schwächeren Körper als ihre Mutter besitzen, so war ihr Verstand umso tödlicher, wenn sie ihn dafür einsetzte. Nein, Saria gehörte nicht zu den Menschen, die über ihre Grenzen hinaus gereizt werden durfte. Denn wenn sie wirklich explodierte gab es Verletzte. Diese Lektion hatte sie zweifellos schon einmal gelernt und deshalb bemühte sie sich, ihre leidenschaftlichen Gefühle zu unterdrücken. Dass es ihr gelang das Feuer tief in ihrer Seele zu verschließen sagte viel über sie aus. Dennoch blieb es abzuwarten, wie viel von ihrer Kontrolle das Erwachen der Kraft überlebte.
    Er konnte nur hoffen, das er rechtzeitig die verheerenden Spuren der Vergangenheit soweit verschwinden ließ und das Ungleichgewicht bereinigt hatte. Saria war wirklich nicht um ihr Erbe zu beneiden. Bald musste er Kontakt mit ihr aufnehmen. Je eher desto besser.
    Gelassen griff er nach seiner ureigenen Macht und bündelte die Energie um das Gefäß im Schrein restlos zu zerstören. Die Schutzzauber zerbrachen unter dem Angriff. Ein letztes Mal loderte die Magie von Sarias Mutter wie ein Leuchtfeuer auf, ehe sie restlos vernichtet wurde. Dennoch wusste er, dass jedes halbwegs magiebegabtes Wesen die Erschütterung im Energiegefüge wahrgenommen hatte. Erst als nichts mehr an den Schrein erinnerte, verschwand er so lautlos wie er gekommen war.

    Sarias POV:
    Mit einem Keuchen fuhr ich aus dem Schlaf auf. Verwirrt erkannte ich die vertrauten Umrisse der Hütte, die Lou und mir als Zuhause diente. Seltsam. Ich hätte schwören können, das ich vor wenigen Augenblicken ganz woanders gewesen war. Mehr noch, der Mann in meinem Traum war ich selbst gewesen. Aber das was ich gehört, gesehen und gefühlt hatte konnte doch unmöglich der Wahrheit entsprechen! Es würde bedeuten, das mein ganzes Leben auf Lügen basierte. Zitternd setzte ich mich auf und starrte zur Feuerstelle. Ich war eine Magierin, kein normaler Mensch. Mein Geburtstag war bald und ich fürchtete mich nun vor diesem Datum. Wenn es kein Traum gewesen war, würde er für mich zur Hölle werden. Ich wurde bereits jetzt von den Youkai überwacht und sie weigerten sich standhaft zu verschwinden. Einige hatten mein eher ungewöhnliches Aussehen als Beweis dafür angesehen, das ich in Wahrheit eine noch nicht erwachte Dämonin war. Dasselbe galt für Lou. Wenn ich also wie der Rest unserer Familie eine magisch begabte Person war und erst in unsere Zeit zurückkehren konnte, wenn ich meine Kräfte beherrschte, wie sollte ich dann meine kleine Schwester beschützen? Naraku hatte scheinbar von meiner Existenz erfahren und von meinen Freunden wusste ich genug über ihn um zu erkennen, dass er Lou gegen mich ausspielen würde. Die Kleine war mein einziger wirklicher Schwachpunkt. Neben mir erklang ein leises Rascheln, dann schlangen sich zwei Arme um meine Taille.
    „Schsch. Weshalb weinst du, Schwester?“ Oh. Vorsichtig berührte ich meine Wangen und sog scharf die Luft ein. Tränen, ein Zeichen von Schwäche, Schmerz, Freude, Erschöpfung oder wie in diesem Fall von Angst. Normalerweise hatte ich mich soweit unter Kontrolle, das ich nicht weinte. Ruckartig drehte ich mich um und zog Lou fest in meine Arme. Ich könnte es nicht ertragen sie zu verlieren. Nicht jetzt. Niemals. Sie war mein Licht in der Dunkelheit, die Einzige, die mich davor bewahren konnte, mich in den Abgründen meiner Seele und meiner Einsamkeit zu verlieren. Naraku durfte sie niemals in die Finger bekommen.
    Zitternd vergrub ich die Finger in ihrer seidige Haarmähne.
    „Hey. Hattest du Albtraum?“ Wäre es nur ein Albtraum! Trocken und ebenso erschöpft lachte ich kurz auf. „Nein, viel schlimmer. Eine Vision. Lou, ich bin kein Mensch sondern eine Magierin und ich kann nur in unsere eigene Zeit zurückkehren sobald ich meine Kräfte beherrsche.“ Verwirrt blickte sie mich an. Kein Wunder, schließlich klang es nach dem größten Unsinn, den ich je von mir gegeben hatte. „Was soll das heißen? Du bist natürlich ein Mensch! Alles andere macht doch keinen Sinn, auch wenn uns die Dorfbewohner für schwächere, nette und sanftmütige Hanyou-Frauen halten. Wir besitzen nicht die typischen Merkmale von Youkai und ich habe dich mein ganzes Leben lang kein einziges Mal Magie benutzen sehen. Du hast nur sehr lebhaft und kreativ geträumt. Bei dem, was du momentan um die Ohren hast, ist es doch nur natürlich, das dein Unterbewusstsein irgendwelche fantastischen Elemente verschmilzt und als seltsame Erklärung für alles präsentiert. Wir sind beide ganz normale Menschen ohne einen Funken Magie. Alles andere wäre Unsinn.“
    Ihre Worte wirkten zwar logisch und normalerweise hätte ich ihr auch beigepflichtet, aber da waren so viele Details und Erinnerungen, die ich ihr verschwiegen hatte, weil sie mit reinem Verstand nicht erklärbar waren. Bilder von meiner Mutter, die vor dem Spiegel stand und mit einer Frau aus diesem sprach, die ihr bis auf die Augen überhaupt nicht ähnelte. Jedes Mal, wenn sie sich irgendwo gespiegelt hatte außer in den Augen anderer, hatte ihr Spiegelbild anders ausgesehen. Exotisch. Fremdartig. Faszinierend. Magisch. Aber da niemand außer mir diese Dinge wahrzunehmen schien, hatte ich nie darüber gesprochen. Allein Lous Reaktion bewies doch, das sie mir nicht glauben würde.
    „Wahrscheinlich hast du Recht und ich leide einfach unter zu viel Stress, seitdem Sesshoumaru wieder aufgetaucht ist. Da wir gerade über Youkai sprechen: ich möchte das du mich morgen ins Dorf begleitest, damit sich Kaede deiner annehmen kann.“ Ich würde bald aufbrechen müssen, wenn ich fort sein wollte, bevor der nervtötende Daiyoukai aufkreuzte. „Deine Erkältung ist trotz meiner Behandlung nicht zurückgegangen und ich kann es nicht riskieren, dich tagelang hier alleine zu lassen. Keine Diskussion.“ Sie gab nur zustimmende Geräusche von sich, ehe sie mich drängte, noch ein wenig zu schlafen. Aber das konnte ich nicht, auch wenn ich so tat als ob. Es war kein Traum gewesen und wer auch immer der seltsame Mann gewesen war, er hatte eine Schlüsselrolle in meinem Schicksal. Er war nur eine der Personen, mit denen ich sprechen musste ehe mein Geburtstag kam. Hoffentlich befand sich Osamu in der Nähe. Ich wollte endlich Antworten auf meine Fragen und er kannte sie anscheinend.

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